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Zusammenhang zwischen Metabolismus und zirkadianem System

1.2 Der Energie-Metabolismus

1.2.1 Zusammenhang zwischen Metabolismus und zirkadianem System

Durch zahlreiche Uhren in den peripheren Geweben (s. 1.1.4) werden viele metabolische Prozesse rhythmisch gesteuert. Der zentrale Taktgeber synchronisiert sein endogenes Uhrensystem primär über den exogenen Lichtrhythmus. Die peripheren Uhrensysteme hingegen werden außer von dem SCN vor allem von der Nahrungsaufnahme beeinflusst, wodurch eine effiziente Nährstoffverwertung ermöglicht wird. Der Metabolismus reagiert auf Nahrungsaufnahme mit der Regulation von transkriptionellen und enzymatischen Aktivitäten. Allerdings können – abhängig von dem Zeitpunkt der Nahrungsausnahme – die peripheren Uhren dadurch von dem SCN entkoppelt werden (54,55).

1.2.1.1 Gesundheitliche Folgen des Konfliktes zwischen verschiedenen exogenen Zeitgebern

In der modernen Gesellschaft, geprägt von einem Tageslicht-unabhängigen Sozialleben sowie etlichen Berufsgruppen mit Schichtarbeiten, entsteht ein Konflikt der Uhrensysteme.

In Industrieländern arbeiten zirka 15 bis 30 % in Schichtarbeit (58,59), beispielsweise bei der Fließbandarbeit innerhalb der Industrie. Die Schichtarbeit führt zu vermehrten nächtlichen Unfällen (60,61), insbesondere im Verkehrswesen (62). Neben den Sicherheitsaspekten werden auch die Zufriedenheit und die Lebensqualität der Schichtarbeiter negativ beeinflusst (63,64). Zudem werden bei Schichtarbeitern vermehrt Erkrankungen nachgewiesen, wie beispielsweise Schlafprobleme (65) sowie eine Erhöhung des kardiovaskulären Risikos (66). Es wurde anhand prospektiver Studien gezeigt, dass Schichtarbeit das Risiko für Übergewicht, metabolisches Syndrom und Glucose-Dysregulation erhöht. Folglich steigt auch die Wahrscheinlichkeit, an Typ 2 Diabetes Mellitus (T2DM) zu erkranken (67,68). Die Erkrankungswahrscheinlichkeit für

7 Übergewicht und T2DM korreliert mit der Dauer von Schichtarbeit (68). Über die Beeinflussung des Kohlenhydratstoffwechsels hinaus zeigten sich auch eine Beeinflussung des Fettstoffwechsels durch erhöhte Triacylglycerid- (TAG) und erniedrigte High-density lipoprotein (HDL)-Werte bei Schichtarbeitern verglichen mit Nicht-Schichtarbeitern (69).

Zusammenfassend gefährdet die Schichtarbeit Gesundheit, Arbeitssicherheit und Lebensqualität, weswegen das Verständnis der pathophysiologischen Mechanismen des Schichtdienstes aus gesundheitlichen und gesellschaftsökonomischen Aspekten äußerst relevant ist.

1.2.1.2 Entkopplung endogener Uhren durch Nahrungsaufnahme

Die Zeiten der Nahrungsaufnahme sind zwecks evolutionärer Sicherstellung von Nahrung zirkadian reguliert (70). Nachtaktive Tiere nehmen ihre Nahrung nachts und tagaktive Tiere tagsüber auf (54). Komplette Läsionen des SCN führen zu einer Aufhebung der zirkadianen Oszillation von Nahrung- und Wasseraufnahme (71,72). Auch Tierversuche mit dem gezielten Ausschalten der Uhrengene zeigten eine Aufhebung der Nahrungsrhythmen (73–75). Abhängig von der Uhrzeit der Nahrungsaufnahme kann diese zu einer Desynchronisation von endogenen physiologischen Rhythmen sowie dem externen Hell-Dunkel-Rhythmus führen. Hierbei kommt es zu einer Entkopplung der peripheren Organe, während der SCN von der Nahrungsaufnahme unbeeinflusst bleibt (54,55).

Nahrungs-induzierte Phasenverschiebungen der peripheren Uhrensysteme sind in der Leber schneller als in weniger Stoffwechsel-aktiven Geweben zu beobachten (54). In Tierversuchen wurde gezeigt, dass es durch Nahrungsaufnahme während normaler Ruhezeiten zu einer Störung der metabolischen Homöostase kommt (76–79). Dies deckt sich mit der Korrelation zwischen Schichtarbeit und metabolischen Erkrankungen (s. 1.2.1.1).

Die Störung resultiert in erhöhten Konzentrationen von Triglyceriden, Cholesterol, low density lipoproteins (LDL) und high density lipoproteins (HDL) (69,80–82). Zudem wurde teils eine gestörte Glucosetoleranz gemessen (69,83,84). Die Enzymregulationen des Fett- und des Kohlenhydratstoffwechsels wird teilweise zirkadian gesteuert (56,85) und 13 – 17 % der Metabolite des Lipidstoffwechsels zeigen zirkadiane Rhythmen (86,87). Die Veränderung der Fettkonzentrationen führt zu proinflammatorischen Reaktionen, mitochondrialer Dysbalance und Insulinresistenz (88–94). Bei gestörter Glucosetoleranz werden veränderte Glucosetransportmechanismen, veränderte intrazellulären

8 Signalwegen des Insulins und mitochondriale Dysbalance beobachtet (95,96). Des Weiteren wird die Ausschüttung verschiedene Hormone wie Insulin, Leptin, Adiponectin, Neuropeptid Y und Ghrelin durch die Entkopplung des peripheren Uhrensystems verändert (6,95,97–99). Diese Hormone werden von dem Uhrensystem reguliert und beeinflussen ihrerseits das zirkadiane System, wodurch es zu Störungen in der Appetitregulation kommt (6,99,100). Zusammenfassend führt die Entkopplung peripherer Uhren und dem SCN durch Nahrungsaufnahme zu einer hormonellen Veränderung sowie inflammatorischen Reaktionen durch Metabolite vor allem des Lipidstoffwechsels.

