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1.5.1 Pathologie

Als Ursache des IPS wird ein progredienter neurodegenerativer Prozess angesehen, wel-chem besonders die dopaminergen Neurone in der Substantia nigra pars compacta un-terliegen. Die Symptomatik wird erst klinisch sichtbar, wenn bereits ein Großteil dieser dopaminergen Zellen verloren gegangen sind [73]. Demzufolge muss der Erkrankung ein Prodromalstadium vorausgehen. Nach Braak et al. [28] kann Morbus Parkinson neu-ropathologisch in sechs verschiedene Stadien eingeteilt werden. In den Prodromalsta-dien 1 und 2, welche durchaus schon f ¨unf Jahre vor der Diagnose beginnen k ¨onnen, kommt es zum Zelluntergang beginnend im enterischen Nervensystem, im Bulbus ol-faktorius, im Nucleus motorius des Nervus vagus und verursacht Fr ¨uhsymptome wie Riechst ¨orungen, Blasenst ¨orungen, erektile Dysfunktion und Obstipation. Diese Degene-ration setzt sich von der Medulla oblongata und von dem Bulbus olfactorius aufsteigend fort, in Gebiete wie den Locus coeruleus und den Raphekernen. Im dritten Stadium er-reicht der degenerative Prozess die Substantia nigra. Die typische Klinik der Erkrankung mit den Kardinalsymptomen beginnt, wenn ca. 70-80% der dopaminergen Neurone der Pars compacta verloren gegangen sind [73]. Ab dem vierten Stadium hat die Erkrankung das Prosencephalon eingenommen. Im f ¨unften Stadium breitet sich die Erkrankung auf den Neokortex, wie den pr¨afrontalen Kortex, aus. Sp¨atestens ab diesem Stadium sind Verschlechterungen der kognitiven Leistungen zu erwarten. Im sechsten Stadium nimmt die Degeneration die sekund¨aren, dann prim¨ar motorischen und sensorischen Areale des Neokortex ein. Die Degeneration hat sich nun aus den tiefen Hirnregionen bogenf ¨ormig

¨uber den gesamten Kortex ausgebreitet (Siehe Abbildung 1.1). In den letzten Stadien k ¨onnen sich die Patienten durch eine massive motorische und kognitive Einschr¨ankung bis hin zur v ¨olligen Pflegebed ¨urftigkeit auszeichnen [28, 107].

Die Ursache des degenerativen Prozesses beim IPS ist noch immer ungekl¨art [211].

Nach Jahrzehnten der Ursachenforschung wird heutzutage ein multikausaler Ansatz der Krankheitsentstehung angenommen, wobei genetische [209, 211, 220] und zellul¨are Fakto-ren im Zusammenspiel mit Umwelteinfl ¨ussen eine Rolle spielen k ¨onnten. Auf zellul¨arer Ebene f ¨uhrt dies zu einer St ¨orung der mitochondrialen Funktion, erh ¨ohten oxidativen Stress, einer St ¨orung des Ubiquitinsystems mit Ver¨anderungen des zytoplasmatischen Proteinabbaus und einer Reihe von weiteren Zellver¨anderungen, wie die Aggregation

Abbildung 1.1: Nerodegenerativer Prozess bei Patienten mit Morbus Parkinson

Ubersicht des neurodegenerativen Prozesses im Rahmen des Morbus Parkinson in sagittaler¨ Ebene in Anlehnung nach den Stadien nach Braak et al. [28]. Stadien 1-6 in unterschiedlicher

r ¨otlicher Schattierung - Stadium 1 in Dunkelrot - Stadium 6 in der Farbe Weiß

vonα-Synuclein, welche letztendlich den Zelluntergang bedingen [10, 43, 77, 211]. Als wichtiger Integrationsort zwischen Genetik und Umwelt k ¨onnte hierbei die epigentische Ebene sein, allerdings sind die Erkenntnisse in diesem Bereich bezogen auf den Morbus Parkinson noch unzureichend [99, 197]. Ebenfalls gibt es Hinweise, dass infekti ¨ose Agen-zien, wie Prionen in der Entstehung des Morbus Parkinson eine Rolle spielen k ¨onnten [185, 211]. Dies wird mit dem aufsteigenden Charakter der Erkrankung, wie nach Braak et al. beschrieben [28]. Hierbei beginnt die Erkrankung in den am ehesten der Umwelt exponierten Bereichen, wie im Nucleus olfactorius und intestinal im Innervationsgebiet des Nucleus nervus vagus. Hier k ¨onnte eine Infektion stattfinden. Von dort breitet sich die Erkrankung weiter ¨uber den gesamten Kortex aus. Ebenfalls zeigten Studien Hinweise auf eine den Prionen ¨ahnelnde Ausbreitung vonα-Synuclein zwischen neuronalen Zellen [185].

Neben dem Untergang dopaminerger Zellen kommt es zum Untergang anderer Neu-rotransmittersysteme, wie der Degeneration des cholinergen Nucleus basalis Meynert sowie noradrenerger und serotonerger Zellen [36, 26]. Die weit verbreitete neurona-le Degeneration und Degeneration verschiedener Neurotransmittersysteme erkl¨art die Vielzahl von nicht motorischen Symptomen, die mit Morbus Parkinson einhergehen [134, 136]. Das Vorhandensein unterschiedlicher Auspr¨agungen der Symptomatik kann durch individuelle Unterschiede im neuronalen Muster des degenerativen Prozesses er-kl¨art werden. Eine ¨altere Unterteilung der Patienten wird anhand der Auspr¨agung ihrer Symptomatik durchgef ¨uhrt. Steht der Tremor im Vordergrund ihres Leidens, werden die Patienten als tremor-dominant bezeichnet, steht die Bradykinese im Vordergrund als

akinetisch-rigide. Wenn beide Symptomatiken ebenb ¨urtig ausgepr¨agt sind, spricht man vom ¨Aquivalenztyp [119]. Nach neueren Clusteranalysen scheint eine Einteilung nach dem fr ¨uhen Krankheitsbeginn mit l¨angerem Krankheitsprogress (young-onset) oder dem sp¨aten Krankheitsbeginn mit schnellerem Progress (old-onset) sinnvoll zu sein [205, 24].

