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Zurück auf Los? – Anpassung mit ‚Bordmitteln’

3 Die Bedeutung industrieller Kompetenzen für die Unternehmenstransformation

3.2 Der Weg zu neuen Geschäftsmodellen

3.2.1 Zurück auf Los? – Anpassung mit ‚Bordmitteln’

Für die Genese der Geschäftsmodelle und Marktzugangsstrategien erfolgreicher Unternehmen im Transformationsprozess der ostdeutschen Industrie ist von entscheidender Bedeutung, über welche wettbewerbsrelevanten Ressourcen und Kompetenzen diese Unternehmen im Aus-gang verfügen bzw. welche sie zu mobilisieren vermögen und ob und wie sie es vermögen, darauf gründende Fähigkeiten im Wettbewerb zu ihrem Vorteil einzusetzen. Die Transforma-tionskonstellation unterstreicht hier die Bedeutung von solchen Ressourcen und Kompeten-zen, die ihren Ursprung in der DDR-Industrie haben, stellen diese doch die Ausgangsbasis für die strategische Neuausrichtung und Profilierung der Unternehmen dar. Gerade diese Res-sourcen und Kompetenzen scheinen jedoch durch den Zusammenbruch der ostdeutschen Wirtschaft massiv in Frage gestellt.

„Wir waren im Prinzip über“ – dieses bereits in Abschnitt 3.1 angeführte Zitat aus dem Inter-view mit dem Geschäftsführers eines der Fallstudienbetriebe verdeutlicht ein mit den Markt-verlusten der ostdeutschen Unternehmen verknüpftes und für die betriebliche Transformation sehr zentrales Problem, über das die Transformationsforschung jedoch hinweggeht: Der Ver-lust ihrer Marktintegration ist für die Unternehmen nicht nur gleichbedeutend mit dem VerVer-lust ihres Geschäftszwecks, sondern auch mit einer weitgehenden Entwertung ihrer Ressourcen.

Was also stand für die Unternehmen bei ihrem Einstieg in die Marktwirtschaft auf der Haben-Seite? Auf welcher Basis war es ihnen möglich, neue Geschäftsmodelle und Marktzugangs-strategien zu entwickeln? Das, was unter den Rahmenbedingungen einer planwirtschaftlich organisierten Ökonomie oftmals im Zentrum ihres Geschäftszwecks gestanden hatte – ihre durch Maschinen, Anlagen und Infrastruktur, durch eine Belegschaft mit spezifischen Quali-fikationen und Kompetenzen, durch Kooperationen und Netzwerke mit anderen Unternehmen und externen Forschungseinrichtungen etc. begründeten Fähigkeiten zur Herstellung be-stimmter Produkte – war mit dem Verlust des Geschäftszwecks unter den neuen Rahmenbe-dingungen nicht mehr gefragt. Die entsprechenden Ressourcen erschienen damit als obsolet, am Markt überflüssig oder, wie es der oben zitierte Geschäftsführer der Schleckermaul GmbH ausdrückte: „über“.

Dies scheint auf den ersten Blick solche Einschätzungen aus der Transformationsforschung zu bestätigen, die in den Erbschaften der ostdeutschen Industrie vor allem einen wesentlichen Wettbewerbsnachteil der ostdeutschen Unternehmen sehen (siehe Kapitel zwei). Das zugrunde liegende Argument setzt sich dabei allerdings nicht damit auseinander, dass diese Unternehmen zu DDR-Zeiten allen unbestrittenen Schwächen der DDR-Industrie zum Trotz einen industriellen Produktionsprozess aufrechterhalten hatten, in dem sie Ressourcen und Kompetenzen erworben haben, die sie nun für die Entwicklung neuer Wettbewerbsstärken nutzen können39

