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1. EINLEITUNG

1.1 Lichen ruber

1.1.6 Subtypen des Lichen ruber

1.1.6.2 Weitere Subtypen des Lichen ruber

Die Entitäten Lichen ruber linearis, blaschkoider Lichen ruber und zosteriformer Lichen ruber sind mit einem Auftreten von unter 0,3 % extrem selten4. Ein schmaler Streifen von Lichen-ruber-Effloreszenzen verläuft bandartig von zum Beispiel der Achselhöhle zum Handgelenk oder von der Glutäalregion zum Innenknöchel4. Verlaufen diese Streifen entlang der Blaschko-Linien oder entlang dem Verlauf eines Nervensegments, so wird der bestehende Lichen ruber als blaschkoider beziehungsweise als zosteriformer Lichen ruber bezeichnet4. Beim Lichen ruber follicularis tritt der Lichen ruber an den Haarfollikeln auf4. Häufig entstehen stecknadelkopfgroße, aggregierte, zartrote Knötchen4. Die Herde können unterschiedlich groß sein4. In diesen stehen die Effloreszenzen dicht beieinander4. Prädilektionsstellen sind die Gelenkbeugen, insbesondere das Handinnengelenk, der obere Rumpf, der Hals, die Oberschenkelinnenseiten und die Sakralgegend4. Das Kapillitium kann auch befallen sein4. Hier weisen die Lichen-ruber-Läsionen dann eine Schuppung auf und führen zu einer narbigen Alopezie4.

Beim Lichen ruber genitalis betreffen die Läsionen auch den Genitalbereich. Bei Männern mit Lichen ruber ist das Genitale zu 20 % betroffen, häufig die Glans penis4. Man kann erosive Veränderungen finden, meist jedoch treten kleine, umschriebene Papeln auf4. Am weiblichen Genitale ist eine ähnliche Symptomatik wie an der Mundschleimhaut zu beobachten4. Dort können demnach streifige und schmerzhafte Erosionen auftreten4.

Der Lichen ruber anularis entsteht, wenn größere Effloreszenzen des Lichen ruber im Zentrum bereits abgeheilt sind, während sie peripher eine Progredienz zeigen4. Dabei entstehen erst eingedellte Papeln und später ringförmige Herde, was die Bezeichnung Lichen ruber anularis erklärt.

1. EINLEITUNG

8 Dem Lichen ruber anularis ähnlich ist der vor allem in tropischen Ländern vorkommende Lichen ruber actinicus4. Diese Form des Lichen ruber tritt wahrscheinlich in Folge von Sonnenlichtexposition auf4. Sie kommt gehäuft bei Kindern und jungen Erwachsenen vor4. Der Lichen ruber actinicus zeigt eine saisonale Exazerbation und eine starke Selbstheilungstendenz4.

Beim Lichen ruber verrucosus treten multiple, erbsengroße und derbe Knoten bis hin zu handflächengroßen, plaqueförmigen Herden auf4. Prädilektionsstellen sind die Streckseiten der Unterschenkel und die Knöchelgegend4. Bei dieser Form ist der Pruritus sehr ausgeprägt4. Außerdem bleiben nach der Abheilung häufig Narben zurück4. Ein Lichen ruber verrucosus an den Beinen tritt regelmäßig in Zusammenhang mit einer chronisch-venösen Insuffizienz auf4. Auch die Entartung zu einem verrukösen Carcinom ist bereits beschrieben worden4. Der Lichen ruber atrophicans ist dadurch gekennzeichnet, dass an den Stellen der ursprünglichen Papeln eine unter das Hautniveau eingesunkene, weißliche oder bläuliche, meist linsengroße Hautverdünnung mit Verlust der Haare auftritt4. Solche Herde können konfluieren und schließlich weißlich-atropische Flächen bilden4. Häufig liegen jedoch beim Lichen ruber atrophicans nur wenige Effloreszenzen vor, die dann an den unteren Extremitäten erscheinen4.

