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3 Ergebnisse und Diskussion

3.1 Durchmusterung einer Mutantenbibliothek der N-terminal verkürzten

3.1.3 Diskussion

Im ersten Teil dieser Arbeit wurde gezeigt, dass aus einer relativ kleinen, zufällig randomisierten Bibliothek von DNA-Polymerasen eine Variante gefunden wurde, die im Vergleich zum Wildtyp-Enzym eine verbesserte Fähigkeit zum Überlesen von DNA-Schäden aufzeigte. Nach der Durchmusterung von bereits 736 PCR aktiven Varianten in einem SYBRgreenI basierten Assay wurde eine Enzym-Variante endeckt, die in der Lage war, den Primer in Anwesenheit von nur drei dNTPs bis zur Volllänge des Templates zu verlängern (Abb. 16). Das Screening mit SYBRgreenI bot den Vorteil, sehr schnell durchführbar zu sein und die Ausgangsbibliothek von 736 Varianten auf 53 Varianten einzugrenzen, was einer Größe von nur noch 7% der Bibliothek entsprach. Diese verringerte Anzahl bestand zu einem großen Teil aus „falsch-positiven“ Varianten, die ebenfalls in der Lage waren, ein relativ hohes Fluoreszenzsignal bei einer Primerextension-Reaktion mit nur drei dNTPs in Gegenwart von SYBRgreenI zu erzeugen, obwohl keine Verlängerung des Primers in einem späteren radiometrischen Experiment festgestellt werden konnte (vgl. 3.1.2.4).

Dennoch enthielt sie eine Variante, die sich im radioaktiven Experiment als „echt-positiv“ erwies. Das Verringern der Bibliotheksgröße durch schnelle, leicht durchzuführende und kostengünstige Screening-Assays stellt eine wichtige Vorraussetzung für ein schnelles Durchmustern von Bibliotheken dar, auch wenn dabei „falsch-positive“ Signale erzeugt werden. Diese werden bei einem zweiten Screening der verringerten Bibliothek dann aussortiert. Die Anwendung von SYBRgreenI als Detektionsgrundlage für die Durchmusterung von randomisierten DNA-Polymerasebibliotheken führte bereits zur Evolution bzw. Verbesserung verschiedener Eigenschaften in DNA-Polymerasen (Selektivität, reverse Transkriptase-Aktivität) und stellte eine gut beherrschte Methode in der Arbeitsgruppe dar.95,96,98,102

Die verringerten Bibliotheken konnten anschließend mit zeit- und kostenintensiveren Methoden genauer untersucht werden (z.B.: radiometrische Untersuchung).

Die Auswertung der erhaltenen Daten aus dem fluoreszenzbasierten Screening (vgl.

3.1.2.3) musste dabei in Abschnitten erfolgen, die den Expressionsplatten entsprachen,

da der unter 3.1.2.3 eingeführte Fluoreszenz-Schwellenwert FS deutlich zwischen den einzelnen Expressionseinheiten schwankte. So hätte eine Auswertung im 384-well Format zum Verlust von positiven Varianten führen können, wie aus Abb. 15 ersichtlich wird. Alle als positiv identifizierten Varianten der 96-well Platte Nr.1 wären bei der Auswertung nach dem 384-well Format Nr.1 als negativ gewertet worden, da ihr Signal unter dem FS der 384-well Platte lag. Darunter hätte sich auch die hier entdeckte und charakterisierte Variante 1, E6 (entspricht KTQ M747K) befunden.

Nach der DNA-Sequenzierung der positiven Variante 1,E6 konnte der für die neue Eigenschaft verantwortliche Aminosäurerest identifiziert werden. Es handelte sich um die Position 747, bei der ein Methionin durch ein Lysin substituiert wurde (vgl. Abb.

17). Die Nummerierung orientierte sich am Volllängenenzym der Taq DNA-Polymerase. Die Wildtyp Aminosäure M747 befindet sich in direkter räumlicher Nähe zur Templat-DNA und steht in Kontakt mit der 2’-Desoxyribose des zuletzt gebildeten Basenpaares im Templat (vgl. Abb. 18). Der Abstand des Cβ-Atoms des Methionins zum Zucker weist dabei einen Abstand von 4,5 Å auf.84 Interessanterweise haben Jestin et a . die gleiche Aminosäuresubstitution in Kombination mit einer weiteren Substitution gefunden (E742K, M747K) und ein Enzym beschrieben, das ebenfalls ein erweitertes Substratspektrum besitzt und RNA anstelle von DNA als Templat benutzen kann.

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139 Die Substitution von Methionin hin zu Lysin bedeutete den Austausch einer ungeladenen, hydrophoben Aminosäure hin zu einer basischen, geladenen Aminosäure von ähnlicher Größe (vgl. Abb. 19). Dabei war gut vorstellbar, dass gerade die positive Ladung in direkter Nähe zum negativ geladenen Rückgrat der DNA eine erhöhte elektrostatische Wechselwirkung bedingte und dies einen erheblichen Anteil der veränderten Eigenschaften der Variante M747K ausmachte. Sterische Veränderungen sind aufgrund der ähnlichen Größe und Gestalt der Aminosäuren kaum zu vermuten.