39 Nur zu bereitwillig werden in der soziologischen und wirtschaftswissenschaftlichen Transformationstheorie die historische Überlegenheit des kapitalistischen Wirtschaftssystems und das Scheitern der staatssozialistischen Wirtschaftssysteme oftmals zum Anlass genommen, sich mit dem langjährigen Funktionieren und der Funkti-onsweise der planwirtschaftlichen Ökonomien nicht auseinanderzusetzen. Mit Mancur Olson (1992) lässt sich dem entgegenhalten, dass jedoch gerade das langjährige ‚Funktionieren’ der Planwirtschaften gängige Annah-men über die Funktionsweise von Markt und Wirtschaft in Frage stellt – „… the intellectual challenge is not to explain why the market economies outperformed the Soviet-type economies, but to explain why the latter

man-. Die zugrunde liegende Transformationsvorstellung geht hier vielmehr Hand

in Hand mit der bereits fehlleitenden Unterstellung einer Kontinuität des Geschäftszwecks:

Die Erbschaften der Unternehmen erscheinen deshalb als grundsätzlich problematisch, weil davon ausgegangen wird, dass die Unternehmen ihre Produktion fortsetzen und ihre Ressour-cen und Kompetenzen dabei nur in Kontinuität zum ‚alten’, nicht mehr wettbewerbsfähigen Produktionsmodell gesehen werden. Tatsächlich jedoch kommt, wie ich zeigen werde, der Nutzung der aus DDR-Zeiten überkommenen betrieblichen Ressourcen, insbesondere der zu der Zeit aufgebauten Kompetenzen, in den Anpassungsstrategien der ostdeutschen Unterneh-men und bei der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle und Wettbewerbsstärken eine zentrale Rolle zu. Doch wie lassen sich neue Wettbewerbsstärken mit Ressourcen und Kompetenzen entwickeln, die im Zuge des Systemumbruchs entwertet wurden?

3.2.1.1 Eine ressourcenorientierte Perspektive auf Unternehmensstrategien

Im Folgenden werde ich meine Argumentation zunächst theoretisch entwickeln, bevor ich sie dann auf die Transformationssituation übertrage. Meine Überlegungen lehnen sich an der res-sourcenbasierten Theorie des Unternehmens an, wie sie insbesondere in den Arbeiten von Edith Penrose (1960, 1995) und Birger Wernerfeld (1984, 1995) begründet und im ‚dynamic capabilities’-Ansatz von Teece und anderen (Augier/Teece 2008, Eisenhardt/Martin 2000, Teece 2009, 2010, Teece/Pisano 1994, Teece et al. 1997, Winter 2002) im Hinblick auf das strategische Handeln von Unternehmen weiterentwickelt wurde. Im Zentrum dieses Ansatzes steht die Überlegung, dass es einem Unternehmen grundsätzlich erst durch die gezielte Nut-zung von Betriebsstätten und Anlagen, von Rohstoffen und Vorprodukten, von produktions-relevanten Wissensbeständen, Fähigkeiten und Kompetenzen möglich ist, die Herstellung sei-ner Produkte zu realisieren – „For the firm, resources and products are two sides of the same coin.” (Wernerfelt 1984:171). Während in der auf dem Ansatz aufbauenden Forschung zum strategischen Management hieraus allerdings oftmals Erklärungen des Unternehmenserfolges abgeleitet werden, die die Leistungen des Unternehmens auf seine Ressourcen- bzw. Kompe-tenzausstattung zurückführen, werde ich den Ansatz im Folgenden in einer organisationsso-ziologischen Perspektive aufgreifen (zur Kritik des ressourcenbasierten Ansatzes in der For-schung zum strategischen Management sowie zu den Stärken des von Penrose entwickelten Ansatzes siehe auch Moldaschl 2006). Mein Erklärungsinteresse richtet sich auf Ressourcen und Kompetenzen als prägende Faktoren der von den ostdeutschen Unternehmen in ihrem Anpassungsprozess eingeschlagenen Geschäftsstrategien, weniger auf den Unternehmenser-folg bzw. die Performanz des einzelnen Unternehmens, die nicht alleine von der Nutzung der zur Verfügung stehenden Ressourcen und Kompetenzen, sondern von einer Vielzahl sowohl unternehmensinterner wie –externer Faktoren und nicht zuletzt von kontingenten Manage-mententscheidungen abhängig ist. Wichtig ist mir im Weiteren vor allem das in seinen Res-sourcen und Kompetenzen angelegte Handlungsvermögen des Unternehmens. Bevor ich

