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2 LITERATURÜBERSICHT

2.2 B IOMECHANIK DER H ALSWIRBELSÄULE

2.2.1 Bewegungsmöglichkeiten der Halswirbelsäule des Pferdes

Im Gegensatz zum Menschen, bei dem die Wirbelsäule vertikal ausgerichtet ist, liegt beim Pferd nur die Halswirbelsäule in semi- vertikaler Ebene und die einzelnen Wirbel erfahren Druck vom jeweils darüber liegenden. Die restlichen Wirbelsäulenabschnitte befinden sich in einer dorso- ventralen Ebene und sind durch die Schwerkraft eher dorso- ventralen Kräften ausgesetzt (EVRARD 2004).

Die Halswirbelsäule dient dem Pferd während der Fortbewegung als Balancierstange. Dieses wird vor allem im Schritt und im Galopp deutlich. Das Pferd führt Auf- und Abwärtsbewegungen oder „Nickbewegungen“, seitliches Pendeln oder das Vor- und Zurücknehmen der Stirnlinie durch (MEYER 1996). Durch die Bewegungen von Kopf und Halswirbelsäule verschiebt sich der Körperschwerpunkt und das Gleichgewicht verlagert sich. Das Nackenband verbindet diese Anteile mit dem Obergurt und trägt somit ihr Gewicht (NICKEL et al. 2003a). KRÜGER (1939) beschrieb vier Bewegungsformen der Wirbelsäule. Er nannte die Dorsoflexion, die Ventroflexion, die Lateroflexion und die Torsion. FABER et al. (2000) konnten die Beweglichkeit der einzelnen Wirbel in diesen Ebenen bestätigen. EVRARD (2004) beschrieb zusätzlich noch die laterale oder dorso- ventrale Translation. Nach SLIJPER (1946) besitzen Pferde, im Gegensatz zu den Fleischfressern, eine geringere Wendigkeit und Geschmeidigkeit sowie Biegsamkeit der Wirbelsäule.

KRÜGER (1939) stellte fest, dass im Schritt die größte Lateroflexion und im Trab die größte Dorso- und Ventroflexion der Wirbelsäule stattfindet.

Die einzelnen Wirbelsäulenabschnitte können die Bewegungsmöglichkeiten unterschiedlich gut ausführen. Welche Bewegungsrichtung am besten ausgeführt wird, wird durch die Art und Weise bestimmt, in der die Gelenkfortsätze in den Facettengelenken aufeinanderstoßen (KRÜGER 1939).

Aufgrund der Zugehörigkeit zum radialen Typ sind die Halswirbelsäule, die caudalen Abschnitte der Brust- sowie die Lendenwirbelsäule vor allem zur Dorso- und Ventroflexion in der Lage (KRÜGER 1939). Die Halswirbelsäule stellt den mobilsten Teil der gesamten Wirbelsäule dar. Auch die Mobilität der intervertebralen Gelenke des Halses ist deutlich größer als die der thorakolumbalen Wirbelsäule (STODULKA 2006). Die ebene Oberfläche der dorsalen Gelenkflächen, das Fehlen der Ligamenta interspinale und supraspinale, welche durch das weit dehnbare Ligamentum nuchae ersetzt werden, das Fehlen des Ligamentum longitudinale ventrale (seine Funktion wird von M. longus colli übernommen), die rudimentären Processus spinosi sowie die Dicke der Bandscheiben sind für die Beweglichkeit der Halswirbelsäule verantwortlich (EVRARD 2004).

Auch DENOIX und PAILLOUX (2000) bestätigten, dass die Bewegungsamplituden der Facettengelenke im Bereich der Halswirbelsäule deutlich höher sind als die der Brust- und Lendenwirbelsäule und machten zusätzlich zu den von EVRARD (2004) aufgeführten Gründen den halbkugeligen Bau der ineinander greifenden Wirbelkörper dafür verantwortlich.

Die Beweglichkeit während der Dorso- und Ventroflexion ist zwischen dem letzten Hals- und ersten Brustwirbel am größten. Rotations- und Seitwärtsbewegungen sind hauptsächlich im Atlantoaxialgelenk und in den mit tangentialen Gelenkfortsätzen ausgestatteten Abschnitt der Brustwirbelsäule möglich (SIMON 1926, KRÜGER 1939, EVRARD 2004). Die gesteigerte Mobilität des oberen und unteren Abschnitts der Halswirbelsäule im Vergleich zum mittleren liegt an der Position des Scheitelpunkts der Krümmung der Halswirbelsäule zwischen dem dritten und vierten Halswirbel, der der Mitte des Halses seine Stabilität und dem oberen und unteren Teil mehr Beweglichkeit verleiht.

Macht das Pferd- bei physiologischer Halshaltung- eine laterale Flexion, führen der zweite bis siebte Halswirbel eine der Lateroflexion entgegen gesetzte Rotation aus.

Die Gelenke der konkaven Seite gleiten nach caudal, die der konvexen Seite nach cranial (EVRARD 2004). Bei der Flexion divergieren die Facettengelenke. Eine ausschließliche Rotation der Halswirbelsäule ist unterhalb des zweiten Wirbels unmöglich. Bei einer Rotation kommt es immer auch zu einer Lateroflexion, welche auf die Schrägstellung der Gelenke zurückzuführen ist (EVRARD 2004). CLAYTON und TOWNSEND (1989a) beobachteten, dass mit zunehmendem Alter die Beweglichkeit der Halswirbelsäule grundsätzlich abnimmt. Beim erwachsenen Pferd sind nur die Rotation und das seitliche Abbiegen im Atlantooccipitalgelenk sowie das seitliche Beugen im C7-T1- Gelenk etwas besser möglich als bei Fohlen. Abgesehen von diesen Ausnahmen zeigte die Studie, dass bei Fohlen die axiale Rotation um 17,3 % weiter möglich ist, die dorsoventrale Flexion und Extension um 22 % sowie das seitliche Abbiegen um 18,7 % stärker möglich ist als bei erwachsenen Pferden.

