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2 LITERATURÜBERSICHT

2.3 E RKRANKUNGEN DER KNÖCHERNEN A NTEILE DER H ALSWIRBELSÄULE

2.3.1 Zervikale Spondylarthrose

Nahezu fünfzig Prozent der erwachsenen Pferde- vor allem männliche Warmblutpferde - zeigen uni- oder bilaterale Veränderungen an den Facettengelenken des caudalen Abschnitts der Halswirbelsäule (GERBER et al.

1989, DYSON 2003). Diese Veränderungen können sich beispielsweise als Exostosen an den Gelenkfortsätzen oder über den Gelenkspalt ragende Knorpelwucherungen darstellen. In einigen Fällen verlegen solche Gebilde auch das Lumen des Foramen intervertebrale oder führen zu einer lokalen Verengung des Wirbelkanals. Klinisch äußern sich arthrotische Veränderungen als spinale Ataxie oder als mechanische Behinderung im Halsbereich (GERBER et al. 1989).

Gravierende Veränderungen führen oft zu chronischen Schmerzen. Die Pferde sind steif, stolpern und zeigen in einigen Fällen auch Lahmheiten der Vordergliedmaßen (MARKUS et al. 2004). Degenerative Gelenksveränderungen betreffen in der Regel alle gelenkbildenden Anteile gleichermaßen. Anfangs treten am Gelenkknorpel degenerative Erscheinungen auf, die zum Zerfall und Abrieb der schützenden Knorpelschicht führen und durch die der subchondrale Knochen freigelegt wird

(REINACHER 1999). Degenerative Veränderungen des Knorpels können ohne Randexostosen auftreten, wohingegen Randexostosen meistens nicht ohne vorhergehende Knorpeldestruktion entstehen (HAVE u. EULDERINK 1980, PALMER et al. 1996).

BOLLWEIN und HÄNICHEN (1989) untersuchten 103 Halswirbelsäulenpräparate auf das Vorkommen von pathologisch- anatomischen Veränderungen.

Zusammenfassend beschrieben sie die beobachteten Veränderungen als entweder regressiver oder progressiver Art, die größtenteils auch auf den Röntgenaufnahmen erkennbar sind.

Zu den regressiven Veränderungen gehört die Usuren bedingte Streifung der Knorpelschicht. Hiervon waren die caudalen Gelenkfortsätze um 60 % häufiger betroffen als die cranialen. Zudem trat diese Veränderung vermehrt im caudalen Halswirbelsäulenabschnitt (ab C6) auf. Aufgeraute Knorpelflächen traten mit höherem Alter deutlich häufiger auf und die Gelenkfortsätze beider Seiten waren ähnlich häufig betroffen. Flächenhafter Schwund des Knorpels trat mit zunehmendem Alter häufiger auf und die caudalen Processus articulares waren doppelt so oft betroffen wie die cranialen Processus articulares. Eine vollständige Knorpelatrophie konnte vor allem an den Gelenkfortsätzen des vierten Halswirbels beobachtet werden. Auch die Abflachung der Gelenkflächen sowie die Knorpelgeröllzysten zählen zu den regressiven Veränderungen und kommen vor.

Progressive Veränderungen stellen Randexostosen (Pommersche Randwülste) dar. Diese vergrößern durch reaktive Knochenwucherungen (Osteophyten oder Exostosen) die Gelenkfläche. Sie treten als wulstförmige (dann bis bleistiftstark) oder perlschnurartig angeordnete Knochenzubildungen am Rande der Gelenkflächen auf, bestehen aus spongiösem Knochen, verschmelzen mit der Epiphysenspongiosa und sind mit Knorpelgewebe überzogen (POMMER 1927). Des weiteren fanden BOLLWEIN und HÄNICHEN (1989) auch im Bereich des Gelenkkapselansatzes verschiedene Formen der Exostosen. Diese waren entweder wallartig oder knotenförmig. BOLLWEIN und HÄNICHEN (1989) stellten eine deutlich positive Korrelation zwischen dem Auftreten und dem Schweregrad der Exostosen und dem Alter der Pferde, sowie eine Zunahme der Häufigkeit von cranial nach caudal fest.