aged to get by as long as they did“ (56) und „The intellectual challenge (…) is to understand why the Soviet-type economies produced as much as they produced and lasted as long as they did” (72). Ohne dies weiter zu vertie-fen, bleibt an dieser Stelle festzuhalten, dass das sich gerade auch dieses nur unzureichende Verständnis der Funktionsweise der staatssozialistischen Wirtschaftssysteme auf das Verständnis der nach 1990 einsetzenden Transitionsprozesse auswirkt.

auf eingehe, ist es jedoch an dieser Stelle zweckmäßig, zunächst die Begriffe ‚Ressource’ und

‚Kompetenz’ genauer zu definieren.

Ressourcen und Kompetenzen

Unter ‚Ressourcen’ ist in Anlehnung an Penrose (Penrose 1995) und Wernerfelt (Wernerfelt 1984, 1995) im weitesten Sinn alles zu verstehen, was ein Unternehmen zur Organisation sei-ner Produktion nutzt oder nutzen kann. Dazu zählen materielle Ressourcen (wie etwa Be-triebsstätten und Anlagen, Rohstoffe und Vorprodukte, Abfall- und Nebenprodukte oder La-gerbestände fertiger Produkte) und Organisationsstrukturen ebenso wie personale Ressourcen bzw. Humanressourcen in Form der angelernten und qualifizierten Arbeiter, technischen und Verwaltungsangestellten sowie Manager des Unternehmens und der ihnen inhärenten produk-tionsrelevanten Wissensbestände, Fähigkeiten und Kompetenzen, aber auch andere immate-rielle Ressourcen wie Kundenkontakte und die Reputation des Unternehmens. Eine abschlie-ßende Aufstellung der vom Unternehmen nutzbaren Ressourcen ist dabei gar nicht möglich, weil der ‚Ressourcenstatus’ immer auch von einer Verwendung als Ressource abhängt: „Was zur Ressource wird, ist grundsätzlich nicht erfassbar (…) Es hängt allein davon ab, ob ein materielles oder immaterielles Gut in einem individuellen oder institutionellen Handeln zweckgebundene Verwendung findet“ (Moldaschl 2006:9).

‚Kompetenzen’ stellen in diesem Kontext eine spezifische Form von Ressourcen dar. Sie können sowohl bei Individuen als auch bei Organisationen liegen. Als individuelle Kompeten-zen bezeichnen sie das Vermögen des Einzelnen, mit den arbeitsalltäglichen Anforderungen umzugehen. Als organisationale Kompetenzen beschreiben sie organisationale Routinen und Abläufe, wie sie sich aus dem Zusammenspiel der individuellen Kompetenzen ergeben und die Reaktionsfähigkeit des Unternehmens im Umgang mit den Anforderungen des Marktes fundieren. Die Verwendung der Begriffe ‚Kompetenz’ und ‚Ressource’ ist nur schwer abzu-grenzen. So stehen Kompetenzen auf der einen Seite für den Einsatz und die Nutzung der be-trieblichen Ressourcen. Dies gilt etwa, wenn Arbeiter eines Unternehmens unter Nutzung sei-ner Maschinen und Materialien – oder abstrakter: seisei-ner materiellen Ressourcen – einem Pro-duktionsprozess ‚Leben einhauchen’ und auf Grundlage ihrer Kompetenzen für einen stö-rungsfreien Produktionsablauf sorgen. Auf der anderen Seite liegen Kompetenzen aber auch beim Management, dass den Einsatz der betrieblichen Ressourcen – den Einsatz und die Ar-beitsorganisation der ‚Humanressource’ Arbeiter eingeschlossen – ‚orchestriert’.