1.2.1.3 Einfluss des Metabolismus auf das Uhrensystem

Es gibt eine direkte Verbindung zwischen dem energetischen Zustand einer Zelle und der Uhren-vermittelten Transkription. Der zelluläre energetische Zustand wird u. a. über das Verhältnis von NAD+ zu NADPH, das sog. Redox-Potential, dargestellt. NAD+ ist ein Cofaktor des CLOCK:BMAL1-Heterodimers und beeinflusst dessen Bindung an DNA (101). Des weiteren ist silent mating type information regulation 2 homolog type 1 (SIRT1) eine NAD+-abhängige Decarboxylase, welche ihrerseits die Funktion von CLOCK/BMAL1 beeinflusst und PER2 decarboxyliert (102,103). Auch das Verhältnis von AMP zu ATP beeinflusst das Uhrensystem: Die AMP-aktivierte Protein Kinase (AMPK) kann CRY1-Proteine phosphorylieren und somit die positive Rückkopplungsschleife des zentralen TTLs verstärken (104).

Die nukleären Rezeptoren REV-ERB𝛼 und ROR𝛼 beeinflussen sowohl die Uhrengene (s. 1.1.3) als auch den Metabolismus. In dem Review von Solt et al. 2011 fassen die Autoren die metabolischen Wirkungen von REV-ERB und ROR zusammen. ROR𝛼 reguliert die Enzyme Fettsäuresynthase, Cholesterol-7𝛼-Hydroxylase und Glucose-6-Phosphatase sowie den Transkriptionsfaktor sterol regulatory element-binding protein 1c (strbp-1c). Zudem beeinflusst ROR die Konzentrationen des Plasma-Cholesterols, high density lipoproteins (HDL), verschiedener Apolipoproteine und Triglyzeride. Auch REV-ERB reguliert verschiedene Apolipoproteine sowie verschieden Enzyme der Gallensäurebiosynthese (105). Beide nukleäre Rezeptoren sind somit wichtig für den Lipidstoffwechsel. Zudem wird ROR mit der Von-Gierke-Krankheit und damit dem Kohlenhydratstoffwechsel in Verbindung gebracht (106). Der Coaktivator von nukleären Rezeptoren Peroxisome proliferator-activated receptor ɣ coactivator 1𝛼 (PPARGC-1𝛼 oder auch mit PGC-1𝛼 bezeichnet) ist eine weitere Ebene der metabolischen Regulation. PGC-1𝛼 weist eine

9 zirkadiane Expression auf (107) und reguliert durch Coaktivierung der ROR-Familie nukleärer Rezeptoren die Expression von BMAL1 und REV-ERB𝛼 (108,109). Dieser Coaktivator gilt als wichtige Verbindung zwischen dem zirkadianen Uhrensystem und dem Metabolismus (107). Sowohl in PGC-1𝛼-defizienten Fibroblasten als auch in Mäusen mit einer Leber-spezifischen Deletion von PGC-1𝛼 wurde gezeigt, dass PGC-1𝛼 für eine zell-autonome Uhrenfunktion notwendig ist. Mäuse mit fehlendem PGC-1𝛼 zeigten abnormale Aktivitätsrhythmen, veränderte Körpertemperaturprofile sowie eine Beeinflussung des metabolischen Energiehaushaltes. Die Tiere zeigen zudem veränderte Uhrengenexpression (107).

Auch Peroxisome proliferator-activated receptors (PPAR) sind eine Gruppe von nukleären Rezeptoren, deren Isoformen (𝛼, β/δ, ɣ) rhythmisch exprimiert werden (108). Die PPARs sind wichtige Lipidsensoren, welche sowohl die Nutzung als auch die Speicherung von Lipiden transkriptionell regulieren (110). Sie werden selbst von der zirkadianen Uhr reguliert und beeinflussen diese wiederum ihrerseits (108). PPARɣ ist ein wichtiger Regulator der Adipogenese und wird primär in Fettgewebe exprimiert (108). PPARɣ wird von seinem bereits beschriebenen Coaktivator PGC-1𝛼 reguliert (108). Die Isoform β/δ wird ubiquitär exprimiert (108). PPAR𝛼 wird in Leber, Herz, Nieren und auch zentral in dem Nucleus suprachiasmaticus (SCN) exprimiert (108). PPAR𝛼 beeinflusst die TTLs im Uhrensystem deutlich, indem PPAR𝛼 direkt an PPAR-Antwort-Elemente in der Promotorregion von Bmal1 und Reverb𝛼 bindet (107,108,111). PPAR𝛼 ist zudem ein direktes Zielgen von BMAL1 und CLOCK (108,112). PPAR𝛼 reguliert die zirkadiane Expression von zahlreichen Genen des Lipidstoffwechsels, beispielsweise der Fettsäurensynthase (Fasn) und der HMG-CoA Reduktase (Hmgcr) (108).