• Keine Ergebnisse gefunden

4.1 (1) Das Bundes–Verfassungsgesetz (B–VG) ordnete das Pflegegeldwesen dem Bund zu (Art. 10 Abs. 1 Z 11 B–VG). Die übrigen Angelegenheiten der Pflege fielen in den allgemeinen Kompetenztatbestand der Länder nach Art. 15 B–VG. Dementspre­

chend übernahm der Bund nach der im Jahr 1993 abgeschlossenen Vereinbarung gemäß Art. 15a B–VG über gemeinsame Maßnahmen des Bundes und der Länder für pflegebedürftige Personen (Art. 15a B–VG Vereinbarung 1993)9 die Geldleistun­

gen (Pflegegeld) und die Länder stellten Sachleistungen zur Verfügung. Zur Abstim­

mung der Vorgehensweise richteten Bund und Länder einen gemeinsam beschickten Arbeitskreis Pflegevorsorge10 ein.

(2) Die Länder regelten in Sozialhilfe–, Mindestsicherungs– bzw. Heimgesetzen die Rahmenbedingungen für die einzelnen Sachleistungen (Heimunterbringung, mobile Dienste etc.). Sie betrieben in unterschiedlichem Ausmaß auch selbst Pflegeeinrich­

tungen. Teilweise delegierten sie dabei Aufgaben an Sozialhilfeverbände, eigens geschaffene Fonds oder an Gemeinden.

(3) Der Bund regelte die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Pfle­

gegeld und die sozialversicherungsrechtliche Absicherung pflegender Angehöriger (z.B. durch Pflegekarenz und Pflegeteilzeit).

(4) In mehreren Bereichen waren sowohl der Bund als auch die Länder aktiv:

• Der Bund regelte mit dem Hausbetreuungsgesetz sowie einer Änderung der Gewerbe­

ordnung im Jahr 200711 die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die 24–Stunden–

Betreuung. Er wickelte auch den überwiegenden Teil der Förderungen dafür ab. Die Finanzierung war aufgrund der Vereinbarung gemäß Art. 15a B–VG zwischen dem Bund und den Ländern über die gemeinsame Förderung der 24–Stunden–Betreuung im Verhältnis 60 zu 40 zwischen dem Bund und den Ländern geteilt.12 Unabhängig davon gewährten einzelne Länder (z.B. Niederösterreich sowie ab 2018 das Burgenland und ab 2019 Vorarlberg) eine zusätzliche Förderung für die 24–Stunden–Betreuung.

9 BGBl. 866/1993 i.d.g.F.

10 gemäß Art. 12 der Art. 15a B–VG Vereinbarung 1993 zusammengesetzt aus Vertreterinnen und Vertretern des Bundes, der Länder, des Hauptverbands der österreichischen Sozialversicherungsträger und von Interes­

senvertretungen; der Arbeitskreis hatte u.a. zur Aufgabe, Empfehlungen über gemeinsame Ziele und Grund­

sätze für die Pflegevorsorge abzugeben oder Vorschläge für ihre Weiterentwicklung zu machen.

11 beide: BGBl. I 33/2007

12 BGBl. I 59/2009 i.d.g.F.

• Der Bund regelte berufsrechtliche Vorgaben im Gesundheits– und Krankenpflege­

gesetz13, weil für Pflegedienstleistungen grundsätzlich Angehörige des gehobenen Dienstes für Gesundheits– und Krankenpflege verantwortlich waren. Eine Unterstüt­

zung dieser diplomierten Pflegefachkräfte erfolgte durch Pflegeassistentinnen und – assistenten bzw. Pflegefachassistentinnen und –assistenten. Gemäß der Art. 15a B–VG Vereinbarung über die Sozialbetreuungsberufe14 hatten die Länder die Berufe Heim­

helferinnen und –helfer, Fach–Sozialbetreuerinnen und –betreuer, Diplom–Sozialbe­

treuerinnen und –betreuer nach den gleichen Grundsätzen zu regeln. Nach PFG hatten die Länder weiters für ausreichend fachlich qualifiziertes Personal der Gesundheits–

und Krankenpflege und der Sozialbetreuungsberufe zu sorgen.

