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4. DISKUSSION

4.5 Zusammenhang zwischen Lichen ruber mucosae oris und Hepatitis B

Die bisher verbreitete Auffassung, dass Lichen ruber mucosae oris regelmäßig mit Hepatitis B und C vergesellschaftet ist, konnte in dieser Studie nicht verifiziert werden.

Die Vergleiche der Patientenkollektive bezüglich Hepatitis B zeigten keine statistisch signifikanten Unterschiede und bestätigten damit die Ergebnisse aus der Literaturrecherche.

Die Patienten mit Lichen ruber mucosae oris waren nicht häufiger mit Hepatitis B infiziert als die Patienten mit Psoriasis (p=0,369). Ferner zeigten sie auch keine signifikant erhöhte Prävalenz für die abgelaufene und akute Infektion mit Hepatitis B gegenüber den Patienten mit atopischer Dermatitis (p=0,756). Auch im Vergleich zu den Patienten aus dem nationalen Gesundheitssurvey wiesen die Patienten mit Lichen ruber mucosae oris keine erhöhte Infektionsrate auf (p=0,200).

Die Vergleiche der Infektionsraten bezüglich Hepatitis C lieferten ein gemischtes Bild: Die Patienten mit Lichen ruber mucosae oris waren nicht häufiger mit Hepatitis C infiziert als die Patienten mit Psoriasis (p=0,270). Ebenso zeigten sie keine signifikant erhöhte Prävalenz für die abgelaufene und akute Infektion mit Hepatitis C gegenüber den Patienten mit atopischer Dermatitis (p=0,147). Die Vergleichswerte aus den Patientengruppen Psoriasis und atopischer Dermatitis sind aber wahrscheinlich etwas höher als in der Realität, da man bei Patienten mit diesen Erkrankungen lediglich dann eine serologische Untersuchung auf Hepatitisviren durchführt, wenn dafür ein konkreter Anhaltspunkt vorliegt.

Die Patienten mit Lichen ruber mucosae oris wiesen im Vergleich zu den Patienten aus dem nationalen Gesundheitssurvey eine erhöhte Infektionsrate an Hepatitis C auf (p<0,001). Die Prävalenzwerte des Gesundheitssurveys sind jedoch eher als etwas zu niedrig einzuschätzen, da dort bestimmte Risikogruppen wie medizinisches Personal oder Gefängnisinsassen nicht inkludiert wurden, bei denen aber eine erhöhte Prävalenz von Hepatitisantikörpern zu erwarten ist47.

Im Folgenden sollen zunächst die Studien vorgestellt werden, die sich ausschließlich mit der Assoziation zwischen Lichen ruber und Hepatitis C beschäftigen.

In einer Studie aus den USA wiesen 12 der 22 Patienten (55%) mit kutanem Lichen ruber Antikörper gegen Hepatitis C auf145 (Tabelle 13). Dies war eine signifikant höhere Rate als in der Vergleichsgruppe 1, bei der bei 10 von 40 Patienten (25%) mit Psoriasis HCV-Antikörper

4. DISKUSSION

125 gefunden werden konnten145. Auch gegenüber der Vergleichsgruppe 2, die Daten von freiwilligen Blutspendern beinhaltete, konnte eine signifikant höhere Rate an HCV-Antikörpern bei den Lichen-ruber-Patienten gefunden werden145. Die Autoren dieser Studie halten es außerdem für möglich, dass Lichen ruber die erste klinische Präsentation der HCV-Infektion darstellt145.

In einer thailändischen Studie wurden 60 Patienten mit Lichen ruber mucosae oris 60 Kontrollpatienten gegenübergestellt146. 5 der 60 Patienten (8%) mit Lichen ruber mucosae oris wiesen HCV-RNA und/oder Antikörper gegen Hepatitis C auf (Tabelle 13), während aus der Kontrollgruppe niemand serologische Anzeichen für Hepatitis C aufwies146. Dies stellte einen signifikanten Unterschied dar146 (Tabelle 13).

In einer ägyptischen Studie, in der 30 Patienten mit Lichen ruber und 30 Patienten mit anderen Dermatosen untersucht wurden, wurde bei 21 Patienten (70 %) mit Lichen ruber HCV-RNA nachgewiesen147 (Tabelle 13). Es ergab sich dabei ein statistisch signifikanter Unterschied zur Kontrollgruppe147 (Tabelle 13). Man muss dabei allerdings bedenken, dass die Prävalenz für Antikörper gegen Hepatitis C in der ägyptischen Bevölkerung bei etwa 15 bis 20% liegt147. Die Prävalenz in Deutschland wird dagegen laut Bundesgesundheitssurvey von 1998 nur auf 0,4 % taxiert47.

