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Aus dem oben erw¨ahnten Modell ergeben sich Therapieans¨atze f ¨ur den Morbus Par-kinson. Diese werden hier kurz dargestellt. Wie bereits erw¨ahnt sind L-Dopa und Do-paminagonisten der Goldstandart in der Therapie des Morbus Parkinson. L-Dopa wird mit einem Decarboxylase-Inhibitor kombiniert und ist bis heute die effektivste Therapie des IPS [71, 156]. Bei Auftreten von Wirkfluktuationen kann L-Dopa weiterhin mit In-hibitoren der Catechol-O-Methyltransferase (COMT) kombiniert werden. Dadurch wird der Abbau von L-Dopa verringert, die Konzentration im Blutkreislauf erh ¨oht und ein stabiler Wirkspiegel erreicht [27]. Folglich kann die Dopamindosis bei gleichbleibender Wirksamkeit verringert werden [44]. Aufgrund der dopaminduzierten Dyskinesien, ei-ne h¨aufige Langzeitei-nebenwirkung, wird nicht jeder Parkinsonpatient initial mit L-Dopa behandelt. Patienten unter 70 oder nicht multimorbide Patienten, werden initial mit Do-paminagonisten behandelt. DoDo-paminagonisten werden in ergote- und non-ergote Ago-nisten unterteilt. Zu den ergoten geh ¨oren Bromocriptin, Pergolid, Cabergolin, Lisurid undα-Dihydroergotrcriptin. Die Non-ergoten sind Piribidil, Pramipexol, Ropinirol, Ro-tigotin und Apomorphin. Als first-line Medikamente werden die non-ergoten Agonisten benutzt, da bei den ergoten Agonisten, besonders Pregolid und Cabergolin, pleuropulmo-nale, retropulmonale und Herzklappenfibrosen auftreten k ¨onnen. Die fr ¨uhe Behandlung mit Dopaminagonisten hat zum Vorteil, dass das Ausmaß der L-Dopa induzierten Ne-benwirkungen in den ersten Jahren geringer ist, als bei initialer L-Dopa-Monotherapie [184]. Bei ungen ¨ugendem Effekt einer Monotherapie mit Dopaminagonisten oder Unver-tr¨aglichkeit in notwendiger Dosierung ist eine Kombination mit L-Dopa m ¨oglich [67]. In fr ¨uhen Phasen der Erkrankung k ¨onnen MAO-B Hemmer, wie Rasagilin, als Monotherapie eingesetzt werden [44]. F ¨ur Rasagilin wird in geringen Konzentrationen ein neuropro-tektiver Effekt diskutiert [186]. Aufgrund einer Verringerung der Dopaminrezeptoren in fortgeschritten Stadien l¨asst die Wirkung von Dopamin und auch der Agonisten zusehens nach. Folglich wird die Dosis der Medikamente weiter gesteigert und die Zeitintervalle der L-Dopagabe werden weiter verk ¨urzt. Im Verlauf werden die Wirkungen von L-Dopa schlechter kontrollierbar. Es kommt zum Wearing-OFF-Ph¨anomen, zu ON-OFF Wirk-fluktuationen und durch die erh ¨ohten Dosierungen vermehrt zu Dyskinesien. In den sp¨aten Phasen der Erkrankung werden Apomorphinpumpen, Duodopapumpen und die Tiefe Hirnstimulation zur Therapie eingesetzt. Die Apomorphinpumpen erlauben eine subkutane kontinuierliche Gabe des Dopaminagonisten Apomorphin und damit eine gute Kontrolle von Nebenwirkungen, die durch Fluktuationen des Plasmaspiegels bei oraler Aufnahme der Medikamente bedingt sind [55]. Das selbe Prinzip wird ¨uber die Duodopapumpen erreicht. Nur wird hier L-Dopa und Carbidopa kontinuierlich ¨uber eine perkutan-endoskopisch-jejunale Sonde in die dopaminresorbierende Region des Je-junums appliziert [12]. Als weitere Option hat sich die THS durchgesetzt. Als Zielort wird bevorzugt der Nucleus subthalamicus und in selteneren F¨allen der Globus palli-dus pars internus und Nucleus ventralis intermedius thalami stimuliert [67]. Die THS ist eine Hochfrequenzstimulation, die lokal die neuronale Aktivit¨at inhibiert und den