Formen der Ressourcennutzung

Die hier gewählte Perspektive auf den industriellen Produktionsprozess als Ergebnis des ko-ordinierten Einsatzes unterschiedlicher Ressourcen bzw. als Prozess der Ressourcennutzung (Penrose 1960, 1995, Wernerfelt 1984, 1995) hebt die reale Unterschiedlichkeit von Unternehmen und deren Bedeutung für ihr strategisches Handeln hervor. Denn auf der einen Seite sind nicht nur die internen und externen Zugriffsmöglichkeiten auf Ressourcen zwischen den Unternehmen ungleich verteilt. Unternehmen unterscheiden sich etwa in Größe und Qua-lifikationsstruktur ihrer Belegschaften, Maschinenausstattung, Infrastruktur und finanziellen Möglichkeiten, aber auch in ihrem technologischen Wissen, ihrer Produktionserfahrung oder ihrer Problemlösungsfähigkeit. Damit definieren die vorhandenen Ressourcen auch die

Gren-zen der Handlungsspielräume des einzelnen Unternehmens, das sich einerseits nur im Rah-men seiner gegebenen bzw. gewachsenen Ressourcen- und Kompetenzausstattung bewegen kann, andererseits aber auch gelernt hat, diese in einer bestimmten Art und Weise strategisch einzusetzen. Seine Entwicklung ist in dieser Hinsicht immer pfadabhängig – auch hier gilt, wie Penrose (1995:XIII) hervorhebt: „history matters“ (siehe auch Chandler 1992, Hel-fat/Lieberman 2002, Penrose 1995).

Auf der anderen Seite können Ressourcen zugleich aber auch auf sehr unterschiedliche Art produktiv genutzt werden. Zum einen werden Ressourcen erst durch ihren Einsatz im Pro-duktionsprozess produktionsrelevant. Aus eingelagerten Maschinen oder nicht abgerufenen Fertigkeiten qualifizierter Mitarbeiter kann ein Unternehmen hingegen kaum einen Wettbe-werbsvorteil ziehen. Zum anderen und vor allem aber können Ressourcen – eine aus der Ar-beitssoziologie weithin bekannte Tatsache – auch sehr unterschiedlich eingesetzt werden.

Penrose führt hier die wichtige Unterscheidung zwischen den Ressourcen an sich einerseits und der Form der Ressourcennutzung und den damit hervorzubringenden unterschiedlichen

‚Ressourcenleistungen’ (‘services’) andererseits ein40

„Strictly speaking, it is never resources themselves that are the ‚inputs’ in the production pro-cess, but only the services that the resources can render. The services yielded by resources are a function of the way in which they are used – exactly the same resource when used for different purposes or in different ways and in combination with different types or amounts of other re-sources provides a different service or set of services.” (Penrose 1995:25).

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Diese Unterscheidung hat Konsequenzen für die Herausbildung von Unternehmensstrategien:

Entscheidend im Wettbewerb sind weniger Arbeitsstunden, Zustand und Laufzeiten von Ma-schinen, Materialeinsatz oder Energieverbrauch, also der Input an Produktionsfaktoren an sich. Entscheidend ist vielmehr, wie und zu welchem Zweck diese Ressourcen eingesetzt wer-den und inwieweit es das Unternehmen vermag, sich mit Hilfe dieser Ressourcen wer-den Anfor-derungen des Marktes anzupassen (vgl. Fried 2003, Penrose 1995, Schreyögg/Kliesch 2005, Teece et al. 1997, Wernerfelt 1984). Damit eröffnen sich den Unternehmen aber gerade in der Form der Ressourcennutzung Möglichkeiten, sich im Wettbewerb zu profilieren. Dabei ist zum einen wichtig, dass ein Unternehmen erst durch die unternehmensspezifische Nutzung seiner Ressourcen Produkte und Leistungen hervorbringen kann, mit denen es vermag, sich von seinen Wettbewerbern abzusetzen. Seine spezifischen Wettbewerbsstärken, mit denen das Unternehmen zugleich um Kunden wirbt als auch versucht, seine Wettbewerber auf die Plätze zu verweisen, gründen hierin. In dem Maße, in dem es einem Unternehmen gelingt, sich auf der Grundlage solcher Ressourcen auf dem Markt zu etablieren, erhöhen sich die Wettbe-werbsbarrieren für nachdrängende Wettbewerber (vgl. Teece 2010). Zum anderen bedeutet dies aber auch, dass der strategische Wert der Unternehmensressourcen entscheidend davon abhängt, wie diese eingesetzt werden. Ob der Produktionsapparat veraltet, der Grad der Me-chanisierung suboptimal oder die Belegschaft falsch strukturiert oder nicht angemessen

40 Diese zentrale und heuristisch wichtige Unterscheidung werde, so Moldaschl (2006:8), in der Mehrheit der ressourcen- oder kompetenzbasierten Beiträge zur Forschung des strategischen Managements nicht fruchtbar gemacht.

fiziert ist, entscheidet sich in erster Linie in der Frage, wie und zu welchem Zweck diese Res-sourcen auf dem Markt und im Wettbewerb eingesetzt werden41

Die hier getroffene Unterscheidung zwischen Ressourcen und Formen des Ressourceneinsat-zes bzw. der Ressourcennutzung ist insofern wichtig, als sie ausgehend von der realen Unter-schiedlichkeit von Unternehmen das Augenmerk auf die spezifische Nutzung und den Einsatz der unternehmenseigenen Ressourcen als Ergebnis von Managemententscheidungen lenkt:

Die Ressourcenausstattung begrenzt auf der einen Seite zwar die strategischen Entwick-lungsmöglichkeiten der Unternehmen auf ein bestimmtes Feld, eröffnet ihnen in diesem Feld aber zugleich auch ein Spektrum an alternativen Handlungsmöglichkeiten (Penrose 1995, Teece et al. 1997). Diese Handlungsmöglichkeiten beschränken sich dabei nicht auf den bestehenden Geschäftszweck und eingespielte Formen der Ressourcennutzung. Jenseits davon birgt die spezifische Ressourcenkonstellation eines Unternehmens zahlreiche andere, teils auch in anderen Ressourcenkombinationen gründende Möglichkeiten der Ressourcennutzung, die dem Unternehmen mitunter auch (noch) gar nicht bekannt bzw. bewusst sind, deren ‚Ent-deckung’ ihm aber neue Möglichkeiten zur Gestaltung seiner Leistungen und zur Differenzie-rung im Wettbewerb eröffnen kann. Es ist dieses breite Feld an mit den Ressourcenbeständen eines Unternehmens verknüpften – unternehmensspezifischen – Handlungsoptionen, das die strategische Bedeutung der Ressourcen für das Unternehmen ausmacht.

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Die Ausprägung von Unternehmensstrategien ist vor diesem Hintergrund nur im Kontext des einzelnen Unternehmens und seiner individuellen Möglichkeiten zu verstehen. Ein Unter-nehmen muss sich, will es erfolgreich sein, mit seinem Geschäftsmodell nicht nur auf die An-forderungen des Marktes einlassen. Es muss vor allem auch versuchen, sich in seinem Feld durch Alleinstellungsmerkmale immer wieder von Wettbewerbern abzugrenzen und so seine Attraktivität für seine Kunden zu erhalten und zu steigern. Seine Fähigkeit zur Entwicklung von Wettbewerbsstärken und –vorteilen hängt dabei aber entscheidend an seinem Ressour-cenzugriff sowie seinen Möglichkeiten und Strategien im Einsatz dieser Ressourcen42

