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Internationalität von Zeitschriften

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WISSENSCHAFTEN Meeresbiologie und

3.14 Internationalität von Zeitschriften

Der internationale Charakter einer Zeitschrift wird besonders von Wissenschaftlern und Bib-liothekaren aus deren Präsenz in den Datenbanken von ISI abgeleitet. Dieses Kriterium je-doch ist fragwürdig. Wenn nationale, nicht-englischsprachige im ISI gelistete Zeitschriften analysiert werden, müssen diese nicht unbedingt international sein. Sie sind dann in einer Na-tionalsprache veröffentlicht, ihre Zitierresonanz ist gering und beruht gewöhnlich auf Selbst-zitaten (Zeitschriftenselbstzitate, Autoren- und Länderselbstzitate). Meist stammen die Auto-ren der Zeitschrift aus dem gleichen Sprachgebiet oder Land wir der Verleger.

I. Wormell (1998) untersuchte, inwieweit englischsprachige Zeitschriften der Informations-wissenschaften tatsächlich international sind. Sie erstellte Korrelationen zwischen der geo-graphischen Verteilung der Autoren, Zitierungen und Abonnements. Für einige Zeitschriften konnte sie zeigen, dass sie sich ausschließlich an amerikanische Autoren wenden und diese auch ausschließlich zitieren. Einige Zeitschriften erwiesen sich als nahezu "geschlossen" mit 97% bis 100% US Autoren, während sich andere, wie z. B. das JASIS, allmählich auch euro-päischen Autoren öffnen. Sie wies einen Anstieg europäischer Autoren von 9% von 1987-1988 bis 1992-1993 nach. Hjortgaard und Ingwersen (1996) sind der Meinung, Grund-indikatoren für den internationalen Charakter einer Zeitschrift seien deren internationale

Autorenschaft und die geographische Verschiedenheit der Zitate. Für die Einschätzung des internationalen Charakters einer Zeitschrift ist ein bestimmtes Maß an Überlappung zwischen diesen zwei Indikatoren Voraussetzung. Laut Rey-Rocha und Martin-Sempere (2003) ist das bedeutendste Maß der Internationalität einer Zeitschrift das Vorhandensein von Arbeiten aus-ländischer Autoren. Kulturelle, geographische, geopolitische, wirtschaftliche und linguisti-sche Beziehungen zwilinguisti-schen Ländern sind wichtige Faktoren, die ausländilinguisti-sche Autoren anzie-hen. Natürlich kann auch die Berücksichtigung einer Zeitschrift in den Datenbanken von ISI als Indikator des internationalen Charakters einer Zeitschrift betrachtet werden. Nationale Zeitschriften, an denen ausländische Autoren kein Interesse zeigen, befassen sich gewöhnlich mit lokalen Themen, die für ein nationales Auditorium gedacht sind. Gewöhnlich werden die-se für „Provinz-Zeitschriften" gehalten. Die Autoren führen als Beispiel Zeitschriften der Geowissenschaften an.

Als Maß der Internationalität erachtet man auch ausländische Koautoren, die Zusammen-setzung des Herausgebergremiums, den Verlegerstatus (kommerziell, wissenschaftlich, fach-lich), die Sprache des Artikels, die Zugriffsmöglichkeiten (elektronische Form, Sichtbarkeit) und die Anzahl potenzieller Nutzer.

Natürlich spielen Herausgeber und Redaktion eine entscheidende Rolle für diese Faktoren.

Heute ist es kaum vorstellbar, dass sich eine Einrichtung auf das Herausgeben einer Zeit-schrift einlassen würde ohne bestimmten Herausgeberstandards zu genügen. Diese Bemer-kung gilt vorrangig für professionelle, kommerzielle Verlage. Für nichtkommerzielle Verle-ger etwa Fachverbände kleinerer Länder des nicht-englischen Sprachraums, die auf Volontär-basis verlegen, ist die Einhaltung der erwähnten Standards immer noch eine Herausforderung.

Hauptsächlich handelt es sich dabei um nationale oder regionale Zeitschriften, seltener um Zeitschriften mit internationalem Charakter. Line (1996) weist auf große Unterschiede in den Herausgeberstandards und der Zugänglichkeit von Zeitschriften bei westlichen Ländern und Entwicklungsländern bzw. Ländern des nicht englischen Sprachraums hin. Arunachalam und Markanday (1981) teilen die weltweite wissenschaftliche Produktion in die Kategorien fort-schrittlich, mittel und peripher ein. Die wissenschaftlichen Zeitschriften klassifizierten sie als international oder national, wobei die nationalen regionale und lokale Zeitschriften umfassen.

