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Stand der betrieblichen Weiterbildung in Deutschland

Feld 9: Outputqualität

5.2 Empirische Ermittlung weiterer Kriterien

5.2.1 Methodisches Vorgehen und Forschungsstil

benö-tigt das betriebliche Bildungsmanagement einen umfassenden Rahmen, ein orientierendes System, das die einzelnen Komponenten und die Kernprozesse vorgibt.

Produkt" (Strübing 2008:16). Problemlösung und Erkenntnis sind in dieser Herangehensweise des Pragma-tismus nur durch die innere Beteiligung des Forschers zu erreichen (Strübing 2008:16). Statt Unabhängigkeit der Messinstrumente und der gemessenen Werte vom Beobachter steht eher die Gewinnung perspektivge-bundenen Wissens im Forschungsfeld im Vordergrund (pragmatistisches Objektivitätskonzept, Strübing 2008:83). Objektivität der Analyse ist damit keine Voraussetzung des Forschungsprozesses, vielmehr ist

"weder damit zu rechnen, noch gar zu wünschen […], dass alle Interpreten zu gleichen Schlüssen kommen"

(Strübing 2008:84). "Jedes Bild der 'Welt da draußen' ist immer nicht nur temporär, sondern auch unvoll-ständig, weil jeweils situationsbezogen." (Strübing 2008:48) Das bedeutet, dass auch die wissenschaftliche Interpretation ganz bewusst immer nur eine der vielen möglichen Perspektiven auf raumzeitlich und sozial gebundenes Handeln darstellt (Strübing 2008:38). Diese Offenheit bietet große Freiheitsgrade bei der tiefen qualitativen Analyse des Datenmaterials und entlastet den Forscher von der schwierigen Diskussion um Vorwissen und persönlichen Bias. Vorkenntnisse können so als "sensibilisierende Konzepte" (Blumer 1954) aktiv genutzt werden: "Nur, wenn ich weiß, was ich erforschen will, kann ich mich von dem überraschen las-sen, woran ich nicht im Traum gedacht hatte." (Alheit 1999:10) Als "kontextaufgeklärtes" sensibilisierendes Konzept leitet das bestehende Wissen den Umgang mit den Daten an. Die Erstellung der Theorie wird so zum "aufmerksamen Dialog" dieser Vorkenntnisse mit den Daten. Die Dominanz der Konzeptgenerierung liegt jedoch nicht im Vorwissen, sondern beim Befragten bzw. der Auswertung der Daten (Lamnek 1995:74).

Im Verlauf reichert sich das entstehende Konzept mit neuen Informationen an und verändert sich (Alheit 1999:16). Das vorhandene Wissen darf dabei keine bindende Verlaufsprognose sein, die das Ergebnis vor-wegnimmt, sondern ist vielmehr Quelle der Inspiration und wichtig für das Verständnis der vorliegenden Da-ten (Strübing 2008:60 zu Strauss). Die Vorkenntnisse werden genutzt, um "Da-tentativ Fragen und Untersu-chungsperspektiven zu generieren", nicht zur Ableitung von Hypothesen (Strübing 2008:31). Die in dieser Arbeit der Untersuchung vorangestellten, erklärenden Kapitel dienen dazu, diese theoretische Sensibilität herzustellen, als Erkundung des zu untersuchenden Feldes. Diese Nutzung des Vorwissens bedeutet – ne-ben Auswahl und Situation der Befragten – auch, "dass für soziale Phänomene eine buchstäbliche Wieder-holbarkeit der Studie mit identischen Ergebnissen faktisch ausscheidet, weil die Herstellung identischer Aus-gangsbedingungen […] nicht zu leisten ist" (Strübing 2008:81 zu Strauss/Corbin 1990).

