• Keine Ergebnisse gefunden

1 Einleitung

1.4 Gerichtete Evolution

Die Bedeutung von DNA-Polymerasen für zahlreiche Anwendung in der Biologie, Biotechnologie und Medizin wurde bereits im Abschnitt 1.1.4 dieser Arbeit erläutert.

Neben der Verwendung der diversen, natürlich vorkommenden DNA-Polymerasen verschiedener Organismen versucht man diese Enzyme zu verändern, um z.B. das Substratspektrum zu erweitern oder Eigenschaften wie pH-Optimum, Thermostabilität, Resistenz gegen Inhibitoren oder Selektivität zu optimieren.63-65,95-102

Neben der Gewinnung neuer Werkzeuge für biotechnologische Anwendungen erhofft man sich auch, aus veränderten Varianten zusammen mit deren Kristallstruktur zu

lernen, welche Aminosäuren und Proteinmotive für die veränderten Eigenschaften verantwortlich sind und so Grundlagen für ein rationales Proteindesign zu entwickeln.103,104

Die Methoden, die bei der gerichteten Evolution Anwendung finden, sind zahlreich, lassen sich jedoch in zwei große Gruppen und grundlegende Überlegungen einteilen.

Das kodierende Gen eines Enzyms ist dabei das Ausgangsmaterial für die Erstellung einer diversifizierten Bibliothek von Enzymvarianten, wobei zwischen rationalem und zufälligem Design einer Bibliothek unterschieden werden muss. Sind bereits einzelne Aminosäurepositionen oder kurze Motivabschnitte als interessant für die Herstellung einer Variantenbibliothek identifiziert worden, so lassen sich rationale Bibliotheken planen, bei denen entsprechend nur eine oder wenige Aminosäuren variiert werden. Je nach gewünschter Diversität der gewählten Positionen, ob alle 20 natürlichen Aminosäuren oder nur eine Auswahl derer eingesetzt werden soll, wird die Bibliothek geplant, wobei der Umfang der zu untersuchenden Mutanten eher klein bleibt. Eine wichtige Vorraussetzung für die Planung einer rationalen Bibliothek sind Kenntnisse über räumliche Struktur und Interaktionen der ausgewählten Aminosäuren und deren Einfluss in dem zu verändernden Kontext. So konnten Rudinger et al. ausgehend von bereits beschriebenen Aminosäuresubstitutionen einer Familie A DNA-Polymerase, diese Erkenntnisse auf das Design einer Familie B DNA-Polymerase für erhöhte Selektivität anwenden.95,97,105 Allerdings bleibt zu bemerken, dass oftmals Veränderungen durch weit vom aktiven Zentrum entfernte Aminosäuren auch einen Einfluss auf das Verhalten der Enzyme haben (remote effec st ).103,106-108 Ist bei der Durchmusterung einer rational geplanten Bibliothek eine interessante Variante gefunden worden, so kann diese als Grundlage für eine weitere Diversifizierung eingesetzt werden.

Beim Erstellen einer zufällig mutierten Variantenbibliothek wird oft auf die error-prone PCR zurückgegriffen. Bei dieser Methode werden durch den Einsatz von Mangan und/oder unterschiedlichen Mischungsverhältnissen der dNTPs während der Amplifikation der zu mutierenden DNA an nicht vorrauszusagenden Positionen

Mutationen eingeführt, die zu Aminosäuresubstitutionen führen können. 109,110 Die Anzahl und Art der Substitutionen lässt sich nur schwer steuern und die Dimension der möglichen Aminosäurekombinationen ist extrem hoch.111 Dennoch lassen sich aus solchen Bibliotheken erfolgreiche Enzymvarianten isolieren.98,102,112,113 Weitere Möglichkeiten zur Kombination erfolgreicher Varianten bieten dann Methoden wie DNA shuffling oder staggered extension process (StEP). 114-116

Abb. 10: Schema der gerichteten Evolution.

Es werden iterativ die Prozesse von Diversifikation und Selektion durchlaufen. Entnommen aus Ref. 117.

Eine wichtige Vorraussetzung für die Identifikation erfolgreicher Varianten ist die Verknüpfung zwischen diversifizierten Genotypen und Phänotypen. Zu diesem Zweck sind zahlreiche Methoden entwickelt worden, die entweder auf der direkten, kovalenten Verknüpfung von Gen und Protein (mRNA peptide fusion), auf der nicht-kovalenten Verknüpfung (ribosome-, phage-, cell surface display), dem Einschluss in einem gemeinsamen Kompartiment (Zelle, in-vitro compartmentalization IVC) oder der räumlichen Adressierung (Mikrotiterplatte, Protein-Chips) beruhen.117,118 Dabei werden die Varianten in vivo oder in vitro transkribiert und translatiert, um anschließend einem Screening oder einer Selektion unterzogen zu werden. Werden erfolgreiche Varianten identifiziert, so kann direkt die kodierende DNA isoliert und

analysiert werden oder sie wird einer weiteren Diversifikation und einem Screening-/Selektionszyklus unterworfen.

Bei dem Verfahren einer Selektion wird das Überleben des Expressionssystems an eine erfolgreiche, neue Enzym-/Proteinvariante geknüpft. Im Allgemeinen kann dies z.B.

durch die Verwendung eines Resistenzmarkers gegen ein Antibiotikum erfolgen oder durch die Verwendung von thermolabilen Bakterienstämmen. Oftmals werden auch Bindeproteine generiert, die in einer Selektion an einen immobilisierten Liganden binden. Nicht erfolgreiche Binder werden zusammen mit ihrem Genotyp in einem Waschschritt entfernt, erfolgreiche Binder verbleiben an der Matrix und können analysiert werden. Die Stringenz des Waschschrittes spielt dabei eine besondere Rolle.

