Stand der betrieblichen Weiterbildung in Deutschland
Feld 9: Outputqualität
5.1.2.4 Zusammenfassung Qualitätskriterien und deren Beeinflussbarkeit
Die in den Definitionen gelungenen Lernens und der Ebenenbetrachtung identifizierten Faktoren können überblickhaft wie folgt dargestellt werden:
Inputqualität Prozessqualität Outputqualität Mikroebene Bedarfsanalyse zu
Bedürfnis-sen des Lerners
Erstellung von Bildungszielen personelle Merkmale des Lerners
Ausbildung der Trainer Praxisbezug der Maßnahme technisch-organisatorische Rahmenbedingungen Bildungstechnologie transparenter Nutzen klare Zieldefinition Transparenz in der Ange-botsvermarktung
sinnstiftendes Kommunizie-ren
regelmäßiges Feedback transparente Leistungserwar-tungen
förderorientierte Rückmel-dung zum Lernfortschritt vorbereitete Umgebung Austausch mit dem Referent didaktisch-methodische As-pekte
aktivierender, wertschätzen-der, empathischer Lehrstil situative Kompetenz der Trai-ner
aktive Beteiligung des Lerners
Kombination aus formellen und informellen Elementen Schaffung einer Kette von Lernereignissen
aktuelle, hilfreiche Lernmate-rialien
Vermittlung von Lernstrate-gien
Inhalte und Fähigkeiten helfen dem Teilnehmer, eigene Probleme und Herausforde-rungen selbstständig zu be-wältigen.
Erreichung der Bildungsziele Umsetzung in die Praxis Nachhaltigkeit
positiver Eindruck
Lern- und Prüfungsergebnisse nach klarem Bewertungssys-tem
gesteigertes Wis-sen/Fähigkeiten
Beitrag zur Persönlichkeits-entwicklung, zur Motivation, positivem Selbstbild und selbstständiger Lebensfüh-rung
Beitrag zur Erhaltung der Beschäftigungsfähigkeit/ Ver-besserung der Karrieremög-lichkeiten
Inputqualität Prozessqualität Outputqualität Mesoebene Bildungsbedarfsanalyse für
das Unternehmen Bildungsziele Ausbildungsplanung Lehrpläne
Ausbildungsordnungen didaktische Konzepte Qualifikation des Ausbil-dungspersonals
Zustand und Modernität der Ausbildungseinrichtungen IT-Infrastruktur
Lehrmaterialien
Teilnehmermanagement Service und Beratung freier Zugang
Anschluss an Vorleistungen und Vorwissen
Leitbilder Lernkultur
Aufgaben- und Arbeitsplatz-gestaltung
Unterstützung der Leitung
Beratung und Unterstützung Begleitmaterialien
Hospitationen o.ä.
Bewertung/Erreichung der Bildungsziele
sorgfältiges Controlling auf allen Ebenen des Lernerfolgs Auswertung der Outputevalu-ation der Mikroebene Kommunikation der Ergebnis-se
Anpassung und Verbesserung
Makroebene gesetzliche Regelungen Ordnungsvorhaben bildungspolitische Empfeh-lungen und Beschlüsse z.T. organisatorische Vorga-ben (AZAV/AZVW)
Förderung Wert der Bildung Arbeitsmarkt
Vorbildung aus allgemeinem Bildungssystem
ggf. Beeinflussung der Teil-nehmermotivation durch Stel-lenwert beruflicher Bildung
Entwicklung passender Ar-beitskräfte
Beschäftigungsfähigkeit
Versucht man, die einzelnen Stakeholdergruppen herauszulösen, zeigt sich, dass vor allem Anforderungen von Mitarbeitern und Geschäftsführung erkennbar sind. Die Mitarbeiter wollen mit der Weiterbildung ihre persönlichen und/oder beruflichen Ziele umsetzen. Sie erwarten gute Betreuung und passende Rahmenbe-dingungen. An den Trainer werden hohe Erwartungen hinsichtlich Fachwissen und didaktischer Kompetenz gestellt. Die Teilnehmer wünschen sich, dass die Weiterbildung möglichst eng an ihre berufliche Praxis an-schließt und sie das Gelernte bestmöglich verwerten können. Sie wollen ernst genommen und an der Wei-terbildung beteiligt werden.
Die Unternehmensleitung will über die Bildungsaktivitäten ihre Ziele erreichen. Dies soll vor allem mit ver-tretbarem Aufwand gelingen. Die Unternehmensleitung möchte möglichst guten Einblick in alle Aktivitäten haben und die Ergebnisse genau bewerten können. Sie benötigt dafür Transparenz und Nachvollziehbarkeit.
Interne Trainer suchen gute Rahmenbedingungen für ihre Tätigkeit und wünschen sich einen regen Aus-tausch untereinander und mit den Personalern des Unternehmens.
Das Bildungsmanagement ist zwar in seinen Aufgaben und Verantwortlichkeiten gut beschrieben, welche Erwartungen die Personalentwickler jedoch an die Weiterbildung haben, kann nicht herausgearbeitet wer-den. Auch zu den Erwartungen des Betriebsrates und der Führungskräfte konnte in der Literatur kein Input gefunden werden.
Beeinflussbarkeit der Qualitätskriterien
Begreift man die Lehr-Lern-Interaktion, das Geschehen zwischen Trainer und Lernendem sowie die Verar-beitung durch den Lernenden als Black Box, stellt sich die Frage, ob das Bildungsmanagement im Unter-nehmen überhaupt auf diesen abgeschlossenen Raum wirken kann. Die analytische Trennung von Lernen und Organisation ist erst einmal sinnvoll und vereinfacht die Bearbeitung.
Dass der organisationale Teil mit Methoden des Qualitätsmanagements erfasst werden kann, scheint nahe-liegend. Anders ist es jedoch bei den eigentlichen Lernprozessen. Diese laufen hochindividuell, dynamisch und dialogisch ab. "Der eigentliche Lernprozess lässt sich […] nicht vereinheitlichen und instrumentell stan-dardisieren." (Schlömer 2011:13) Franz sieht Bildungsqualität überhaupt nur im Rahmen dieses eigentlichen Lernprozesses etabliert. Da dieser vom Lernenden so stark mitverantwortet wird, ist er der Annahme, dass eine Steuerung von Qualität im Bildungssystem nicht möglich ist (Franz 2004:128). Denker schließt sich an und folgert für die Einflussmöglichkeiten der Mesoebene: "Die Möglichkeit der Beeinflussung des Lernpro-zesses durch die Organisation scheint also vordergründig nicht gegeben." (Denker 2006:67) Schlömer ande-rerseits sieht den Lernprozess zwar als hochindividuell, geht jedoch davon aus, dass durchaus darauf ein-gewirkt werden kann: "Die Interaktionen zwischen den Lernenden und ihrem Umfeld bieten Möglichkeiten zum Management der Qualität von Bildung." (Schlömer 2011:2) An dieser Stelle sollen oben geführte Tabel-len zu den Faktoren der drei Qualitätsdimensionen nochmals für Mikro- und Mesoebene herangezogen wer-den. Dabei soll herausgearbeitet werden, ob diese genannten Faktoren durch das Bildungsmanagement oder ggf. durch andere Stakeholder beeinflussbar sind.
Mikroebene
Beeinfluss-barkeit
Mesoebene
Beein- fluss-barkeit Inputqualität Bedarfsanalyse zu Bedürfnissen
des Lerners
ja durch Me-soebene
Bildungsbedarfsanalyse für das Unternehmen
ja
Erstellung von persönlichen Bil-dungszielen
ja durch Teilnehmer, Anleitung durch Me-soebene
Bildungsziele ja
personelle Merkmale des Lerners
nein Ausbildungsplanung ja
Mikroebene Beeinfluss-barkeit
Mesoebene
Beein- fluss-barkeit Ausbildung der Trainer ja durch
Me-soebene
Lehrpläne ja
Praxisbezug der Maßnahme teilweise Ausbildungsordnungen ja technisch-organisatorische
Rahmenbedingungen
ja durch Me-soebene
didaktische Konzepte ja
Bildungstechnologie ja durch Me-soebene
Qualifikation des Ausbil-dungspersonals