In Taiwan wurde im Vergleich von 104 Patienten mit Lichen ruber mucosae oris und 100 Kontrollpatienten eine signifikant erhöhte Prävalenz der HCV-Infektionsrate bei den Patienten mit Lichen ruber gefunden (22,1% gegenüber 2%)148 (Tabelle 13).

In Spanien verglichen Sánchez-Pérez et al. 78 Patienten mit Lichen ruber mit 82 Kontrollpatienten149. 16 der 78 Patienten (20%) wiesen HCV-Antikörper auf (Tabelle 13), bei 13 dieser 16 konnte zusätzlich auch HCV-RNA entdeckt werden, wohingegen von den 82 Kontrollen nur 2 positiv gegenüber Hepatitis C getestet wurden (2%)149. Damit ergab sich eine statistisch signifikante Assoziation zwischen Lichen ruber und der Infektion mit Hepatitis C149 (Tabelle 13).

Auch eine Studie aus Sao Paulo zeigte unter 68 Patienten mit Lichen ruber mucosae oris bei 6 Patienten (8,8%) das Vorhandensein von Hepatitis-C-Antikörpern und damit eine im Vergleich zur Gesamtbevölkerung erhöhte Prävalenz150 (Tabelle 13). Außerdem wurde in einer Gruppe von 126 Patienten mit HCV-Infektion ein erhöhtes Auftreten von Lichen ruber nachgewiesen150.

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126 Eine weitere Studie aus Brasilien wiederum kam zu anderen Ergebnissen: Zwar zeigte sich hier unter 215 Patienten mit Hepatitis C ein erhöhtes Auftreten von Lichen ruber, umgekehrt konnte jedoch unter den 50 Patienten mit Lichen ruber mit nur 1 infizierten Patienten (2%) keine erhöhte Prävalenz von HCV-Antikörpern festgestellt werden151 (Tabelle 13).

Tucker und Coulson konnten bei ihrer Studie in Nordwestengland ebenfalls bei keinem ihrer 45 Patienten mit Lichen ruber einen serologischen Nachweis für Hepatitis C finden152 (Tabelle 13). Diese Autoren verweisen zudem auf eine andere Studie mit 55 britischen Patienten mit Lichen ruber, bei denen auch keine einzige HCV-Infektion gefunden wurde153 (Tabelle 13).

In Schottland wurden 27 Patienten untersucht, 6 davon wiesen Lichen ruber und die weiteren 21 lediglich lichenoide Reaktionen der Mundschleimhaut auf154. Die Besonderheit dieser Studie lag darin, dass nicht nur serologische Marker bestimmt wurden, sondern auch zusätzlich in einer Biopsie aus den oralen Läsionen HCV-RNA nachgewiesen werden sollte.

Doch keiner der 27 Patienten zeigte Anzeichen für Hepatitis C, sodass hier ein Zusammenhang zwischen Lichen ruber und Hepatitis C nicht gefunden werden kann154 (Tabelle 13).

Michele et al. kamen in ihrer Studie mit Patienten aus Italien zu ähnlichen Ergebnissen: Sie konnten weder ein erhöhtes Auftreten von HCV-Infektionen unter 82 Patienten mit Lichen ruber (Tabelle 13) noch eine erhöhte Häufigkeit von Lichen ruber bei 165 Patienten mit chronischer Hepatitis C finden155.

Eine Studie aus Slowenien wies bei 173 Lichen ruber-Patienten mit 2 infizierten Patienten (1,2%) keine signifikant erhöhte Prävalenz von HCV-Antikörpern gegenüber der Kontrollgruppe mit 218 Patienten auf156 (Tabelle 13).

Auch eine Erhebung in den Niederlanden zeigte bei 55 Patienten mit Lichen ruber mucosae oris keine einzige HCV-Infektion157 (Tabelle 13).

4. DISKUSSION

127 Vergleichstabelle Lichen ruber und Hepatitis C

Land Anzahl der

Patienten mit Lichen ruber

Anzahl der positiv auf Hepatitis C getesteten Patienten

Anteil der positiv auf Hepatitis C getesteten Patienten in Prozent

Statistisch signifikanter

Unterschied zur

Vergleichsgruppe

USA145 22 12 55% Ja

Thailand146 60 5 8% Ja

Ägypten147 30 21 70% ja

Taiwan148 104 23 22,1% Ja

Spanien149 78 16 20% Ja

Brasilien150 68 6 8,8% Ja

Brasilien151 50 1 2% Nein

England152 45 0 0% Nein

England153 55 0 0% Nein

Schottland154 27 0 0% Nein

Italien155 82 9 11,4% Nein

Slowenien156 173 2 1,2% Nein

Niederlande157 55 0 0% Nein

Tabelle 13: Vergleichstabelle für die Studien zur Assoziation von Lichen ruber und Hepatitis C.

