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Grüne Wiese mit Tradition – die Automobilfabriken

4 Erfolgreiche Anpassungsprozesse in ostdeutschen Unternehmen

4.2 Die Fertigungsspezialisten

4.2.3 Mobilisierung industrieller Kompetenzen im Standortwettbewerb

4.2.3.1 Grüne Wiese mit Tradition – die Automobilfabriken

Wenn die Rede auf die ostdeutschen Autofabriken kommt, steht in der Regel das Bild der modernen Modellfabriken im Vordergrund, die von multinationalen Autokonzernen als Expe-rimentierfeld für neue Produktionskonzepte und als Referenzwerke für die schwerfällig in Gang kommende Reorganisation ihrer westdeutschen Autobetriebe gedacht und genutzt wer-den. Während die von den Autokonzernen in Ostdeutschland verfolgten Produktionskonzepte im Prinzip bekannt sind, wird jedoch in der Regel übersehen, in welchem Maße gerade das ostdeutsche Umfeld zu diesem Zeitpunkt besonders günstige Rahmenbedingungen für die Er-richtung solcher Modellfabriken geboten hat. Auch wenn es sich bei den hier betrachteten Fällen mit Ausnahme des Antriebstechnikwerkes um mit erheblichen Investitionen der Kon-zerne errichtete Werksneubauten handelt, zeigt sich bei näherer Betrachtung, dass die ‚Grüne Wiese’ auf der die Werke entstanden sind, in mancherlei Beziehung bereits weitgehend

er-schlossen war und den Konzernen wichtige Anknüpfungspunkte für die Implementation ihrer Konzepte bot.

„Konnten Sie denn von dem, was Sie da entwickelt haben in dieser Zeit, etwas mit rüber nehmen ins neue Werk als Prinzip, als Konzept, als Erfahrung? Doch, da ist sicher ziemlich vieles mit-genommen worden. Es ist ja einiges von außen gekommen, z.B. von NUMMI. Ich war ja da-mals selber mal dort und habe mir das angucken können, und da ist vieles übernommen worden.

Es gibt aber auch vieles, was wir hier selber entwickelt haben. Es ist also nicht alles eins zu eins, sondern es ist immer gesagt worden, dass nicht der typische deutsche Weg gegangen wer-den muss, aber der typische Autostädter Weg. Man hat schon gesehen, dass wir keine Japaner sind (…) Es sind auch hier und da Erfahrungen aus der DDR-Vergangenheit mitgenommen worden, die man sich erhalten hat und die man hier auch gut nutzen konnte für die Prozesse, die dann hier wichtig waren. Insofern war das sicher ein Konglomerat von vielen Sachen, die man heute sicher nicht mehr so finden wird“ (Betriebsrat A OFW).

Kaum ein Unternehmen im Sample illustriert die These, dass die industrielle Entwicklung Ostdeutschlands wenig mit Angleichungsprozessen zu tun hat, besser, als die beiden Auto-mobilhersteller in der Fallgruppe der Fertigungsspezialisten. Selbst bei dieser schlichten Ausweitung der eigenen Fertigungskapazitäten durch Aufbau neuer Fertigungsstandorte be-standen für die beiden dahinter stehenden, am Markt etablierten großen Automobilkonzerne offensichtlich wenig Anreize, an den neuen Standorten einfach ihre an westdeutschen Stand-orten erprobten und eingespielten Produktionsstrategien zu replizieren. Das Zitat verdeutlicht die dem Aufbau des Autostädter Werkes stattdessen zugrunde liegende Mischung aus bislang konzernfremden, ‚importierten’ Konzepten und ostdeutschen Kompetenzen. Ähnliches gilt auch für den Aufbau der Wagenstädter Automobilfabrik.

Ausgangspunkt: Modernisierungsprojekte der DDR-Automobilindustrie

Das Interessante in diesem Kontext ist, dass sich zumindest in drei der vier Fälle die Wurzeln der hier betrachteten Fertigungsspezialisten direkt bis in letztendlich gescheiterte Modernisie-rungsprojekte der DDR-Automobilindustrie zurückverfolgen lassen.

