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Stand der betrieblichen Weiterbildung in Deutschland

These 9: Personaler, deren Unternehmen zertifiziert ist, schätzen ihr Bildungsmanagement als sehr professionell ein

4 Stakeholder als Akteure der betrieblichen Weiter- Weiter-bildung

4.1 Akteurstheoretischer Rahmen

4 Stakeholder als Akteure der betrieblichen

Akteurmodelle

Um das Verhalten von Akteuren erklären oder auch voraussagen zu können, existieren verschiedene Ak-teurstheorien (Schimank 2010). Ein Akteur kann sich als Homo Sociologicus, Home Oeconomicus, Emotio-nal Man oder als Identitätsbehaupter verhalten. Diese Modelle sind der Versuch zu bestimmen, was für die-se Person oder in diedie-ser Situation die Hauptantriebe sozialen Handelns sind. Je nach Modell sind es entwe-der Normkonformität, Nutzenverfolgung, Emotionen oentwe-der das Aufrechterhalten des eigenen Selbstbilds. Kron nimmt noch den Homo Politicus hinzu, der ein Ziel realisieren will, ohne Nutzen und Kosten abzuwägen (Kron 2006:175). Selten können diese Typen in Reinform identifiziert werden. Häufiger sind Mischungen verschiedener Ausrichtungen. Die genaue Ausprägung ist abhängig von der Situation, dem Kontext und der Persönlichkeit des Akteurs (Schimank 2010). Durch diese Typenbildung von Akteuren wird deren Handeln

"in abstrahierender Weise auf bestimmte Motive" zugeführt. Über "Um-zu-Motive" wird versucht, die er-wünschten Ziele und Ergebnisse des Handelns und die beeinflussenden Parameter zu evaluieren (Schimank 2010:37). Lange Zeit hatte der Homo Sociologicus analytische Priorität, weil die Orientierung an Normen eine starke Triebfeder ist, die sich in vielfältigen Situation erkennen lässt (Schimank 2010:182). Aber auch das Konzept des Homo Oeconomicus kann sehr häufig angewendet werden, besonders auch, wenn es um Fragestellungen im Berufs- oder Wirtschaftskontext geht. "In der modernen Gesellschaft ist der Homo Oeco-nomicus – und zwar der auf Eigeninteressen fixierte – dasjenige Akteurmodell, das aufgrund zunehmenden sozialen Interdependenzdrucks einen theoretischen Primat erlangt" (Schimank 2010:178). Schimank geht davon aus, dass sich die Gesellschaft zunehmend funktionaler differenziert. Als Symptome sieht er zum Beispiel wachsende Abhängigkeiten, eine Symmetrisierung gesellschaftlicher Einflusspotenziale und gene-relle Konkurrenzsteigerung. Dies erhöht "den sozialen Interdependenzdruck auf die Akteure, wodurch diese immer stärker auf ihre Eigeninteressen als Handlungsantriebe gestoßen werden" (Schimank 2010:179). Er beobachtet damit eine Verschiebung weg von der Orientierung am gesellschaftlich Erwünschten hin zum persönlich Gewünschten. Er stellt aber auch heraus, er sehe "keines der Modelle als das allein seligma-chende" (Schimank 2010:183). Kron spricht sich deshalb für ein integrales Akteurmodell aus (Kron 2006:174ff.), welches die verschiedenen Akteurtypen kombiniert und auf die Zuordnung zu einem Typ ver-zichtet.

Im Unternehmen müssen die verschiedenen Akteure miteinander arbeiten und sind miteinander verbunden durch Normen, Rollenkonzeption, Erwartungen etc. Mit Blick auf die betriebliche Weiterbildung geht es da-rum, das unterschiedlich ausgerichtete Handeln der Akteure anzuerkennen und Gemeinsamkeiten zu ver-stehen. Es kann hilfreich sein, sich zu vergegenwärtigen, dass die Akteure sowohl persönliche als auch wirt-schaftliche oder politische Ziele verfolgen.