4. DISKUSSION

128 Im Folgenden sollen die Untersuchungen präsentiert werden, die sich sowohl mit der Assoziation zwischen Lichen ruber und Hepatitis C als auch mit der Assoziation zwischen Lichen ruber und Hepatitis B beschäftigt haben. Da diese Erhebungen das Auftreten sowohl von Hepatitis B als auch von Hepatitis C untersuchten, werden sie gemeinsam vorgestellt.

Dies soll unnötige Wiederholungen von gleichen Studien in Folgeabschnitten vermeiden.

Gerade in Bezug auf die Assoziation zwischen Lichen ruber und Hepatitis B gibt es nur sehr wenige aussagekräftige Informationen. Es existieren hauptsächlich Einzelfallberichte, die vom Auftreten eines Lichen planus nach der Impfung gegen Hepatitis B berichten158-166. In diesem Fall wird logischerweise der Abbruch des Impfzyklus empfohlen. Allerdings bleibt der pathogenetische Zusammenhang unklar.

Mignogna et al. untersuchten in Italien 263 Fälle von Lichen ruber mucosae oris auf alle Hepatitisviren und stellten sie einer Kontrollgruppe von 100 Personen gegenüber167 (Tabelle 14). 76 Patienten (29%) mit Lichen ruber mucosae oris wiesen Antikörper gegen Hepatitis C, 31 Patienten (12%) Antikörper gegen Hepatitis B auf167 (Tabelle 14). In der Vergleichsgruppe lagen diese Werte nur bei 3% (Hepatitis C) und 4% (Hepatitis B)167. Hier scheint also ein Zusammenhang zwischen Lichen ruber und Hepatitis zu bestehen.

In Ägypten wurden 43 Patienten mit Lichen ruber 19 Patienten mit kutaner Vaskulitis und weiteren 30 Kontrollpatienten gegenübergestellt168. 12 Patienten (28%) aus der Gruppe der Patienten mit Lichen ruber wurden positiv auf HBsAg getestet und 9 Patienten (21%) waren positiv für Antikörper gegen HCV (Tabelle 14). 3 Patienten (7%) waren positiv für beide Krankheiten168. Positiv gegenüber HBsAg waren 3 Patienten (16%) mit kutaner Vaskulitis und 8 Patienten (27%) aus der Kontrollgruppe. Anti-HCV-Antikörper konnten bei 7 Vaskulitispatienten (37%) und bei 3 Kontrollpatienten (10%) nachgewiesen werden168. Bei 3 Vaskulitispatienten (16%) und 1 Kontrollpatienten (3%) konnte der Nachweis sowohl für Hepatitis B als auch für Hepatitis C erbracht werden. Alle Werte zeigten im Vergleich keine signifikanten Unterschiede168 (Tabelle 14).

In Japan wurden 45 Fälle mit Lichen ruber mucosae oris serologisch auf Hepatitisviren untersucht169 (Tabelle 14). Bei nur 4 Patienten ließ sich HBsAg finden, wohingegen 28 Patienten (62%) Anti-HCV-Antikörper und 27 Patienten HCV-RNA (60%) aufwiesen169 (Tabelle 14). Man muss allerdings dabei bedenken, dass die Prävalenz von Hepatitis C in der Region, aus der die Patienten kamen, die höchste in ganz Japan ist169.

4. DISKUSSION

129 In Israel wurde eine sehr große Fall-Kontroll-Studie mit 1557 Patienten mit Lichen ruber und 3115 Kontrollpatienten durchgeführt44 (Tabelle 14). Die Prävalenz von Hepatitis B war in der Gruppe mit Lichen ruber der Prävalenz von Hepatitis B in der Kontrollgruppe ähnlich (0,9%

gegenüber 0,5%). Die multivariate Analyse ergab hier keinen signifikanten Unterschied44. Bei Hepatitis C lag der Fall etwas anders: Die Prävalenz war bei den Patienten mit Lichen ruber signifikant höher (1,9% gegenüber 0,4%)44.