41 Beispielsweise stellen programmierbare Bearbeitungszentren und CNC-Maschinen im Maschinenbau tech-nologisch zwar sicherlich den state of the art dar. Trotzdem finden sich in Maschinenbauunternehmen immer auch ältere Maschinen, die in der Regel jedoch anders – z.B. weniger flexibel – genutzt werden. Die Nutzbarkeit dieser Maschinen entscheidet sich nicht am Alter, sondern am Einsatzzweck. Noch deutlicher wird dies an einem Beispiel aus einem der Fallstudienunternehmen: das Unternehmen verfügt über eine sehr alte, nur umständlich zu bedienende Karusselldrehmaschine. Die Maschine wird im Tagesgeschäft nur selten gebraucht. Für das Un-ternehmen stellt sie aber ein gewisses Alleinstellungsmerkmal dar, weil es sich weit und breit um die einzige Maschine diesen Typs handelt und das Unternehmen somit Fertigungsschritte ausführen kann, zu denen andere nicht (mehr) in der Lage sind. Eine solche Maschine – richtig genutzt – kann also trotz ihres Alters und ihrer technologischen Rückständigkeit einen Wettbewerbsvorteil darstellen, den das Unternehmen gegenüber Kunden und Wettbewerbern einsetzen kann. Genutzt werden kann die Maschine dabei nur, wenn das Unternehmen zugleich auch über Arbeiter verfügt, die das entsprechend notwendige, unter anderen Konditionen jedoch mögli-cherweise redundante Fachwissen haben.

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42 Wernerfelt zieht in diesem Zusammenhang den illustrativen Vergleich zwischen sportlichem Wettkampf und kapitalistischem Wettbewerb und hebt hervor, wie selbstverständlich der Gedanke eigentlich sein sollte, Unter-nehmensstrategien in Abhängigkeit von der Ressourcenausstattung des einzelnen Unternehmens zu begreifen:

„A central difference between sports and business is that in business patterns of entry and exit ensure that a firm always will be up against the best in whatever market it chooses to compete. The second-best competitors are forced out, leaving a situation where there is no second division in business. Strategies which are not

resource-Industrielle Kompetenzen als strategisch relevante Ressourcen

An dieser Stelle reicht es allerdings nicht aus, allein auf die Ressourcenausstattung der Unter-nehmen zu sehen, da die betrieblichen Ressourcen sich in Hinblick auf die Positionierung im Wettbewerb in ihrer strategischen Relevanz unterscheiden. Ist eine Ressource auch für kon-kurrierende Unternehmen ohne größere Probleme über den Markt zu erwerben, wird ein Un-ternehmen aus der Verfügung über diese Ressource kaum einen strategischen Vorteil im Wettbewerb ziehen können (vgl. Garnsey 1998, Penrose 1995, Wernerfelt 1984). Besondere Bedeutung kommt daher in diesem Kontext den Kompetenzen zu, über die ein Unternehmen verfügt und auf deren strategische Bedeutung der Ansatz der ‚Dynamic Capabilities’ als wohl wichtigste Weiterentwicklung des ressourcenorientierten Ansatzes zielt (vgl. Teece 2009, 2010, Teece/Pisano 1994, Teece et al. 1997, Winter 2002).