Die Ausnahme ist Automotive Elektronik Wagenstadt. Aber auch in diesem Fall finden sich Wurzeln in der DDR-Automobilindustrie, wenngleich hier nicht auf ähnliche Modernisierungs-projekte verwiesen werden kann. Hier geht die Gründung des Werks auf ein Joint Venture zu-rück, dass der Mutterkonzern, ein großer, schwerpunktmäßig als Autozulieferer profilierter westdeutscher Elektronikkonzern, bereits 1990 mit seinem ostdeutschen Counterpart, einem auf die Produktion von Fahrzeugelektrik ausgerichteten Kombinat abschloss. Nach dem Scheitern des Joint Ventures erfolgte ein vollständiger Werksneubau, wobei sich die Belegschaft aus den Mitarbeitern des Joint Ventures rekrutierte. Der Fall erscheint hier insofern als Ausnahme, als dass das Werk nicht auf eine planwirtschaftliche Modernisierungsinitiative aus der Zeit vor

Ausgangspunkt ist ein Modernisierungsdilemma, in dem sich die DDR-Automobilindustrie eigentlich von Beginn an bewegte (Kirchberg 2000, Mickler et al. 1996 sowie eigene Recher-chen). Nicht zuletzt aufgrund unzureichender Investitionen in den Auf- und Ausbau der eige-nen Automobilindustrie blieb die PKW-Produktion der DDR immer hinter der Bineige-nennach- Binnennach-frage zurück. Die für eine deutliche Produktionssteigerung notwendigen Investitionen hätten in ihrer Größenordnung für das Land jedoch eine erhebliche ökonomische Belastung bedeutet.

1989 zurückgeht. Allerdings zielte auch die Joint Venture-Initiative aus dem Jahr 1990 seitens des Kombinates auf eine Modernisierung der Produktpalette und Produktionsweise.

In der Folge wurde in den 1970er Jahren gemeinsam mit der CSSR und Ungarn versucht, auf der Basis eines vereinheitlichten Fahrzeuggrundtyps zu einer länderübergreifenden, arbeits-teiligen Produktion zu kommen. Auch wenn diese Bestrebungen schließlich Mitte der 1970er Jahre scheiterten64

Das Scheitern des Kooperationsprojektes führte dazu, dass man sich nun ab der zweiten Hälfte der 70er Jahre – aufbauend auf den Überlegungen und Planungen zum ‚RGW-Auto’ – um eine Ausweitung und Modernisierung der Automobilindustrie aus eigener Kraft bemühte.

Technologisch suchte man dabei jetzt den Anschluss an westeuropäische Hersteller, die sich umgekehrt einen Zugang zu den Märkten in Ostdeutschland und Osteuropa erhofften. In den 1980er Jahren nahmen Kooperationen und Lieferbeziehungen zwischen der Automobil- und Automobilzulieferindustrie der DDR und westdeutschen und westeuropäischen Autoherstel-lern, voran die Volkswagen AG, zu. Die DDR-Betriebe versuchten ihre Auslastung durch Zu-lieferaufträge zu verbessern und wertvolle Devisen zu erwirtschaften. So konnten im Sample etwa die Gießerei Bergstädter Kokillenguss GmbH und das Stahlwerk Stahlstädter Brammen und Bleche GmbH (beide aus der Fallgruppe der Produktspezialisten, siehe unten) bereits zu DDR-Zeiten Zulieferverträge mit westdeutschen Autoherstellern abschließen. Umgekehrt lie-ferte beispielsweise die Volkswagen AG bereits Ende der 1970er Jahre 10.000 VW Golf in die DDR. Für die DDR eröffnete sich damit auch der Zugang zu westlicher Technologie, die helfen sollte, die Modernisierung der eigenen Automobilindustrie voranzutreiben.

, gründen in der gemeinsamen Entwicklungsphase wichtige Weichenstellungen für die weitere Entwicklung der DDR-Automobilindustrie: Zum einen sollten mit dem ‚RGW-Auto’ technologisch neue Wege eingeschlagen werden. Dies betrifft sowohl das Antriebskonzept als auch den Wechsel von Zwei- zu Viertaktmotoren. Zum ande-ren profilierte sich bereits zu dieser Zeit Autostadt als Standort für Neuansiedlungen.

