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Zitierungen bei Mehrautorenschaft

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WISSENSCHAFTEN Meeresbiologie und

5. Zitate und Zitatanalysen: Varianten und Formen

5.9 Zitierungen bei Mehrautorenschaft

Geht es in der Wissenschaft um die Evaluierung von Leistungen, taucht meist die Frage nach zitierten Autoren oder gar nach den meistzitierten Wissenschaftlern in einem Fachgebiet auf Auf diese Fragen geben die Publikationen von ISI, vorrangig die Ausgaben des Science

Watch eine Antwort. Jeder, der einen Zugriff auf die im WoS (Web of Science) umfassten Zitatdatenbanken hat, ist in der Lage die Zitierungen von Wissenschaftlern nachprüfen. Um zuverlässige Daten zu erhalten, muss bei der Recherche nicht nur die Reihenfolge der Autoren berücksichtigt, sondern auch geprüft werden, ob es sich um die Erstautorenschaft handelt. Um genauere Zitierangaben zu erhalten, sollten auch alle Referenzen des Autors recherchiert wer-den, in denen er nicht den Platz des Erstautors einnimmt. Beim Phänomen des "Erstautors"

gibt es zahlreiche weitere Aspekte in Bezug auf die Sichtbarkeit der restlichen Autoren zu be-achten; ihr Beitrag muss nicht unbedingt geringer sein als der des Erstautors. Bei Kozitation-sanalysen kann man das Problem der Dominanz von Erstautoren dadurch umgehen, in dem man in Kozitationsanalysen alle Autoren berücksichtigt (Persson, 2001).

Die Berücksichtigung der Zitierungen bei Mehrautorenschaft ist nach wie vor ungeklärt. Es gibt Vorschläge, die Anzahl von Zitierungen einfach durch die Anzahl von Autoren zu divi-dieren (Lindsey, 1978). Probleme entstehen allerdings bei Arbeiten mit mehr als 50 Autoren, die alle potenziell aus einer Einrichtung kommen können. In Fällen von mehreren For-schungsgruppen, die alle an einem gemeinsamen Problem arbeiten, kann die Methode von Herbertz und Müller-Hill (1995) herangezogen werden. Wenn zwei Gruppen zusammen-arbeiten, dann erhält die Gruppe, deren Autor an erster Stelle angeführt ist, zwei Drittel der Zitierungen, die zweite dann das restliche Drittel. Bei drei Forschungsgruppen erhält die Gruppe mit Erstautor 0,5, die anderen zwei Gruppen je 0,25 Punkte. Dieses Beispiel kommt aus der Molekularbiologie, wo eine derartige Autorenreihenfolge vereinbart ist.

Eine andere häufig zu findende Lösung ist die gleichwertige Verteilung jeder Zitierung auf die mitwirkenden Autoren, unabhängig von deren Anzahl oder Reihenfolge. Mit dieser Frage-stellung befasst sich auch Lange (2001), der feststellt, dass die Zitatmessung primär nicht der Erstellung einer Hitliste dient.

Persson et al. (2004) sprechen von der Beitragsevaluation eines einzelnen Landes, wenn in Fällen von multinationaler Koautorenschaft Produktivität und Einfluss bestimmt werden soll,

Bei der Interpretation der wissenschaftlichen Produktion und Einschätzung der Resonanz auf-grund von Zitierungen ist in Fällen von Mehrautorenschaft Vorsicht geboten.

Da die internationale und interinstitutionelle Zusammenarbeit heute besonders in den an-gewandten und den Naturwissenschaften eine Selbstverständlichkeit darstellt, besteht natür-lich ein großes Interesse an der Analyse des Einflusses der in wissenschaftnatür-licher Kooperation entstandenen Arbeiten. Narin und Whitlow (1990) bewiesen anhand einer Stichprobe von Ar-beiten aus EU Ländern, die in der SCI Datenbank von 1977 bis 1986 in 28 Kategorien gelistet waren, dass Arbeiten, die in wissenschaftlicher Zusammenarbeit entstanden sind, doppelt so oft zitiert werden als andere. Arbeiten, die sich durch die Zusammenarbeit zweier oder mehre-rer Institutionen eines Landes auszeichnen, waren 1,5-mal häufiger zitiert als Arbeiten, die aus einer Institution stammen. Die dabei festgestellte Zitationsrate war länderunabhängig. Die hohe Anzahl von Zitierungen verteilte sich gleichmäßig auf das Herkunftsland und die ande-ren beteiligten Ländern und galt für alle in Koautoande-renschaft veröffentlichte Arbeiten. Das sog.

