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4. DISKUSSION

4.4 Zusammenhang zwischen Lichen ruber mucosae oris und

Die bisher verbreitete Auffassung, dass Lichen ruber mucosae oris regelmäßig mit Kontaktallergien unter anderem gegen die Füllungsmaterialien der Zähne vergesellschaftet ist, konnte in dieser Studie nicht verifiziert werden.

Lediglich bei den Substanzen Quecksilber(II)-amidchlorid und Palladiumchlorid gab es signifikante Unterschiede zwischen einzelnen Patientengruppen. Die Relevanz dieser Ergebnisse wird im Folgenden diskutiert, da Quecksilber einen Bestandteil des Amalgams und Palladium einen Bestandteil von Goldfüllungen darstellt.

Die Häufigkeit der allergischen Sensibilisierung gegenüber Dentalmaterialien bei Patienten mit Lichen ruber mucosae oris war nur bei Quecksilber(II)-amidchlorid gegenüber der Kontrollgruppe erhöht. Zusätzlich waren gerade diese Reaktionen als eine der wenigen im gesamten Patientenkollektiv zweifach positiv und damit wirklich aussagekräftig. In der Subgruppe „Lichen ruber mucosae oris mit Zahnersatz“ konnte ebenfalls für Quecksilber (II)-amidchlorid eine signifikant erhöhte Sensibilisierungsrate gegenüber der Kontrollgruppe festgestellt werden. Die Subgruppe „Lichen ruber mucosae oris mit Zahnersatz“ wies ferner eine erhöhte Sensibilisierungsrate für Quecksilber(II)-amidchlorid im Vergleich zur Gruppe

„Lichen ruber ohne Beteiligung der Mundschleimhaut“ auf.

Von den 3 Patienten mit einer nachgewiesenen Kontaktallergie gegenüber Quecksilber(II)-amidchlorid aus der Gruppe „Lichen ruber mucosae oris“ wurde nur bei 2 Patienten ein Austausch des Zahnersatzes empfohlen. Im 3. Fall wurde keine Zahnsanierung empfohlen, weil man feststellte, dass die Läsionen bei dieser Patientin nicht im Kontakt zu Zahnersatz auftraten und sich außerdem eine deutliche Symptomverbesserung nach Anwendung der Therapie mit topischen Steroiden zeigte.

Weiterhin konnte in der vorliegenden Untersuchung der Subgruppe „Lichen ruber mucosae oris und Zahnersatz“ ein erhöhtes Auftreten der Sensibilisierungen gegenüber Palladiumchlorid nachgewiesen werden –allerdings nur im Vergleich mit der Gruppe „Lichen ruber ohne Beteiligung der Mundschleimhaut“, nicht im Vergleich zur Kontrollgruppe. Ein Patient der Subgruppe „Lichen ruber mucosae oris und Zahnersatz“ wies eine dreifach positive Reaktion gegenüber Palladiumchlorid auf. Dies unterstreicht die Relevanz dieses Ergebnisses.

4. DISKUSSION

109 Von den 3 Patienten mit einer nachgewiesenen Kontaktallergie gegenüber Palladiumchlorid aus der Gruppe „Lichen ruber mucosae oris“ wurde nur bei 2 Patienten ein Austausch des Zahnersatzes empfohlen; in einem Fall hatte die Patienten lediglich Porzellanfüllungen, sodass die nachgewiesene Sensibilisierung hier keine Relevanz besitzen konnte. Daneben sollte erwähnt werden, dass die bekannte Kreuzreaktivität zwischen Palladiumchlorid und Nickel auch bei einer Patientin bestätigt wurde31. Es ist also möglich, dass in diesem Fall die allergische Sensibilisierung durch einen früheren Kontakt mit beispielsweise nickelhaltigem Schmuck erfolgte. Die Nickelallergie zählt mit einer Prävalenz von 17% bei Frauen und 3%

bei Männern zu den häufigsten Kontaktallergien in westlichen Ländern31.

