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3 Pflegebedürftige in Privathaushalten

3.3 Pflege und Versorgung in Privathaushalten .1 Pflegearrangements

3.3.4 Zeitaufwand und empfundene Belastung

Im Durchschnitt wenden die privaten Hauptpflegepersonen für die Betreuung der Pflegebedürftigen 30,1 Stunden auf (Abbildung 3.13). Dabei steigt der durchschnittliche Zeitaufwand mit der Pflege-stufe. Doch auch innerhalb der einzelnen Pflegestufen weisen die Selbsteinschätzungen der Zeiten eine hohe Spannbreite auf. Wie stark die Hautpflegeperson bei der Betreuung gefordert ist, hängt nicht zuletzt davon ab, wie viele private Personen insgesamt an der Pflege beteiligt sind und in wel-chem Maße eine Unterstützung durch professionelle Pflegekräfte genutzt wird.

Vergleicht man den Zeitaufwand der Hauptpflegepersonen im Zeitablauf, so fällt auf, dass der Auf-wand in allen Pflegestufen weiter gesunken ist. Es liegt nahe, dies vor allem auch auf den gewählten Hilfemix von Geld-, Sach- und von sonstigen Betreuungsleistungen zurückzuführen. Auch dies

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Sozialforschung

terstreicht Wirksamkeit der Leistungen der Pflegeversicherung. So werden insbesondere in Pflege-stufe III verstärkt Sach- oder Kombileistungen in Anspruch genommen, die Hauptpflegepersonen sind häufiger als noch 1998 und 2010 erwerbstätig und sie wohnen seltener im selben Haushalt.

Dennoch ist unverkennbar, dass insbesondere in Haushalten mit Pflegebedürftigen der Pflegestufe II und III bei den Hauptpflegepersonen eine große Belastung festzustellen ist. Die zeitliche Belastung mit 38,7 Stunden (Stufe II) und 46,8 Stunden (Stufe III) ist hier nach wie vor sehr hoch.

Abbildung 3.13: Zeitaufwand der Hauptpflegeperson für die Pflege 1998, 2010 und 2016 (Stunden pro Woche)

Basis: Repräsentativerhebung, Hauptpflegepersonen von Pflegebedürftigen in Privathaushalten

Studie zur Wirkung des PNG und PSG I − TNS Infratest Sozialforschung 2016

Unabhängig von der Pflegestufe werden in Pflegearrangements, bei denen es nur eine private Pfle-geperson gibt, durchschnittlich 34 Stunden pro Woche für die Pflege und Betreuung aufgewendet. In Arrangements mit mehr privaten Pflegepersonen sinkt die aufgewendete Wochenzeit der Hauptpfle-geperson auf durchschnittlich 28 Stunden.

Ein Teil der Pflegetätigkeiten fällt jeweils routinemäßig zu bestimmten Tageszeiten an und lässt sich relativ gut in den Tagesablauf integrieren und planen. Häufig sind darüber hinaus jedoch eine fort-laufende Unterstützung in Alltagsdingen und eine emotionale Begleitung notwendig. Dies gilt ganz besonders bei schwerstpflegebedürftigen Personen und bei Personen, deren Pflegebedürftigkeit mit einer demenziellen Erkrankung oder einer sonstigen schweren psychischen Beeinträchtigung verbun-den ist. Hier ist oft eine permanente Einsatzbereitschaft gefordert. Auch wenn Hauptpflegepersonen nicht ständig mit der Pflege und Betreuung beschäftigt sind, so müssen sie doch oft rund um die Uhr für die pflegebedürftige Person verfügbar sein. Entsprechend ist die Pflege für die Mehrheit der Hauptpflegepersonen mit einer eher starken oder sogar sehr starken Belastung verbunden. Nur sehr wenige Hauptpflegepersonen sind durch die Pflege gar nicht belastet. Auffällig ist, dass der Anteil derjenigen, die die Pflege als sehr stark belastend erleben, seit 1998 um 14 Prozentpunkte zurück-gegangen ist (Abbildung 3.14). Jedoch kann daraus nicht gefolgert werden, dass Pflege nicht mehr belastet; vielmehr ist nur die extreme Ausprägung zurückläufig. Der Anteil derjenigen, die die Pflege als eher stark belastend erleben, ist hingegen angestiegen. Diese Verschiebung kann einerseits durch

Insgesamt Pflegestufe 0 Pflegestufe I Pflegestufe II Pflegestufe III

1998 2010 2016

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den höheren Anteil von Pflegebedürftigen der Pflegestufe I im Vergleich zu 1998 bzw. die Einbezie-hung der Pflegestufe 0 in den Kreis der Leistungsbezieher im Jahr 2015 bedingt sein. Weiterhin gilt auch: je höher die Pflegestufe, desto häufiger ist die Pflege mit einer sehr starken Belastung für die Hauptpflegeperson verbunden. So ist bei der Pflegestufe III von 2010 (44%) auf 2016 (59%) sogar ein Zuwachs der sehr starken Belastung zu verzeichnen. Andererseits führen aber auch die Leistun-gen der Pflegeversicherung und ihre Ausgestaltung in stärkerem Maße als noch vor 18 Jahren zu einer Entlastung der pflegenden Angehörigen.