Beim Sampling der Daten wurde auf Theoriegenese abgezielt und ausdrücklich nicht auf Repräsentativität der Stichprobe für eine Grundgesamtheit (Strübing 2008:32). Im Stil der Grounded Theory geht es bei dieser Untersuchung nicht um den Nachweis aller denkbaren Fälle, sondern um eine "umfassende und hinreichend detaillierte Entwicklung der Eigenschaften von theoretischen Konzepten und Kategorien", "nicht um Quantifi-zierung des faktischen Vorhandenseins oder der Auftretenswahrscheinlichkeit" (Strübing 2008:34). Ziel der Untersuchung sind keine für eine breite Masse repräsentativen Ergebnisse, sondern der Aufbau einer Theo-rie, die das konkrete Phänomen der Anforderungen an betriebliche Weiterbildung spezifiziert und beschreibt (Steinke 1999:75). Dabei kommt es nicht darauf an, "statistisches Durchschnittsverhalten und seine Vertei-lung zu erheben, sondern 'wirkliches Handeln' in 'natürlichen Situationen' zu verstehen" (Alheit 1999:12).

Die entstehende Theorie soll in sich widerspruchsfrei sein und die zugrundeliegende soziale Wirklichkeit adäquat repräsentieren (Strübing 2008:83). Strübing schließt eine Universalität von Theorien klar aus (2008:39). Ihre Verifikation soll eher als Prüfung von Plausibilität und Funktionsfähigkeit der Theorie ver-standen werden. Ziel ist es, plausible Beziehungen zwischen den Konzepten und Kategorien zu entwickeln (Strauss/Corbin 1994:278). Diese können durchaus vom Forscher geprägt sein: "Eine Theorie ist nicht die Ausformulierung einiger entdeckter Aspekte einer bereits existierenden Wirklichkeit 'da draußen'. […] Theo-rien sind Interpretationen, die von gegebenen Perspektiven aus gemacht werden." (Strauss/Corbin 1994:279)

Vorgehen

Interviews als Erhebungsmethode

Für die Untersuchung der Anforderungen und Erwartungen der verschiedenen Stakeholder in der betriebli-chen Weiterbildung wurden die positiven Erfahrungen aus der Stakeholderanalyse genutzt. Da zu den be-stehenden Kriterien aus der Literatur neue Erkenntnisse aus der Praxis gewonnen werden sollten, musste vertiefend qualitativ gearbeitet werden. Ziel war es auch in dieser Untersuchung, menschliches Verhalten zu untersuchen. Von den identifizierten Stakeholdern sollten individuelle Perspektiven und ihr Erfahrungs- und Betriebswissen erfasst werden. Daher erwiesen sich Experteninterviews wiederum als sinnvolle For-schungsmethode. Im Sinne eines Mehr-Perspektiven-Ansatzes sollten Vertreter aller Stakeholdergruppen in die Untersuchung einbezogen werden.

Im Rahmen qualitativer Einzelinterviews sollte eine theoriegenerierende Untersuchung ermöglicht werden.

Dabei standen nicht die Einzelpersonen, sondern die Daten und Erkenntnisse aus ihrem Erleben im Vorder-grund. Die Befragten bildeten die Zielgruppe der Untersuchung und lieferten Daten über ihr eigenes Hand-lungsfeld. Die Personen selbst traten in der Auswertung in den Hintergrund. Die bildeten lediglich das "Medi-um", das den Zugang zu den notwendigen Informationen des Forschungsfeldes ermöglicht. Die Interviews können als "Dokument einer sozialen Struktur" gesehen werden (Meuser/Nagel 1991:458). Den Kontext bildete der organisatorisch-institutionelle Zusammenhang der Einbindung im Unternehmen als klar definierte Ausschnitte der Wirklichkeit (Meuser/Nagel 1991:444/445). Die Interviews betrafen mit der betrieblichen Weiterbildung einen klar abgesteckten thematischen Rahmen und waren somit problemzentriert.

Gesprächspartner sollten Personen sein, die bereits langjährig im Unternehmen sind und sich einer der sechs identifizierten Stakeholdergruppen zuordnen lassen. Als Vertreter dieser Gruppen verfügen sie über spezifisches Handlungs- und Erfahrungswissen. Im Stil der Grounded Theory sollten die subjektiven Erfah-rungen der Befragten dann verallgemeinernd ausgewertet werden und eine umfassende Theorie betriebli-cher Weiterbildung entstehen.

