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Polymerasen katalysieren die gesamte in der Natur vorkommende DNA-Synthese und sind die Schlüsselenzyme in zellulären Prozessen wie Replikation, Rekombination und Reparatur von DNA-Schäden. Gerade der letztere Prozess ist begleitet von einer Vielzahl verschiedener DNA-Polymerasen mit unterschiedlichsten Aufgaben während der Reparatur und erst kürzlich sind neue spezialisierte Enzyme entdeckt worden, die eine Rolle beim Überlesen von DNA-Schäden spielen und zum größten Teil unter dem Begriff der Y-Familie-Polymerasen zusammengefasst werden.11,24,45,46 Die DNA kann eine Vielzahl von DNA-Schäden erleiden, wie z.B.

Hydrolyse des Phosphodiester-Rückgrates, Schädigung der Nukleobasen, Angriff durch Sauerstoffradikale, Schädigung durch UV-Licht, etc..27-33 Diese Schäden stellen eine signifikante Barriere für replikative DNA-Polymerasen dar, können jedoch von der Zelle durch Rekrutierung spezialisierter DNA-Polymerasen repariert bzw. Überlesen werden. Bis heute ist noch nicht genau geklärt, wie Zellen im Detail über solche Schäden hinweg DNA-Synthese betreiben können.

Zur Klärung dieser Frage ist das Verständnis des Mechanismus während des Überlesens eines DNA-Schadens wichtig. Aus diesem Grund wurde in dieser Dissertation eine DNA-Polymerase, die nicht über einen DNA-Schaden hinweg lesen konnte ausgewählt, um dann durch gerichtete Evolution in ein Enzym überführt zu werden, welches die gewünschte Eigenschaft besaß. Strukturelle und biochemische Charakterisierungen des Ausgangsenzymes sowie der gewonnenen Varianten sollten dann zu einem erweiterten Verständnis des Mechanismus der DNA-Synthese ausgehend von geschädigter DNA ergeben. Als Ausgangsenzym wurde die thermostabile DNA-Polymerase I von Thermus aquaticus (Taq) gewählt, da diese eine große Rolle in biotechnologische Anwendungen findet. Eine bereits vorhandene, durch Zufallsmutagenese erstellte Bibliothek einer N-terminal verkürzten Version der Taq DNA-Polymerase (Klentaq) wurde in einem Fluoreszenz-basierten Experiment auf die Fähigkeit hin durchmustert, einen Primerstrang in Anwesenheit von nur drei

dNTPs (ohne dATP) zu verlängern, obwohl das Templat alle vier Nukleoside enthielt.

Dadurch wurde eine Situation für einen Fehleinbau sowie dessen Verlängerung geschaffen, was die Situation des Überlesens eines DNA-Schadens darstellen sollte. Der Wildtyp konnte unter diesen Umständen keine DNA-Synthese betreiben. Nach der robotergestützen Durchmusterung von ca. 1000 Varianten konnte jedoch ein Enzym gefunden werden, das in der Lage war über DNA-Schäden, wie einer abasischen Stelle, oder sauerstoffinduzierten Schäden wie 8-oxo-dA, oder 8-oxo-dG im Templat hinweg zu lesen. Die Sequenzierung dieser Mutante zeigte einen einzigen Aminosäureaustausch von Methionin 747 zu Lysin, welches einen Kontakt zum Templatstrang in der Nähe des aktiven Zentrums ausbildet. Es folgten weitere Experimente, wie die erfolgreiche PCR-basierte Amplifikation ausgehend von stark geschädigten DNA-Templaten (Bestrahlung mit UV-Licht bei 254 nm), Bestimmung von Aktivität und Fehlerrate sowie Messung kinetischer Parameter in verschiedenen Sequenzkontexten, um das Verständnis des Überlesens von DNA-Schäden zu erweitern. Dabei wurde gefunden, dass der hinderliche Schritt beim Überlesen eines DNA-Schadens durch die verwendete replikative Polymerase nicht der Einbau eines Nukleotides gegenüber des DNA-Schadens war, sondern dessen Verlängerung.

Ausgehend von diesen Ergebnissen wurde eine weitere fokussierte Bibliothek der Klentaq DNA-Polymerase erstellt, die die Randomisierung des Met747 beinhaltete.

