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Beeinflussung zirkadianer Rhythmizität durch Palmitat

Die Arbeit von Hughes et al. 2017 empfahl für eine verstärkte Aussagekraft der Ergebnisse die Kombination unterschiedlicher Validationen. Dies wurde bei den LumiCycle-Zeitreihen durch Betrachtung der Originalkurven mit JTK_Cycle 3.1 sowie gedämpfter Sinusmodelle umgesetzt.

JTK_Cycle 3.1 galt im Vergleich von Analyseprogrammen zirkadianer Rhythmik als gut geeignet, solange die Messreihen mindestens alle 4 Stunden gemessen wurden (142). Dies Empfehlung wurde in den mit JTK_Cycle 3.1 analysierten Messreihen umgesetzt. Vorteile dieses Programmes waren eine erhöhte Unempfindlichkeit gegenüber Ausreißern, eine akkurate Angabe von Periode, Phase und Amplitude sowie eine schnellere Analyse als von anderen Programmen (z.B. COSOPT) (166).

59 Die Beeinflussung der zirkadianen Rhythmik durch Palmitat wurde anhand dosis- und phasenabhängiger Behandlungen in zwei verschiedenen Luminometern (LumiCycle und Mikrotiterplatten-Lesegerät) gemessen. Die Auswertung der Aufnahmen im LumiCycle erfolgte sowohl mit Anpassung an ein Cosinus-Muster (JTK-Cycle 3.1) als auch über die Modellanpassung mit einer gedämpften Sinus-Schwingung (GraphPad 7.0). Diese Verfahren sind in der zirkadianen Forschung weit verbreitet und lieferten damit eine gute Vergleichbarkeit mit anderen Versuchen (142). Bei der gedämpften Schwingung war die konkrete Angabe des Dämpfungsfaktors für den Vergleich verschiedener Bedingungen hilfreich. Die Nullstellenbestimmung einer exemplarischen Originalreihe (s. Anh. 13) zeigte allerdings, dass sich die Periode während der Messung änderte. Die Mittelwerte der Zykluslängen des ersten Zyklus waren verglichen mit denen des zweiten Zyklus innerhalb einer Palmitatkonzentration zwischen 2,4 h bei 2,0 mM Palmitat und 3,3 h bei 1,5 mM Palmitat länger (s. Anh. 13). Grund für den verlängerten ersten Zyklus könnten Einflüsse wie Temperaturwechsel zwischen Werkbank und Luminometer gewesen sein. Damit wich das Model eines gedämpften Sinus von den originalen Messreihen ab. Dennoch kamen Westermark et al. 2009 in der Untersuchung eines theoretischen Modells von Messwerten zu dem Ergebnis, dass der gedämpfte Sinus ein geeignetes Model ist (167). Die Modellanpassung eines gedämpften Sinus unterschied sich des Weiteren vermehrt von den Originalmessreihen, wenn die erste vollständige positive Oszillation einen höheren Peak hatte als die beginnenden Messwerte. Dies geschah bei Inkubation mit 0,5 mM Palmitat.

Diskussionen bezüglich der Amplitudenbeeinflussung folgen in den weiteren Kapiteln 4.5.1 und 4.6.

Mit JTK_Cycle 3.1 wurden die normalisierten Messreihen analysiert. Verglichen mit den gedämpften Sinus-Modellen ermittelte JTK_Cycle 3.1 weniger Parameter (166). Zudem wurde bei JTK_Cycle 3.1 die Amplitude anders berechnet (s. Anh. 39 – 41).

Zusammenfassend lieferten die beiden Auswertungsmethoden unterschiedliche Definitionen von Amplitude und Phase. Zudem ergab die Modellanpassung einer gedämpften Sinusschwingung weitere Kurvenparameter als JTK_Cycle 3.1. Wo ein Vergleich möglich war, wurden Veränderungen einer Messgröße durch gleiche Ergebnisse beider Auswertungsverfahren verstärkt.