Für die Gespräche wurde dabei wieder die Form des leitfadengestützten Interviews genutzt. Nach den posi-tiven Erfahrungen der Stakeholderanalyse wurde die Möglichkeit, offene Fragen zu stellen, wieder geschätzt und genutzt. Der Leitfaden ließ wiederum Nachfragen, Änderungen der Reihenfolge der Fragen sowie Ver-tiefungen und neue Fragen zu. Zu Beginn der Untersuchung war unklar, wohin die Gespräche thematisch führen würden. Ihre Offenheit erlaubte ein Mitgehen mit den Schwerpunkten des Befragten und ein Vertiefen neuer Aspekte, die in der Erstellung des Leitfadens noch nicht antizipiert worden waren. Der explorative, qualitative Untersuchungsansatz wurde dadurch verstärkt.

Auswahl der Unternehmen

Analog zu den beiden Interviews in der Stakeholderanalyse wurde wiederum auf Dienstleistungsunterneh-men zurückgegriffen (Motivation und Begründung siehe Kapitel 6). Die angefragten und ausgesuchten Fir-men gehörten wiederum zu den ausgezeichneten UnternehFir-men des Deutschen Bildungspreises, um ein hohes Niveau des Bildungsmanagements zu garantieren. Bereits vor den ersten Interviews war zu erwarten, dass es wahrscheinlich nicht ausreicht, in nur einem Unternehmen Gespräche zu führen. Um Einseitigkeit oder mögliche unternehmensspezifische Effekte zu reduzieren, wurde bereits zu Anfang auf zwei Firmen abgestellt. Innerhalb der Gruppe Dienstleistung sollten die beiden Unternehmen möglichst stark kontrastie-ren, um eine große Breite an Rahmenbedingungen in die Untersuchung einfließen lassen zu können. So handelt es sich bei beiden Unternehmen um sachbezogene, originäre Dienstleistungen (Schneider u.a.

2008:193), es wurden jedoch in den Dimensionen Größe, Unternehmensart sowie inhaltlicher Schwerpunkt

jeweils die Extrempositionen genutzt. Damit entstehen Kontrastfälle, die eine inhaltliche Spannbreite im Sin-ne von Maximalvergleichen in die Untersuchung einbringen (Alheit 1999:12).

Als großes Dienstleistungsunternehmen wurden die Abfallwirtschaftsbetriebe München herausgesucht. Die-se sind im öffentlichen Dienst angesiedelt und erbringen mit der Wertstoffsammlung und -verwertung eine technisch-gewerbliche Dienstleistung. Das Unternehmen ist eigenständig, jedoch in vielen Aspekten wie Personal, Systeme oder Einkauf an die Landeshauptstadt München gebunden. Die etwa 6.000 Mitarbeiter unterschiedlichster Qualifikationsstufen sind in Verwaltung, technischen Diensten und im Einsammeldienst eingesetzt. Im Bereich der Weiterbildung kann der AWM viele Angebote der Stadt nutzen, bietet jedoch auch ein vielfältiges eigenes Programm sowie zahlreiche individuelle Förderungen für alle Beschäftigtengruppen an. Jährliche Mitarbeitergespräche sowie ein standardisiertes Vorgehen zur Anmeldung des Weiterbildungs-bedarfs sind fest etabliert. Der AWM besitzt einen starken Personalrat.

Die VR Bank Südpfalz hingegen ist mit 400 Mitarbeitern ein kleines, privatwirtschaftliches Unternehmen. Die Finanzdienstleistung im Privat- und Firmenkundenbereich wird durch staatliche Vorgaben der Bankenauf-sicht stark reglementiert. Die VR Bank Südpfalz gehört zum Genossenschaftsverband der Volks- und Raiffe-isenbanken. Der Verband bietet eine Vielzahl von fachspezifischen Weiterbildungen, die die VR Bank Südpfalz gern in Anspruch nimmt. Zusätzlich bietet die Bank umfassende Ergänzungsangebote. Neben tä-tigkeitsbezogenen Themen betrifft dies auch die Freizeitakademie, bei der in der Freizeit meist fachübergrei-fende Schulungen genutzt werden können. Mitarbeitergespräche und standardisierte Anmeldeprozesse ge-hören zum gut ausgebauten PE-Instrumentarium der Bank.