Nach der Durchmusterung von ca. 100 Mutanten konnten Varianten isoliert werden, die unterschiedliche Fähigkeiten beim Überlesen von DNA-Schäden zeigten und durch ihre verschiedene Aminosäuresequenz sowie deren Eigenschaften einen Rückschluß auf die Wichtigkeit bestimmer Reste zuließen. Es konnte gezeigt werden, dass anionische Aminosäuren an der Position 747 zu einem Verlust der Prozessivität und somit der Fähigkeit der DNA-Synthese bewirkten, wohingegen Substitutionen mit kationischen Aminosäuren einen gegenteiligen Effekt zeigten und zu einer Steigerung der Prozessivität führten.

Mit einer bereits aus der Literatur bekannten Variante des Volllängenenzyms Taq Polymerase (Taq I614K)125 wurden Doppelmutanten durch zielgerichtete Mutagenese erstellt, so dass kumulative Effekte von bereits gut untersuchten Einzelvarianten im Zusammenspiel beobachtet werden konnten. Dabei konnte beobachtet werden, dass

Funktionsverluste, die in der Einzelvariante KTQ I614K im Bezug auf Amplifikationseigenschaften in der PCR auftraten, durch die Kombination mit den kationischen Substitutionen (747K, 747R) ausgeglichen werden konnten. Diese kompensatorische Eigenschaft der kationischen Substitutionen an Position 747 durch Erhöhung der elektrostatischen Interaktion mit dem negativ geladenen DNA-Substrat spiegelte sich ebenfalls in einer Erhöhung der Prozessivität der Doppelmutanten wider.

Des Weiteren wiesen die doppelt-substituierten Enzyme einen wesentlich höheren Schaden-Bypass auf, was in pre-steady state kinetischen Untersuchungen am Beispiel einer stabilisierten abasischen Stelle gezeigt werden konnte.

Strukturelle Untersuchungen, die in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Biophysik und Strukturbiologie, Universität Konstanz, mit M. Sc. Andreas Schnur im Rahmen seiner Dissertation unternommen wurden, führten zu bisher unveröffentlichten Kristallstrukturen zweier Klentaq Varianten (KTQ M747K, KTQ DM (KK)) im Komplex mit DNA-Substrat. Diese zeigten, dass die eingeführten Substitutionen keinen Einfluss auf die sterische Situation in den Enzymen hatten, dass jedoch eine deutliche Änderung des elektrostatischen Potentials an der Oberfläche der Polymerasen in der Nähe des DNA-Templates und des eintretenden Nukleosid-Triphosphates stattgefunden hatte. Ausgehend von diesen Strukturen konnten Vergleiche mit einer Y-Familie-Polymerase (Dpo4 aus Sulfolobus solfataricus) unternommen werden, die zeigten, dass dort ebenfalls intensive elektrostatische Interaktionen zwischen der DNA-Polymerase und dem DNA-Substrat stattfinden, und dass diese neben der besonderen Form und Flexibilität der Dpo4 Polymerase-Bindungstasche ebenfalls einen grossen Einfluss auf die Fähigkeit zum Überlesen von DNA-Schäden haben.

Zusammenfassend konnten in dieser Dissertation mehrere DNA-Polymerasen evolviert werden, die in der Lage waren über DNA-Schäden hinweg zu synthetisieren, ausgehend von einem Enzym, dem diese Eigenschaft fehlte. Durch die biochemische Charakterisierung und die strukturelle Untersuchungen der gewonnenen Varianten konnte ein wichtiger Beitrag für das Verständnis des Überlesens von DNA-Schäden durch DNA-Polymerasen erlangt werden.

Weitere Studien über die Bedeutung der Prozessivität bzw. der verstärkten Interaktion mit dem DNA-Substrat für das Überlesen von DNA-Schäden könnten durch Generierung von chimären Enzymen durchgeführt werden. Dabei könnte ein Prozessivitätsfaktor bzw. ein prozessivitätssteigerndes Protein, wie z.B. die Thioredoxin-Bindedomäne aus dem T7-Virus oder das Sso7D Protein verwendet werden, um an den N-Terminus der hier generierten Klentaq Varianten angefügt zu werden. Des Weiteren wäre es sinnvoll andere Positionen in der Klentaq Polymerase, die in engem Kontakt mit dem DNA-Substrat stehen durch zielgerichtete Mutagenese zu variieren und so Aminosäuresubstitutionen zu finden, die einen verbesserten Schaden-Bypass erlauben. Eine Übertragung der gefundenen Ergebnisse in DNA-Polymerasen anderer Familien wäre ebenso denkbar, um eine Allgemeingültigkeit der gefundenen Ergebnisse zu erlangen.