Beim Lichen ruber vesiculosus et bullosus bilden sich Blasen im Bereich der Effloreszenzen des Lichen ruber, die als Konsequenz des entzündlichen Infiltrats im Bereich der Junktionszone und basaler Keratinozytenapoptose entstehen4.

Der Lichen ruber pemphigoides ist durch Blasen gekennzeichnet, die an Stellen auftreten, wo keine Läsionen des Lichen ruber sichtbar sind4. Zudem muss sich gleichzeitig ein bullöses Pemphigoid manifestieren4. Damit liegt hier ein sogenanntes „Overlap-Syndrome“ vor, bei dem Anteile von zwei Erkrankungen, nämlich Lichen ruber und bullöses Pemphigoid, nebeneinander auftreten. Der Lichen ruber pemphigoides lässt sich in der Immunfluoreszenz nachweisen. Dort treten bandförmige Ablagerungen von C3- und IgG-Autoantikörpern an der Basalmembran auf, die für ein bullöses Pemphigoid typisch sind.

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9 1.1.7 Differentialdiagnosen

1.1.7.1 Klinische Differentialdiagnose für Lichen ruber am Integument

Eine klinische Differentialdiagnose für Lichen ruber am Integument ist die Psoriasis punctata.

Bei der Psoriasis punctata ist das sogenannte „Auspitz-Phänomen“ auslösbar, was beim Lichen ruber jedoch nicht möglich ist3. Das Auspitz-Phänomen sagt aus, dass nach der Entfernung der parakeratotischen, psoriatischen Hautplaques bei weiterem Kratzen punktförmige Blutungen auftreten28.

Die Pityriasis lichenoides et varioliformis acuta ist eine weitere Differentialdiagnose des Lichen ruber. Liegt eine Pityriasis lichenoides et variolifomis acuta vor, so ist ein polymorphes Exanthem zu erkennen, während das Exanthem des Lichen ruber stets monomorph ist3.

Selten kommt als Differentialdiagnose auch ein papulöses Syphilid in Betracht. Beim papulösen Syphilid fehlen die typischen lichenoiden Läsionen. Außerdem tritt kaum oder gar kein Pruritus auf3.

1.1.7.2 Klinische Differentialdiagnosen für Lichen ruber mucosae oris

Die häufigste Differentialdiagnose für Lichen ruber mucosae oris ist eine Candidose der Mundschleimhaut. Eine Mykose mit Candida albicans kann sowohl Zunge als auch Wangenschleimhaut betreffen und weißliche Beläge verursachen, die jedoch im Gegensatz zu den Läsionen des oralen Lichen ruber abstreifbar sind3.

Eine weitere Differentialdiagnose des Lichen ruber mucosae oris ist die Leukoplakie.

Leukoplakien als präkanzerotische Veränderungen der Mundschleimhaut sind nur mittels Biopsie und nachfolgender histologischen Untersuchung vom Lichen ruber abzugrenzen3. Bei der Leukoplakie liegen die typischen „Anularstrukturen“ des Lichen ruber nicht vor3.

Weiterhin muss die Gingivitis marginalis vom Lichen ruber mucosae oris abgegrenzt werden.

Bei dieser Erkrankung liegt ein ähnliches Muster wie beim Lichen ruber vor, auch die Beschwerdesymptomatik ist vergleichbar3. Eine Unterscheidung ist durch eine histopathologische Untersuchung möglich3.

Eine Glossodynie, die auch als „burning mouth syndrome“ bezeichnet wird, kann bei brennenden und stechenden Schmerzen der Zunge vorliegen. Häufige Begleitsymptome der

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10 Glossodynie sind Geschmacksmissempfindungen und Mundtrockenheit. Eine entzündliche Veränderung der Mundschleimhaut liegt dabei jedoch meist nicht vor27. Vielmehr wurden psychische Ursachen für die Glossodynie beschrieben27,28. Allerdings kann diese Erkrankung auch sekundär bei Diabetes mellitus, Vitamin-B12-Mangel oder Sjögren-Syndrom auftreten27. Meist tritt während der Nahrungsaufnahme Besserung ein, was eine Abgrenzung vom Lichen ruber mucosae oris ermöglicht.