60 4.5.1 Dosisabhängige Beeinflussung

Im Menschen wurden Palmitatkonzentrationen in unterschiedlichen Studiendesigns mit relativen oder absoluten Messwertangaben durchgeführt. Zusammenfassend wurden Palmitatkonzentrationen im Plasma mit einem Mittelwert von 1,6 mM (168) bis 2,0 mM (169) gemessen. Der relative Anteil von Palmitat an allen im Plasma gemessenen Fettsäuren betrug zwischen 26 % und 37 % (169–171). Die Altersverteilungen der verschiedenen Studienkollektive wiesen geringere relative Palmitatkonzentrationen bei Säuglingen und Kindern (170,171) als bei Erwachsenen auf (169).

Messungen von absoluten Palmitatkonzentrationen in Mäusen wurden in Versuchen selten gemacht. Eine Analyse von Lipiden in Lebergewebe der Maus maß 6245,6 ± 1182,7 µg/g bis hin zu 12325,8 ± 1758,9 µg/g Palmitat korreliert mit der Höhe an Triglyceriden und zeigte eine deutliche Streuung der Palmitatkonzentrationen (172).

Die in dieser Arbeit durchgeführten Versuche wurden mit einer hypothalamischen Maus-Zelllinie gemacht. Sie sollen jedoch helfen, menschliche Pathologien besser nachzuvollziehen. Dabei ist die phylogenetische Distanz der Maus, die zur Ordnung der Rodentia zählt, und des Menschen, der zur Ordnung des Primats gehört, zu beachten. Der letzte gemeinsame Vorfahr dieser beiden Taxa lebte wohl vor gut 85 Millionen Jahren (173,174). Auch wenn eine Vielzahl der Merkmale konserviert vorliegt, ist es evident, dass seitdem beide Stammeslinien eine Fülle von Autapomorphien erworben haben, welche sich phänotypisch unter anderem in einer höheren metabolischen Rate der Maus sowie physiologischen und anatomischen Unterschieden manifestieren. Beispielsweise haben Mäuse vermehrtes braunes Fettgewebe mit einer höheren Dichte an Mitochondrien, einen relativ erhöhten Anteil stoffwechselaktiver Gewebe, eine deutlich höhere Herzfrequenz sowie eine geringere O2-Affinität vom Hämoglobin (173). Zwar sind Mensch und Maus Allesfresser, jedoch unterscheidet sich der Gastrointestinaltrakt, resultierend in unterschiedlicher Nährstoffaufnahme und Mikrobiom (173). 85 % der Protein-kodierenden Regionen sind im Mensch- und Mausgenom identisch (175). Dennoch zeigten Ratten- und Mausmodelle im Bezug auf die Vorhersage pharmakologischer Toxizität im Menschen nur 43 % Übereinstimmung. Bei Testverfahren mit zwei verschiedenen Spezies stimmten 71 % überein (175). Grund hierfür sind Unterschiede in Absorption, Verteilung, Metabolismus und Ausscheidung von Wirkstoffen (173,175). Es gibt beispielweise speziesabhängige Unterschiede in der Enzymausstattung von Cytochrom P450-Enzyme, welche im Stoffwechsel ubiquitär relevant sind (173,175). Bezogen auf die zirkadiane Rhythmik haben

61 Mäuse und Menschen beispielsweise unterschiedlich viele Isoformen von ROR, wodurch das molekulare Uhrenwerk nicht komplett identisch ist (176). Mäuse zeigen nachtaktives Verhalten und weisen im Vergleich zu Menschen eine endogen kürzere Periode auf (25,177). Trotz der nicht identischen Genausstattung weisen beide Spezies viele molekulare Analogien des zirkadianen Systems auf, weswegen ein zirkadianes Mausmodell Hinweise auf menschliche Vorgänge geben kann. Jedoch sollte dies auf Grund der eingeschränkten Übertragbarkeit kritisch betrachtet werden.