Am häufigsten waren der sechste Halswirbel und die cranialen Gelenkfortsätze betroffen. Die Exostosen im Bereich der Gelenkkapsel entstehen durch Zugkräfte im Bereich der Gelenkkapsel. Die Funktion der Gelenke (Schiebegelenke) begünstigt das Vorkommen dieser Veränderungen, insbesondere caudolateral an den cranialen Processus und craniolateral an den caudalen Processus. Das lässt auf besondere Zugbelastungen in diesen Bereichen schließen. Ein Sklerosierungssaum entsteht an den von Knorpel freigelegten Gelenkflächen, deren Substanz durch Knochenapposition verdichtet wird (BOLLWEIN u. HÄNICHEN 1989).

Weitere Befunde stellen stark verdickte Gelenkkapseln, eine Vermehrung der Synovia, deutliche Deformationen der Wirbelkörper sowie knöcherne Wulstbildung im Bereich des Gelenkkapselansatzes dar (MECHLENBURG 1967). ROONEY (1963) fand bei allen Pferden Veränderungen an den Gelenkfortsätzen, wobei zu 40 % mehrere Gelenke und zu 60% die zwischen dem dritten und viertem Halswirbel am häufigsten betroffen waren.

In der neueren Literatur erfolgt eine Zusammenfassung der Veränderungen unter dem Begriff Cervical Vertebral (Stenotic) Myelopathy (CVSM oder CVM) oder Zervikalstenotische Myelopathie. Dieses Krankheitsbild ist weiter in die zervikale dynamische Stenose bzw. Instabilität (CDS oder CVI) oder Typ 1 (NIXON 1989, BERTONE 2000) sowie die zervikale statische Stenose (CSS) oder Typ 2 (BERTONE 2000) unterteilt. Klinisch führen beide Erscheinungsformen im schlimmsten Falle zur Ataxie. Die CVI ist vor allem bei jungen Pferden zu finden.

Nach POWERS et al. (1986) sowie DIMOCK u. ERRINGTON 1939) sind Pferde zwischen zwei bzw. sechs Monaten und zwei Jahren betroffen (WAGNER et al.

1987, RUSH 2006) Meist sind die betroffenen Pferde schnell- und großwüchsig (REED 2005).

NOWAK und TIETJE (1999) sowie WAGNER et al. (1987) sahen ein multifaktorielles Krankheitsgeschehen als Ursache. Es geht mit multiplen Veränderungen der Halswirbel sowie Malformation und Malartikulation einher. Prädilektionsstellen dafür sind der dritte bis fünfte Halswirbel. Die CSS wurde überwiegend zwischen dem fünften Hals- bis ersten Brustwirbel bei älteren Pferden (zwischen fünf und zehn Jahren, REED u. MOORE 1993, WAGNER et al. 1987, GERBER et al. 1989,

NOWAK u. HUSKAMP 1989, DIK u. GUNSSER 1990, NOUT u. REED 2003, FÜRST 2006, HETT et al. 2006) und insbesondere an den Facettengelenken gefunden (FÜRST 2006). Diese Gelenke sind die weniger beweglichen und unterliegen daher im stärkerem Maße mechanisch- traumatischen Einwirkungen (GERBER et al. 1989). Heutzutage wird dagegen zunehmend beschrieben, dass junge und ältere Pferde in gleichem Maße betroffen sind (FÜRST 2006). Die statische Kompression kann durch die Füllung von Gelenkkapseln, Winkelabweichung zwischen zwei Wirbeln, Vorwölben der caudalen Epiphyse des Wirbelkörpers in den Rückenmarkskanal oder degenerativer Osteoarthritis mit Osteophytenbildung entstehen. Eine Kompression des Rückenmarks liegt aufgrund dieser Veränderungen schon häufig in neutraler Halshaltung vor (WAGNER et al.

1987, GERBER et al. 1989, GEYER 2001, VAN BIERVLIET et al. 2006). Die spondylarthrotischen Veränderungen sollen mehrheitlich schon einsetzen, bevor die Pferde ausgebildet werden (GERBER et al. 1989). Deshalb ist eine erbliche Komponente nicht auszuschließen (NIXON 1989, STEWART et al. 1991). Auch andere Autoren (HETT et al. 2006) fanden, dass der größere Teil der erkrankten Pferde jünger als acht Jahre war.

Männliche Pferde seien deshalb überwiegend betroffen, nach RUSH (2006) im Verhältnis von 3:1, da bei Ihnen das schnelle Wachstum durch üppige Fütterung und Imbalanzen in der Spurenelementversorgung (Kohlenhydratüberschuss, Zinküberschuss, Kupfermangel) sowie eventuell hormonelle Einflüsse gefördert wird (WAGNER et al. 1987, NIXON 1989, VAN BIERVLIET et al. 2006).