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Tarifsysteme der Länder

21.1 (1) Grundlage für die Vergütung der stationären Pflege und für die Zahlungsströme zwischen Heimbetreibern, Ländern und Pflegebedürftigen war die Festlegung von Tarifen. Weder die Art. 15a B–VG Vereinbarung 1993 noch das PFG oder die Landes­

gesetze enthielten Ziele oder Kriterien für die Gestaltung der Tarifsysteme für statio­

näre Pflege. Dementsprechend regelten die Länder die Tarife sehr unterschiedlich:

• Manche Länder legten die Tarife durch Vertrag fest, andere einseitig durch Verord­

nung oder in einer Förderrichtlinie.

• Manche Länder legten für jeden einzelnen Heimbetreiber oder nach Standort eigene Tarife fest, andere bildeten bestimmte Kategorien. Wieder andere regelten einheit­

liche Tarife für alle Heimbetreiber.

• Manche Länder versuchten, alle Kostenbestandteile in die von den Heimbewohne­

rinnen und –bewohnern zu zahlenden Tarife einzurechnen, andere legten insbeson­

dere für Investitionen andere Zahlungsströme (z.B. Förderungen im Anlassfall oder eine direkte Finanzierung durch Gebietskörperschaften bzw. Gemeindeverbände) fest.

• Weiters unterschied sich die Art, wie die Länder die Tarife nach dem Pflegebedarf abstuften.

Nachstehende Tabelle zeigt die Unterschiede der Tarifsysteme für Pflegeheime:

Tabelle 16: Merkmale der Tarifsysteme für Pflegeheime je Land im Jahr 2018

Land Art der Burgenland Verträge gleiche Tarife für alle Heime

(Ausnahme:

Heime mit Landesbeteiligung) alle nach Pflegegeldstufen;

Einzelvereinbarungen bei besonderem Pflegebedarf

Kärnten Verträge mehrere Tarifkategorien

(nach Heimgröße und Belegung) ohne Gemeinde umlagen

nach Pflegegeldstufen;

Zuschläge (z.B. für Blisterung von Medikamenten

oder Animation)

Niederösterreich Landes­

vorgabe

gleiche Tarife für alle Heime (Ausnahme:

Reduktion für bestimmte alte Gebäude)

Investitionskosten nur teilweise

nach Pflegegeldstufen;

Zuschlag für Hospiz und Psychiatrie;

Einzelzimmerzuschlag Oberösterreich Verträge Einzeltarife je Heim

(ggf. innerhalb der Sozialhilfeverbände einheitlich)

Investitionskosten

nur teilweise nach Pflegegeldstufen

Salzburg Verordnung mehrere Tarifkategorien (je nach Unterstützung

für Investitionen)

ohne

Abgangs deckung nach Pflegegeldstufen

Steiermark Verordnung

Verträgeund gleiche Tarife für alle Heime alle nach Pflegegeldstufen

Tirol Verträge

Einzeltarife je Heim (jedoch Versuch einer Annäherung an einen Standard­

tarif)

ohne Investitions kosten

grundsätzlich nach Pflegegeld­

stufen; jedoch einheitlich für Stufe 5 bis 7 (nicht im Pilot projekt)

Vorarlberg Verträge

grundsätzlich gleiche Tarife für alle Heime (ergänzende Förderung

nach Heimgröße)

alle

eigene Einstufung des Pflege bedarfs (abweichend von Pflegegeldeinstufung)

Wien Richtlinie Einzeltarife je Heim (nach Kostendeckung) und Sonderleistungen

Quellen: Länder

Die Tarife waren grundsätzlich zwischen den Heimbewohnerinnen und –bewohnern und dem Heimbetreiber vereinbart. Soweit eine Landesleistung wegen zu geringer Eigenmittel erforderlich war, regelte das Land durch Verordnung oder durch Verein­

barung mit Heimbetreibern, bis zu welchem Tarif eine solche Ergänzungsleistung erfolgte.

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(2) Die folgende Abbildung zeigt die Höhe der Heimtarife je Tag am Beispiel der Pfle­

gegeldstufe 4 anhand des durchschnittlichen Tarifs je Land im Jahr 2018.

Abbildung 5: Durchschnittlicher Heimtarif je Tag für Pflegegeldstufe 4 im Jahr 2018

Die durchschnittlichen Heimtarife je Land für Pflegegeldstufe 4 lagen zwischen 95,15 EUR pro Tag in Salzburg und 143,52 EUR pro Tag in Wien.

Nach Abschaffung des Pflegeregresses übernahm für die überwiegende Anzahl der Pflegebedürftigen in Pflegeheimen die öffentliche Hand einen Teil des Tarifs. Das heißt, dass die Betroffenen großteils ihre Pension und das Pflegegeld abtraten und eine allenfalls verbleibende Differenz das jeweilige Land aus dem Titel der Sozialhilfe bzw. Mindestsicherung zahlte. Für die Betroffenen war daher die Höhe des Tarifs häufig nicht entscheidend. Dies unterschied sich z.B. vom System in Deutschland, wo die Pflegebedürftigen die Unterbringung und Verpflegung überwiegend ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfe finanzierten und die Pflege überwiegend die Pfle­

geversicherung zahlte.

