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Individuelle Bedarfsfeststellung

13.1 (1) Die Entscheidung über die Gewährung von Pflegedienstleistungen, wie z.B. die Aufnahme in ein Pflegeheim, erfolgte in den Ländern durch unterschiedliche Stellen und nach unterschiedlichen Kriterien.

Tabelle 9: Organisation der Entscheidung über die Aufnahme in ein Pflegeheim und Gewährung von Sozialhilfe oder Mindestsicherung

Land Entscheidungsablauf

Burgenland Heimaufnahme durch Heimleitung, danach Entscheidung über Sozialhilfe bei der Bezirksverwaltungsbehörde

Kärnten seit 2010 stationäre Aufnahme unter Pflegegeldstufe 4 nur über ein Case– und Caremanagement des Landes; darüber Heimaufnahme durch die Heimleitung, danach Entscheidung über Sozialhilfe beim Amt der Landesregierung

Niederösterreich Antragstellung und Entscheidung bei den Bezirksverwaltungsbehörden vor Heimaufnahme (Punktesystem, Wartelisten)

Oberösterreich Koordinatorinnen und Koordinatoren für Betreuung und Pflege bei den Magistraten der Statutarstädte bzw. bei den Sozialhilfeverbänden Salzburg Heimaufnahme durch Heimleitung, danach Entscheidung über Sozialhilfe

bei der Bezirksverwaltungsbehörde

Steiermark Heimaufnahme durch Heimleitung, danach Entscheidung über Sozialhilfe bei der Bezirksverwaltungsbehörde

Tirol Heimaufnahme durch Heimleitung, danach Entscheidung über Sozialhilfe beim Amt der Landesregierung

Vorarlberg optionales Case– und Caremanagement bei Gemeinden und Sozialsprengeln in den 19 Planungsregionen; dazu „übergeordnete“ Koordination beim Land für komplexere Fälle und bei stationärer Aufnahme

Wien Entscheidung über Sozialhilfe und Heimunterbringung beim Fonds Soziales Wien, basierend auf Beurteilung durch zentrales Case– und Caremanagement

Stand: Ende 2018 Quellen: Länder

Im Wesentlichen wurde über eine Heimaufnahme in drei Grundformen entschieden:

• eine Vereinbarung zwischen Betroffenen und Heimbetreiber mit nachträglichem Antrag auf finanzielle Unterstützung,

• eine Genehmigung durch eine Behörde (z.B. Bezirksverwaltungsbehörde) vor Heimaufnahme,

• eine Entscheidung nach Beurteilung durch Sachverständige eines Case– und Care­

managements. Nur in Wien war diese Variante für alle Fälle (im Fonds Soziales Wien) umgesetzt.

Ein standardisierter, länderübergreifender Kriterienkatalog für die Erfassung des Pflegebedarfs (TZ 19) und für die Zuordnung zu den jeweils verfügbaren bedarfsge­

rechten Leistungsformen bzw. letztlich zur Heimaufnahme bestand nicht.

(2) Das PFG gab der mobilen Betreuung zu Hause den Vorrang vor einer Betreuung in stationären Einrichtungen. Die Länder sollten die Zweckzuschüsse aus dem Pfle­

gefonds vorrangig für Maßnahmen außerhalb des stationären Bereichs verwenden (§ 3 PFG). Ab 1. Jänner 2017 sah das PFG – nach Möglichkeit – eine Aufnahme von Personen in stationäre Pflege erst ab Pflegegeldstufe 4 vor.34 Je nach Ausgangssitua­

tion und Vorgehen der Länder ergaben sich dadurch Änderungen in der Belegung der Heime. In den Jahren 2014 bis 2017 erhöhte sich die durchschnittliche Pflege­

geldstufe von Personen in Pflegeheimen österreichweit von 4,30 auf 4,37 (Anhang, Tabelle H). Maßgeblich trug dazu eine Verringerung des Anteils der Personen in den Pflegegeldstufen 0 bis 2 bei, wie in der folgenden Tabelle ersichtlich ist.

Tabelle 10: Anteil der Personen mit Pflegegeldstufen 0 bis 2 in Pflegeheimen

Land 2014 2015 2016 2017 Veränderung

von 2014 bis 2017

in % in Prozent­

punkten

relative Veränderung

in %

Österreich 11,3 10,1 9,3 8,7 ­2,6 ­24

Burgenland 10,6 8,0 6,3 5,4 ­5,2 ­49

Kärnten 13,7 11,6 10,7 10,8 ­2,9 ­21

Niederösterreich 10,8 7,1 8,8 8,2 ­2,6 ­24

Oberösterreich 9,9 9,6 8,4 7,5 ­2,4 ­24

Salzburg 19,7 10,2 7,9 7,3 ­12,4 ­63

Steiermark1 11,0 12,3 10,7 9,5 ­1,5 ­14

Tirol 17,6 16,5 15,3 14,8 ­2,8 ­16

Vorarlberg 20,2 18,1 16,3 14,3 ­5,9 ­29

Wien 3,8 4,3 3,9 3,9 0,1 3

Rundungsdifferenzen möglich

1 einschließlich Kurzzeitpflege Quelle: Pflegedienstleistungsstatistik; Berechnung: RH

Österreichweit sank der Anteil der Personen in Pflegeheimen mit Pflegegeldstufen 0 bis 2 von 11,3 % im Jahr 2014 auf 8,7 % im Jahr 2017 (um rd. 2,6 Prozentpunkte).