In unserem Kollektiv „Lichen ruber mucosae oris und Zahnersatz“ wurde bei 8 von 13 Patienten (61,5%) eine Zahnsanierung empfohlen. Ob die Patienten die empfohlenen Zahnsanierung durchführen ließen oder sich die Symptome des Lichen ruber mucosae oris durch ein Ersetzen oder Restaurieren des Zahnersatzes verbessert hätten, konnte durch die vorliegenden Daten leider nicht festgestellt werden.

Eine ähnliche Untersuchung nahmen Yiannias et al. vor: Sie untersuchten bei 46 Patienten mit histologisch gesichertem Lichen ruber mucosae oris das Auftreten epikutaner Sensibilisierungen113 (Tabelle 11). 25 Patienten (54%) zeigten mindestens eine positive Reaktion, die jedoch bei nur 18 Patienten auch eine klinische Relevanz besaß113 (Tabelle 11).

Bei 5 der 25 Patienten zeigte sich eine Verbesserung der Symptomatik nach Ersetzen bestimmter Zahnrestaurationen113 (Tabelle 11).

Bei 31 Patienten mit der klinischen und histologischen Diagnose Lichen ruber führten Lundström et al. einen Epikutantest durch114 (Tabelle 11). In 12 Fällen (39%) konnte mindestens eine positive Reaktion festgestellt werden114 (Tabelle 11). 8 Patienten (26%) reagierten auf Quecksilber114. Alle diese 8 Patienten wiesen Amalgamfüllungen auf, die in 7 Fällen korrodiert waren114. Bei allen 8 Patienten trat nach Entfernung des entsprechenden Zahnersatzes eine Besserung der klinischen Symptomatik auf114 (Tabelle 11).

Zu ähnlichen Resultaten kommen Finne et al.: 18 von 29 Patienten (62%) mit klinisch und histopathologisch gesichertem Lichen ruber und amalgamhaltigem Zahnersatz wiesen im Epikutantest eine positive Sensibilisierung gegenüber Quecksilber auf115 (Tabelle 11). 3 Patienten (10%) waren gegenüber Kobalt, 2 (7%) gegenüber Nickel sensibilisiert115. Bei 4 dieser Patienten wurden die Zahnrestaurationen durch Gold bzw. Komposite ersetzt115

4. DISKUSSION

110 (Tabelle 11). Alle zeigten eine rasche Symptomverminderung, 3 waren nach einem Jahr symptomfrei115 (Tabelle 11).

Auch in einem Einzelfallbericht aus Japan konnte gezeigt werden, dass nach Implantation von Zahnersatz eine Patientin mit Lichen ruber mucosae oris eine kontaktallergische Reaktion auf Zink aufwies116. 3 Monate nach der Entfernung des zinkhaltigen Zahnersatzes waren die Symptome abgeklungen116.

Ein weiterer Einzelfallbericht aus Spanien zeigte einen ähnlichen Verlauf: Eine 56 Jahre alte Frau hatte seit 25 Jahren Zahnersatz und seit 5 Jahren Schmerzen im Bereich der linken Wangenschleimhaut117. In der rechten Wange war bereits vor einiger Zeit die histologische Diagnose eines Lichen ruber gestellt worden und der in der Nähe befindliche Zahnersatz ausgetauscht worden117. Nun wurde ein ähnliches Geschehen auf der linken Seite vermutet und daher ein Epikutantest durchgeführt, der eine Kontaktallergie auf Kupfersulfat ergab117. Da auch der in der Nähe der neuerlichen Läsionen befindliche Zahnersatz Kupfer enthielt, wurde die Empfehlung ausgesprochen, diese zu entfernen117. 6 Monate später war eine deutliche Befundbesserung eingetreten117.