Kompetenzen liegen zum einen insbesondere bei den qualifizierten Beschäftigten des Unter-nehmens. Wichtig hierbei ist, dass qualifizierte Arbeitskräfte eben nicht nur Träger weitge-hend standardisierter beruflicher Fachqualifikationen sind, die auf dem Arbeitsmarkt ‚gehan-delt’ werden und damit auch konkurrierenden Unternehmen zugänglich sind. Die Beschäftig-ten eines Unternehmens entwickeln unter Nutzung ihrer fachlichen Qualifikation und der be-trieblichen Ressourcen zugleich auch aufgabenspezifische Kompetenzen, Fähigkeiten und Er-fahrungen in der Bearbeitung und Lösung wiederkehrender Probleme. Auch dort, wo die be-ruflichen Qualifikationen der in den Betrieben tätigen Facharbeiter für die Produktionsstrate-gien der Unternehmen grundlegend sind, liegt deren zentrale Bedeutung nicht allein im stan-dardisierten Fachwissen, sondern darüber hinaus auch in den spezifischen Fertigkeiten und konkreten Erfahrungen sowie dem Know-how, die ein Facharbeiter vor dem Hintergrund sei-nes Fachwissens im Produktionsalltag des Unternehmens mit den Produkten des Unterneh-mens sowie im Umgang mit alltäglichen Problemen und in der Aufrechterhaltung und Ge-währleistung des unternehmensspezifischen Produktionsflusses sammelt.

Dieses praktische, auf konkrete Produktionszusammenhänge bezogene, teils auch nur impli-zite Wissen wird durch ‚learning-by-doing’ und empirisches Experimentieren im Vollzug der alltäglichen Arbeitsprozesse und im Umgang mit den im Arbeitsalltag zu lösenden Problemen geschaffen und reproduziert und lässt sich mitunter nur begrenzt durch systematische Unter-weisung vermitteln. Böhle et al. haben die Bedeutung des eher impliziten individuellen Erfah-rungswissens für das Funktionieren gerade auch technologisch anspruchsvoller Produktions-prozesse herausgearbeitet (vgl. Böhle 2004, Pfeiffer 2007). Wichtig an dieser Stelle ist die darauf aufbauende, auf bestimmte Produktionsprozesse sowie auf in diesem Kontext auftre-tende Anforderungen und Problemkonstellationen bezogene individuelle Handlungskompe-tenz43

based are unlikely to succeed in such environments. … Basing strategies on the differences between firms should be automatic, rather than noteworthy” (Wernerfelt 1995:173).

. Diese speist sich sowohl aus dem im Produktionsalltag gewonnenen Erfahrungswissen

43 Kompetenz hat in diesem Zusammenhang eine doppelte Bedeutung: Auf der einen Seite meint der Begriff hier im Sinne der oben ausgeführten Definition die auf den Erfahrungen des Produktionsalltages und der Nutzung fachlicher Qualifikationen basierenden Fähigkeiten im Umgang mit Anforderungen und Problemen. Auf der an-deren Seite verweist der Begriff damit zugleich auch auf das Selbstbewusstsein seiner Träger, ohne das diese Fä-higkeiten nur unzureichend eingesetzt würden. In diesem Sinne ist „die für handwerkliches Können typische emotionale Belohnung: das Gefühl von Kompetenz“ (Sennett 2008:318).

als auch aus den in der beruflichen Aus- und Weiterbildung vermittelten und im alltag geschärften fachlichen Qualifikationen, ohne die sowohl ein reibungsloser Produktions-ablauf als auch die beständige Anpassung der Produktion an neue Anforderungen oftmals un-denkbar wären. Ihren besonderen Nutzwert hat sie aber oft auch nur im Kontext dieser spezi-fischen bzw. spezifisch gestalteten Produktionsprozesse44

Die Frage nach Wettbewerbsstärken und –vorteilen weist an dieser Stelle allerdings zugleich auch über die individuelle Ebene hinaus darauf, dass sich mit diesen individuellen Fähigkei-ten, Fertigkeiten und Kompetenzen zugleich auch organisationale Handlungskompetenzen

Die Frage nach Wettbewerbsstärken und –vorteilen weist an dieser Stelle allerdings zugleich auch über die individuelle Ebene hinaus darauf, dass sich mit diesen individuellen Fähigkei-ten, Fertigkeiten und Kompetenzen zugleich auch organisationale Handlungskompetenzen