Im Zusammenhang mit der Einführung einer neuen Antriebstechnik schloss das Land bereits 1978 ein Abkommen mit einem westeuropäischen Autohersteller über den Bau eines An-triebstechnikwerkes in Autostadt ab, das dann 1981 in Betrieb gehen konnte und aus dem das heutige Antriebstechnikwerk hervorgegangen ist. Im Rahmen eines Kompensationsgeschäftes baute der West-Autohersteller das ostdeutsche Antriebstechnikwerk auf, schulte ostdeutsches Personal in seinen eigenen Werken, lieferte dem ostdeutschen Unternehmen Produkt- und Produktions-Know-how, betreute den Fertigungsanlauf und baute in Ostdeutschland ein sei-nen Anforderungen entsprechendes Qualitätsmanagement auf. Im Gegenzug lieferte das ost-deutsche Werk zwischen 1981 und 1989 fast 40 % seiner jährlichen Produktion an den west-europäischen Autohersteller. Da sich die von der DDR angestrebte Modernisierung und Erhö-hung der eigenen PKW-Produktion verzögerte, fiel das Werk stark überdimensioniert aus, fand aber bald weitere Exportpartner in der Tschechoslowakei, Jugoslawien und der Sowjet-union, die dem Werk nach 1990 aber wegbrachen.

64 Auf die unterschiedlichen politischen, ökonomischen und technischen Gründe für dieses Scheitern muss hier nicht weiter eingegangen werden. Erwähnt werden soll an dieser Stelle allerdings, dass ein sicher nicht unwe-sentlicher Grund für das Scheitern ein DDR-interner Standortstreit war: Die Überlegungen sahen eine Konzen-tration der kompletten DDR-PKW-Montage am Standort Zwickau und eine Umprofilierung des Automobilwer-kes Eisenach zu einem Zulieferer für PKW-Triebsätze vor, was nicht nur unter den Arbeitern in Eisenach erheb-liche politische Unruhe auslöste (vgl. Kirchberg 2000).

Auch in der Motorproduktion konnte die DDR auf westliche Technologie zurückgreifen, als der Volkswagen-Konzern dem Land 1982 eine komplette Motorenfertigung zum Erwerb an-bot. 1984 unterzeichneten die DDR und die Volkswagen AG einen entsprechenden Vertrag über Produktlizenzen und den Kauf einer Fertigungsstraße für Viertaktmotoren, auf deren Grundlage nun ein modernes DDR-PKW-Angebot entwickelt werden sollte. Im Herbst 1988 wurde auf der Grundlage eines in Wagenstadt produzierten PKWs der erste DDR-Wagen mit einem Viertaktmotor aus der neuen Fabrik der Öffentlichkeit vorgestellt. In einem zweiten Schritt sollten der in Autostadt produzierte Kleinwagen ebenfalls auf die neue Motorisierung umgestellt und seine Stückzahlen deutlich erhöht werden.

Gleichzeitig sollte die PKW-Produktion an beiden Standorten deutlich gesteigert werden. In beiden Fällen wurden neue Produktionsstätten an von den jeweiligen Altbetrieben getrennten Standorten am Stadtrand von Autostadt und Wagenstadt errichtet, die sich zum Zeitpunkt der Wende im Anlauf befanden und die nun zum Ausgangspunkt für die Investitionsprojekte der beiden Autokonzerne wurden. Im Fall von OFW gingen der Gründung bereits eine längere Produktionskooperation und ein Ende 1989 gegründetes, auf den Modernisierungsbemühun-gen aufsetzendes und auf die Vorbereitung einer gemeinsamen Produktionsstätte ausgerich-tetes Joint Venture des OFW-Mutterkonzerns mit dem DDR-Kombinat voraus.

„Wenn Sie zum Fenster rausschauen, das, was wir hier drüben sehen, den Teil hat man schon in den Jahren 1986/87 aufzubauen begonnen. Das ist ein ehemaliges PKW-Werk. Bis 1989 hat man den Aufbau gemacht. Dann sind da noch ein paar PKWs vom Band gelaufen, bis der OFW-Konzern 1989 / 1990 eingestiegen ist. Die haben die Fertigung damals erst einmal zu ei-nem bestimmten Anteil übernommen, mit etwas über 12% …“ (Betriebsrat OFW)

Der kurze Blick auf die Vorgeschichte verdeutlicht, dass die DDR-Automobilindustrie, auch wenn sie sich mit ihrer veralteten Produktpalette aus bereits nur zu deutlichen Gründen nach der Wende nicht behaupten konnte, doch gute Anschlussmöglichkeiten für die nach Ost-deutschland expandierende Automobil- und Automobilzulieferindustrie bot. Entsprechend wurden ihre 1990 bestehenden Modernisierungsprojekte und die hier vorhandenen industriel-len Fertigungskompetenzen zu einem wichtigen Ausgangspunkt im Aufbau der neuen Werke.

Andocken an im Aufbau befindliche Strukturen – der Bau der neuen Autofabriken

In Autostadt wurde das sich im Produktionsanlauf befindliche neue Werk Ende 1990 aus dem Kombinat ausgegliedert und zur Fortführung der bisherigen Aktivitäten in eine Übergangsge-sellschaft unter Leitung der Treuhandanstalt überführt, an der sich auch der OFW-Mutterkon-zern mit einem Minderheitsanteil beteiligte. Diese Übergangsgesellschaft produzierte mit an-fänglich 500 Mitarbeitern bereits die ersten OFW-Fahrzeuge in Ostdeutschland. Die anfängli-che Produktion des alten DDR-Automodells wurde bald eingestellt. Sukzessive wurde die Belegschaft aus dem Belegschaftsstamm des Kombinates aufgestockt. Parallel wurde in Au-tostadt noch vor dem formalen Vollzug der Wiedervereinigung am Standort des Werkes der Grundstein für einen Ausbau des Standortes durch den Westkonzern gelegt. Auf diese Weise konnte der OFW-Mutterkonzern nicht nur die dort vorhandenen Produktionsanlagen zum schnellen und in Bezug auf den Transformationsprozess sehr frühen Aufbau einer eigenen Produktion in Ostdeutschland nutzen. Vor allem verstand es der Konzern, sich am Standort vorhandene individuelle wie organisationale Kompetenzen im Fahrzeugbau für den Aufbau

des neuen Produktionsstandortes zu sichern, indem frühzeitig ein Personalgrundstock in si-chere Strukturen überführt und so eine vorzeitige Erosion dieses Potenzials verhindert wurde.

Ähnliches gilt auch im Falle der Autowerke in Wagenstadt: Auch hier geht der Gründung ein Joint Venture voraus, in dessen Rahmen der Westkonzern den neuen Standort gemeinsam mit dem DDR-Unternehmen in Betrieb nahm:

„Begonnen hat das ganze eigentlich 1989, als die politische Wende noch nicht abgeschlossen war. Da wurde im Automobilwerk das erste Mal darüber diskutiert. Dann kamen auch die ersten Besuche, von mehreren Firmen, und eine davon war der Autowerke-Konzern. Irgendwann ist dann die Entscheidung gefällt worden, dass es ein Joint Venture geben wird zwischen dem Au-tomobilwerk und der Firma. Da waren am Anfang 200 Leute, die über anderthalb Jahre hier auf diesem Gelände noch in den alten Hallen des damaligen Automobilwerkes ein Fahrzeugmodell des westdeutschen Herstellers gefertigt haben. Das wurde nicht komplett hier gefertigt, sondern die kompletten Karossen sind mit Zügen aus Westdeutschland hierher gefahren worden und wir haben die hier nur komplettiert, das war so unser Anfang“ (Betriebsrat A Autowerke).

Und auch hier handelt es sich bei den erwähnten ‚alten Hallen’ um ein durch die politische Wende ‚ausgebremstes’ Modernisierungsprojekt, einen sich im Aufbau befindlichen integ-rierten Produktionsstandort:

„Das war als neuer Standort geplant. Das alte Werk war ja ansässig im Stadtzentrum. Es gab Planungen das Werk hierher auszulagern. Hier wurden damals Teile gepresst, die Kotflügelfer-tigung war hier der Anfang. Als dann das Joint Venture kam, hat man das Ganze abgesetzt.

Damals ist hier die Produktion für das Westmodell aufgebaut worden, und letztendlich kam dann nach anderthalb Jahren die Entscheidung zur Erweiterung, also, zum Neubau des kom-pletten Werkes. Das heißt, Sie haben praktisch auf einem Modernisierungsprozess aufgesetzt, der ohnehin gerade im Gange war? Richtig“ (Betriebsrat B Autowerke).

In beiden Fällen ist wichtig, dass die Ansiedlungen nicht auf einer Übernahme der alten DDR-Autoproduzenten aufbauten. Stattdessen erfolgten sie an sich im Aufbau befindlichen und räumlich und organisatorisch von den Altbetrieben getrennten Standorten, die zudem mit um-fangreichen Investitionen auf- und ausgebaut wurden. In die Neugründungen der Westkon-zerne gingen dabei keine bestehenden Unternehmen oder Unternehmensteile mit entsprechend eingespielten Strukturen ein. Insofern handelt es sich bei beiden Autofabriken um Ansiedlun-gen auf der ‚Grünen Wiese’. Auf der anderen Seite aber vermochten beide West-Autoherstel-ler vor Ort an den Modernisierungsprojekten der DDR-Automobilindustrie anzuknüpfen.