Die dosisabhängige Beeinflussung zeigte im Mikrotiterplatten-Lesegerät bei steigenden Palmitatkonzentrationen eine Reduktion der Amplitude, eine Erhöhung der Periode und eine Phasenverschiebung nach vorne. Die durchschnittliche Reduktion der Amplitude betrug 7,8 % bei 1,0 mM Palmitat und 35 % bei 2,0 mM Palmitat gegenüber 0,0 mM Palmitat. Die Phasenverschiebung betrug 6,9 % bei 1,0 mM Palmitat und 12,3 % bei 2,0 mM Palmitat gegenüber 0,0 mM Palmitat. Die Periodenverlängerung betrug 1,6 % bei 1,0 mM Palmitat und 2,0 % bei 2,0 mM Palmitat gegenüber 0,0 mM Palmitat. Daher zeigte sich die Beeinflussung der Amplitude am deutlichsten, während die Periodenbeeinflussung prozentual wesentlich geringer war und entsprechend der Messgenauigkeit dieses Messverfahrens kritischer zu interpretieren war. Die konkreten Effektgrößen der Messwerte des LumiCycles wurden an dieser Stelle zur Übersichtlichkeit nur anhand der Ergebnisse mit JTK_Cycle aufgeführt. Im LumiCycle wurde bei 0,5 mM Palmitat eine Amplitudenerhöhung um durchschnittlich 16,6 % und Dämpfungsreduktion (Sinusmodell) gemessen. Konzentrationen ab einschließlich 1,0 mM Palmitat zeigte eine reduzierte Amplitude sowie eine erhöhe Dämpfung. Die durchschnittliche Amplitudenreduktion betrug bei 0,5 mM Palmitat 25,6 %, bei 1,0 mM Palmitat 41,3 % und bei 2,0 mM Palmitat 73,0 % verglichen mit der Amplitude von 0,0 mM Palmitat. Die Auswertung der Phase ergab über das Sinusmodell sowie über JTK eine Phasenverschiebung nach hinten bei 2,0 mM Palmitat gegenüber anderen Konzentrationen Die durchschnittliche Phasenverschiebung bei 2,0 mM betrug 80 % Differenz vergleichen mit der durchschnittlichen Phase von 0,0 mM Palmitat. Die Phasenverschiebungen anderer Konzentrationen betrugen maximal 12 %. Die Betrachtung der Einzelwerte von der Phase zeigte, dass diese eine sehr große Streuung aufwiesen (s. Anh. 38). Diese Streuung war auch verglichen mit anderen Kurvenparametern, wie beispielsweise der Amplitude deutlich vergrößert (s. Anh. 38). Mögliche Ursache dessen könnten technische Unterschiede der Dauer zwischen Beendigung von der Synchronisation

62 bis Beginn der Messzeiterfassung auf Grund unterschiedlich großer Probenzahl gewesen sein. Da die Messreihen ab Aufzeichnungsbeginn vergleichbar ausgewertet wurden, könnte dieser Unterschied sich bis zur Phasenbestimmung (Zeitpunkt des ersten Maximums bei JTK_Cycle 3.1) bemerkbar gemacht haben. Daher ließ sich festhalten, dass insgesamt trotz mancher Unterschiede zwischen den verschiedenen Geräten sowie der unterschiedlichen Auswertungsprogramme eindeutige Effekte bezüglich der Amplitude und der Dämpfung gemessen werden konnten.

In peripheren Geweben (Fibroblasten, Adipozyten) sowie in Mäusen wurde durch Palmitat beziehungsweise HFD eine Amplitudenreduktion verschiedener Uhrengene beobachtet (76,178). Die Amplitudenreduktion in Mäusen zeigte sich in peripheren Geweben unterschiedlich stark, während im mediobasalen Hypothalamus keine Änderungen durch HFD gemessen wurden (76). Die hier durchgeführten Versuche zeigten einen deutlichen Einfluss von Palmitat auf die Amplitude von Bmal1. In anderen Versuchen mit neuronalen Zelllinien führten 25 µM und 300 µM Palmitat zu einer Amplitudenerhöhung von Bmal1 (120,179). Wohlmöglich ist die Wirkung von Palmitat auf die Amplitude der Uhrengenexpression dosisabhängig. Zudem wirkte Palmitat physiologisch als Energielieferant sowie zeitgleich bei höheren Konzentrationen toxisch; auch diese metabolische Wirkung von Palmitat gab einen Hinweis auf dosisabhängige Effekte.