Besonders wichtig ist die Abgrenzung des Lichen ruber mucosae oris von oralen lichenoiden Reaktionen (=OLL)8. Dies kann die Differenzialdiagnose sehr unübersichtlich machen.

Lichen ruber wird hierbei meist als idiopathische Erkrankung gesehen, wohingegen lichenoide Reaktionen als Antwort des Organismus auf bestimmte Stoffe betrachtet werden.

So differenzieren dann manche Autoren die lichenoiden Reaktionen noch weiter, zum Beispiel in „oral lichenoid contact reaction = OLCR“ und „oral lichenoid drug reaction = OLDR“8. Ferner entstehen lichenoide Reaktionen im Zusammenhang mit einer „graft -versus-host-disease“ (=OLL-GVHD)29. Lichenoide Läsionen können auch als Reaktion auf Metallwerkstoffe auftreten. Wie diese lichenoiden Läsionen vom Lichen ruber mucosae oris unterschieden werden können, soll in der Diskussion dieser Dissertationsarbeit behandelt werden. Bisher fehlen dazu eindeutige Kriterien.

1.1.7.3 Histologische Differentialdiagnosen

Im histologischen Bild ist ein lichenoides Arzneimittelexanthem vom Lichen ruber abzugrenzen. Beim lichenoiden Arzneimittelexanthem lassen sich zahlreiche apoptotische Keratinozyten finden3. Zudem tritt häufig eine fokale Parakeratose auf, die beim Lichen ruber nicht vorkommt3. Ebenso ist eine deutliche Histoeosinophilie wie auch ein Plasmazellinfiltrat möglich3.

Eine weitere histologische Differentialdiagnose ist die fixe Arzneimittelreaktion. Liegt eine fixe Arzneimittelreaktion vor, sind im histologischen Bild im Gegensatz zum Lichen ruber eine deutlich Eosinophilie sowie eine markante Pigmentinkontinenz zu sehen3. Des Weiteren sind auch hier zahlreiche apoptotische Keratinozyten sowie eine perivaskuläre Infiltratverdichtung zu erkennen3.

Außerdem kommt bei der histopathologischen Begutachtung eine akute graft-versus-host-disease in Betracht. Bei der akuten graft-versus-host-graft-versus-host-disease ist eine starke Vakuolisierung

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11 der Junktionszone sowie ein weniger dichtes Infiltrat als beim Lichen ruber zu erkennen3. Auch hier sind zahlreiche apoptotische Keratinozyten zu finden3.

In seltenen Fällen ist auch hier die Differentialdiagnose papulöses Syphilid in Betracht zu ziehen. Liegt ein papulöses Syphilid vor, zeigt die Epidermis bei diesem Krankheitsbild eine psoriasiforme Akanthose und fokale Spongiose3. Ferner treten neutrophile Granulozyten und Plasmazellen zahreich auf3.

1.1.8 Therapie

1.1.8.1 Topische Therapie der Haut

Der wesentliche Bestandteil der topischen Therapie sind potente Glucocorticoide der Klassen III und IV4. Dabei kommen bei schwacher Symptomatik mittelstarke Corticoide wie Prednicarbat oder Mometasonfuroat zum Einsatz3. Bei ausgeprägter Symptomatik müssen starke Glucocorticoide wie Clobetasol verordnet werden3. Ein niederpotentes Corticoid wie Triamcinolonacetonid kann bei umschriebenen Formen angewendet werden4. Es ist dabei auch möglich, dass die Erosionen des Lichen ruber mit Triamcinolonacetonid unterspritzt werden3. Glucocorticoide wirken antiinflammatorisch und außerdem antipruritisch, was bedeutet, dass sie zum einen die Entzündung bekämpfen und zum anderen den Juckreiz lindern.

Andere Externa wie Menthol oder Polidocanol wirken ausschließlich antipruritisch4 und haben keinen Effekt auf die Rückbildung der Läsionen des Lichen ruber.