Eine aktuelle Studie aus Deutschland kam wiederum zu anderen Ergebnissen: Hier wurde die Prävalenz von Hepatitis B und C bei 265 Patienten mit Lichen ruber mit der Prävalenz bei 257 Patienten mit chronischer Urtikaria und mit der Prävalenz bei 222 Patienten mit malignem Melanom verglichen25. In der Gruppe der Patienten mit Lichen ruber waren 35 Patienten (13,2%) positiv für Hepatitis B und 7 Patienten (2,6%) positiv für Hepatitis C25 (Tabelle 14). Einige wenige signifikante Unterschiede wurden auf alters- und geschlechtsspezifische Differenzen zwischen den Gruppen zurückgeführt; insgesamt wird jedoch deutlich, dass in dieser Studie kein direkter Zusammenhang zwischen Lichen ruber und Hepatitis B und C besteht25 (Tabelle 14).

Vergleichstabelle Lichen ruber und Hepatitis B und C

Land Anzahl

Tabelle 14: Vergleichstabelle für die Studien zur Assoziation von Lichen ruber und Hepatitis B und C.

4. DISKUSSION

130 Rebora et al. untersuchten in einer italienischen Studie mit einem etwas anderen Design 577 Patienten mit Lichen ruber und 1008 Kontrollpatienten170. Dabei stellten sie fest, dass bei 90% der Patienten mit Lichen ruber und chronischer Leberinsuffizienz Antikörper gegen eine oder mehrere Hepatitisviren gefunden wurden170. Sie vermuten, dass diese Assoziation eine klinische Relevanz besitzt und somit das Auftreten eines Lichen ruber bei Patienten mit chronischer Leberinsuffizienz postviraler Natur ist170.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass in puncto Hepatitis B lediglich in einigen Einzelfällen eine Assoziation zu Lichen ruber vermutet wurde158-166, während neueste, große Studien wie auch die Ergebnisse dieser Dissertationsarbeit dies widerlegen25,44. Bei Hepatitis C liegt der Fall etwas anders: In manchen Ländern wie Israel44, den USA145, Ägypten147, Taiwan148 und Brasilien150,151 wurde ein Zusammenhang zwischen Hepatitis C und Lichen ruber festgestellt, wohingegen in Deutschland25, England152,153, Italien155, Slowenien156 und den Niederlanden157 sowie in der vorliegenden Dissertationsarbeit eine Assoziation in jüngster Zeit widerlegt worden ist.

Die folgende Diskussion soll sich im Wesentlichen der Frage widmen, wieso die oben referierten Studien bezüglich Hepatitis C voneinander abweichende Ergebnisse hervorgebracht haben.

Es besteht auch hier die Möglichkeit, dass die Ergebnisse dadurch verzerrt wurden, dass Patienten in die Studien inkludiert wurden, deren Diagnose eines Lichen ruber mucosae oris nicht durch eine korrekte histopathologische Untersuchung gestellt worden war171. Des Weiteren können sich natürlich auch Probleme durch die generell eher geringen Fallzahlen in den Studien ergeben171.

Manche Autoren vermuten zudem, dass die voneinander abweichenden Ergebnisse mit der unterschiedlichen Prävalenz in den Ländern, insbesondere bei Hepatitis C, zusammenhängen155. Zusätzlich könnten Unterschiede in der Altersverteilung der Probandengruppen die Ergebnisse beeinflusst haben155. In einigen Ländern steigt nämlich die Prävalenz für Hepatitis C mit zunehmendem Lebensalter deutlich an171,172.

Ferner scheinen Unterschiede in der genetischen Ausstattung der Bevölkerung, insbesondere in Bezug auf immunologische Komponenten, ein unterschiedliches Auftreten der Assoziation zwischen Lichen ruber und Hepatitis zu begründen. Aktuell wird hierbei über das Allel DR6 diskutiert. Eine Studie aus Italien hat bereits ein erhöhtes Vorhandensein dieses HLA-Klasse II-Allels bei Patienten mit Lichen ruber und Hepatitis C gegenüber Patienten mit

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131 Lichen ruber, aber ohne Hepatitis C nachgewiesen173. Dazu wurden 31 italienische Patienten mit Lichen ruber mucosae oris und Hepatitis-C-Infektion folgenden 2 Gruppen gegenübergestellt: 45 italienischen Patienten mit Lichen ruber mucosae oris und 48 britischen Patienten mit Lichen ruber mucosae oris, die nicht mit Hepatitis C infiziert waren173.