In einem anderen Bericht wurde die Kasuistik einer 56-jährigen Frau geschildert, die eine Woche nach einer Zahnersatzbehandlung über starke Schmerzen und ein brennendes Gefühl in der Nähe der Lippen klagte118. Daraufhin wurde der Zahnersatz entfernt, was aber keinerlei Symptomlinderung erbrachte118. In der Untersuchung konnte man nun dort erosive Läsionen erkennen, die histologisch als Lichen ruber identifiziert wurden118. Im Epikutantest ergab sich eine Kontaktallergie auf Kobalt118.

Hietanen et al. wiederum kamen zu anderen Ergebnissen: Sie verglichen 12 Patienten, die an Lichen ruber mucosae oris litten und außerdem über Zahnersatz verfügten (Tabelle 11), mit 17 Patienten, die zwar Zahnersatz hatten, aber bei denen kein Lichen ruber diagnostiziert wurde119. 1 Patient (8%) aus der Kohorte mit Lichen ruber zeigte im Epikutantest eine positive Reaktion gegenüber Quecksilber (Tabelle 11), wohingegen aus der Kontrollgruppe niemand eine positive Reaktion aufwies119.

4. DISKUSSION

111 Vergleichstabelle Lichen ruber und Kontaktallergien

Autor Anzahl der

Tabelle 11: Vergleichstabelle für die Studien zur Assoziation von Lichen ruber beziehungsweise Lichen ruber mucosae oris und Kontaktallergien.

In der Zusammenschau der Ergebnisse lässt sich feststellen, dass die Patienten mit Lichen ruber mucosae oris vom Austausch des Zahnersatzes in den meisten Studien profitierten.

Jedoch konnte ein eindeutiger Zusammenhang zwischen im Epikutantest diagnostizierten Sensibilisierungen und klinisch relevanten Allergien wie auch ein Zusammenhang zwischen im Epikutantest diagnostizierten Sensibilisierungen und dem Zahnersatz nicht immer nachgewiesen werden. Unklar bleibt damit, ob nicht viel eher mechanische Irritationen ursächlich für den Lichen ruber mucosae oris im Zusammenhang mit dem Zahnersatz sind.

Wie in der Einleitung bereits erläutert worden ist, grenzen manche Autoren den Lichen ruber mucosae oris von oralen lichenoiden Reaktionen (=OLL) ab8. Lichen ruber mucosae oris wird hierbei meist als idiopathische Erkrankung gesehen, wohingegen lichenoide Reaktionen als Antwort des Organismus auf bestimmte Stoffe betrachtet werden. Im Folgenden sollen einige Studien zu diesem Thema vorgestellt werden.

4. DISKUSSION

112 Koch und Bahmer untersuchten 194 Patienten auf eine Sensibilisierung gegenüber Dentalmaterialien120. 19 dieser Patienten zeigten orale lichenoide Reaktionen in der Nähe von Amalgamfüllungen, bei 42 Patienten wurde Lichen ruber mucosae oris diagnostiziert, der in keinem Zusammenhang zu Amalgamfüllungen stand120 (Tabelle 12). Die anderen Subgruppen spielen für diese Arbeit nur eine untergeordnete Rolle. 15 der 19 Patienten (79%) waren gegenüber Quecksilber sensibilisiert120. Bei den Patienten dieser Gruppe konnte signifikant häufiger als bei allen anderen Patientengruppen eine Kontaktallergie gegenüber Quecksilber gefunden werden120. In der Gruppe der Patienten mit Lichen ruber mucosae oris wiesen nur 3 Fälle (12%) eine Sensibilisierung gegenüber Quecksilber auf120 (Tabelle 12). Bei den 18 der 19 Patienten mit oralen lichenoiden Reaktionen und bei 11 Patienten mit Lichen ruber mucosae oris wurde der amalgamhaltige Zahnersatz entfernt120. Bei 13 der Patienten mit oralen lichenoiden Läsionen und bei 2 Patienten mit Lichen ruber mucosae oris heilten die Läsionen daraufhin ab120 (Tabelle 12). Alle Fälle, in denen die Läsionen nach der Entfernung abheilten, waren zuvor positiv auf eine Quecksilberallergie getestet worden120. Bei den negativ getesteten Personen sorgte die Entfernung des Zahnersatzes nicht für eine Linderung der Symptome120. Daneben stellten Koch und Bahmer fest, dass allergische Sensibilisierungen gegenüber Goldnatriumthiosulfat und Palladium in allen Untersuchungsgruppen häufig anzutreffen waren120. Zusammenfassend konnte in der Studie von Koch und Bahmer ein Zusammenhang zwischen oralen lichenoiden Läsionen und Kontaktallergien gesehen werden.