Bei der Selektion können extrem umfangreiche Bibliotheken untersucht werden, so dass je nach Verfahren Bibliotheksgrößen von 1012-1015 Mitgliedern generiert werden (ribosome display, mRNA peptide fusion). Dabei handelt es sich jedoch meist um kleinere Peptide oder Bindeproteine.117 Im phage display, welches u.a. von Romesberg et al. für die Selektion von Polymerasen mit neuen Eigenschaften angewendet wurde, konnten Bibliotheken von 105-108 Varianten untersucht werden.119,120 Die Selektion von DNA-Polymerasen ist besonders schwierig, da jedes Expressionssystem per se bereits DNA-Polymerasen beinhaltet und das Substrat für beide DNA darstellt. Zudem muss bei display Bibliotheken das Substrat (DNA) ebenfalls auf der Oberfläche des Expressionssystems immobilisiert werden, um zugänglich für die an der Oberfläche exprimierte, gebundene Polymerase zu sein (Abb. 11). Nach erfolgreicher Prozessierung des Substrates muss anschließend eine Diskriminierungsmöglichkeit zum nicht-prozessierten Substrat ermöglicht werden (z.B. Einbau von biotinylierten dNTPs und Bindung an Streptavidin Matrix).119,120

Abb. 11: Schema des Phage D splayi .

Die Polymerase (SF - Stoffel Fragment) wird an der Oberfläche des Phagen präsentiert. In einem zweiten Schritt erfolgt die Kopplung des Substrates durch Interaktion eines sauren und basischen Peptides an die Oberfläche. Erfolgreiche Polymerasevarianten bauen selektiv ein biotinyliertes dUTP ein, so dass sie über eine Streptavidin modifizierte Matrix angereichert werden können. Entnommen aus Ref. 119.

Loeb et al. wendeten eine Selektion an, bei der ein E. coli Stamm mit einer thermolabilen DNA-Polymerase I genutzt wurde. Dieser Stamm wächst bei 30°C normal, wird die Temperatur jedoch auf 37°C erhöht, so fällt die Funktion der DNA-Polymerase I aus. Beeinhaltet die in diesen Stamm transformierte DNA- Polymerasen-Bibliothek aktive DNA-Polymerasen, so wachsen die Kolonien unter beiden Bedingungen und können identifiziert werden. Dieser erste Schritt diente dem Auffinden der aktiven Varianten und wird als Komplementationsexperiment bezeichnet.121-126 Die Selektion verringerte die Bibliotheksgröße von 2 x 105 auf 8 x 103 aktive Mitglieder, die anschließend einem Screening unterzogen wurden.124 Die Selektion muss nicht, wie bei Loeb et al. in einem lebenden System (E. coli) stattfinden, sondern kann auch in artifiziellen Kompartimenten erfolgen. Dazu werden

Wasser-in-Öl-Emulsionen (Mikroemulsionen) hergestellt, so dass kleine Tröpfchen entstehen, die einen in vitro Transkriptions- und Translationsmix enthalten (in vitro compartmentalizat on IVCi ).127-129 In diesen künstlichen Reaktionsräumen können als Expressionssystem jedoch auch E. coli Zellen verwendet werden, wie Holliger et al. in dem von ihnen als CSR (compartmentalized self-replication) bezeichneten Verfahren beschreiben.63,100,130 Hierbei replizieren erfolgreiche Varianten ihr eigenes Gen ( self-replication) und reichern somit ihre eigene Sequenz im Genpool an.

Abb. 12: Schema des CSRAssays.

Die Polymerasebibliothek wird in ein Plasmid kloniert und in E. colitransformiert (1). Anschließend werden die Bakterien zusammen mit Primern und dNTPs in einer Emulsion in ein Tröpfchen eingeschlossen. Nach erfolgter Lyse der Bakterien werden die exprimierten Polymerasevarianten im Tröpfchen freigesetzt. Im Fall einer erfolgreichen Variante repliziert diese ihr eigenes Gen und reichert so die Sequenz an (3). Entnommen aus Ref. 130.

Screening-Methoden sind wesentlich arbeitsintensiver als Selektionsverfahren. Da eine Selektion jedoch nicht bei allen Fragestellungen angewendet werden kann, wird häufig eine Screening-Methode entwickelt, wobei ein schnell zu erzeugendes und stabiles Signal zur Erkennung einer positiven Variante notwendig ist.117 Dazu werden alle Bibliotheksmitglieder räumlich voneinander getrennt, sei es auf Mikrotiterplatten oder Proteinchips, und einer Reaktion unterzogen, die ein Signal erzeugt. Häufig werden dabei Fluoreszenzsignale verwendet, da diese schnell ausgelesen werden können.

Durch die kompliziertere, aufwendigere Handhabung und die damit verbundenen

höheren Kosten sind Screeningbibliotheken auf eine Größe von 106-107 beschränkt.131 Interessant ist jedoch die Verwendung der IVC-Methode und dem schnellen Sortieren der Mikroemulsionen durch ein FACS-Gerät (fluorescence activated cell sorting). 131,132 Hierbei werden Mikroemulsionen als Reaktionskompartiment benutzt, in denen ein fluoreszenzbasiertes Signal erzeugt wird. 50 µl einer Mikroemulsion können dabei

>1010 einzelne Reaktionsräume enthalten, so dass in einem geringen Volumen eine Vielzahl von Reaktionen parallel durchgeführt werden können. Die Sortierung der einzelnen Kompartimente durch ein FACS Gerät lässt heutzutage einen Durchsatz von bis zu 107 pro Stunde zu.131,132