Die große Masse der Zeitschriften entfallen auf die mittlere Gruppe; zu ihnen gehören lokale Zeitschriften mit speziellen Eigenschaften.

Daraus wird klar, dass bibliometrische Untersuchungen zu formalen Eigenschaften von Zeit-schriften meist kleinere Länder, Entwicklungsländer und Ländern des nichtenglischen Sprach-raums betreffen. Dabei geht es um das Problem der Auswertung nationaler Zeitschriften, ihrer Bedeutung und ihrer Sichtbarkeit, sowie den Einfluss auf Entwicklungen in der Wissenschaft.

Hierbei ist es entscheidend, ob es sich um Zeitschriften aus dem Bereich der Natur- oder an-gewandten Wissenschaften oder den Sozial- und Geisteswissenschaften handelt. Van Leeu-wen et al. (1999) betonen die Bedeutung nationaler Zeitschriften in nationalen Sprachen etwa für die Rechtswissenschaften oder die Linguistik (insbesondere für die Erforschung kleinerer Sprachen und ihrer Literatur). Es ist kaum zu erwarten, dass etwa eine Zeitschrift, die sich mit dem Dialekt einer kleineren Sprache befasst, in den Zitatdatenbanken von ISI vertreten ist oder zitiert wird. Die gleiche Bemerkung gilt für Zeitschriften, die sich mit geschichtlichen Themen kleiner Regionen auseinandersetzen und nicht für die breite Fachgemeinschaft inte-ressant sind. In den Naturwissenschaften sind solche Phänomene weit weniger bekannt. Die Naturwissenschaften weisen keinen "nationalen" Charakter auf und der "wahre Wert" ihrer Ergebnisse kommt erst auf der internationalen Ebene zum Ausdruck.

Bei der Auswertung einer Zeitschrift muss berücksichtigt werden, mit welcher Problematik sie sich befasst, was für ein Ziel sie hat und an wen sie gerichtet ist. Als Beispiel lassen sich nationale Zeitschriften aus der klinischen Medizin anführen. Eine Zeitschrift kann ausschließ-lich englischsprachige Artikel veröffentausschließ-lichen oder Artikel in der Nationalsprache, allerdings mit Zusammenfassung und Schlüsselwörtern in Englisch. Wenn man als Schlüsselindikator nur die Präsenz in den Datenbanken von ISI benutzt, kann es vorkommen, dass eine englisch-sprachige Zeitschrift als qualitativ hochwertiger betrachtet wird als eine ähnliche, aber in ei-ner Nationalsprache veröffentlichte Zeitschrift. In solchen Fällen wird die Rolle eiei-ner Zeit-schrift und ihre Leserschaft nicht berücksichtigt. ZeitZeit-schriften der klinischen Medizin haben eine informative und edukative Funktion und wenden sich an Ärzte. Die Veröffentlichung in einer Nationalsprache ermöglicht eine bessere Rezeption und führt zur Weiterentwicklung der Fachterminologie. Beruht die Zeitschriftenevaluation ausschließlich auf der Präsenz in den Datenbanken von ISI, darf nicht vergessen werden, dass nicht alle ausgewerteten Zeitschriften wissenschaftlich sind. Bei einem großen Zeitschriftenanteil etwa aus der Medizin und den an-gewandten Wissenschaften handelt es sich eigentlich um Fachzeitschriften. Wenn Auswer-tungen also nicht auf mehreren Parametern beruhen, werden neben dem Inhalt auch der ei-gentliche Beitrag und Einfluss auf die Entwicklung einer Disziplin vernachlässigt. Sanz et al.

(1995) untersuchten Arbeiten in nationalen (spanischen) und internationalen Zeitschriften.

Dabei zeigten sie ein deutliches Missverhältnis zwischen Bedeutung und Präsenz der

Zeitschriften im SC/. Die gleiche Forschergruppe veröffentlicht in nationalen Zeitschriften Ergebnisse der angewandten Forschung, während sie die Beiträge zur Grundlagenforschung in internationalen Zeitschriften platziert. Die Autoren vermuten, dass Wissenschaftler, die in nationalen Zeitschriften veröffentlichen, langfristig enttäuscht und frustriert werden, da ihre Arbeiten schlechter bewertet werden. Man muss also davon ausgehen, dass anwendungsrele-vante Ergebnisse, die für die Industrie und Entwicklung eines Landes überaus wichtig sein können zunehmend aus den Publikationen verschwinden.

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