Ein großer Kritikpunkt ist jedoch, dass nicht geklärt werden konnte, ob die festgestellten Sensibilisierungen auch eine klinische Relevanz besaßen. Ferner ist bei dieser Studie als Limitation anzuführen, dass keine histopathologische Diagnosesicherung stattgefunden hat.

In einer weiteren Studie von Thornhill et al. wurden 30 Patienten mit oralen Läsionen, die wahrscheinlich aus einer Kontaktallergie auf Amalgam resultierten (Gruppe 1), mit 50 Patienten mit klinisch und histologisch verifiziertem Lichen ruber mucosae oris, bei denen keine direkte Korrelation mit Amalgam bekannt war (Gruppe 2), verglichen121 (Tabelle 12).

Die Patienten aus Gruppe 1 wiesen zu 70% im Epikutantest eine Sensibilisierung auf Amalgam auf, die Patienten aus Gruppe 2 nur zu 4%121. Ebenso erfolgte eine Verringerung der sichtbaren Läsionen nach Entfernung des amalgamhaltigen Zahnersatzes in Gruppe 1 bei 93% der Patienten, während in Gruppe 2 niemand von dieser Maßnahme profitierte121 (Tabelle 12). Auch diese Studie zeigt einen Zusammenhang zwischen oralen lichenoiden Läsionen und kontaktallergischen Sensibilisierungen. Diese Studie ist besonders valide, weil alle klinisch gestellten Diagnosen histopathologisch bestätigt worden sind121.

4. DISKUSSION

113 Laine et al. fanden bei 21 von 91 Patienten mit oralen lichenoiden Läsionen positive Patch-Test-Resultate gegenüber Quecksilber(-gemischen)122 (Tabelle 12). 18 der 21 Patienten wiesen in der Nähe der Läsionen Amalgamfüllungen auf122. Die restlichen 3 Patienten hatten weder sichtbare Läsionen noch Amalgamfüllungen122. Bei 15 der 18 Patienten mit positivem Testresultat und Zahnersatz wurden die Füllungen ausgetauscht122. Nach 3 Jahren waren bei 7 dieser Patienten die Läsionen verschwunden, bei 6 weiteren konnte eine deutliche Verbesserung beobachtet werden122 (Tabelle 12). Als Limitation ist auch hier die fehlende Diagnosesicherung mittels histopathologischer Untersuchung zu nennen.

41 Patienten mit oralen lichenoiden Läsionen, wovon 19 (46%) eine positive Reaktion gegenüber Quecksilber aufwiesen, wurden von Pang et al. in einer anderen Untersuchung analysiert123 (Tabelle 12). 16 dieser Patienten ließen ihre Amalgamfüllungen austauschen, was bei 13 Patienten zu einer Heilung und bei 1 Patienten zu einer Linderung der Symptome führte123. Wong et al. untersuchten in einer Folgestudie 84 Patienten mit oralen lichenoiden Läsionen, die jeweils in der Nähe von Amalgamimplantaten beobachtet wurden124 (Tabelle 12). Bei allen Patienten wurden Epikutantests durchgeführt, die folgende Resultate ergaben:

33 Patienten (39%) zeigten eine Sensibilisierung auf Quecksilber124. Man empfahl diesen Patienten einen Austausch ihres Zahnersatzes hin zu Komposite, Porzellan oder Gold124. 30 Patienten kamen dieser Empfehlung nach124. Bei 28 Patienten (87%) war die orale Symptomatik innerhalb von 3 Monaten deutlich verbessert124 (Tabelle 12). Als Limitation der Studie ist ebenso die fehlende Diagnosesicherung mittels Histopathologie zu nennen124. Ibbotson et al. kamen zu folgenden Ergebnissen: 109 Patienten mit oralen lichenoiden Läsionen wurden 22 Patienten mit Lichen ruber und 66 Patienten mit anderen Dermatosen gegenübergestellt125 (Tabelle 12). 19% der Patienten mit oralen lichenoiden Läsionen reagierten im Epikutantest positiv auf Quecksilber, was signifikant mehr als in der Gruppe der Patienten mit Lichen ruber (0%) und der Gruppe der Patienten mit anderen Dermatosen (3%) war125. 22 OLL-Patienten ließen die Amalgamfüllungen ersetzen125. Bei 16 der 17 positiv auf Quecksilber getesteten Fälle sowie 3 der 4 negativ getesteten Fälle verschwanden die Läsionen danach125 (Tabelle 12). Als Limitation dieser Studie ist jedoch wiederum anzumerken, dass keine histopathologische Diagnosesicherung stattgefunden hat.

In Großbritannien führten Athavale et al. eine Studie mit 55 Patienten mit oralen lichenoiden Reaktionen durch126 (Tabelle 12). 25 dieser Patienten (45%) zeigten im Epikutantest eine positive Reaktion, 19 (76%) davon gegenüber Quecksilber, 5 (20%) gegenüber Quecksilber und Gold und 1 (4%) gegenüber Gold mit Nickel und Palladium126. Allerdings muss man

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114 beachten, dass nur 2 der 6 Patienten, die eine positive Reaktion gegenüber Gold aufwiesen, einen Zahnersatz mit Goldanteilen hatten126. Unter den 25 positiv getesteten Patienten wurde bei 9 Patienten der Zahnersatz ausgetauscht126. 8 von diesen 9 Patienten zeigten innerhalb eines Jahres keine orale Symptomatik mehr126 (Tabelle 12). Wenngleich eine Abheilung bei 9 Patienten gezeigt werden konnte, geht aus der Studie nicht eindeutig hervor, ob diese durch die epikutane Sensibilisierung bedingt war.

In einer Studie von Khamaysi et al. aus Israel, bei der verschiedene orale Dermatosen wie Cheilitis, periorale Dermatitis, Burning-mouth-syndrome und auch lichenoiden Reaktionen als Folgen von Kontaktallergien auf Dentalmaterialien untersucht wurden, konnte bei 6 von 17 Patienten mit lichenoiden Reaktionen eine positive Reaktion im Epikutantest auf Quecksilber festgestellt werden38 (Tabelle 12). Jedoch war dies nur bei 1 dieser Patienten klinisch relevant38 (Tabelle 12).

Ditrichova et al. führten in Tschechien bei 25 Patienten mit oralen lichenoiden Reaktionen einen Epikutantest durch36 (Tabelle 12). 15 Patienten (60%) zeigten eine Sensibilisierung gegenüber mindestens einem Allergen36. Die meisten positiven Reaktionen waren bei Quecksilber (24%), Amalgam (24%), Nickel (16%), Palladium (16%), Kobalt (12%) und Gold (8%) zu verzeichnen36. Jedoch konnte lediglich bei 11 der 25 Patienten ein klinisch relevanter Zusammenhang zwischen der durch den Epikutantest diagnostizierten Allergie und den tatsächlichen Bestandteilen des vorhandenen Zahnersatzes festgestellt werden36 (Tabelle 12). Bei 9 dieser 11 Patienten wiederum verbesserten sich die lichenoiden Veränderungen nach Entfernung des allergopotenten Zahnersatzes36. Diese Studie ist besonders valide, weil die Diagnosen mittels Histopathologie bestätigt wurden36.