Ebenso spielen wahrscheinlich bestimmte Zytokine eine Rolle: In einer italienischen Studie wurde nachgewiesen, dass bei Patienten mit Lichen ruber mucosae oris und Hepatitis C ein erhöhter Serumspiegel an TNF-α und dafür eine erniedrigtes Auftreten der immunmodulierenden Zytokine IL-1, IFN-γ und IL-8 vorliegt, wenn man diese Serumspiegel mit denen von Patienten vergleicht, die entweder an Lichen ruber mucosae oris litten und HCV-negativ waren oder als allgemeine Kontrollgruppe ohne besondere Erkrankungen inkludiert wurden174. Ein Unterschied zwischen den Patientenkohorten in Bezug auf die ebenfalls durchgeführten histopathologischen Biopsien konnte wie in einer oben bereits erwähnten Studie aus Schottland154 nicht festgestellt werden174.

Man vermutete außerdem, dass ein erhöhtes Auftreten von Lichen ruber mucosae oris bei Hepatitis-C-Patienten mit einem oder mehreren speziellen Subtypen des Hepatitis-C-Virus zusammenhängen könnte175. In einer kleinen Studie aus Italien konnte dieser Verdacht nicht bestätigt werden176. Die dort erhobenen Genotypen 1b und 2a entsprechen auch den häufigsten Genotypen unter HCV-Patienten ohne Befall von Lichen ruber176.

Ferner wird die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass das bei vielen Patienten mit Hepatitis C eingesetzte Interferon-α2a und -α2b T-Zell-Reaktionen und somit eventuell Lichen ruber induzieren könnte53,177. Andere Autoren negieren diese Assoziation beziehungsweise sehen sogar Indizien dafür, dass Interferon–α2b als Therapie für Lichen ruber eingesetzt werden kann178-181. In einer Untersuchung aus Spanien konnte kein Unterschied in der Inzidenz von Lichen ruber mucosae oris zwischen Hepatitis-C-Kranken, die Interferon erhielten, und solchen, die kein Interferon erhielten, gezeigt werden182.

Interessant scheint weiterhin nicht nur die Fragestellung zu sein, ob die Prävalenz von Hepatitis B und C bei Patienten mit Lichen ruber erhöht ist, sondern auch, ob umgekehrt die Prävalenz von Lichen ruber bei Patienten mit Hepatitis B und C erhöht ist. Dieses Studiendesign wurde jedoch bisher nur von wenigen Autoren ausgewählt.

In der Untersuchung von de Mattos Camargo Grossmann et al. aus Brasilien zeigte sich unter 215 Patienten mit Hepatitis C ein erhöhtes Vorkommen von Lichen ruber151. In der bereits erwähnten Studie aus Brasilien von Figuiereido et al. trat ebenfalls ein signifikant vermehrtes

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132 Auftreten von Lichen ruber bei 126 HCV-Patienten im Vergleich zur Kontrollgruppe auf (4,7% gegenüber 0,6%)150. Auch Michele et al. fanden wie oben bereits erwähnt unter 165 Patienten mit chronischer Hepatitis C eine Häufung von Patienten mit Lichen ruber155.

Friedrich et al. hingegen kamen zu anderen Ergebnissen: Sie untersuchten 156 Patienten mit einer bekannten Lebererkrankung auf das Auftreten von Lichen ruber mucosae oris183. Von den 156 Patienten waren 117 Patienten (75%) mit Hepatitis C infiziert, 16 Patienten (10%) mit Hepatitis B, die anderen wiesen andere Lebererkrankungen auf183. Von den 156 Patienten vermutete man bei 5 Patienten einen Lichen ruber mucosae oris, der histologisch in 4 Fällen bestätigt werden konnte183. Die Resultate zeigen, dass in dieser Erhebung keine erhöhte Prävalenz von Lichen ruber mucosae oris bei HCV-Infizierten besteht.

Letztlich kann aus den wenigen vorliegenden Studien kaum eine allgemein gültige Aussage bezüglich der erhöhten Prävalenz von Lichen ruber bei Hepatitispatienten getroffen werden.

Es ist jedoch interessant zu bemerken, dass diese Art der Assoziation bisher kaum untersucht wurde, obwohl die Rekrutierung von Hepatitispatienten sicher einfacher als die Rekrutierung von Patienten mit Lichen ruber mucosae oris zu bewerkstelligen ist. Dies lässt sich zum einen mit der höheren Prävalenz der Hepatitiden, zum anderen auch durch die einfachere Möglichkeit der exakten Diagnosestellung - nämlich mittels Serologie - begründen. Gerade wenn man bedenkt, dass Hepatitiden häufig (vermeintlich) symptomlos ablaufen, könnte doch das Auffinden eines Lichen ruber mucosae oris als mögliches Erstsymptom einen entscheidenden Schritt hin zu einer früheren Behandlung und damit zu einer geringeren Chronifizierungsrate und geringeren Entartungsrate zu einem hepatozellulärem Carcinom bedeuten.

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