Die Interessen der Akteure

Die Betrachtung von Akteuren schließt demnach besonders Reflexionen zu ihren Intentionen, ihren Motiven und ihren Zielvorstellungen ein. Es gibt Akteurinteressen, die für jeden Akteur gelten können. Schimank nennt Konkurrenzvermeidung, Domänenausdehnung und Autonomiesicherung (Schimank 2007:244). Dies sind allerdings Überbegriffe, die in dieser Form den handelnden Akteuren nicht bewusst sind. Schimank schreibt auch: "Wachstum, Monopolisierung, Autonomie, Kontrolle: Auf einen oder mehrere dieser generel-len Begriffe lassen sich die meisten konkreten Akteurinteressen bringen, die Differenzierungsvorgängen zugrunde liegen." (Schimank 2007:229) Nach dem "Unit act" von Parsons (1937) gehören neben dem Akteur und einem von ihm verfolgten Ziel auch eine konkrete Situation mit bestimmten Bedingungen und Mitteln zur Zielerreichung sowie eine normative Orientierung. Im Unternehmen fungieren häufig Unternehmenskultur und verschriftlichte Verhaltensanweisungen wie Prozessdefinitionen, Arbeitsanweisungen o. ä. als Normen,

aber auch allgemeine gesellschaftliche Normen und Vorstellungen zu Ethik und Zusammenleben bleiben bestehen. Die Akteurstheorie geht also davon aus, dass die Akteure eigene Ziele haben und so handeln, dass es zur Erreichung dieser Ziele beiträgt (Schimank 1996:211). Diese Handlungsziele entstammen dem persönlichen Erleben des Akteurs. Sie sind situationsabhängig und immer normativ imprägniert, weil gesell-schaftliche oder persönliche Normen bewusst oder unbewusst die Zielvorstellungen beeinflussen (Schimank 2007:76 über Parsons). Parsons spricht von einem "integrated value system" (Parsons 1937:704). Allerdings sind Normen zwar als Handlungsorientierung sehr wichtig, letztlich aber auch nur eine Orientierung, denn der Akteur kann sich auch entscheiden, sich über die Normen hinwegzusetzen. Die erwarteten Folgen wer-den dabei einkalkuliert: "Die Akteure wägen oftmals Nutzen und Kosten einer Befolgung bzw. Nichtbefolgung der jeweiligen Normen situativ ab." (Schimank 2010:179) Sie prüfen, ob die Einhaltung der Normen der Er-reichung ihrer Ziele förderlich ist oder entgegensteht. So "hält sich der Akteur nur so lange an Normen, wie diese mit seinen Nutzenvorstellungen, seinen Emotionen oder seiner Identität übereinstimmen - und andern-falls setzt er sich über Normen hinweg." (Schimank 2010:175) Aber auch das bisher Erlebte prägt die Ziel-vorstellungen je nach Umfeld, Einfluss- und Durchsetzungsmöglichkeiten des Akteurs: "Die soziale Lage eines Akteurs prägt ebenfalls seine Vorstellungen darüber, was für ihn nützlich ist." (Schimank 2010:125) Deshalb kann davon ausgegangen werden, dass auch Akteure der Rolle "Mitarbeiter" bestimmte Interessen teilen, die sie zum Beispiel von Akteuren der Rolle "Führungskräfte" abgrenzt.

Akteure sind ständig mit anderen Akteuren konfrontiert (Schimank 2007:190). Diese verschiedenen Intentio-nen könIntentio-nen gleich beziehungsweise ähnlich oder auch unterschiedlich oder sogar konträr sein. Die Ziele der Akteure unterscheiden sich, die Erreichungsmöglichkeiten hängen von den Zielen anderer ab; sie sind inter-dependent (Schimank 2007:190). Die Akteure können ihre eigenen Ziele nicht umsetzen, ohne Zielvorstel-lungen anderer zu tangieren oder sogar die Mithilfe anderer zu benötigen. "Actors are not fully in control of the activities that can satisfy their interests, but find some of those activities partially or wholly under the con-trol of other actors." (Coleman 1990:29) Ziele von Akteuren sind zudem nicht statisch, sondern können sich ändern, je nach Reaktion des Umfeldes. "Bei kaum einem Handeln ist ein Akteur in dem Sinne unabhängig von anderen, dass diese handeln könnten, wie immer sie wollten, ohne dass ihn dies bei der Verfolgung seiner Intentionen tangierte." (Schimank 2010:190) Es kommt zu Zielinkompabilitäten und Zielkonflikten mit anderen (Schimank 1996:211). Dies ist in der Weiterbildung gut erkennbar. Während die Geschäftsführung vielleicht möglichst geringe Weiterbildungsaufwände wünscht und die Mitarbeiter vor allem produktiv einset-zen möchte, will das Bildungsmanagement mehr Ressourcen zugesprochen bekommen, und die Mitarbeiter erwarten sich möglicherweise mehr Weiterbildungstage und hochwertigere Schulungen.