Vorteil besitzt reversibel und an die Patientenbed ¨urfnisse anpassbar zu sein. Aufgrund dieser Vorteile konnten chirurgisch stereotaktische Hirnl¨asionen in der Behandlung er-setzt werden. Die THS wird eingeer-setzt, wenn Patienten im fortgeschritten Stadium ver-mehrt Wirkfluktuationen, sowie medikamenten-induzierte Nebenwirkungen zeigen [51, 67]. Die OFF-Symptome werden mit THS verbessert und die Dosis der dopaminergen Medikation wird in vielen F¨allen erheblich reduziert, wodurch die medikament ¨osen Ne-benwirkungen ebenfalls reduziert werden k ¨onnen [183].

Die Einschr¨ankungen der Motorik bei Morbus Parkinson lassen sich anhand der Kar-dinalysmptome beobachten und ¨außern sich besonders am Gangbild. Der typische Par-kinsonpatient schreitet langsam mit leicht vorgebeugter Haltung, kleinen Schritten voran und dies mit geringeren Winkelmaß in allen Gelenken [65, 64, 69, 124, 168, 226]. Die Schrittkadenz (Frequenz) ist erh ¨oht [167] und es gibt Schwierigkeiten in der zeitlichen Koordination der Schritte, sprich eine Zunahme der Schrittzeitvariabilit¨at [103]. Dabei f¨allt das verminderte Mitschwingen der Arme auf. Da eine K ¨orperseite h¨aufig schwerer betroffen ist, schwingt ein Arm weniger mit als der Andere. Ebenfalls treten gelegentlich komplette Motorblockaden des Ganges auf. Diese werden als Freezing of Gait (FOG) bezeichnet, was ¨ubersetzt das Festfrieren des Ganges bedeutet. FOG ist ein h¨aufiges Symptom bei Parkinsonpatienten [25, 70, 91, 92, 198]. FOG ist trotz Jahrzehnten der Par-kinsonforschung ein unverstandenes Symptom. Die vorliegende Arbeit befasst sich mit diesem komplexen Krankheitszeichen. Patienten mit Morbus Parkinson und FOG werden in dieser Arbeit zur Vereinfachung als Freezer bezeichnet.

2.1 Das physiologische Gangbild

Zuerst muss zum weiteren Verst¨andnis der physiologische Gang beleuchtet werden. Der menschliche Gang ist ein komplexer Vorgang. Dies soll mit ein paar Beispielen verdeut-licht werden. Jeder Fuß befindet sich w¨ahrend der Schwingphase des Gehens ein bis zwei Zentimeter ¨uber dem Boden und dies mit einer Abweichung von wenigen Millimetern [262]. Bei der hohen Anzahl an Schritten, welche wir jeden Tag durchf ¨uhren, ist dies

¨uberraschend genau. Jeder Schritt muss individuell an die Umgebung angepasst werden, um kleine Unebenheiten auszugleichen und so Stolpern und St ¨urze zu vermeiden. Trotz-dem ist der menschliche Gang aus energetischer Sicht effizient [3, 203]. Solange der Gang tadellos funktioniert, l¨auft die Regulation des Gehens ohne dass wir bewusst dar ¨uber nachdenken. Trotzdem ist eine Vielzahl von Muskeln und neuronalen Netzwerken in der Regulation jedes Schrittes involviert, z. B. Netzwerke der Aufmerksamkeit, exekutiven Funktion und Kognition [268]. Diese neuronalen Korrelationen des menschlichen Gan-ges wurden in zahlreichen Studien untersucht. Da der menschliche Gang an sich nicht direkt in bildgebenden Verfahren untersucht werden kann [145], mussten andere Wege bestritten werden. So wurde Bildgebung in Ruhebedingung durchgef ¨uhrt, um die neu-ronalen Netzwerke zwischen Freezern, Nicht-Freezern und Gesunden zu untersuchen.

Ebenfalls kann Bildgebung hilfreich sein, bei welcher sich die Patienten das Gehen nur

vorstellen (aus den Englischen: motor imagery (MI)) oder die Bildgebung direkt nach einer Gangtestung durchgef ¨uhrt wird. Dies ist m ¨oglich, da sich die selben neuronalen Netzwerke w¨ahrend des Gehens und w¨ahrend der MI aktivieren und es hier nur geringe Abweichungen der neuronalen Aktivit¨at vom realen Gang gibt [196, 45, 81, 157, 158].