1.1.8.2 Phototherapie der Haut

Eine weitere effektive Therapiemöglichkeit besteht insbesondere bei ausgedehnten Formen des Lichen ruber in der Lichttherapie mittels Bade-PUVA, systemischer PUVA oder UVB-Therapie3,4. Außerdem ist eine Re-PUVA-Therapie möglich3. Re-PUVA-Therapie bedeutet die Kombination einer systemischen PUVA-Therapie mit dem Retinoid Acitretin3. Die Erfolgsrate der Phototherapien liegt bei etwa 80 bis 90 %3.

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12 1.1.8.3 Topische Therapie der Mundschleimhaut

An der Mundschleimhaut können auch Glucocorticoide der Klasse IV wie beispielsweise Clobetasol eingesetzt werden4. Stärkere Corticoide sind dabei wirksamer als schwächere und sollten daher verordnet werden7. Ebenso besteht wie bei der Lokaltherapie an der Haut die Möglichkeit einer direkten Corticoidinjektion in die Schleimhautläsionen des Lichen ruber7, was jedoch für die Patienten sehr schmerzhaft ist7.

Zudem sind retinoidhaltige Externa als Behandlungsoption vorhanden4. Bei den Retinoiden treten jedoch Nebenwirkungen wie Mundtrockenheit oder ein brennendes Gefühl an der Mundschleimhaut auf7.

Auch die lokale Applikation von Ciclosporin A ist möglich4. Hierbei muss allerdings bedacht werden, dass Geschmacksstörungen und ein brennendes Gefühl an der Mundschleimhaut auftreten können7. Ferner sind die Kosten für Ciclosporin beträchtlich höher als die für Corticoide7.

Bei schmerzhaften Erosionen im Bereich der Mundschleimhaut sollten zur Analgesie Spülungen mit Lokalanästhetika durchgeführt werden4.

In neuester Zeit ist zudem die Therapie mit Calcineurininhibitoren wie Tacrolimus oder Pimecrolimus eine wirksame Option4. Die Verwendung dieser Wirkstoffe ist jedoch derzeit noch off-label. Die Indikationsstellung darf nur unter strengen Kriterien erfolgen, da die Langzeitwirkungen dieser neuen Substanzen noch unerforscht sind3. Außerdem wies Pimecrolimus im Tierversuch kanzerogene Eigenschaften auf3.

1.1.8.4 Systemische Therapie

Eine systemische Therapie ist nur bei einem unzureichenden Erfolg der topischen Therapie indiziert und sollte auch dann noch von einer topischen Therapie begleitet werden2.

Glucocorticoide können bei subakut oder akut auftretendem Lichen ruber effektiv Erosionen und Pruritus zurückbilden, meist wird Prednison empfohlen4.

Retinoide wie Acitretin oder Isotretinoin können bei exanthematischem Lichen ruber mit Mundschleimhautbeteiligung verordnet werden4. Allerdings müssen eventuelle Nebenwirkungen wie beispielsweise die Teratogenität genau beachtet werden. Bei Frauen im

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13 gebärfähigen Alter ist daher eine hormonelle Kontrazeption während der Therapie und über einen Zeitraum von zwei Jahren nach der Therapie erforderlich4.

Auch Ciclosporin A kann bei Lichen ruber eingesetzt werden4. Die Wirksamkeit dieses Medikaments wurde jedoch bisher nicht in großen Studien belegt.

Bei therapierefraktären Verläufen kommen in Einzelfällen Medikamente wie Dapson, Azathioprin, Thalidomid und Interferon-α2b zum Einsatz4. Auch Antibiotika, Antimalariamedikamente, Vitamine, Tuberkulostatika oder niedermolekulares Heparin sind bereits in der Therapie getestet worden. Kontrollierte Studien mit diesen Medikamenten liegen aber bisher nicht vor, sodass der Einfluss dieser Wirkstoffe unklar bleibt4 und die Verordnung offiziell nicht zugelassen ist.

Eine zusätzliche Medikation mit Antimykotika wie Griseofulvin oder Itravonazol ist sinnvoll, wenn neben einem Lichen ruber mucosae oris zusätzlich eine Candidabesiedlung vorliegt4. Gegen eventuell vorliegenden Pruritus können Antihistaminika der 2. Generation (Desloratadin oder Levocetirizin) verordnet werden, obwohl diese Vorgehensweise nicht evidenzbasiert ist4.