Übernommen werden konnten dabei von den Westkonzernen nicht nur vorhandene Anlagen und Einrichtungen und erschlossene und für einen Neu- oder Ausbau der Werke weitgehend vorbereitete Standorte, was den Ansiedlungsprozess ungeheuer beschleunigte. Vor allem er-öffneten die im Zusammenhang der gesellschaftlichen Umbruchsituation zum Stillstand ge-kommenen Modernisierungsprojekte den Westkonzernen einen besonderen Zugriff auf in-dustrielle Kompetenzen und Potenziale der DDR-Autohersteller, die sie nicht nur für einen schnellen Produktionsstart, sondern auch für ihre Strategien zum Aufbau von Standorten mit einer besonders schlanken, flexiblen Produktionsorganisation gut nutzen konnten.

Automobilfertigungserfahrene Erstbelegschaften als Träger industrieller Kompetenzen Besonders deutlich wird dies an der Rekrutierung der Erstbelegschaften der neuen Automo-bilwerke, mit der sich die beiden Konzerne vorhandene industrielle Kompetenzen sichern.

Hier konnten beide Konzerne auf besonders motivierte und qualifizierte Arbeiter zugreifen, die sich bereits zu DDR-Zeiten für die anlaufenden Modernisierungsprojekte des Kombinats interessiert und sich zu einem Wechsel in die sich im Aufbau befindlichen Fabriken bereit klärt hatten. Zum einen bedeutete dies im ‚Hochfahren’ der neuen Produktionsstätten auf er-fahrene Arbeiter zurückgreifen zu können, die sich aufgrund ihrer Vorerfahrung vergleichs-weise schnell in die für sie neuen Produktionsprozessen hineinzufinden vermochten. Bei nä-herer Betrachtung wird zum anderen aber auch deutlich, dass die beiden Westkonzerne damit zugleich Zugriff auf eine für ihre Zwecke besonders geeignete Gruppe von Automobilarbei-tern erhielten, die sich zunächst einmal dadurch auszeichneten, dass sie bereits unter den alten Rahmenbedingungen bereit waren, die vermeintliche Sicherheit des Altwerkes aufzugeben und ein Interesse daran hatten, etwas Neues anzufangen und sich in den Modernisierungspro-jekten der DDR-Automobilindustrie zu engagieren, auch wenn diese von manch einem Kolle-gen mit äußerster Skepsis betrachtet wurden.

Besonders deutlich wird dies im Fall von OFW. Hier bestand bereits vor der Wende eine legschaft des sich im Aufbau befindlichen neuen Werkes, die schon im DDR-Betrieb die Be-reitschaft gezeigt hatte, sich – allen mit dem Projekt verbundenen Nachteilen wie längeren Fahrzeiten zu dem auswärts gelegenen neuen Standort zum Trotz – für die Produktion eines lange erwarteten, neuen und modernen DDR-Autos zu engagieren und die vom DDR-Betrieb sicherlich auch im Hinblick auf die zu errichtenden neuen Strukturen ausgewählt worden war:

„… dann ist ja der Aufbau hier gewesen, und man hat im Kombinat gefragt: ‚Wer will denn in das neue Werk gehen?’ Schon zu DDR-Zeiten noch. Das ist eigentlich der Stamm, der anfangs da war. Die hatten sich schon zu DDR-Zeiten bereit erklärt, hier zu arbeiten. Damals war man nicht so ganz flexibel, weil der neue Standort ja auch 10 km außerhalb liegt. Deswegen haben sich manche aus dem alten Werk auch schwer getan, hier runter zu gehen. Es hat ja auch keiner geahnt, wie sich das Ganze hier entwickelt. (…) Es waren natürlich ein paar Jüngere dabei, die etwas Neues machen wollten. Hier war das neue Auto in Planung. Das sollte hier gebaut werden und ist hier ja auch noch gebaut worden. Und im alten Werk hätte man immer noch das alte Auto weiter gebaut. Natürlich wollte da mancher etwas Neues machen. Das waren keine Leute, denen egal war, was sie machten. Das waren wirklich welche, die eine neue Herausforderung wollten, und natürlich war das hier alles auch ein bisschen moderner“ (Betriebsrat OFW).

