Stand der betrieblichen Weiterbildung in Deutschland
Gruppe 1: Aktion und große Macht
Gruppe 2: Aktion und mittlere Macht
Gruppe 3: keine Aktion und große/mittlere Macht
Gruppe 4: keine Aktion und keine Macht
interne Trainer Kunden
Mitarbeiter/Teilnehmer Wettbewerber
An dieser Tabelle zeigt sich, dass die Möglichkeit, sich aktiv für die Weiterbildung in einem Unternehmen einzusetzen, eng mit der Macht, die ein Stakeholder ausüben kann, zusammenhängt. Die Gruppen 1 und 2 können die Weiterbildung aktiv beeinflussen. Gruppe 1 verfügt dabei über große Macht. Sie kann viele Res-sourcen mobilisieren und besitzt große Entscheidungsgewalt. Gruppe 2 verfügt über mittlere Macht. Gruppe 3 ist leer. Im Kontext der betrieblichen Weiterbildung konnten keine Stakeholder identifiziert werden, die zwar über große oder mittlere Macht verfügen, aber keine Aktivitäten für oder gegen Weiterbildung entfalten können. Hingegen gibt es vier Stakeholder, die über keinerlei Macht und keine Einflussmöglichkeiten verfü-gen (Gruppe 4).
Nimmt man nun noch die oben bereits beschriebene Dimension der Haltung dazu und führt beide Tabellen zusammen, erhält man folgende Übersicht:
Macht, Aktionsmöglichkeit und Haltung
Positiv Neutral Gegner
Gruppe 1: Aktion und große Macht
Bildungsmanage-ment/Personal Unternehmensleitung Gruppe 2: Aktion und
mittlere Macht
Betriebsrat Führungskräfte interne Trainer
Mitarbeiter/Teilnehmer Gruppe 3: keine Aktion
und große/mittlere Macht
Gruppe 4: keine Aktion und keine Macht
externe Bildungsanbie-ter/Trainer
Kollegen Kunden
Wettbewerber
In den Gruppen 1 und 2 zeigt sich nun, dass fast alle Stakeholder gegenüber der betrieblichen Weiterbildung positiv eingestellt sind. Die in Gruppe 4 genannten Stakeholder, die keine nennenswerten Möglichkeiten besitzen, das Bildungsmanagement des Unternehmens nachhaltig positiv oder negativ zu beeinflussen und über keine Entscheidungsgewalt verfügen, können nach Definition von Schmeer und nach den Ergebnissen der Interviews vernachlässigt werden.
Fazit
Über die Stakeholderanalyse und die zwei Interviews konnten sechs Stakeholder identifiziert werden, die für das Bildungsmanagement eines Unternehmens von besonderer Bedeutung sind:
• Betriebsrat
• Bildungsmanagement/Personalentwicklung
• Führungskräfte
• interne Trainer
• Mitarbeiter/Teilnehmer
• Unternehmensleitung
Diese sechs sind in ihrer jeweiligen Rolle direkt am Bildungsprozess im Unternehmen beteiligt und verknüp-fen mit der Weiterbildung vielfältige Interessen.
Jeder einzelne Stakeholder ist ein Individuum und besitzt im Sinne der Akteurstheorie (Schimank 2007) als solches die Möglichkeit, sich gemäß seinen Interessen zu verhalten und zu handeln. Seine Handlungsan-triebe können zum Beispiel Normkonformität, Nutzenverfolgung, Emotionen oder das Aufrechterhalten des eigenen Selbstbilds sein. Die Akteurmodelle des Homo Sociologicus, Home Oeconomicus, Emotional Man, Identitätsbehaupter und Homo Politicus können auf dieser individuellen Ebene gut Anwendung finden und zum Verständnis von Verhalten beitragen.
Die Individuen bewegen sich jedoch im Kontext des Unternehmens, das als soziales System fungiert. Das Unternehmen ist eine formale Organisation, die ihre Aufgaben arbeitsteilig abwickelt. Die Individuen sind aktive Akteure, die dieses System gemeinsam schaffen, beeinflussen und verändern (Schimank 2007). Das Unternehmen als soziales System stellt dabei Erwartungen an das Verhalten der Individuen, die diese erfül-len müssen.
Zudem übernehmen die Individuen im Unternehmen Rollen. Diese Rollen sind klar erkennbar und voneinan-der abgrenzbar, das wurde in den Interviews deutlich. Die einzelnen Individuen sind so einer Gruppe von Stakeholdern zugehörig. Diese konstituiert sich zum Beispiel durch ihre hierarchische Position, durch den Arbeitsvertrag oder durch die Aufgabe, die im Weiterbildungssystem übernommen wird. Damit besitzen die Vertreter einer Stakeholdergruppe ähnliche Möglichkeiten und Einschränkungen, ihre Interessen im Unter-nehmen durchzusetzen. Diese Rollen sind zudem auch mit impliziten oder expliziten Verhaltenserwartungen und sozialen Normen belegt.
Somit kann insgesamt davon ausgegangen werden, dass eine Stakeholdergruppe neben aller Individualität seiner Mitglieder auch breite Gemeinsamkeiten aufweist, die ein ähnliches Verhalten der Mitglieder bewirkt.
Eine Betrachtung auf Gruppenebene ist demnach möglich. Dies ist der Ausgangspunkt für die nun folgende Analyse der Anforderungen, die diese Gruppen an die betriebliche Weiterbildung stellen.