ja
transparenter Nutzen teilweise Zustand und Modernität der Ausbildungseinrichtungen
ja
klare Zieldefinition ja durch Me-soebene
IT-Infrastruktur ja
Transparenz in der Angebots-vermarktung
ja durch Me-soebene
Lehrmaterialien ja
Teilnehmermanagement ja Service und Beratung ja
freier Zugang ja
Anschluss an Vorleistungen und Vorwissen
ja
Leitbilder ja
Lernkultur ja
Aufgaben- und Arbeitsplatz-gestaltung
ja
Unterstützung der Leitung ja
Prozessquali-tät
sinnstiftendes Kommunizieren nein Beratung und Unterstützung ja regelmäßiges Feedback nein Begleitmaterialien ja transparente
Leistungserwartun-gen
teilweise Hospitationen o.ä. ja
förderorientierte Rückmeldung zum Lernfortschritt
nein
vorbereitete Umgebung ja durch Me-soebene Austausch mit dem Referent nein didaktisch-methodische Aspekte teilweise
durch Me-soebene aktivierender Lehrstil nein
Mikroebene Beeinfluss-barkeit
Mesoebene
Beein- fluss-barkeit situative Kompetenz der Trainer nein
Kombination aus formellen und informellen Elementen
ja
Schaffung einer Kette von Lerne-reignissen
ja
aktive Beteiligung des Lerners teilweise durch Teil-nehmer aktuelle, hilfreiche
Lernmateria-lien
ja durch Mesoebene Vermittlung von Lernstrategien ja
Outputquali-tät
Inhalte und Fähigkeiten helfen dem Teilnehmer, eigene Prob-leme und Herausforderungen selbstständig zu bewältigen.
teilweise Bewertung Erreichung der Bildungsziele
ja
Erreichung der Bildungsziele teilweise Auswertung der Outputevalua-tion der Mikroebene
ja
Umsetzung in die Praxis teilweise Kommunikation der Ergebnis-se
ja
Nachhaltigkeit nein Anpassung und Verbesserung ja positiver Eindruck nein sorgfältiges Controlling auf
allen Ebenen des Lernerfolgs ja
Lern- und Prüfungsergebnisse nach klarem Bewertungssystem
ja durch Me-soebene gesteigertes Wissen/Fähigkeiten nein Beitrag zur
Persönlichkeitsent-wicklung, zur Motivation, positi-vem Selbstbild und selbstständi-ger Lebensführung
nein
Beitrag zur Erhaltung der Be-
schäftigungsfähig-keit/Verbesserung der Karriere-möglichkeiten
teilweise
In der Aufstellung wird gut erkennbar, dass auf der Mesoebene alle Faktoren direkt beeinflussbar sind. Das Bildungsmanagement als Hauptinstanz kann direkt darauf zugreifen und die Umsetzung vollumfänglich be-stimmen. Auf der Mikroebene ist dies anders. Der Teilnehmer als Hauptinstanz kann die meisten Aspekte nicht beeinflussen. Er muss sich als Lernender mit den Gegebenheiten arrangieren und zum Beispiel die
Lernmittel verwenden, die für ihn von anderer Seite bereitgestellt wurden. Vollumfänglich kann er seine per-sönlichen Bildungsziele aufstellen, entweder in Eigenregie oder unter Anleitung und Aufforderung der Me-soebene. In der Lehr-Lern-Interaktion ist der Teilnehmer zwar direkt beteiligt, aber er steht in direktem Aus-tausch mit dem Trainer. Selbst wenn sich der Teilnehmer kooperativ und interessiert verhält, bedeutet das noch nicht, dass tatsächlich sinnstiftende Kommunikation zustande kommt. Der Trainer muss seinen Teil dazu beitragen und sich entsprechend verhalten. Seinerseits steht der Trainer gegenüber dem Teilnehmer vor der gleichen Problematik. Die Mesoebene kann auf das Geschehen zwischen Teilnehmer und Trainer nicht zugreifen. Auch wenn beide optimal ausgebildet und vorbereitet wurden – was zwischen beiden Partei-en tatsächlich passiert, Partei-entzieht sich jedem Zugriff.