Mit diesen Verfahren und mit den Ergebnissen aus Tierversuchen, wie der dezerebrie-ten Katze, konnte das Gangnetzwerk zu Großteilen identifiziert werden. Zum besseren Verst¨andnis der zerebralen Ver¨anderungen bei FOG soll das Gangnetzwerk nun zuerst im Gesunden erl¨autert werden. Diese Darstellung kann sich leider nur auf einen groben Uberblick der neuronalen Gangregulation beschr¨anken, da dieses Thema im Detail ganze¨ B¨ande f ¨ullen k ¨onnte.

Die Kontrolle des Ganges involviert das gesamte muskuloskelettale und neuronale System. Die Bewegungsinitiierung geschieht durch mindestens zwei Zust¨ande, einer willk ¨urlichen bewussten Motivation, deren Ursprung im frontalen Kortex liegt und [231]

einer emotionalen Motivation, welche ihren Ursprung im limbisch-hypothalamischen System hat [232]. Ein Beispiel dieser emotionalen Motivation w¨are die sympathische Kampf-, Flucht- oder Angstreaktion [232]. Diese Bewegungsmotivation wird darauff ol-gend in unbewussten automatischen Prozessen in Bewegungsprogrammen zur Rhyth-musgenerierung und posturalen Stabilit¨at ausformuliert. Ebenfalls wird dieser Bewe-gungsplan st¨andig an die Realit¨at angepasst. In den Basalganglien, im zerebralen Kortex und im Kleinhirn werden porpriozeptive, epikritische, vestibul¨are, auditive und visuelle Informationen in den Bewegungsplan eingearbeitet und durch kontinuierliches Feedback weiter angepasst [232]. Unabh¨angig vom Motivationsmodus werden diese Informatio-nen an den Hirnstamm und das R ¨uckenmark weitergeleitet und dort in spezialisierten Zentren verarbeitet [233]. Der Hirnstamm, besonders das mesopontine Tegmentum, in-tegriert die Information willk ¨urlicher Bewegungen, emotionaler Bewegungen und die regulatorischen Einfl ¨usse der Basalganglien und des Cerebellums [231]. Damit spielt diese Region eine Schl ¨usselrolle in der Selektion und Integration in der Bewegungspla-nung [232]. Letztendlich kommt es auf Ebene des Hirnstammes und im R ¨uckenmark zur rhythmischen Aktivierung von neuronalen Netzwerken, welche ausgekl ¨ugelte Program-me zur agonistischen und antagonistischen Muskelaktivierung initiieren. Die Bewegung wird ausgef ¨uhrt und w¨ahrenddessen durch neuronales Feedback fortlaufend kontrolliert und an die sich st¨andig ¨andernden Anforderungen angepasst.

Entgegen der bisherigen Darstellung sind die neuronalen Schaltkreise des R ¨uckenmarks in der Lage selbstst¨andige Gangbewegungen zu initiieren. Dies zeigt sich bei dekapitier-ten Katzen, welche selbstst¨andig gehen k ¨onnen oder bei menschlichen Neugeborenen, welche bereits rhythmische Gehbewegungen ausf ¨uhren. Dies geschieht in lokalen Zen-tren, dem aus dem Englischen: central pattern generator (CPG). Hierbei kommt es durch Vernetzung verschiedener Interneurone zur agonistischen und antagonistischen Aktivie-rung der großen Motorneurone auf R ¨uckenmarksebene und somit zur Koordination der Muskeln eines Beines sowie zur entgegengesetzten Aktivierung des Muskelgruppen des kontralateralen Beins. Diese Aktivit¨at ist allerdings nicht in der Lage auf ¨Anderungen

der Umgebung, wie Hindernisse, einzugehen und ben ¨otigt zur effektiven Lokomotion die Steuerung aus den erw¨ahnten supraspinalen Zentren. Hierin unterscheidet sich das Gehen von anderen nicht rhythmischen motorischen Aktivit¨aten, da diese eher supraspi-nal geplant werden. Allerdings kann aufgrund der CPGs nicht der R ¨uckschluss gezogen werden, dass das Gehen eine einfache motorische Leistung ist. Im Gegenteil bedarf es, wie oben bereits aufgef ¨uhrt, die kognitve Aufmerksamkeit und eine Reihe integrativer Prozesse bis zum Erreichen eines unfallfreien Ganges [105].