Das Handeln der anderen wird beim Entwurf des eigenen Handelns bereits einkalkuliert (Schimank 2010:38). "Der Homo Oeconomicus reagiert auf das Gewahrwerden solcher Interdependenzen mit einer Haltung des strategisch kalkulierenden Miteinanderumgehens. Er beobachtet die jeweiligen Gegenüber im Hinblick darauf, wie deren bereits geschehenes oder erwartbares Handeln sich auf die Verfolgung seiner eigenen Handlungsziele auswirkt beziehungsweise auswirken könnte; er sondiert, wie er die anderen mög-licherweise zu beeinflussen versuchen muss, und welche Mittel ihm dafür zur Verfügung stehen; und er wählt sein eigenes Handeln auf der Basis all dessen aus." (Schimank 2010:97) Auf Basis der Beobachtung des anderen und dessen erwartetem Handeln, wird das eigene Handeln angepasst. Nach dem Modell der wechselseitigen Konstitution von sozialem Handeln und sozialen Strukturen werden Handlungsbedingungen analysiert, um eine Handlungswahl zu treffen und damit idealerweise gewünschte Effekte zu realisieren (Schimank 2010:24).

Einbindung in das Unternehmen als System

Auch in der Akteurstheorie wird davon ausgegangen, dass sich das Subjekt in Systemen bewegt. Allerdings wird das Subjekt im System als aktiv angesehen im Sinne einer "human control over the system" (Dawe 1978:373). Es wird von einer gegenseitigen Beeinflussung ausgegangen, davon dass das Handeln der Ak-teure die Strukturen und Systeme erst schafft. Es besteht ein Wechselverhältnis von Individuum und Gesell-schaft (Loibl 2003:22). Heiner empfiehlt, dass man "die Bedeutung der Akteure in sozialen Systemen betont, ohne ihre Einbindung in Strukturen zu leugnen oder zu vernachlässigen" (Heiner 1998:13). Die Akteure han-deln zielstrebig bei gleichzeitiger systemischer Einbindung in vorhandene Strukturen (Loibl 2003:28). Als Ebenen funktionaler Differenzierung unterscheidet Schimank Rollen, Organisationen und gesellschaftliche Teilsysteme (Schimank 2007:244).

Unternehmen können im systemischen Sinne als Organisationen angesehen werden (Geser 2006:1). Orga-nisationen funktionieren arbeitsteilig und erfüllen zielgerichtet bestimmte Aufgaben (Jarren 2001:143). Sind nach innen vielfältig gegliedert: "Zu den typischen strukturellen Elementen gesellschaftlicher Teilsysteme gehören organisatorische Zusammenfassungen […] bestimmter Kategorien von Rolleninhabern, Einrichtun-gen für die Übermittlung von Wissen und Fertigkeiten an die künftiEinrichtun-gen Rolleninhaber und nicht zuletzt forma-le Organisationen, die auf den betreffenden Handlungszweck spezialisiert sind." (Mayntz 1988:20f.) Die da-rin vereinte Gruppe individueller Akteure ist zusammengeschlossen als Organisation stärker, als wenn sie nur in Form einer Koalition zusammenarbeiten. Eine Organisation ist auf Dauer angelegt und besitzt einen größeren Verfügungsrahmen über die Mitglieder (Schimank 2010:330). Damit sind auch die darin herr-schenden Regeln und Normen verbindlicher. Von den Mitgliedern wird erwartet, dass sie sich daran halten:

"Nur wer die jeweils geltenden vielfältigen Normen zuverlässig beachtet, darf dauerhaft Mitglied einer Orga-nisation sein." (Schimank 2010:58) Dies ist nötig, um Stabilität der OrgaOrga-nisation zu gewährleisten, nachvoll-ziehbares und ein Stück weit erwartbares Handeln zu ermöglichen und eine gemeinsame Identität zu entwi-ckeln.