Sollte der Lichen ruber durch eine bestimmte Medikation ausgelöst worden sein, so ist diese zu beenden und durch geeignete Medikamente zu ersetzen3.

1.1.9 Prognose

Der Verlauf der Erkrankung ist sehr unterschiedlich. Ein akuter Verlauf mit Abheilung innerhalb eines Jahres ist ebenso möglich wie ein chronischer, jahrzehntelanger Verlauf3. Auch Spontanheilungen und -remissionen treten auf3.

Eine besondere Bedeutung des Lichen ruber liegt in dem Entartungspotential dieser Erkrankung. Bei etwa 7 % der Patienten mit Lichen ruber mucosae oris bestehen langjährige, erosive oder stark ulzerierende Veränderungen der Mundschleimhaut2,3. Diese Veränderung sind als fakultative Präkanzerosen anzusehen3. Das Risiko zur Entwicklung eines spinozellulären Carcinoms aus den Erosionen wird bei etwa 5 % taxiert4. Daher wird in einem solchen Fall eine regelmäßige Verlaufskontrolle mittels Biopsien und histopathologischer Untersuchung dringend empfohlen2,4. Als Kofaktor für das Entstehen spinozellulärer

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14 Carcinome der Mundschleimhaut ist das Rauchen eindeutig identifiziert worden2. Es sollte folglich dringend Nikotinkarenz eingehalten werden.

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1.2 Allergien vom Spättyp / Kontaktallergien

1.2.1 Immunologische Grundlagen

Eine Allergie vom Spättyp bezeichnet man (nach Coombs und Gell) als

„Hypersensitivitätsreaktion vom verzögerten Typ“. Synonym wird die Begrifflichkeit

„Hypersensitivitätsreaktion des Typs IV“ verwendet. Diese Allergie vom Spättyp wird durch die Aktivierung antigenspezifischer T-Effektorzellen ausgelöst30.

Wenn chemische Substanzen durch Hautkontakt die Allergien auslösen, bezeichnet man die folgende Dermatose als Kontaktallergie30.

Hochreaktive, kleine Antigene sind die typischen Auslöser einer Hypersensitivitätsreaktion, da sie leicht die Haut durchdringen können30. Die Moleküle sind oft zu klein, als dass sie allein immunogen wirken können. Sie müssen zuerst mit körpereigenen Proteinen reagieren30, damit sogenannte „Protein-Hapten-Komplexe“ entstehen, die zu „Hapten-Peptid-Komplexen“

umgebaut werden können30. Diese Komplexe binden an MHC-Moleküle und werden deshalb von T-Zellen als fremde Antigene eingestuft30.

Allergische Reaktionen vom Spättyp können in eine Sensibilisierungs- und eine Effektorphase eingeteilt werden. In der Sensibilisierungsphase nehmen Langerhans-Zellen Antigene auf und prozessieren sie. Dann wandern sie zu regionalen Lymphknoten und lösen die Bildung antigenspezifischer T-Lymphozyten und insbesondere T-Gedächtniszellen aus30. Diese Phase kann einige Tage oder auch einige Wochen dauern31. Nun stehen genügend antigenspezifische T-Gedächtniszellen zur Verfügung, die bis in die Dermis wandern und bei erneutem Allergenkontakt freigesetzt werden können30. Während der Effektorphase führt der nochmalige Allergenkontakt dazu, dass den T-Gedächtniszellen in der Dermis Antigene präsentiert werden30. Dies bewirkt, dass die T-Gedächtniszellen Zytokine wie beispielsweise Interferon-γ oder IL-17 ausschütten30. Das wiederum stimuliert die Keratinozyten der Epidermis zur Freisetzung von Zytokinen wie zum Beispiel IL-1, IL-6, IL-8 oder TNF-α30. Diese Stoffe verstärken den Effekt der Entzündungsreaktion, da sie Monozyten zur Läsionsstelle locken und deren Entwicklung zu Makrophagen beschleunigen30. Ferner sorgen sie dafür, dass weitere T-Zellen an den Läsionsort gelangen30.