Im allgemeinen wird die Bewegung der Gelenke durch die sie umgebenden Strukturen begrenzt. Des weiteren stellten CLAYTON und TOWNSEND (1989a) fest, dass die axiale Rotation am besten im Gelenk C1/C2 und etwas weniger gut im

Atlantooccipitalgelenk möglich ist. Seitliches Abbiegen war am besten möglich im Atlantooccipitalgelenk, wohingegen im C1/C2- Gelenk diese Bewegung am wenigsten von allen möglich ist. Hier konnten keine signifikanten Unterschiede zwischen adulten Pferden und Fohlen festgestellt werden. Dorsoventrales Beugen und Strecken ist am besten im cranialen Abschnitt der Halswirbelsäule möglich. Hier zeigen sich auch deutliche Unterschiede in der Mobilität zwischen Fohlen und erwachsenen Pferden. Aufgrund des Fehlens einer Querverbindung zwischen dem Dens des Axis und dem ventralen Bogen des Atlas zum einen und der großen Bewegungsfähigkeit in diesem Gelenk bei Fohlen, besteht bei den jungen Pferden die Gefahr, dass der Dens des Axis während maximaler Beugung in den Rückenmarkskanal vorstößt (CLAYTON u. TOWNSEND 1989a)

Mit zunehmendem Alter nimmt die Bewegungsmöglichkeit der Facettengelenke in alle Richtungen im weiteren Verlauf der Halswirbelsäule ab. Im caudalen Teil der Halswirbelsäule nimmt mit zunehmendem Alter die Fähigkeit zur axialen Rotation ab.

Jedoch bleiben dorsoventrale oder laterale Bewegungen nahezu unverändert möglich, was wahrscheinlich mit der ständigen Bewegung der Halswirbelsäule während der Futteraufnahme und der täglichen Arbeit zusammen hängt (CLAYTON u. TOWNSEND 1989a).

In einer weiteren Studie untersuchten CLAYTON und TOWNSEND (1989b) die Halswirbelsäulen von 14 toten Pferden und beschrieben acht bewegliche intervertebrale Abschnitte. Das erste Segment repräsentiert das Atlantookzipitalgelenk, die anschließenden Wirbel liefern die folgenden Abschnitte.

Aus dieser Studie geht weiterhin hervor, dass Druck- und Drehkräfte, welche auf das Hinterhauptsbein wirken, auf alle gelenkigen Komplexe verteilt werden. CLAYTON und TOWNSEND (1989b) fanden heraus, dass 73 % der Rotationsbewegung im Atlantoaxialgelenk stattfinden. Zusätzlich ist in diesem Gelenk auch eine geringe dorsoventrale Bewegung möglich. Der Druck des Dens gegen den ventralen Bogen des Atlas verhindert jedoch eine deutliche Extension. Die Flexion wird durch die Bänder, hauptsächlich das Lig. longitudinale, welches von der dorsalen Oberfläche des Zahns des Axis zum Ventralbogen des Atlas zieht, limitiert. Die folgenden

Gelenke weisen Ähnlichkeiten in der Bauweise und somit auch in ihren Bewegungsmöglichkeiten auf.

Neben dem Atlantookzipitalgelenk sind besonders die Gelenkzwischenräume zwischen C5 und T1 für das Beugen und Strecken verantwortlich. Bei der Flexion schiebt sich zunächst das kaudale Ende eines Wirbels in Richtung des cranialen Endes des folgenden. Dadurch tritt der Wirbelkörper des hinteren Wirbels in den Wirbelkanal vor, dessen vertikaler Durchmesser dadurch kleiner wird. Bei den Facettengelenken verringert sich die Überlappung der Gelenkflächen (DENOIX u.

PAILLOUX 2000). Die caudalen Gelenkfacetten des oberen Wirbels divergieren auf den cranialen Facetten des darunterliegenden Wirbels und zwar schräg nach cranial und dorsal (EVRARD 2004). Die Gelenkkapsel wird unter Spannung gesetzt und das Nackenband gedehnt (DENOIX u. PAILLOUX 2000). Die Foramina intervertebralia werden beim Beugen größer. Das Absenken des Halses bewirkt auch die Beugung der Brustwirbelsäule. Durch Zug des Funiculus nuchae und der Lamina nuchae an den Dornfortsätzen der ersten Brustwirbel werden die Dornfortsätze und Wirbelbögen auseinander gezogen.

Bei der Extension gleitet die kraniale Endfläche eines Wirbels ventral in die davor liegende kaudale Endfläche des kranial angrenzenden Wirbels. Der Wirbelkanaldurchmesser wird größer. Das Lumen der Foramina intervertebralia wird während der Extension schmaler. Dadurch verengt sich der Durchgang für die Halsnerven. Die Processus articulares der Facettengelenke greifen während des Streckens stärker ineinander, da die caudalen Gelenkfacetten des vorderen Wirbels auf den cranialen Facetten des hinteren Wirbels schräg nach caudoventral konvergieren (EVRARD 2004). Bei der Extension ist das Nackenband entspannt (DENOIX u. PAILLOUX 2000).