Pflegegeldstufe 4

Pflegegeldstufe 4; Pilotprojekt (Tirol) Tarifstufe 4 (Vorarlberg)

Tarifstufe 5 (Vorarlberg)

Pflegegeldstufe 4; allgemeine Pflege (Wien)

Pflegegeldstufe 4; Heime mit ärztlicher Rund–um–die–Uhr–Betreuung (Wien) Pflegegeldstufe 4; Betreutes Wohnen und Hausgemeinschaften (Wien) Österreichschnitt

107,64

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(3) Die folgende Abbildung zeigt die Tarifunterschiede zwischen den Heimbetreibern in den einzelnen Ländern am Beispiel der Pflegegeldstufe 4.

Abbildung 6: Spanne zwischen dem minimalen und maximalen Heimtarif je Tag für Pflegegeldstufe 4 im Jahr 2018

Während in den Ländern Burgenland, Steiermark und Vorarlberg landesweit einheit­

liche Heimtarife verrechnet wurden, lagen in den übrigen Ländern die Unterschiede zwischen den Anbietern zwischen rd. 4 EUR (Niederösterreich) und rd. 59 EUR (Wien, für allgemeine Pflege) je Tag. Wesentliche Gründe für die Abweichungen betrafen unterschiedliche Gehaltsniveaus infolge verschiedener Dienstrechte, unter­

schiedliche Investitionskosten und deren Finanzierung (Förderungen oder Eigen­

finanzierung) sowie unterschiedliche Heimgrößen bzw. Synergien zwischen mehreren Heimen eines Trägers (z.B. bei Buchhaltung oder Führung). Die Länder Tirol und Niederösterreich strebten grundsätzlich eine Vereinheitlichung der Tarife an. In Salzburg galt für den Großteil der Heime der gleiche Tarif, lediglich für einzelne private Heime mit historisch höheren Investitionskosten waren höhere Tarife vorgesehen.

Anmerkung: Für das Land Tirol sind die derzeit geltende Rechtslage und ein aktuell laufendes Pilotprojekt ausgewiesen.

Quellen: Länder; Berechnung: RH

Aufgrund der hohen Unterschiede in Wien untersuchte der RH diese näher:

• Bei Pflegeheimen für allgemeine Pflege boten in Wien 42 verschiedene Anbieter Tarife für die Pflegegeldstufe 4 von 127,41 EUR bis 186,79 EUR je Verrechnungstag an. Die vier höchsten Tarife galten für Einrichtungen des Kuratoriums Wiener Pensionisten–Wohnhäuser.

• Bei Heimen mit ärztlicher Rund–um–die–Uhr–Betreuung lagen die Tarife je Tag für die Pflegegeldstufe 4 zwischen 173,49 EUR bei einem privaten Anbieter und 247,41 EUR beim Wiener Krankenanstaltenverbund. Darüber hinaus bot die Stadt Wien auch Pflegeplätze mit speziellen Leistungen (z.B. Pflegeplätze bei Demenz, Blindheit, neurologischer Betreuung bzw. „Milieubetreuung“) zu höheren Tarifen an.

(4) Auch die Differenzierung der Tarife nach Pflegegeldstufen war je Land unterschied­

lich: Die Tarife zwischen Pflegegeldstufe 3 und 7 unterschieden sich in Oberösterreich nur um rd. 33 EUR je Tag, in Niederösterreich hingegen um rd. 93 EUR je Tag (Anhang, Tabelle C). Oberösterreich setzte einen höheren Grundtarif an und erhöhte die Tarife bei steigender Pflegegeldstufe im Wesentlichen analog zum Pflegegeld. So mussten die Bewohnerinnen und Bewohner bei Verschlechterungen ihres Zustands keine zusätz­

liche finanzielle Belastung tragen. Dadurch kam es jedoch zu Querfinanzierungen von Bewohnerinnen und Bewohnern mit niedrigeren zu jenen mit höheren Pflegegeldstu­

fen. Das Land Niederösterreich sah im Unterschied zu Oberösterreich bei relativ niedri­

gem Grundtarif höhere Steigerungen bei steigendem Pflegebedarf vor.

21.2 Der RH merkte an, dass keine österreichweit einheitlichen Vorgaben zur Tarifgestal­

tung für die stationäre Pflege bestanden und die Länder ihre Tarifmodelle nach Anbieter, erfassten Kostenbestandteilen und Pflegebedarf differenzierten.

Der RH empfahl dem Sozialministerium und den Ländern, einheitliche Grundsätze für die Tarifgestaltung festzulegen.