"two-home country"-Phänomen konnte nicht festgestellt werden. Die Autoren konnten auch keine bedeutenden Abweichungen in der relativen Zitierung nach Fachgebieten bei Arbeiten feststellen, die in internationaler Zusammenarbeit entstanden sind. Ähnliche Ergebnisse er-hielten auch Katz und Hicks (1997) bei Zitatuntersuchungen britischer Arbeiten. Für die in multinationaler Zusammenarbeit entstandenen Artikel stellten sie eine sichtlich höhere Zitier-rate in allen wissenschaftlichen Disziplinen fest. Ähnliches bestätigte auch Moed (2000) in seiner Stichprobe. Arbeiten von vier oder mehreren Forschungsgruppen wurden 3-mal häufi-ger zitiert als Arbeiten, deren Autoren aus einer Forschungsgruppe stammen. Auch die Unter-suchungen von Van Raan bestätigten diese Feststellungen, während Herbertz und Müller-Hill (1995) die Ergebnisse nicht bestätigen konnten. Moed vertiefte die Analyse von Zitierungen bei multilateralen Arbeiten und Arbeiten mit Mehrautorenschaft und untersuchte, welche Tei-le der Arbeiten zitiert werden.

Eine Reihe von Begründungen für die höheren Zitierraten von Arbeiten, die in Koautoren-schaft entstanden sind, lieferten Katz und Martin (1997), Van Dalen und Henkens (2001) so-wie Goldfinch et al. (2003). Im weitesten Sinne sind Zitierungen von Artikeln die Folge wis-senschaftlicher Zusammenarbeit, wodurch Kommunikationsnetze entstehen. Der Wissen-schaftler als Individuum kann gute Kontakte zu 50 bis maximal 100 Kollegen weltweit unter-halten und dadurch sein eigenes Netz von Wissenschaftlern bilden, mit denen er kommuni-ziert und die einander aus verschiedenen Gründen zitieren.

Goldfich et al. (2003) betonen, es sei nicht notwendig, dass Zitierungen von Arbeiten mit Mehrautorenschaft automatisch eine höhere Qualität widerspiegeln. Im Gegensatz dazu be-einflusst die Zusammenarbeit die Forschungsqualität positiv. Goldfich et al. haben die Rolle der wissenschaftlichen Netze in der Zusammenarbeit am Beispiel von Arbeiten aus Neusee-land mit einem "peripheren" Status untersucht. NeuseeNeusee-land wurde als "peripher" eingestuft, da der Anteil von Zitierungen und veröffentlichten Arbeiten im betrachteten Zeitraum von 1981 bis 1994 nur 0,004% betrug. Allgemein resultierte die steigende Anzahl von Autoren, Ländern und Institutionen in Arbeiten mit Koautorenschaft in steigenden Zitierraten. Die An-zahl von Zitierungen ist höher bei Arbeiten, die einen höheren Grad an Zusammenarbeit im geographischen und institutionellen Sinne aufweisen. Die Autoren gehen davon aus, dass Wissenschaftler peripherer Gebiete ihre Forschungen an internationale Institutionen binden, um sichtbarer zu sein. Sie sind weiterhin der Meinung, dass der Typ der Zusammenarbeit die Zitierrate beeinflusst. Es bleibt ungeklärt, warum die in internationaler Zusammenarbeit ver-fassten Arbeiten eine höhere Qualität, die Arbeiten derselben Autoren, die in Zusammenarbeit auf Länderebene entstehen, aber niedrige Zitierraten zeigen. Eine Ausnahme stellten Arbeiten aus der Forstwissenschaft dar, die in internationaler Autorenschaft niedrigere Zitierraten er-reichten als Arbeiten, die in nationaler Zusammenarbeit entstanden sind. Die Autoren boten für diese Erscheinung keine Erklärung an.

Persson et al. (2004) berufen sich auf zahlreiche Autoren, die den Anstieg der Zahl der Arbei-ten mit Koautorenschaft und einer erhöhArbei-ten ZitierraArbei-ten in den letzArbei-ten zwei JahrzehnArbei-ten bestä-tigen. Interessanterweise steigt parallel zur Anzahl von Zitierungen pro Artikel auch der Im-pact Faktor der Zeitschriften. Während aber die Anzahl der Publikationen von 1980 bis 1998 um ein Drittel stieg, erhöhte sich die Zitierrate dieser Arbeiten nur um ein Viertel. Eine mög-liche Erklärung sind die immer umfangreicher werdenden Literaturlisten wissenschaftmög-licher Arbeiten. Zudem muss man davon ausgehen, dass jeder Koautor seine „eigenen Literaturquel-len" auf diese Liste setzt. Auch der zunehmend elektronische und damit leichtere Zugang zu relevanter Literatur kann ein Grund für die steigende Anzahl von Zitierungen sein.

Auch in diesem Zusammenhang gilt unsere bereits mehrfach variierte Warnung, dass reine

"Auszählungen" von Zitierungen in Rahmen von Evaluierungsprozessen wissenschaftlicher Autoren, Institutionen oder Länder unzureichend und nur mit Einschränkungen anwendbar sind. Eine bibliometrische Analyse auf der Grundlage von Zitierraten, Kozitationsclustern und

inhaltlichen Analysen von Zitierungen ergibt ein vollständigeres Bild und eine belastbarere Interpretation der Ergebnisse.

Leider gibt es nur wenige Studien, die darüber Auskunft geben, welche Gründe hochzitierte Autoren selbst für ihre überdurchschnittliche Wahrnehmung nennen. In Smalls Analyse (2004) wurden Autoren hochzitierter Arbeiten aus 22 Fachgebieten befragt (die 1% der meist-zitierten Autoren aus den Essential Science Indicators). Es handelte sich um insgesamt 237 Wissenschaftler, darunter 17% Frauen, die einen Fragebogen ausfüllten. 44% der befragten Wissenschaftler stammten nicht aus den USA. Als Grund für die hohe Zitierrate ihrer eigenen Arbeiten vermuten die Wissenschaftler folgendes:

- Interesse: Andere Kollegen interessieren sich für die Arbeit wegen der Problema-tik, mit der sie sich auseinandersetzt

- Innovation: Die Arbeit enthält Neues und leistet einen Beitrag zur Lösung bestehender Probleme

- Nutzen: Die Arbeit ist nützlich für die Forschung

- Bedeutung: Die Arbeit ist bedeutend oder der Beitrag ist fundamental für das un-tersuchte Problem

Dabei nannten 29% der Wissenschaftler das Interesse des wissenschaftlichen Publikums als Hauptgrund für Zitierungen, 25 % die Innovation in der Arbeit, 24% den Nutzen und 21% die Bedeutung. Forschungsdesiderate in diesem Zusammenhang sehen wir etwa bei der Frage ob es Unterschiede in den verschiedenen Disziplinen gibt und ob es einen Zusammenhang gibt zwischen den ermittelten Zitiergründen und der Gesamtanzahl erzielter Zitierungen.

In diesem Zusammenhang haben Baird und Oppenheim (1994) die Zitierungen von Garfield untersucht und festgestellt, dass er der meistzitierte Autor im Fachgebiet der Informationswis-senschaften ist, aber auch einen hohen Prozentsatz an Selbstzitierungen aufweist.

5.10 Zitatanalysen und andere Parameter für die Bewertung wissenschaftlicher

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