(5) Der Bund arbeitete mit den Ländern wie folgt zusammen:

a) Im Jahr 1993 erfolgte eine Abstimmung durch eine Art. 15a B–VG Vereinbarung, die grundlegende Regelungen zu einem Mindeststandard an Leistungen vorsah. Eine laufende Aktualisierung bzw. Weiterentwicklung dieser Regelungen fanden nicht statt.

b) Im Jahr 2011 richtete der Bund einen Pflegefonds zur Sicherung des Angebots der Länder und zur Harmonisierung der Pflegedienstleistungen ein.15 Die Verteilung der Mittel auf die Länder erfolgte in Form von Zweckzuschüssen, die der Bund von der Erreichung bestimmter Vorgaben (z.B. Richtversorgungsgraden) abhängig machte.

So konnte der Bund auch Themenbereiche mitgestalten, die nach der Kompetenz­

verteilung den Ländern zugeordnet waren. Eine kontinuierliche Weiterentwicklung der Regelungen gelang auch auf diesem Weg nicht.

c) Im Jahr 2017 griff der Bundesgesetzgeber durch eine Verfassungsbestimmung zur Abschaffung des Pflegeregresses in die Finanzierung der Sachleistungen ein (TZ 11).

Mehrere Länder arbeiteten an der grundlegenden Umgestaltung ihres Pflege­

systems (TZ 2). Im Rahmen eines Vorhabens der Bundesregierung (Vortrag im Minis­

terrat vom Dezember 2018, „Masterplan Pflege“) diskutierten Vertreterinnen und Vertreter des Bundes und der Länder Reformvorschläge. Dauerhaft eingerichtete Gremien zur Zusammenarbeit analog zur Gesundheit, wie z.B. Bundesgesundheits­

agentur und Bundes–Zielsteuerungskommission, bzw. verpflichtende Koordinie­

rungs– und Planungsinstrumente, wie z.B. die Strukturpläne Gesundheit, waren im Bereich der Pflege nicht eingerichtet.

13 BGBl. I 108/1997 i.d.g.F.

14 BGBl. I 55/2005 i.d.g.F.

15 BGBl. I 57/2011

Der Finanzausgleich 2017 verlängerte die Regelung um fünf Jahre bis 2021 mit einer Dotierung von insge­

samt 1.914 Mio. EUR.

(6) Der RH hatte bereits mehrfach Vereinfachungen der Zuständigkeiten und eine Verstärkung zentraler Steuerung im Bereich der Pflege angeregt, welche die Bundes–

bzw. Landesgesetzgeber teilweise auch umsetzten:

• Nach einem RH–Bericht aus dem Jahr 201016 wurde der neue Kompetenztatbestand Pflegegeldwesen geschaffen und die Zahl der über das Pflegegeld entscheidenden Stellen von mehr als 300 auf sieben reduziert.

• Ein RH–Bericht zur stationären Betreuung in Kärnten und Tirol aus dem Jahr 201117 zeigte wesentlichen Koordinationsbedarf zwischen dem Bund und den Ländern auf;

die Pflegedienstleistungsstatistik bzw. ein Richtversorgungsgrad im Zusammenhang mit der Einrichtung des Pflegefonds wurden eingeführt.

Nach erneuter Kritik des RH im Jahr 201418 an mangelnder zentraler Steuerung sah eine Novelle des PFG im Jahr 2017 u.a. einen Ausgaben– bzw. Kostendämpfungs­

pfad (TZ 9), Vorgaben für mittelfristige Planungen der Länder (TZ 15) und eine Harmonisierung einzelner Rahmenbedingungen vor. Dies betraf z.B. eine Aufnahme in stationäre Einrichtungen grundsätzlich erst ab der Pflegegeldstufe 4, die verpflich­

tende Verfügbarkeit von qualifiziertem Heimpersonal während der Nachtstunden sowie Vorgaben zu Qualitätssicherungssystemen.

4.2 Der RH wies darauf hin, dass für die Pflege sowohl bundes– als auch landesrechtli­

che Vorgaben maßgeblich waren: Während der Bund das Pflegegeld regelte, normierten die Länder die Sachleistungen. Im Berufsrecht und bei der 24–Stunden–

Betreuung legten beide Ebenen Vorgaben fest. Der Bund machte weiters im Rahmen des PFG Zweckzuschüsse von bestimmten Vorgaben abhängig und griff 2017 durch die Abschaffung des Pflegeregresses in die Sachleistungen ein. Der RH hob hervor, dass wegen der zwischen Bund und Ländern aufgeteilten Zuständigkeiten im Bereich der Pflege ein koordiniertes Vorgehen zur Steuerung erforderlich war.