Interessant ist dabei das Abhängigkeitsverhältnis von Organisation und Individuum. Einerseits sind Organi-sationen abstrakt und dem Zugriff der Akteure entrückt. Sie herrschen durch strukturellen Zwang (Schimank 2007:222). Organisationen besitzen eine Art Eigenleben. Als soziale Systeme besitzen sie eine gewisse Eigenkomplexität und die Fähigkeit zur Selbständerung, wenn sich die System-Umwelt ändert (Ashby 1956:282-391 "law of requisite variety"). Anderseits sind Organisationen nur scheinbar eigenständig. Sie wurden von Akteuren geschaffen und sind hochgradig von den Akteuren modifizierbar (Schimank 2007:222).

Die Akteure konstituieren die Organisationen erst. Jedes Handeln von Organisationen ist auf das Handeln von Individuen zurückzuführen. So sind auch das Handeln von Organisationen und deren funktionale Erfor-dernisse von Akteurinteressen und Machtpotenzialen bestimmt (Eisenstadt 1963). Die Mitglieder wollen per-sönliche Interessen und Ziele durchsetzen, sind bereit, dafür etwas zu leisten, und bringen der Organisation bestimmte Erwartungen entgegen. Idealerweise werden diese gesehen und entsprechend berücksichtigt:

"Formale Organisationen prägen das in und zwischen ihnen stattfindende teilsystemische Kommunikations-geschehen, indem sie es mit Mitgliedschaftserwartungen […] verknüpfen." (Schimank 2007:154) Die Betei-ligten verhalten sich dabei aber nicht passiv abwartend oder erwartend. Sie sind aktive Bestandteile des Systems und können und wollen es direkt beeinflussen. Es "besteht auf Seiten der gesellschaftlichen Akteu-re der […] Anspruch an sich selbst, nicht bloß die faktischen Produzenten, sondern die bewussten Gestalter der gesellschaftlichen Strukturen zu sein: also steuernd auf den Aufbau, die Wahrung oder die Veränderung bestimmter Strukturen einzuwirken." (Schimank 2007:247) So muss auch in der betrieblichen Weiterbildung

das Unternehmensumfeld nicht als gegeben hingenommen werden. Das Bildungsmanagement kann aktiv auf Strukturen und Kultur Einfluss nehmen.

Gleichzeitig besitzt ein Unternehmen als Arbeitsorganisationen an vielen Stellen Besonderheiten, denn Ar-beitsorganisationen entstehen nicht aus einer Interessenübereinstimmung individueller Akteure, wie zum Beispiel bei Vereinen oder Verbänden. Neue Akteure können Mitglied des Unternehmens werden auch ohne Übereinstimmung mit den Zielen der Gesamtorganisation (Schimank 2010:337ff.). Das Unternehmen produ-ziert bestimmte Leistungen und veräußert diese an Nutznießer der Leistung. Die Mitglieder der Organisation sind dabei in der Regel keine Nutznießer, sondern sie werden für ihr Engagement und ihre Arbeit finanziell entschädigt. Unternehmen und Mitarbeiter stehen also in einer Tauschbeziehung (Schimank 2010:337ff.).