1.5.2 Das Basalganglienmodell von Albin und Delong

Albin und Delong haben die motorische Dysfunktion des Morbus Parkinson anhand eines Modells der Basalganglien verst¨andlich erkl¨art. Ihr Modell enth¨alt folgende Strukturen:

die Substantia nigra pars compacta (SNc), die Substantia nigra pars reticulata (SNr), das Striatum, den Globus pallidus pars externus (GPe), den Globus pallidus pars in-ternus (GPi), den Nucleus subthalamicus (STN), sowie die efferenten Strukturen dieses Systems, den Nucleus thalamicus, Kortex und Hirnstamm. Die kortikostriatale Afferenz des Systems ist erregend, wohin die Efferenzen, welche auf den Thalamus projizieren, von hemmender Natur sind. Dieses System l¨asst sich weiter in einen direkten und indi-rekten Weg unterteilen. Der Direkte projiziert hierbei aus der SNc in das Striatum und

¨uber den GPi weiter zu den Efferenzen. Hier wird ¨uber D1-Rezeptoren vermittelte Sti-mulation das Ausmaß der direkten Hemmung auf den GPi bestimmt (siehe Abbildung 1.2 a). Der Indirekte verl¨auft aus der SNc ¨uber den GPe, STN, GPi und die SNr zu den Efferenzen [135]. Dabei wird ¨uber inhibitorische D2-Rezeptoren das Maß der Erregung des GPi ermittelt (siehe Abbildung 1.2 b). Dieses gesamte System ist verantwortlich f ¨ur die Feinregulation von bewussten und unbewussten Bewegungen [47] (siehe Abbildung 1.2 c). Um die Komplexit¨at weiter zu erh ¨ohen erfolgt ¨uber einen hyperdirekten Weg ¨uber den Nucleus thalamicus oder direkt aus dem Kortex ein starker kognitiver bewusster Ein-fluss auf die Bewegungsintegration [83, 171] (siehe Abbildung 1.2 d). Das System wird zus¨atzlich in limbische, assoziative und motorische Subsysteme unterteilt, welche zur weiteren Integration oder Selektion der zu planenden Handlungen und Entscheidungen beisteuern.

Abbildung 1.2: Basalganglienmodell nach Albin und Delong

(a) Direkter Weg (b) Indirekter Weg

(c) Basalganglienmodell einschließlich direkter und indirekter Weg

(d) Hyperdirekter Weg

Abk ¨urzungen: Dopaminrezeptor 1 (D1), Dopaminrezeptor 2 (D2), Globus pallidus pars externus (GPe), Globus pallidus pars internus (GPi), Substantia nigra pars compacta (SNc), Substantia nigra pars reticulata (SNr), Nucleus subthalamicus (STN), modifiziert nach [47, 83, 171], blauer Pfeil Stimulation, weißer Pfeil Inhibition

Durch den Untergang der dopaminergen Neurone der Substantia nigra entsteht eine Dysregulation in diesem System, welche zu einer verst¨arkten Inhibition der gabaergen inhibitorischen Neurone auf die Efferenzen des Thalamus, Kortex und Hirnstamm f ¨uhrt (siehe Abbildung 1.3). Die Inhibition resultiert in der typischen Bradykinese. Der Patient ist in der Ausf ¨uhrung automatisierter Bewegungen gehemmt. ¨Uber den hyperdirekten Weg ist er allerdings in der Lage ¨uber bewusste kognitive Steuerung der Inhibition teil-weise entgegenzuwirken [83, 82, 171]. Aus diesem Model wird verst¨andlich, wie man durch die Zufuhr von Dopamin die motorischen Parkinsonsymptome, besonders die Bradykinese, positiv beeinflussen kann [135].

Abbildung 1.3: Basalganglienmodell bei Morbus Parkinson

Ubersicht der Ver¨anderungen nach Degeneration der SNc mit anschließendem dopaminergen¨ Defizit im Striatum und Inhibition des Thalamus [47, 135].

Des Weiteren erkl¨art dieses Modell wie anhand einer lokalen Inhibition durch l¨asionale Verfahren, wie der Tiefen Hirnstimulation im STN (aber auch anderer Kerne), eine Verbes-serung der hypokinetischen klinischen Symptome des Morbus Parkinson erreicht werden kann. Hierbei wird die ¨Uberstimulation der Ausgangskerne durch den STN reduziert und deren Aktivit¨atsniveau teilweise normalisiert. Der Tremor, ein hyperkinetisches Symptom des Morbus Parkinson, wird durch dieses Modell nicht ausreichend erkl¨art. Duval und Kollegen postulieren die Generation von rhythmischer neuronaler Aktivit¨at im Thalamus, welche durch das Cerebellum und die Basalganglien weiter moduliert wird, als m ¨ogliche Ursache des Tremors [63]. Die genaue Ursache der Kardinalsymptome des Morbus Par-kinson und die Wirkungsweise seiner Therapiem ¨oglichkeiten sind noch nicht im Detail verstanden und weiter Gegenstand intensiver Forschungsbem ¨uhungen.