Ein Patientenkollektiv von 118 Patienten mit oralen lichenoiden Läsionen wurde von Laine et al. in Bezug auf Kontaktallergien auf Zahnersatz analysiert127 (Tabelle 12). 80 Patienten (68%) wiesen eine Sensibilisierung auf, 76 davon gegenüber Quecksilber (oder Quecksilbergemischen), 4 gegenüber Natriumthiosulfatoaurat127. Bei 62 der 80 Patienten wurden die Zahnfüllungen ersetzt, was bei 28 von 62 Patienten (45%) zu einer kompletten Heilung der oralen lichenoiden Läsionen führte127 (Tabelle 12). Ebenso wurden bei 15 von 38 Patienten mit negativem Ergebnis im Epikutantest Zahnrestaurationen durchgeführt127. Hier zeigte sich aber nur bei 3 von 15 (20%) eine Heilung127. Besonders interessant ist in dieser Studie die Unterteilung der oralen lichenoiden Läsionsarten: Läsionen, die sich auf den Kontaktbereich mit den Zahnfüllungen beschränken, werden als Typ-I-Läsionen charakterisiert, wohingegen die Läsionen, die auch außerhalb dieses Kontaktbereichs

4. DISKUSSION

115 auftreten, als Typ-II-Läsionen bezeichnet werden127. Im vorliegenden Patientenkollektiv konnten Laine et al. bei 85 % der Patienten mit Typ-I-Läsionen eine positive Sensibilisierung im Epikutantest nachweisen, wohingegen dieser Anteil bei den Patienten mit Typ-II-Läsionen nur 39% betrug127. Außerdem war nach dem Austausch des Zahnersatzes bei Typ-I-Läsionen eine Heilung in 54 % der Fälle zu begutachten, während dies bei Typ-II-Läsionen nur zu 9%

der Fall war127. Die Diagnosen in dieser Studie wurden mittels Histopathologie bestätigt127. Man muss allerdings als Einschränkung darauf hinweisen, dass bei dieser Erhebung unter den inkludierten Patienten 5 mit Lichen ruber mucosae oris und 58 Patienten mit verschiedenen Dermatosen wie burning-mouth-syndrome oder Stomatitis waren127.

Eine ähnliche Unterteilung in Typ-I- und Typ-II-Läsionen nahmen Bolewska et al. vor128: Sie verglichen 25 Patienten mit Typ-I-Läsionen mit 24 Patienten mit Typ-II-Läsionen und stellten dabei fest, dass in Gruppe 1 ein wesentlich höherer Anteil der Patienten eine Sensibilisierung im Patch-Test (52% gegenüber 5%) und außerdem eine Verbesserung der Symptomatik nach Restauration des Zahnersatzes aufwies (96% gegenüber 79%)128. Auch hier ist als Einschränkung darauf hinzuweisen, dass keine Informationen über eine histopathologische Bestätigung der Diagnose „orale lichenoide Läsionen“ angegeben wurden.

Lind hat in Norwegen eine Studie mit 17 Patienten durchgeführt, die lichenoide Reaktionen der Mundschleimhaut in der Nähe von kompositebasiertem Zahnersatz aufwiesen129 (Tabelle 12). In 8 dieser Fälle war bereits durch amalgamhaltigen Zahnersatz eine lichenoide Läsion aufgetreten, weshalb man diese Füllungen durch Komposite ersetzt hatte129. Daraufhin waren bei 4 dieser Patienten die oralen Symptome verschwunden; bei den anderen 4 war die Symptomatik erst rückläufig und später wieder zunehmend129. Nach Austausch des Zahnersatzes ergab sich bei den nun zu betrachtenden 17 Fällen folgendes Bild: 4 Patienten zeigten einen vollständigen Rückgang der Symptomatik, bei weiteren 5 war immerhin eine leichte Besserung zu beobachten129 (Tabelle 12). Allerdings wurde Lichen ruber mucosae oris in dieser Studie nicht von oralen lichenoiden Läsionen abgegrenzt, sodass letztlich unklar bleibt, welche Diagnose für welchen Fall genau zugetroffen hätte.