Der RH stellte kritisch fest, dass dieses koordinierte Vorgehen trotz unterschiedlicher Versuche (Art. 15a B–VG Vereinbarung 1993, Zweckzuschüsse unter bestimmten Voraussetzungen) bislang nur eingeschränkt umgesetzt war und sowohl Bund als auch Länder immer wieder einseitig wesentliche Veränderungen vornahmen (zuletzt z.B. durch Abschaffung des Pflegeregresses, TZ 11).

Der RH empfahl dem Sozialministerium und den Ländern, das erforderliche zwischen Bund und Ländern koordinierte Vorgehen im Bereich der Pflege durch zur Steuerung geeignete Gremien und Instrumente, wie z.B. Finanzpläne, Bedarfs– und Entwick­

lungspläne (TZ 18), sicherzustellen.

16 „Vollzug des Pflegegeldes“ (Reihe Bund 2010/3)

17 „Altenbetreuung in Kärnten und Tirol“ (Reihe Bund 2011/2)

18 „Altenbetreuung in Kärnten und Tirol; Entwicklungen unter Berücksichtigung der Pflegereform 2011/2012“

(Reihe Bund 2014/7)

4.3 (1) Das Sozialministerium führte in seiner Stellungnahme aus, dass es einem koordi­

nierten Vorgehen im Bereich der Pflege positiv gegenüberstehe, wenngleich ein solches durch die verfassungsrechtliche Kompetenzverteilung erschwert sei. Das Sozi­

alministerium hielt fest, dass es als ersten Schritt den Arbeitskreis für Pflegevorsorge mit der Empfehlung des RH befassen wolle und sich zudem bemühen werde, geeig­

nete Steuerungsinstrumente, wie z.B. im Bereich der Zielsteuerung, zu entwickeln.

(2) Das Land Kärnten stimmte in seiner Stellungnahme der Empfehlung grundsätz­

lich zu, weil ein koordiniertes Vorgehen anhand gemeinsamer Planung bzw. Schwer­

punktsetzung vom Bund und von den Ländern die Bereitstellung vergleichbarer Leis­

tungsangebote ermögliche, was wiederum die Voraussetzung für bundesweite Vergleiche und Steuerungsmaßnahmen sei.

(3) Das Land Oberösterreich führte in seiner Stellungnahme aus, die Planung der Pflege und das Berichtswesen der Länder seien im PFG umfassend geregelt. Darüber hinausgehende Regelungen und Vorgaben durch den Bund seien nicht erforderlich und im Hinblick auf weitere Eingriffe in die Kompetenz der Länder abzulehnen. Aus fachlicher Sicht sei auch kein finanzieller oder qualitativer Mehrwert durch detail­

liertere Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern erkennbar.

(4) Das Land Salzburg merkte in seiner Stellungnahme an, dass sich die Länder bereits im Jahr 2012 zu einer Vereinheitlichung der Planungsgrundlagen bekannt hätten, ohne auf das in der Art. 15a B–VG Vereinbarung 1993 festgesetzte Recht der Länder, Bedarfs– und Entwicklungspläne (Ziele, Bereiche, Eckpunkte) selbstständig zu erarbei­

ten, zu verzichten. Dabei seien auch regionale Besonderheiten und historisch gewach­

sene Standards in den Ländern zu respektieren.

(5) Die Stadt Wien führte in ihrer Stellungnahme zur Sicherstellung eines koordinierten Vorgehens durch geeignete Gremien und Instrumente aus, sie werde sich mit den vom Fonds Soziales Wien regelmäßig erstellten Plänen, Prognosen sowie mit dem vorhande­

nen Datenmaterial in entsprechende Vorhaben einbringen. Für die vom Bund einberu­

fenen Arbeitsgruppen biete die Stadt Wien ihre Mitarbeit und Expertise an.

4.4 Der RH hob gegenüber dem Land Oberösterreich erneut die dargestellten Interdepen­

denzen zwischen den Gebietskörperschaften hervor und sah im Gegensatz zum Land Oberösterreich finanzielle und qualitative Vorteile einer stärkeren Abstimmung zwischen Bund und Ländern. Er verwies dazu z.B. auf die in diesem Bericht dargestell­

ten Abstimmungsprobleme bei der Abschaffung des Pflegeregresses (TZ 11).

Gegenüber dem Land Salzburg führte der RH aus, dass die bestehende Koordination der Planung seiner Ansicht nach nicht ausreichte, um eine abgestimmte, schlüssige Planung für das gesamte Bundesgebiet sicherzustellen. Er verwies auf seine Ausfüh­

rungen zu TZ 16 bis TZ 18 und verblieb bei seiner Empfehlung.