Strukturbiologische Untersuchungen dieses Verhaltes werden zurzeit in einer Kooperation mit der AG Welte, Lehrstuhl für Biophys k und Strukturb ologie, Universität Konstanz, unternommen, wobei die Variante M747K als ternärer Komplex zusammen mit DNA und Nukleosid-Triphosphat kristallisiert wird. Dass die Substitution einer hydrophoben mit einer geladenen Aminosäure Einflüsse auf die

Akzeptanz von DNA-Schäden, Genauigkeit und Selektivität haben kann, zeigten Loeb et al..125 Sie fanden in der Taq DNA-Polymerase eine Substitution des Isoleucin 614 hin zu Lysin, welche in einer starken Erhöhung der Fehlerrate und einem verbesserten Schaden-Bypass der I614K Variante resultierte. Isoleucin 614 befindet sich im aktiven Zentrum und bildet mit weiteren Aminosäuren des Motiv A die Bindungstasche für das eintretende Nukleosid-Triphosphat, wobei Isoleucin 614 eng in Kontakt mit der Ribose sowie den Sauerstoffen des β-Phosphats des eintretenden Triphosphates steht.84,125 Auch hier kann wieder eine erhöhte elektrostatische Interaktion zwischen DNA und substituierter Aminosäure angenommen werden, da das Triphosphat negativ und die Substitution positiv geladen sind.

Die Daten der steady state kinetischen Untersuchungen zeigten, dass die Variante M747K im Vergleich zum Wildtyp eine leicht verringerte Selektivität im Fehlverlängerungsverhalten aufwies. So lagen die relativen Effizienzen für die Verlängerung eines fehlgepaarten Primers mit (dC/dT) und (dT/dT) etwa doppelt so hoch wie beim Wildtyp. Sonstige Unterschiede konnten bei der Verwendung ungeschädigter DNA-Template nicht festgestellt werden. Deutlicher waren jedoch die Unterschiede bei Verwendung eines Templates mit stabilisierter abasischer Stelle. Hier wurde von beiden Polymerasen am effizientesten dATP gegenüber der stabilisierten abasischen Stelle eingebaut, gefolgt von dGTP, welches ca. vierfach weniger effizient umgesetzt wurde. Für die anderen beiden Triphosphate (dCTP, dTTP) konnte kein bzw. nur ein sehr geringer Umsatz gemessen werden, so dass davon ausgegangen werden kann, dass sich dATP bzw. dGTP gegenüber einer abasischen Stelle befand (vgl. 3.1.2.11). Verwendete man nun Primer, die gegenüber der abasischen Stelle mit dA bzw. dG endeten und maß deren Verlängerung, so wurde der Unterschied zwischen Klentaq WT und Variante M747K deutlich. Beide Enzyme konnten nur den Primer, der mit dA gegenüber der abasischen Stelle endete, verlängern, wobei die Variante M747K eine siebenfach erhöhte Effizienz aufwies. Gerade die Verlängerung nach Einbau gegenüber der stabilisierten abasischen Stelle zeigte den Unterschied zwischen den beiden Enzymen.

Im Gegensatz zu der von Loeb e al. identifizierten Variante (Taq I614K) zeigte die KTQ M747K keine erhöhte Fehlerrate im Vergleich zum Wildtyp in einem

PCR-t

basierten Experiment. Loeb et al. fanden eine Erhöhung der Fehlerrate durch Substitution des Isoleucin mit Lysin von 3,3 x 10-5 auf 80 x 10-5.125 Die hier gemessenen Fehlerraten für Klentaq WT und M747K betrugen 8,8 x 10-5 bzw. 11,5 x 10-5 und waren somit fast identisch, wobei die für die Taq Polymerase typische erhöhte Anzahl von Transitionen gegenüber Transversionen auftraten.109,110

Interessant sind die Ergebnisse, die in den PCR-Experimenten unter Verwendung UV-Licht geschädigter DNA-Template erhalten wurden. UV-Licht erzeugt zahlreiche Schäden in der DNA wie Thymidin-Dimere, große Addukte oder DNA-Strangbrüche.27,29-31 Diese Schäden stellen enorme Blockaden für replikative DNA-Polymerasen dar und erst in den letzten Jahren wurden DNA-DNA-Polymerasen entdeckt, die für die Schaden-Bypass-Synthese (trans lesion synthesis, TLS) verantwortlich sind.

Die meisten dieser neu entdeckten TLS-Polymerasen werden in der Y-Familie zusammengefasst.11,21,24,134,140,141 Die hier erhaltenen Ergebnisse zeigen, dass die gefundene Variante M747K in der Lage war, ein PCR-Produkt ausgehend von hochgeschädigter Templat-DNA zu erzeugen, welches der ungeschädigten Ausgangssequenz zu 100 % entsprach. Der Grad der Schädigung wurde durch ein Agarosegel deutlich gemacht, auf welches DNA-Proben aufgetragen wurden, die zuvor mit unterschiedlichen Dosen UV-Licht (λ = 254 nm) bestrahlt wurden. Es war deutlich zu erkennen, dass die Erhöhung der Strahlendosis zu vermehrten Strangbrüchen führte (vgl. Abb. 24). Die hier gefundene thermostabile DNA-Polymerase könnte ein wertvolles Werkzeug bei der Analyse von DNA-Proben sein, die extremen Umwelteinflüssen ausgesetzt war, wie z.B. DNA aus archäologischen oder forensischen Proben, deren Amplifikation oft ein Problem darstellt.142,143 Erst kürzlich wurde ein solcher Versuch unternommen und eine Chimäre aus drei verschiedenen DNA-Polymerasen (Taq, Tfl und Tth) durch molecular breeding gewonnen, die ebenfalls hochgeschädigte DNA amplifizieren kann.144

3.2 Randomisierung der Aminosäureposition