Skoglund et al. verglichen 24 Patienten mit lichenoiden Reaktionen der Mundschleimhaut mit 24 Patienten mit Burning-mouth-syndrome, bei denen keine sichtbaren Läsionen festzustellen waren130 (Tabelle 12). 8 der 24 Patienten (33%) mit lichenoiden Reaktionen wiesen eine Sensibilisierung gegenüber Quecksilber auf, während dies bei keinem der Patienten mit Burning-mouth-syndrome der Fall war130. Dieser Unterschied war statistisch signifikant130. Bei 7 der 8 Patienten mit Sensibilisierung gegenüber Quecksilber konnte nach der Entfernung

4. DISKUSSION

116 des Zahnersatzes eine Verbesserung der oralen Symptomatik beobachtet werden130 (Tabelle 12).

In einer weiteren Studie versuchte Skoglund zu ermitteln, ob man mittels Patch-Test voraussagen könne, ob ein Patient mit oralen lichenoiden Reaktionen von dem Austausch der Amalgamfüllungen profitieren würde131. 19 der 48 Patienten (40%) zeigten im Epikutantest eine positive Reaktion gegenüber Quecksilber(II)-amidchlorid (Tabelle 12), 29 Patienten (60%) zeigten keine Reaktion131. Nach der Entfernung der Quecksilbermaterialien wiesen 95% der Patienten mit positivem Epikutantest (Tabelle 12), aber auch 86% der Patienten mit negativem Epikutantest eine Verbesserung der oralen Symptomatik auf131. Außerdem differenzierte Skoglund die Patienten danach, ob die oralen lichenoiden Reaktionen nur in der Nähe von Amalgamfüllungen oder auch an anderen Stellen auftraten131. In nur 21% der Fälle, in denen die Läsionen an mehreren Stellen gefunden wurden, war im Epikutantest eine Kontaktallergie nachweisbar – im Gegensatz zu auch lediglich 47% bei den Patienten, bei denen die Läsionen in Kontakt zu den Amalgamfüllungen standen131. Auch nach dieser Einteilung profitierten 86% bzw. 94% der Patienten in beiden Gruppen131.

In einer Folgestudie wurden diese Ergebnisse untermauert: Unter 94 Patienten mit oralen lichenoiden Läsionen zeigten 17 (35%) eine positive Reaktion gegenüber Quecksilber im Epikutantest132 (Tabelle 12). Bei allen 94 Patienten wurde der amalgamhaltige Zahnersatz ausgetauscht132 (Tabelle 12). Es ergab sich kein statistisch signifikanter Unterschied in der Abheilung der Läsionen zwischen der Gruppe der Patienten mit positivem und der Gruppe mit negativem Patch-Test132. Besonders erwähnenswert ist, dass auch hier die Autoren feststellten, dass die Läsionen, die in direktem Kontakt zu Amalgamfüllungen standen, einen stärkeren Rückgang als jene aufwiesen, die nicht in der Nähe der Läsionen gefunden wurden132. Diese Studie ist als besonders valide einzuschätzen, weil die Diagnosen jeweils per Histopathologie gesichert wurden132.