Die VR Bank Südpfalz besitzt einen gut etablierten Betriebsrat.

Abb. 11: Extrempositionen der beiden untersuchten Unternehmen, eigene Darstellung

Diese Auswahl erwies sich im Laufe der Untersuchung als geglückt, da sie tatsächlich neben zahlreichen, grundlegenden Gemeinsamkeiten auch interessante Gegensätze zeigte. Insbesondere betraf dies die Un-ternehmensform. Der AWM wies als Unternehmen im öffentlichen Dienst deutliche Unterschiede zur privat-wirtschaftlichen VR Bank Südpfalz auf. Dies zeigte sich in der Veränderungsbereitschaft der Mitarbeiter und unterschiedlich hoher Angst vor Verlust des Arbeitsplatzes.

Auswahl der Personen

Beim Sampling der zu interviewenden Personen wurde darauf geachtet, solche Fälle zu nutzen, die zur Be-antwortung der Forschungsfrage wesentliche und neue Informationen versprechen (Alheit 1999:12). Deshalb wurde in jedem der zwei untersuchten Unternehmen je ein Vertreter der sechs identifizierten Stakeholder-gruppen befragt.

Auch die Verfügbarkeit und die Bereitschaft der Personen, an der Untersuchung teilzunehmen, bestimmten die Auswahl der Interviewpartner. Die Freiwilligkeit sowie vielfältige Weiterbildungserfahrung wurden als entscheidende Kriterien angesehen. In der Tabelle werden die Befragten überblickhaft dargestellt.

Übersicht über die befragten Personen

Unter-nehmen

Name (Akronym) Position Zugehörig-keit zum Unterneh-men

Erfahrung im Bil-dungsmanagement

Bereitschaft zur Mitarbeit

VRSP Rainer Offen (RO) Leiter Personal Sehr lang Langjährig inkl. Pla-nungs- und Budget-verantwortung

hoch

VRSP Regina Pfirrmann (RP)

Leiterin Personal-entwicklung

Sehr lang Langjährig inkl. Pla-nungsverantwortung

hoch

VRSP Christian Ochs (CO)

Vorsitzender der Geschäftsführung

mittel Umfassend als Auf-traggeber, als Dozent

hoch

VRSP Klaus Dönig (KD) Vorsitzender des Betriebsrats

Sehr lang Langjährig als Teil-nehmer und prüfender BR

hoch

VRSP Sabine Heil (SH) Führungskraft Sehr lang Langjährig als Teil-nehmer und betreu-ende Führungskraft

hoch

VRSP Marco Eck (ME) Mitarbeiter mittel Umfassend als Teil-nehmer

hoch

VRSP Annette Arand (AA) Hauptberufliche Trainerin

kurz Langjährig als Teil-nehmer, Trainer und Coach

hoch

AWM Frank Groß (FG) Personalentwick-lung

Sehr lang Langjährig inkl. Pla-nungsverantwortung

hoch

AWM Richard Matzke (RM)

Führungskraft Sehr lang Langjährig als Teil-nehmer und betreu-ende Führungskraft

hoch

AWM Andreas Ebenau (AE)

Mitarbeiter Sehr lang Langjährig als Teil-nehmer

hoch

AWM Erika Kerner (EK) Mitglied der Ge-schäftsführung

mittel Langjährig als Teil-nehmer und betreu-ende Führungskraft

hoch

AWM Sigrid Pickhardt (SP)

Vorsitzende des Betriebsrats

Sehr lang Langjährig als Teil-nehmer und prüfender BR

hoch

Unter-nehmen

Name (Akronym) Position Zugehörig-keit zum Unterneh-men

Erfahrung im Bil-dungsmanagement

Bereitschaft zur Mitarbeit

AWM Havva Tözzer (HT) Nebenberufliche Trainerin

mittel Umfassend als Teil-nehmer und Trainer

hoch