Die Effektorphase verläuft bei Allergien vom Spättyp meist innerhalb von 1 bis 2 Tagen, kann allerdings auch schon nach 2 Stunden auftreten31.

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16 1.2.2 Epikutantestungen

Allergische Sensibilisierungen des Spättyps können mit Hilfe eines Epikutantests, der auch Patch-Test genannt wird, nachgewiesen werden. Dabei werden die Testsubstanzen in standardisierten Konzentrationen mittels spezieller Testpflaster auf die gesunde Rückenhaut aufgeklebt und 24 bis 48 Stunden dort belassen28. Die Ablesung erfolgt nach 48 und 72 Stunden28. Bei bestimmten Substanzen wird zusätzlich eine Ultraspätablesung nach 96 Stunden oder gar 1 bis 2 Wochen durchgeführt. Eine positive Reaktion ist durch ein Erythem, Papeln, Bläschen etc. gekennzeichnet28. Die Graduierung nach einfach, zweifach oder dreifach positiv erfolgt durch die Stärke der Reaktion. Eine einfach positive Reaktion wird durch ein Erythem, ein Infiltrat und eventuell Papeln gekennzeichnet, eine zweifach positive Reaktion wird durch Erythem, Infiltrat, Papeln und Vesikel charakterisiert. Eine dreifach positive Reaktion zeigt neben Erythem, Infiltrat und Papeln auch konfluierende Vesikel.

Da eine Vielzahl von potentiellen Allergenen existieren, muss eine Vorauswahl an Testsubstanzen getroffen werden. Bei der Epikutantestung wird immer eine Standardreihe mit den häufigsten Allergenen getestet und gegebenenfalls mit anderen Testreihen ergänzt, die sich durch bestimmte Angaben in der Anamnese ergeben32. Die Testreihen wurden von dem Informationsverbund dermatologischer Kliniken (IVDK) entwickelt. Die Standardreihe beinhaltet die 30 häufigsten und relevantesten Einzelallergene aus allen Bereichen. Die weiteren Reihen, die immer als Ergänzung der Standardreihe getestet werden, sind jeweils speziellen Indikationen gewidmet. Sie beinhalten beispielsweise topische Antibiotika, Lokalanästhetika, Ophtalmika oder Konservierungsmittel. Zudem wurden bestimmte Reihen für einzelne Berufsgruppen wie das Bau-Hauptgewerbe, das Friseur- oder das Zahntechnikergewerbe entwickelt.

Sollte der Epikutantest eine positive Reaktion ergeben, muss das Ergebnis mit den anamnestischen Angaben des Patienten verglichen werden28. Dies rührt daher, dass es auch Sensibilisierungen gibt, die keine klinische Relevanz besitzen28. Diese Sensibilisierungen müssen von „echten“ Allergien abgegrenzt werden.

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17 1.2.3 Kontaktallergien als Reaktion auf Zahnersatz

Schon in der Gesamtbevölkerung wird die Prävalenz von Kontaktallergien auf Dentalmaterialien als hoch eingeschätzt. Thyssen und Menné gehen davon aus, dass bis zu 17% der Frauen und 3% der Männer eine Allergie gegenüber Nickel aufweisen und dass außerdem 1 bis 3% beispielsweise gegen Kobalt sensibilisiert sind31.

Dass die Prävalenz unter Patienten mit Dermatosen als noch höher eingeschätzt wird, macht die Relevanz des Themas der vorliegenden Arbeit deutlich.

In einer Studie aus Japan wiesen 103 der 148 (69,6%) getesteten Patienten eine Kontaktallergie auf33. Die häufigsten Allergene waren Nickel (25,0%), Palladium (24,4%), Chrom (16,7%) und Kobalt (15,9%). Als typische Symptome dieser Allergien wurden Pustulosis palmaris und plantaris, Lichen ruber, Stomatitis und Kontaktdermatitis beobachtet33. Interessanterweise hatten etwa 30% der Patienten jedoch keine oralen Symptome33. Die Autoren geben aber als Limitation ihrer Studie zu bedenken, dass 86% ihrer Patienten aus einer Haut- und Zahnklinik mit der Diagnose oder dem Verdacht auf eine Kontaktallergie rekrutiert wurden33, sodass die Ergebnisse der Studie wahrscheinlich etwas höher als in der Realität sind.