Ähnlich konnten auch die Autowerke in Wagenstadt aus der Belegschaft des Kombinates eine besonders engagierte und dynamische Erstbelegschaft von Arbeitern zusammenstellen, die ein Interesse daran hatten, sich am Aufbau eines neuen Werkes zu beteiligen:

„Ich denke, das Besondere hier war zu der damaligen Zeit, dass es etwas Neues war. Jeder von denen, die hier angefangen haben, hat gesehen, dass er jetzt die Chance hat, ein modernes Auto zu bauen. Mit modernen Produktionsmethoden, mit modernen Anlagen und modernen Maschi-nen. (…) Das war zum damaligen Zeitpunkt sicher das Besondere, weil man ja immer gesagt gekriegt hat, dass wir im Automobilwerk uralte Autos gebaut haben, mit alter Technik, wo jeder wusste, was er machen musste. Somit war die Motivation sehr hoch. Zur damaligen Zeit war die Bereitschaft sehr hoch, einfach neue Wege zu gehen. Man ist aus dem Einen ausgebrochen und in etwas Neues rein gekommen, wo es noch keine Vorbehalte gab, sondern wo man einfach ge-sehen hat, dass man hier etwas Neues machen kann, dass man sich hier neu einbringen kann.

(…) Trotz aller Motivation war das trotzdem eine unsichere Zeit, denn es war zu dem Zeitpunkt noch nicht klar, dass hier ein neues Werk gebaut wird, sondern das war ein Versuchskaninchen und irgendwann sollte dann das neue Werk gebaut werden“ (Betriebsrat B, Autowerke).

„Wir waren ja im alten Unternehmen ca. 10.000 Beschäftigte und es war klar, dass diese 10.000 Beschäftigten niemals alle hier wieder Arbeit finden werden. Es gab ein Assessment Center für Leute, die zu den Autowerken gehen können. (…) Und wir waren unter den glücklichen, weni-gen 200, die mit dazu gekommen sind. (…) Viele haben gesagt, dass das ein Abenteuer sei und dass wir es bereuen werden. Die meinten, dass sie sicher wären. Letztendlich war es dann an-ders herum“ (Betriebsrat A, Autowerke).

Es spricht vieles dafür, dass die so ausgewählten Arbeiter besonders gut zu den ambitionierten Produktionskonzepten passten, die die Konzerne zu verwirklichen trachteten. Dies gilt zum einen sicherlich in Bezug auf die auch im Weiteren verfolgte Auswahl besonders junger und leistungsfähiger Belegschaften, die den Konzernen bald den Vorwurf der angestrebten

‚Olympia-Reife’ einbrachte. Zum anderen gelang es den Konzernen, wie die Zitate zeigen, hier aber auch, besonders motivierte Mitarbeiter zu gewinnen: Ein großer Teil der Erstbeleg-schaften zeichnete sich dadurch aus, dass für sie der Bruch mit der nicht zufrieden stellenden alten betrieblichen Realität ein wichtiger Motivationsgrund war. Die ausgewählten Arbeiter waren durch eine gewisse Unzufriedenheit mit ihrer (alten) Arbeitssituation geprägt. Entspre-chend motiviert griffen sie die neuen Mitwirkungsmöglichkeiten auf und wollten die ihnen versprochenen neuen Mitwirkungs- und Mitgestaltungsmöglichkeiten auch nutzen, um aus dem neuen Werk mehr zu machen. Die neuen Team- und Gruppenarbeitskonzepte

‚Olympia-Reife’ einbrachte. Zum anderen gelang es den Konzernen, wie die Zitate zeigen, hier aber auch, besonders motivierte Mitarbeiter zu gewinnen: Ein großer Teil der Erstbeleg-schaften zeichnete sich dadurch aus, dass für sie der Bruch mit der nicht zufrieden stellenden alten betrieblichen Realität ein wichtiger Motivationsgrund war. Die ausgewählten Arbeiter waren durch eine gewisse Unzufriedenheit mit ihrer (alten) Arbeitssituation geprägt. Entspre-chend motiviert griffen sie die neuen Mitwirkungsmöglichkeiten auf und wollten die ihnen versprochenen neuen Mitwirkungs- und Mitgestaltungsmöglichkeiten auch nutzen, um aus dem neuen Werk mehr zu machen. Die neuen Team- und Gruppenarbeitskonzepte