Der stärkste Rückgang erfolgte in Salzburg von 19,7 % auf 7,3 % im selben Zeitraum.

34 Gemäß § 3a Abs. 6 PFG hatten die Länder darauf hinzuwirken, dass eine Aufnahme in stationäre Einrichtungen möglichst erst bei Vorliegen ab der Pflegegeldstufe 4 erfolgt. In allen anderen Fällen war die pflegerische Notwendigkeit oder soziale Indikation vor Aufnahme gesondert zu prüfen.

13.2 Der RH wies darauf hin, dass der Beurteilung des Pflegebedarfs eine große Bedeutung zukam. Er kritisierte, dass weder eine österreichweit standardisierte Bedarfsfeststel­

lungsmethode noch ein flächendeckendes Case– und Caremanagement für die Heim­

aufnahme entwickelt waren. Dies erschwerte aus Sicht des RH eine harmonisierte, individuelle Bedarfsfeststellung, was einerseits die Orientierung und Information der Pflegebedürftigen und andererseits die Planung der Ressourcen beeinträchtigte.

Der RH empfahl dem Sozialministerium und den Ländern, eine einheitliche Vorgangs­

weise sowie Kriterien für die Erhebung des Pflegebedarfs (z.B. durch Case– und Caremanagement) und für die Zuordnung der bedarfsgerechten Pflegedienstleis­

tungen, insbesondere die Aufnahme in Pflegeheime, zu entwickeln.

13.3 (1) Laut Stellungnahme des Sozialministeriums habe der Bund im Bundespflegegeld­

gesetz eine Definition des Pflegebedarfs vorgenommen, während die Entscheidung über die Gewährung und Zuordnung von Pflegedienstleistungen in die Zuständigkeit der Länder falle. Es obliege daher den Ländern, Kriterien für die Zuordnung der Pfle­

gedienstleistungen festzulegen. Das Sozialministerium stehe einer Harmonisierung der betreffenden Regelungen positiv gegenüber und sei bereit, hierbei eine koordi­

nierende Rolle zu übernehmen (TZ 18).

(2) Das Land Kärnten wies in seiner Stellungnahme darauf hin, dass in einem ersten Schritt der nicht mehr zeitgemäße Kriterienkatalog zur Pflegegeldeinstufung (vor allem im Hinblick auf demenziell erkrankte Personen) zu aktualisieren sei, da die bedarfsgerechten Pflegedienstleistungen mit der Pflegegeldeinstufung nicht mehr kompatibel seien. In einem weiteren Schritt erachte es die Entwicklung einer einheit­

lichen Bedarfsfeststellung und ein darauf angepasstes Case– und Caremanagement als zweckmäßig.

(3) Die Länder Niederösterreich und Oberösterreich verwiesen in ihren Stellungnahmen auf das PFG, wonach eine Aufnahme in stationäre Einrichtungen erst bei Vorliegen zumindest der Pflegegeldstufe 4 erfolgen solle bzw. ansonsten die pflegerische Notwendigkeit oder soziale Indikation gesondert zu prüfen sei.

(4) Das Land Salzburg teilte in seiner Stellungnahme mit, dass es Aufgabe der Pflegeberatung des Landes sei, Lösungen zur Abdeckung des Pflegebedarfs im beste­

henden System unter Einbeziehung der eigenen Ressourcen (inkl. Angehörigen) zu finden. Die Empfehlung, das Case– und Caremanagement bzw. die Pflegeberatung zu stärken, um zu einer zielgenaueren Steuerung zu kommen, sei Inhalt des aktuellen Koalitionsabkommens der Salzburger Landesregierung.

(5) Die Stadt Wien wies in ihrer Stellungnahme darauf hin, dass sie bereits für die Beurteilung des individuellen Pflege– und Betreuungsbedarfs ein zentrales Case­

management installiert habe.

13.4 Der RH entgegnete gegenüber den Ländern Niederösterreich und Oberösterreich, dass die durchschnittlichen Pflegegeldstufen in den Heimen trotz der gesetzlichen Regelung zur Heimaufnahme ab Pflegegeldstufe 4 sehr unterschiedlich waren.

Grund war das Fehlen einheitlicher standardisierter länderübergreifender Kriterien für die Erfassung des Pflegebedarfs und für die Zuordnung zu den jeweils verfügba­

ren bedarfsgerechten Leistungsformen bzw. letztlich zur Heimaufnahme. Er blieb daher bei seiner Empfehlung.