Auch in Deutschland wurde ein Kollektiv von 756 Patienten mit Symptomen an der Mundschleimhaut und Schwierigkeiten mit Dentalmaterialien ausgewertet, und zwar von Richter und Geier34: Die bei den Patienten am häufigsten auftretenden Kontaktallergene waren Nickelsulfat, Palladiumchlorid, Natriumthiosulfatoaurat, Benzoylperoxid und Amalgam34.

Aus früheren Zeiten existieren einige Publikationen, die eine Assoziation zwischen Kontaktallergien auf Dentalmetalle und Lichen ruber mucosae oris postulieren1,33,35-38. In den Niederlanden wurde beispielsweise eine Studie mit 200 Patienten durchgeführt, die alle suspekte Veränderungen der Mundschleimhaut hatten, welche im Verdacht standen, mit goldhaltigen Dentalmaterialien zusammenzuhängen35. In allen sechs Fällen, in denen nach der Entfernung des Zahnersatzes eine Verbesserung zu erkennen war, konnte eine Kontaktallergie auf Gold nachgewiesen werden35.

Zur Veranschaulichung zeigt Abbildung 2 lichenoide Veränderungen der Mundschleimhaut eines Patienten mit klinisch relevanter Kontaktallergie gegen Natriumthiosulfatoaurat.

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Abbildung 2: Klinisches Bild einer lichenoiden Mundschleimhautveränderung eines Patienten mit klinisch relevanter Kontaktallergie gegenüber Natriumthiosulfatoaurat.

Der schwarze Pfeil weist auf die lichenoide Veränderung hin.

Es ist bei den Kontaktallergien auf Dentalmetalle möglich, dass die Symptome nicht nur im Mund, sondern auch an der Hand, den Füßen oder am restlichen Integument auftreten33,39. Deshalb wird in dieser Arbeit nicht nur eine Assoziation zwischen Lichen ruber der Mundschleimhaut und Kontaktallergien auf Dentalmaterialien untersucht, sondern auch der Zusammenhang zwischen Lichen ruber am restlichen Integument und Kontaktallergien.

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19 1.2.4 Allergologisch relevante Inhaltsstoffe von Zahnersatz

Mutmaßliche oder tatsächliche Allergien gegenüber zahnärztlichen Werkstoffen stellen ein zunehmendes Problem bei der zahnärztlich-prothetischen Versorgung dar. Kronen, Brücken oder Zahnprothesen zu ersetzen, ist ein aufwendiges Unterfangen und zudem mit hohen Kosten verbunden. Daher sollte eine solche Zahnrestauration nur dann durchgeführt werden, wenn objektive Mundschleimhautveränderungen diagnostiziert werden können und ein Zusammenhang mit Zahnersatz festgestellt wird.

1.2.4.1 Amalgame

Amalgame werden in der Zahnmedizin als definitive Füllungsmaterialien verwendet39. Amalgam ist eine Legierung aus mehreren Metallen mit Quecksilber. Die Legierungspulver enthalten Silber, Zinn und Kupfer, gelegentlich auch Zink39. Amalgam ist sehr haltbar, kostengünstig und außerdem gut zu verarbeiten39. Sowohl Quecksilber(II)-amidchlorid als auch Amalgam und die Amalgam-Legierungsmetalle sind Substanzen, die in den Epikutantestreihen untersucht werden.

Früher waren Amalgame sehr korrosionsanfällig39. Auf die heutzutage verwendeten kupferreichen Amalgame trifft dies jedoch nicht mehr per se zu39. Man muss allerdings in

Früher waren Amalgame sehr korrosionsanfällig39. Auf die heutzutage verwendeten kupferreichen Amalgame trifft dies jedoch nicht mehr per se zu39. Man muss allerdings in