Wenn überhaupt, dann sind die Qualitätsfaktoren auf der Mikroebene zum größeren Teil durch die Me-soebene, also Bildungsmanagement oder Personalabteilung, beeinflussbar. Es ist deshalb sinnvoll, zur Ent-wicklung eines Qualitätsansatzes für betriebliches Bildungsmanagement vor allem die Mesoebene in Blick zu nehmen. Dies entspricht auch der Forschungstradition der Erwachsenenbildung der letzten Jahre: "Dieje-nige Perspektive herrscht vor, die die organisationelle und professionelle Entwicklung der Bildungsinstitution und der Lehrenden, also die Mesoebene, im Blick hat." (Gonon 2008:103, siehe zum Thema auch Mei-sel/Dollhausen 2006:60f.) Da die direkte Lehr-Lern-Interaktion für Qualitätsanstrengungen so schwer verfüg-bar ist, geht man "den Umweg, dass die Qualität im einzelnen Kurs auch bestimmt wird durch die Träger- und Einrichtungsqualität und diese abhängt von den Rahmenbedingungen, welche durch die Systemstruktu-ren [...] gesetzt sind" (Faulstich 1993:98).
Dabei muss klar sein, dass es sich immer um einen Umweg handelt, der auf Rahmenbedingungen abzielt, nicht auf den Lernprozess an sich. Dieses Vorgehen ist sinnvoll, denn "organisationales Handeln und pro-fessionelles pädagogisches Handeln folgen […] einer anderen Handlungslogik" (Hartz/Meisel 2006:118ff.).
Während bei der Qualitätsentwicklung der Organisation leicht mit Standardisierung von Prozessen und Fest-legung von verbindlichen Arbeitsschritten gearbeitet werden kann, ist das im Lernprozess aufgrund der ho-hen Subjektivität und Individualität nicht möglich. Eine Fokussierung auf den organisatorischo-hen Rahmen des Lernens akzeptiert diese Subjektivität und ermöglicht im Lehr-Lern-Prozess größtmögliche Freiheit. Das Lerngeschehen wird als Black Box verstanden, die lediglich teilweise und nur mittelbar von außen beein-flusst werden kann. Das gilt dazu schwerpunktmäßig für die Vor- und Nachbereitung, wie in der Abbildung 10 dargestellt:
Abb. 10: Veranstaltungsebene als Black-Box, eigene Darstellung
Auf der Mesoebene werden das Verständnis, die Philosophie und die konkreten Strategien der Qualitäts-entwicklung organisationsspezifisch festgelegt (Schlömer 2011:9). Dabei müssen alle Anstrengungen klar an den zu erreichenden (Bildungs-)Zielen ausgerichtet sein, denn Qualitätsmanagement ist kein Selbstzweck.
Es ist ein Instrumentarium, um nachhaltige Lern- bzw. Bildungsprozesse zu ermöglichen (Schiersmann 2002). Innerbetriebliche Prozesse "sollen so gestaltet werden, dass qualitativ hochwertige Bildungsmaß-nahmen ermöglicht werden" (Töpper 2012:15). Der Teilnehmer bestimmt durch seine Bereitschaft und seine Beteiligung, ob es zu Lernprozessen kommt. Dies ist eine Limitierung, die im Qualitätsmanagement akzep-tiert werden muss. Das Bildungsmanagement kann jedoch versuchen, die Rahmenbedingungen so auszu-gestalten, dass das Initiieren und Durchführen von Lernprozessen für den Teilnehmer so einfach wie mög-lich wird. Ein implementiertes Qualitätsmanagementmodell steht dabei in einer Bildungseinrichtung nicht zwingend für qualitativ hochwertige Bildung (Stiftung Warentest 2008, Hartz 2011) und nicht zwingend für eine hochwertige Lehr-Lern-Interaktion (Arnold 1995). Wie gerade beschrieben, kann es das auch nicht. Es kann lediglich die Wahrscheinlichkeit, dass hochwertige Lernprozesse in Gang kommen, erhöhen. "Die Pla-nung, Durchführung und Evaluierung der betrieblichen Weiterbildung wird also immer ein Kompromiss zwi-schen dem wissenschaftlich Wünschbaren und dem praktisch Möglichen sein. Qualitätskriterien müssen das berücksichtigen." (Rosenstiel 2008:125)
Die Qualität im Lehr-Lern-Prozess ist bei der Wissensvermittlung entscheidend. Damit betriebliche Bildung jedoch tatsächlich Wirkung für das Unternehmen und den Mitarbeiter entfalten kann, ist auch die Güte der organisationalen Rahmenbedingungen wichtig. Um diese Qualitätsziele und -vorgaben zu erreichen,
benö-tigt das betriebliche Bildungsmanagement einen umfassenden Rahmen, ein orientierendes System, das die einzelnen Komponenten und die Kernprozesse vorgibt.