4.5.2 Phasenabhängige Beeinflussung

Die phasenabhängige Beeinflussung durch Palmitat zeigte sich neben anderen Veränderungen vor allem in einer Periodenänderung. Dabei verkürzte sich die Periode bei Hinzugabe von Palmitat vor und nach dem Maximum um durchschnittlich 1,7 und 1,2 h und verlängerte sich bei Hinzugabe von Palmitat nach dem Minimum um durchschnittlich 1,0 h.

Dies wurde anhand drei verschiedener Auswertungsmethoden überprüft.

Die Modulationen zirkadianer Uhren sowie unter anderem ihrer Periode sind durch vielfältige Faktoren möglich; hierzu zählen auch Palmitat und HFD (180). Die Kurvenparameter wurden aus den Daten (Basislinie subtrahiert) mit einer Anpassung an eine gedämpfte Sinusschwingung und einer Standardtechnik für nichtlineare Methoden der kleinsten Quadrate bestimmt. Diese und andere Autoren zeigten in ihren Ergebnissen, dass die Auswirkungen von HFD als auch Palmitat auf die zirkadianen Uhreneigenschaften zu deutlichen Verlängerungen der Periode führten (180–182).

63 In drei Tierversuchen wurden verlängerte Freilauf Perioden (free-running periods) beobachtet (75,76,183). Die Periodenverlängerungen im Vergleich verschiedener Mausstämme mit Clock-Mutationen wahr bei heterozygoten Mäusen geringer ausgeprägt als bei homozygot mutierten Mäusen und unterschied sich bis zu einigen Stunden (183).

Clock-mutierte Mäuse eines weiteren Versuchs zeigten eine einstündige Verlängerung der Lokomotor Aktivität und eine 3 bis 4 Stunden verlängerte zirkadiane Periode (75). Durch Palmitat-reiche Ernährung (HFD) wurde in eine Verlängerung der aktiven Periode um 0,1 – 0,2 Stunden beobachtet (76). Die in diesem Versuch durch Palmitat entstandene Periodenveränderung um 1,0 bis 1,7 Stunden könnte deutlicher als der beobachtete Effekt in vivo durch HFD sein, da das Palmitat direkt auf hypothalamische Zellen Einfluss nahm.

Eine Periodenverkürzung durch Palmitat wurde bisher nicht berichtet. Zudem zeigte die hier durchgeführten Versuche in Abgrenzung zu Kohsaka et al. eine eindeutige Beeinflussung der hypothalamischen Expression des Uhrengenes Bmal1 durch Palmitat.

Eine Parallele zwischen den metabolischen Effekten der Clock-mutierten Mäuse und den HFD-induzierten Veränderungen bestand in Erhöhung von freien Fettsäuren, Glucose und Leptin (75,76). Zudem wurden in beiden Versuchen Veränderungen einiger Hormone der Appetitregulation im mediobasalen Hypothalamus gemessen (75,76). Diese Hormone beeinflussen ihrerseits das Uhrenwerk, wodurch die hier beobachtete Veränderung der BMAL1-Oszillation vermittelt worden sein konnte.

Um eine andauernde Auswirkung von Periodenänderungen zu zeigen, war das zellbasierte Versuchsmodell aufgrund weniger Oszillationen ungeeignet. Hierfür bieten sich analoge Versuche mit Gewebeproben an. Festgestellt werden konnte anhand der hier durchgeführten Versuche, dass die hypothalamische Uhr phasenabhängig unterschiedlich sensibel auf äußere Einflüsse reagiert. Daher schien die aktuelle Expression der Uhrengene relevant für die Wirkung von Palmitat. Es bleibt zukünftigen Versuchen vorbehalten, die hier beobachteten Veränderungen der Periode sowie den genaueren molekularen Mechanismus von der phasenabhängigen Wirkung von Palmitat zu untersuchen.