Vom Mitarbeiter wird erwartet, dass er Arbeit in hoher Qualität abliefert: "Individuals are expected to assume great responsibility and strive for high achievement." (Parsons 1960:30) Organisationen erfordern eine ge-wisse Konformitätsbereitschaft der Mitglieder (Schimank 2007:154), zum Beispiel sollen sie sich konform zum bestehenden Normensystem verhalten und sich in Machtverhältnisse einfügen. Die Hierarchie ist die konstitutive Konstellationsstruktur von Arbeitsorganisationen. Macht und Weisung spielen dabei eine große Rolle. Diese bestimmen den Arbeitsalltag, widersprechen jedoch mitunter dem Selbstbild der Beteiligten:

"Die Machtunterworfenheit in der Hierarchie widerspricht oft dem Anspruch auf eigene Selbstbestimmung;

und die Austauschbarkeit als 'kleines Rädchen im Getriebe' spricht dem eigenen Anspruch auf Einzigartig-keit Hohn." (Schimank 2010:156) Tatsächlich verliert ein Akteur als kleiner Teil der Gesamtheit an Bedeu-tung und auch an Einflussmöglichkeiten.

Unternehmen sind so "ein häufiger Ort für Entindividualisierungserfahrungen" (Schimank 1981). Im Lernpro-zess kann ein Mitarbeiter den Eigeneinfluss stärker wahrnehmen, da er sich selbst als Steuerer der inneren Auseinandersetzung erleben kann. Die Lernsituation, zum Beispiel in einem Seminar, erlebt er herausgelöst aus hierarchischen Strukturen. Das Nichtwissen eint die Gruppenteilnehmer. Zum Trainer entsteht eine qua-si-hierarchische Beziehung, die jedoch nicht durch Macht, sondern durch Wissen geprägt wird. Auf Lernfort-schritt und Interaktion kann der Mitarbeiter direkten Einfluss nehmen. Gleichzeitig können neues Wissen und erlangte Qualifikationen den Mitarbeiter auch dabei unterstützen, eine Position zu erreichen, die in der Hie-rarchie höher verortet ist, und so erweiterte Handlungsspielräume zu erlangen.

Unternehmen als Akteur

Auch wenn Unternehmen letztlich von Einzelpersonen gesteuert werden, so ist doch ein Verständnis des Unternehmens selbst als Akteur möglich. Natürlich können nur individuelle Akteure handeln. Überindividuelle Akteure treten deshalb als "composite actors" auf (Scharpf 1997:42-50). Das Unternehmen ist damit eine Konstellation individueller Akteure, deren Aktivität immer handelndes Zusammenwirken der Einzelakteure ist (Schimank 2010:327). Das Unternehmen als überindividueller Akteur kann so selbst zum Rollenhandelnden werden (Schimank 2010:82). Aussagen wie "das Unternehmen verkündet" oder "das Unternehmen entlässt"

sind dann möglich. Geser ist sogar der Meinung, dass Unternehmen besonders gute Akteure abgeben, da die Fähigkeit zur rationalen Nutzenverfolgung größer ist als bei Individuen (Geser 1990). Individuen agieren häufig unberechenbar. Sie sind wenig vorhersehbar, zeigen sich wenig klar in ihren Wert- und Willensbe-kundungen und folgen keiner nach außen sichtbaren langfristigen Zielsetzung. "Organisationen sind generell besser als Individuen dazu disponiert 'perfekte' Akteure zu sein, die den idealisierenden Modellvorausset-zungen gängiger Handlungstheorien entsprechen. Ihre Fähigkeit zu selbstverantwortlichem Handeln, die Transparenz ihrer Binnenprozesse, ihre Kapazität zur Zielspezifizierung unterscheidet sie als sekundäre

Akteure von den primären Akteuren, den Individuen." (Geser 2006:4) Unternehmen sind durch Strategie, Leitbild, Organigramm oder Prozesshandbuch klar einsehbar und in gewisser Hinsicht leichter verständlich als die kaum zugängliche emotionslastige Innenwelt eines Individuums.

Akteure tragen Rollen

Alle Akteure sehen sich verschiedenen Rollenerwartungen gegenüber. Im Unternehmen existieren zum Bei-spiel die im Arbeitsvertrag definierten Rollen des Mitarbeiters, der Führungskraft oder des Geschäftsführers.