21.3 (1) Das Sozialministerium wies in seiner Stellungnahme auf die Wichtigkeit einer einheitlichen Tarifgestaltung hin und sagte zu, diese Thematik mit den Ländern eingehend diskutieren zu wollen.

(2) Laut Stellungnahme des Landes Kärnten setze die Festlegung von Grundsätzen für die einheitliche Tarifgestaltung sowohl einheitliche Leistungsdefinitionen als auch einheitlich geregelte Finanzierungsstrukturen voraus.

Zum durchschnittlichen Tarif in Pflegegeldstufe 4 wies das Land Kärnten darauf hin, dass bei Berücksichtigung von Zuschlägen (z.B. Blistiergebühr oder Einzelzimmer­

zuschlag sowie ab 2018 die Personalkosten von 0,5 Vollzeitäquivalenten (VZÄ) Animationspersonal je Einrichtung) noch 1,50 EUR aufzuschlagen seien und sich damit ein Tarif von 99,74 EUR pro Tag ergebe.

(3) Das Land Niederösterreich verwies auf seine Stellungnahme zu TZ 20.

(4) Das Land Oberösterreich führte in seiner Stellungnahme aus, dass die Oö. Alten–

und Pflegeheimverordnung kostendeckende Heimentgelte vorsehe. Bei der über­

wiegenden Mehrheit der Sozialhilfeverbände würden Tarife im Heimverbund gelten und seien damit innerhalb eines Bezirks weitgehend einheitlich.

(5) Das Land Salzburg wies in seiner Stellungnahme darauf hin, dass die Landesregie­

rung durch Verordnung nähere Festlegungen zum Salzburger Sozialhilfegesetz und somit auch über zu erbringende Leistungen in den Pflegeheimen und die Entgelte dafür treffen könne.

(6) Die Stadt Wien teilte in ihrer Stellungnahme mit, die vom RH empfohlene einheit­

liche Tarifgestaltung und die regelmäßige Überprüfung der Ist–Kosten durch ihr Tarifmodell zu erfüllen. Das Modell sei leistungsorientiert und im Sinne der Kosten­

wahrheit transparent gestaltet. Es ermögliche die bedarfsgerechte und auf verschiedene Leistungen und Standorte abgestimmte Finanzierung und stelle eine entsprechende Qualität der Leistungen samt erforderlicher Personalausstattung sicher. Auch der Stadtrechnungshof Wien habe zum Fördersystem des Fonds Soziales Wien im Jahr 2006 festgestellt, dass dieses die Aufrechterhaltung der Versorgungslandschaft sowie eine wirtschaftliche und sparsame Gebarung ermögliche.

Hinsichtlich der angezeigten Tarifspannen zwischen den Ländern wies die Stadt Wien darauf hin, dass der Bericht des RH keine ausreichende Differenzierung der heterogenen Leistungslandschaft in Wien enthalte. Die in Wien angebotene bedarfs­

gerechte Versorgung umfasse differenzierte Leistungen vom Betreuten Wohnen bis hin zu Einrichtungen mit ärztlicher Rund–um–die–Uhr–Betreuung, die in dieser Form in anderen Ländern nicht bestehe. Die gemeinsame Darstellung von Hausge­

meinschaften und Betreutem Wohnen sei aufgrund der unterschiedlichen Leis­

tungsinhalte nicht nachvollziehbar. Weiters gehe der RH nicht auf darüber hinausgehende Einflussfaktoren (z.B. Mietpreisindex) ein.

Der Stadtrechnungshof Wien habe die Versorgung auf Basis des Fördersystems des Fonds Soziales Wien als wirtschaftlich und sparsam beurteilt und die damals geplante und mittlerweile umgesetzte Einheitlichkeit der Tarifkalkulationsmodelle als positiv eingestuft.

21.4 Der RH entgegnete der Stadt Wien, dass er bei der Berechnung des durchschnittli­

chen Heimtarifs die unterschiedlichen Pflegeangebote berücksichtigte (Abbildung 5) bzw. sich auf Vergleiche innerhalb einzelner Leistungsarten beschränkte (Abbildung 6).

Weiters wies der RH gegenüber Wien darauf hin, dass sich seine Empfehlung auf länderübergreifend einheitliche Grundsätze der Tariffestlegung bezog. Einen Wider­

spruch zu den Feststellungen des Stadtrechnungshofes Wien aus dem Jahr 2006 konnte der RH nicht erkennen. Die gemeinsame Darstellung von Hausgemeinschaften und Betreutem Wohnen wählte der RH, da im Jahr 2017 die Anzahl der Hausgemein­

schaften mit 365 Plätzen gegenüber dem Betreuten Wohnen mit 7.210 Plätzen deut­

lich geringer war und den dargestellten gemeinsamen Tarif somit nur geringfügig beeinflusste.