5 Qualitätskriterien betrieblicher Weiterbildung
Zur Struktur dieses Kapitels:
Im vorigen Kapitel wurden die wichtigsten Stakeholder betrieblicher Bildung in einer Stakeholderanalyse identifiziert. Nun wird analysiert, welche Kriterien für die betriebliche Weiterbildungsqualität gelten. Als Quali-tätskriterien werden dabei Aspekte und Eigenschaften verstanden, die erbracht oder erstellt werden müssen, damit hochwertige Weiterbildung zustande kommt. Ihre Umsetzung wird von den Beteiligten erwartet. In diesem Kapitel wird geprüft, welche Anforderungen und Erwartungen die Stakeholder an betriebliche Wei-terbildung haben und welche Qualitätskriterien damit verbunden sind. Es soll also untersucht werden, wie betriebliche Weiterbildung aufgebaut und umgesetzt werden muss.
Dazu werden in Kapitel 5.1 bestehender Literatur und Forschungsarbeiten ausgewertet. Die Kriterien werden dann in dem in Kapitel 3.2.1 skizzierten Mehrebenenmodell verortet und hinsichtlich ihrer Wechselwirkungen geprüft.
Kapitel 5.2 ergänzt diese literaturbasiert ermittelten Kriterien dann empirisch über die Einbeziehung der wichtigen Stakeholdergruppen im Unternehmen. Dazu wird im Forschungsstil der Grounded Theory gearbei-tet.
In Kapitel 5.3 wird daraus eine Theorie entwickelt, die den nachhaltigen Lernnutzen ins Zentrum stellt und dazu handlungsleitende Kriterien in den Dimensionen Ursachen, Kontext, intervenierende Bedingungen, Handlungen und Strategien sowie Konsequenzen aufzeigt.
Kapitel 5.4 führt beide Forschungsteile, Theorie und Empirie, in einer umfassenden Kriterienliste zusammen.
Dies veranschaulicht folgende Grafik:
Abb. 8: Weiterer Gang der Untersuchung, eigene Darstellung
5.1 Kriterien aus der Literatur
Leider gibt es zu den sechs identifizierten Stakeholdergruppen nur begrenzt Aussagen bezüglich ihrer An-forderungen an das Bildungsmanagement. Diese vollkommen isoliert zu betrachten, ist wenig ergiebig. Des-halb soll zuerst die Definition gelungenen Lernens aus dem Qualitätsansatz LQW herangezogen werden.
Anschließend werden die in Kapitel 3 vorgestellten Qualitätsdimensionen Input-, Prozess- und Outputqualität auf den für die betriebliche Weiterbildung entscheidenden Ebenen Mikro-, Meso- und Makroebene ausführ-lich beschrieben, um Ansatzpunkte für Qualitätskriterien zu liefern.
5.1.1 Kriterien für gelungenes Lernen
Hohe Qualität in der Weiterbildung müsste dann erreicht sein, wenn die Weiterbildung erfolgreich war, also ein Lernprozess stattgefunden hat. Doch was genau beinhaltet ein solcher Lernerfolg? Für Weiterbildung im Unternehmen gibt es dazu keine Erhebungen. Bildungsanbieter, die sich nach LQW zertifizieren lassen wol-len, müssen jedoch eine Definition gelungenen Lernens erstellen. Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, wurden nun diese Definitionen gelungenen Lernens analysiert. Im Rahmen der Zertifizierung müssen die Unternehmen ihre Definition gelungenen Lernens schriftlich festhalten und auch veröffentlichen.
In der Zertifizierungsliste des Art-Set-Institutes sind alle LQW-zertifizierten Unternehmen gelistet. Für die Auswertung wurden die Unternehmen mit dem neuesten/aktuellsten Zertifikat (Laufzeit bis 2019) herausge-sucht, um möglichst aktuelle Beschreibungen nutzen zu können. Im Juni 2015 waren genau zehn Unter-nehmen mit einem aktuellen Zertifikat ausgestattet:
• BIB Augsburg GmbH Gesellschaft für Bildung, Integration und Beruf
• Bildungswerk Blitz e. V.
• Bildungswerk Rhein / Main e. V.
• GAB Gesellschaft für Arbeits- und Berufsförderung Berlin mbH
• JOB Service Beschäftigungsförderung Leverkusen gGmbH
• meco Akademie GmbH
• Multikulturelles Forum e. V., forum multi-kulti gGmbH
• Pro Beruf GmbH
• Steuerfachschule Becker
• Zentrum für Erwachsenenbildung und Medien
Diese Auswahl an zertifizierten Bildungsanbietern bietet eine gute Mischung von Einrichtungen verschiede-ner Schwerpunkte. So sind zwei Bildungswerke darunter, kommunale Beschäftigungsförderer, Vereine, die Bildungsprojekte durchführen, eine Einrichtung der Jugendsozialarbeit, aber auch zwei privatwirtschaftliche Bildungsanbieter, eine Fachschule, die auf Kammerprüfungen vorbereitet, sowie eine Volkshochschule.
Die Definitionen gelungenen Lernens konnten von den Homepages dieser zehn Unternehmen zusammen-getragen werden. Sie lagen in Textform vor. Die Textanalyse sollte untersuchen, ob die Definitionen eher Unterschiede oder eher Gemeinsamkeiten aufweisen. So sollten Rückschlüsse zu einer allgemeingültigen Lernerfolgsdefinition möglich werden. Zuerst wurden die zehn Texte in Sinneinheiten gegliedert. 147 Begriffe oder Formulierungen wurden auf diese Art und Weise extrahiert. Diese wurden zweistufig abstrahiert und jeweils zu Gruppen zusammengefasst. In der ersten Abstraktionsstufe entstanden 27 Themenfelder.
In dieser Tabelle wird die Häufigkeit, mit der Inhalte aus diesen Themenfeldern genannt wurden, deutlich: