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Kategorisierung von Zitaten

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WISSENSCHAFTEN Meeresbiologie und

5. Zitate und Zitatanalysen: Varianten und Formen

5.6 Kategorisierung von Zitaten

Da die meisten Zitatanalysen in den 70er und 80er Jahren des 20. Jahrhunderts gemacht wor-den sind, stammen aus dieser Zeit auch die meistzitierten Arbeiten mit Untersuchungen und theoretischen Grundsätzen. Chubin und Moitra (1975) erstellten eine der ersten Klassifizie-rungen von Zitaten und teilten diese in affirmative und negative ein:

1. affirmative Zitate - bedeutende Zitate

Grundzitate

Hilfszitate – die sich nicht direkt auf die Problematik beziehen - ergänzende Zitate

– zusätzliche Zitate – oberflächliche Zitate 2. negative Zitate

- teilweise negative - völlig negative Zitate

In der untersuchten Stichprobe wurden 20% der Zitate als oberflächlich eingestuft. Moravesik und Murugensan (1978) erstellten eine eigene Kategorisierung von Typen und Inhalten von Zitaten. Die erste Gruppe bilden theoretische, konzeptuelle und ideelle Zitate, bzw. Arbeiten, die sich mit methodologischen Ergebnissen und Techniken befassen. Die zweite Gruppe setzt sich aus bedeutenden, essentiellen Zitaten zusammen und ihrem Gegensatz, so genannten tri-vialen Arbeiten. Die Autoren zeigten, dass 41% der Zitate, die in einer Stichprobe von 30 Ar-tikeln aus dem Bereich der Hochenergiephysik in der Zeitschrift Physical Review analysiert wurden, oberflächlichen Inhalts waren.

Peritz (1983) wiederum teilte Zitiermotivationen in sechs verschiedene Gruppen ein:

1) Feststellung der Problematik durch die Zitierung vorheriger Arbeiten 2) geschichtlicher Überblick und Entwicklung der Problematik

3) methodologische Arbeiten, die einzelne Aspekte der angewandten Methodologie zitieren

4) vergleichende Arbeiten

5) Zitierungen als Argument, hypothetische Gründe usw.

6) dokumentarisches Zitieren, Zitieren verwandter Arbeiten

7) zufällig zitierte Arbeiten, die nicht im direkten Zusammenhang zum Thema der Arbeit stehen

Um ein ganzheitliches Bild zu erhalten, wurden Untersuchungen darüber gemacht, welcher Typ von Arbeiten häufiger zitiert wird. Die Mehrheit dieser Untersuchungen wurde an relativ kleinen Stichproben ausgeführt, sei es aus einer Zeitschrift oder in einem engeren Fachgebiet.

Nur einige jüngere Forschungen sollen an dieser Stelle Erwähnung finden. Abt (2000) stellte in einer Stichprobe von 53 hochzitierten Arbeiten aus der Astrophysik und Astronomie fest, dass drei Arbeiten eine ausführliche Literaturübersicht boten, 46 Arbeiten Ergebnisse der Grundlagenforschung zitierten und 4 Arbeiten nützliche Übersichten und Zitate der Grund-lagenforschung umfassten. Wie groß die Unterschiede zwischen einzelnen Fachgebieten sind, belegen Ergebnisse, denen zufolge Übersichtsartikel aus dem Bereich der Medizin weitaus häufiger zitiert werden (Adam, 2002). Tijssen et al. (2002) untersuchten die meistzitierten Autoren der 90er Jahre in den Niederlanden. In 43% der Fälle gehörten Arbeiten, die sich mit der Einführung neuer Ideen, Theorien, Methoden und Modelle befassten zu den meist-zitierten. Weitere 25% der hochzitierten Arbeiten umfassten neue Beispiele von bestehenden Theorien, Konzepten, Modellen usw. Übersichtsartikel stellten 18% der meistzitierten Arbei-ten dar. In 4% dieser ArbeiArbei-ten erschienen neue experimentelle DaArbei-ten für den alltäglichen Gebrauch. Die Autoren sind der Meinung, dass rund zwei Drittel oder 68% der meistzitierten Arbeiten als Originalarbeiten bezeichnet werden können, die zu neuen Erkenntnissen, Ansät-zen und Anwendungen führen. Laut Small (2004) erhalten methodologische Arbeiten, Über-sichtsartikel, Arbeiten mit Kompilationen, Arbeiten die neue Erkenntnisse liefern, triviale, kontroverse Arbeiten oder sogar Arbeiten, die falsche Ergebnisse enthalten, eine große

An-zahl von Zitierungen. 1% der meistzitierten Arbeiten aus 22 Disziplinen waren Übersichts-artikel.

Gelegentlich wird die Meinung vertreten, dass Zitierungen zu Methodenarbeiten nicht in die gleiche Kategorie fallen, wie Zitierungen von wissenschaftlichen Originalarbeiten. Diese Un-terscheidung scheint uns schwer umsetzbar, da es nahezu unmöglich ist zu beurteilen, ob die die Entwicklung einer Disziplin stärker durch Methoden oder durch Ergebnisse getrieben wird. Laut Garfield (1998) sind von 100 der meistzitierten Arbeiten aus der Chemie 73%

nicht primär experimentell-methodischer Ausrichtung. Wenn von Methodenarbeiten die Rede ist, muss auch das Fachgebiet berücksichtigt werden. In der analytischen Chemie etwa ist die größte Anzahl der Arbeiten methodischer Art, die folglich zu den meistzitierten gehören. Die Aufteilung nach Typen zitierter Arbeiten ist daher nur schwer zu rechtfertigen. Es entsteht die generelle Frage, was es bedeutet, wenn eine Arbeit hochzitiert ist. Laut Garfield (1998) wird dann eine Arbeit von einer relativ großen Anzahl von Wissenschaftlern als nützlich ein-geschätzt. Als Beispiel führt er den Artikel von O.H. Lowry an, der eine einfache Methode für die Bestimmung von Proteinen publizierte. Diese Arbeit erzielte im Zeitraum von 1961 bis 1975 50.000 Zitate. Diese bemerkenswerte Zahl entstand dadurch, dass zahlreiche Wissen-schaftler die Methode von Lowry anwendeten. Ein Vergleich von Lowrys Arbeit mit der meistzitierten Arbeit von Albert Einstein (die deutlich weniger zitiert wurde), lässt keinesfalls den Schluss zu, dass Lowrys Arbeit bedeutender sei als die von Einstein. Die hohe Zitierrate weist lediglich darauf hin, dass viel mehr Menschen Lowrys Methode zur Bestimmung von Proteinen benutzt haben. Dieses Beispiel beweist, dass die Zitatanzahl als Evaluationsgrund-lage wissenschaftlicher Arbeiten nur das Maß der Nützlichkeit und des Einflusses einer wis-senschaftlichen Arbeit beschreibt. Schlüsse zur Qualität der Arbeit selbst können nur auf-grund inhaltlicher Analysen in Form der Einschätzungen durch kompetente Fachwissen-schaftler gezogen werden. Eine endgültige Typologie des Zitierverhaltens und der Zitierge-wohnheiten wird es wahrscheinlich nie geben können. So können in der Chemie etwa Autoren eine Arbeit nur deshalb zitieren, weil darin Angaben zum Schmelzpunkt einer chemischen Verbindung angeführt sind. Es ist schwer abzuschätzen, ob diese Angabe je bei einem Wis-senschaftler Interesse hervorrufen wird und sie deshalb zitiert wird. Die gleiche Arbeit kann aber auch zitiert werden weil der zitierende Autor bei seinen Experimenten ein anderes Resul-tat erhielt. Ein Beispiel für die Veränderung von Verhaltensmustern beim Zitieren ist der Rückgang umfassender geschichtlicher Überblicke zu Gunsten von Beiträgen mit der Berück-sichtigung jüngerer Literatur (Garfield, 1998). Artikel vom Typ «letters» werden deshalb weitaus häufiger zitiert weil sie sich zu neuesten Entwicklungen äußern. Wenn es sich um

bedeutende Entdeckungen oder um deren Ankündigung handelt, ist es für das Image einer Zeitschrift wichtig, diese Resultate als erste zu veröffentlichen (Bonitz, 2002).

Wie bereits erläutert, lassen sich zitierte Arbeiten aufgrund inhaltlicher Analysen in affir-mative und negative Zitate einteilen. Auch negative Zitate und deren Messungen haben ihren Platz in der Bibliometrie, obwohl sich bisher niemand mit ihnen systematisch befasst hat. Da-bei sind kritische Äußerungen als Negativzitate in der Wissenschaft mit Positivkommentaren gleichwertig. Allerdings ist es bei negativen Zitaten besonders wichtig zu unterscheiden, ob es sich nur um die Formulierung einer anderen Einschätzung oder der Kommunikation anderer (Mess)Ergebnissen handelt, oder aber, ob auf unehrenhaftes wissenschaftliches Verhalten hingewiesen werden soll, etwa bei der Verfälschung von Ergebnissen und Angaben. Die Mo-tivation von Zitierungen kann dabei durchaus einer Entwicklung unterworfen sein und vom Negativen ins Affirmative übergehen.

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