Diese Rollen sind mit bestimmten Aufgaben und Erwartungen an das Verhalten verbunden. Sie entstehen in typischen sozialen Beziehungen, "die ganz unabhängig von den konkreten an ihnen beteiligten Personen funktionieren" (Schimank 2010:51). Es besteht eine klare Erwartung an die Situation und an das Handeln der Beteiligten. Es wird erwartet, "dass die Beteiligten sich an die in solchen Situationen vorgegebenen sozialen Normen halten und entsprechend handeln" (Schimank 2010:52). Diese Rollenerwartungen kommen fast nie aus nur einer Richtung, sondern oft aus mehreren (Schimank 2010:61). Jede Rolle verfügt über ein "Rollen-Set" als Gesamtheit der Bezugsgruppen einer bestimmten Rolle (Merton 1957). Je höher die Verbindlichkeit von Rollenerwartungen ist, desto besser kann ein Gegenüber Handeln voraussagen. Damit steigt der Orien-tierungswert der Rolle (Schimank 2010:61). Das gilt sowohl für das Gegenüber als auch für den Rolleninha-ber. Auch für den Akteur dient die Rolle schließlich als Orientierung, um sich in verschiedenen Situationen adäquat zu verhalten. Dieses "role taking" (Turner 1962), also die Übernahme einer Rolle, kann komplikati-onslos sein, wenn die Rollenerwartungen verschiedener Bezugsgruppen ohne weiteres miteinander verein-bar sind. Hinzu kommt, dass jedes Individuum eine Vielzahl von Rollen besitzt. Die Erwartungen, denen die Person in der betreffenden Rolle genügen muss, sind dabei nicht immer ohne weiteres mit denen anderer Rollen der Person vereinbar oder nicht mit ihren persönlichen Bedürfnissen, Zielen und Interessen. So ist eine Führungskraft oder ein Betriebsrat zum Beispiel immer auch Mitarbeiter des Unternehmens oder kann selbst in der Rolle des Lernenden auftreten bei der Teilnahme an einer Weiterbildung. Es entstehen Intra- und Interrollenkonflikte: "We constantly try to find ways to merge what we want to do with what is expected of us in specific role settings." (Zurcher 1983:14) Zudem muss für die Person klar sein, welche Erwartungen mit der Rolle verbunden sind. Auch muss sie über die erforderlichen Ressourcen verfügen, um ihre Rolle ange-messen wahrnehmen zu können. "Dem Akteur steht stets frei, sich gegen die Rollenerwartungen zu ent-scheiden und von Ihnen abzuweichen." (Schimank 2010:61) Neben dem Annehmen oder Ablehnen einer Rolle kann ein Akteur die Rolle zum Beispiel auch selbst aktiv ausgestalten. Beim "role making" (Turner 1962) hat der Akteur größere Gestaltungschancen und -pflichten.

Jedes Individuum übernimmt also zahlreiche Rollen, die ihm viele Wahl- und Kombinationsmöglichkeiten bieten. Daraus kann eine Chance für Ausbildung von Individualität entstehen (Schimank 2007:11). Im Unter-nehmen sind die einzelnen Rollen in der Regel mit klaren Erwartungen hinterlegt, die zum Beispiel in Füh-rungskräfteleitlinien oder dem Serviceverständnis einer Abteilung festgeschrieben sind. Grundlagen für Ver-halten und Compliance sind zudem im Arbeitsvertrag verankert. Die Nichteinhaltung dieser Vorgaben kann bis zum Ausschluss aus der Organisation bestraft werden. Auch Versetzung, Verwarnung, Mahnung, Tadel oder Kritik sowie Reduzierung von Gehalt oder Boni sind Sanktionsmöglichkeiten. Deshalb ist davon auszu-gehen, dass sich die Akteure im Unternehmen überwiegend rollenkonform verhalten. Dabei übernimmt ein Akteur auch im Unternehmen verschiedene Rollen, zum Beispiel als Mitarbeiter, als Angehöriger einer be-stimmten Abteilung und Angehöriger einer bebe-stimmten Profession. Rollenkonformität erleichtert allgemein das Verständnis bestimmter Gruppen als Stakeholder, da davon ausgegangen werden kann, da das Han-deln von Akteuren einer bestimmten Rolle sich zumindest ähnelt.