Henriksson et al. bestätigten diese Ergebnisse. Sie analysierten ein Kollektiv aus 174 Patienten133. 159 dieser Patienten konnten nachuntersucht werden133. 62 Patienten ließen nur die Amalgamfüllungen entfernen, die Kontakt zu oralen lichenoiden Reaktionen hatten, während 68 Patienten sämtliche Amalgamfüllungen austauschen ließen133. Zwischen den beiden Gruppen konnte kein signifikanter Unterschied in der Heilungsrate gefunden werden133. Bei 17 Patienten wurde zusätzlich ein Patch-Test durchgeführt, der bei 3 Patienten eine Sensibilisierung auf Quecksilber ergab133. Diese Patienten profitierten alle von einem Austausch des Amalgams; allerdings zeigten auch 6 von 10 Patienten mit negativem

Patch-4. DISKUSSION

117 Test eine Verbesserung der Läsionen nach Amalgamentfernung133. Die Limitation dieser Studie besteht allerdings darin, dass keine Informationen über histopathologische Untersuchungen vorliegen.

Zu ähnlichen Resultaten kamen Issa et al.: Sie inkludierten 51 Patienten mit oralen lichenoiden Läsionen, die in Zusammenhang mit Zahnersatz auftraten134. 27 dieser Patienten zeigten im Epikutantest mindestens eine positive Reaktion, 24 davon gegenüber Quecksilber oder einem Quecksilbergemisch134. Nach dem Austausch des Zahnersatzes bei 38 Patienten heilten die OLL bei 16 Patienten aus, wovon 10 ein positives und 6 ein negatives Ergebnis im Patch-Test hatten134. Weitere 18 Patienten zeigten einen deutlichen Symptomrückgang; von diesen 18 konnte nur in 11 Fällen eine Sensibilisierung gegen Quecksilber nachgewiesen werden, in 7 Fällen war das Ergebnis des Patch-Tests negativ134. Auch diese Resultate stellen infrage, inwieweit der Epikutantest einen guten Prädiktor dafür darstellt, ob die Restauration von Zahnersatz sinnvoll ist134. Allerdings war auch in dieser Studie nicht immer eine Biopsie zur histopathologischen Diagnosesicherung durchgeführt worden.

Ein Einzelfallbericht aus Frankreich unterstreicht die Ergebnisse: Eine 55-jährige Patientin hatte seit 30 Jahren Zahnersatz. Nun war ein Füllungsmaterial ausgetauscht und durch Komposite ersetzt worden. Nach einigen Wochen entwickelten sich orale Veränderungen, die als lichenoid erkannt wurden. Der durchgeführte Epikutantest ergab eine Sensibilisierung auf Methylmethacrylat, Dimethylacrylat und auf das Zahnharz. Der neue Zahnersatz wurde entfernt und durch Silikon ersetzt, woraufhin innerhalb von 7 Monaten eine Besserung der oralen Symptomatik zu beobachten war135.

4. DISKUSSION

118

Tabelle 12: Vergleichstabelle für die Studien zur Assoziation von oralen lichenoiden Läsionen und Kontaktallergien.

Besserung Symptome 2 0 -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- --

--Austausch Zahnersatz 11 -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- --

--Klinische Relevanz -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- --

--Epikutane Sensibilisie- rung 3 (12%) (4%) -- -- -- 0% -- -- -- -- -- -- --

--Patienten Lichen ruber 42 50 -- -- -- 22 -- -- -- -- -- -- --

--Besserung Symptome 13 (93%) 13 14 28 16 (+3) 8 -- 9 28 9 7 (95%)

Austausch Zahnersatz 18 -- 15 16 30 22 9 -- 11 62 17 8 -- 94

Klinische Relevanz -- -- 18 -- -- -- -- 1 11 -- -- -- --

Epikutane Sensibilisie- rung (Anteil in Prozent) 15 (79%) 21 (70%) 21 (23%) 19 (46%) 33 (39%) 21 (19%) 25 (45%) 6 (35%) 15 (60%) 80 (68%) -- 8 (33%) 19 (40%) 17 (35%)

Patienten orale lichenoide Läsionen 19 30 91 41 84 109 55 17 25 118 17 24 48 94

Histo- logie nein ja -- -- nein nein -- -- ja ja nein -- -- ja

Histo- logie nein ja -- -- nein nein -- -- ja ja nein -- -- ja