Abbildung 3.14: Belastung der Hauptpflegeperson 1998, 2010 und 2016 (%)

Basis: Repräsentativerhebung, Hauptpflegepersonen von Pflegebedürftigen in Privathaushalten

Studie zur Wirkung des PNG und PSG I − TNS Infratest Sozialforschung 2016

Abbildung 3.15: Wie wird die häusliche Pflegesituation insgesamt eingeschätzt?

(2016, %)

Basis: Repräsentativerhebung, Pflegebedürftige in Privathaushalten

Studie zur Wirkung des PNG und PSG I − TNS Infratest Sozialforschung 2016

Gar nicht Eher wenig Eher stark Sehr stark

1998 2010 2016

Fehlend zu 100 = Keine Angabe

Insgesamt Pflegestufe 0 Pflegestufe I Pflegestufe II Pflegestufe III sehr gut zu bewältigen noch zu bewältigen

nur mit Schwierigkeiten zu bewältigen eigentlich gar nicht mehr zu bewältigen

Fehlend zu 100 = Keine Angabe

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2016 wurden erstmals alle Pflegebedürftigen oder ihre Angehörigen gefragt, wie sie die Situation der häuslichen Pflege insgesamt einschätzen. Insgesamt geben 18 Prozent der Pflegebedürftigen oder deren Angehörigen an, dass die häusliche Pflege sehr gut zu bewältigen ist, 61 Prozent meinen, die Situation sei noch zu bewältigen (Abbildung 3.15). Nur mit Schwierigkeiten oder eigentlich gar nicht kann ein Fünftel der Pflegebedürftigen bzw. ihre Angehörigen die Pflege meistern. Der Anteil derer, auf die diese Einschätzung zutrifft, wächst mit der Pflegestufe an. In Pflegestufe II schätzen 27 Pro-zent und in Pflegestufe III sogar 36 ProPro-zent die Bewältigung der Pflegesituation als sehr schwierig bzw. eigentlich nicht mehr bewältigbar ein.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass trotz der weiteren Stabilisierung der häuslichen Pflege durch die Leistungen der Pflegeversicherung die damit verbundenen Schwierigkeiten für die häusli-chen Pflegearrangements bestehen bleiben. Die Mehrheit hält die Pflege zu Hause für zu bewältigen, allerdings auf Kosten einer nachhaltig hohen persönlichen Belastung.

Pflegekurse

Die Pflegeversicherung bietet nicht nur Leistungen für die Pflegebedürftigen, sondern auch für ihre privaten Pflegepersonen an. Eines dieser Angebote ist der Pflegekurs. Pflegepersonen haben hier die Möglichkeit, entweder in einer Gruppenschulung oder individuell zu Hause praktische Fähigkeiten zu erwerben, die ihnen die Pflege erleichtern. Darüber hinaus bieten die Gruppenschulungen auch die Möglichkeit, sich mit anderen Pflegenden auszutauschen und so weitere Unterstützung zu erfahren.

Leider ist es auch aktuell noch so, dass nur ein kleiner Teil der Hauptpflegepersonen dieses Angebot nutzt. Lediglich neun Prozent (1998: 10%, 2010: 12%) der Hauptpflegepersonen haben an einem Pflegekurs teilgenommen. Dabei nehmen Hauptpflegepersonen von Pflegebedürftigen der Pflegestufe III heute deutlich häufiger an Pflegekursen teil (21%), während 2010 die Unterschiede zwischen den drei Pflegestufen nur gering waren. Meist findet die Schulung in Form von Gruppenangeboten statt.

An der Qualität der Angebote sollte dies nicht liegen, denn der Pflegekurs hat für 84 Prozent der Hauptpflegepersonen, die an einer solchen Schulung teilgenommen haben, die Pflege erleichtert und damit sein Ziel erreicht. Möglicherweise sind die Pflegenden nach wie vor nicht oder nicht ausreichend über die Pflegekurse und ihren Nutzen informiert, oder sie wissen nicht, an wen sie sich wenden können, wenn sie an einem Kurs teilnehmen möchten. Vielleicht ist die Möglichkeit der individuellen Schulung zu Hause auch noch weitgehend unbekannt. Gerade für Hauptpflegepersonen, die durch die Pflege und ihre sonstigen Verpflichtungen zeitlich stark eingespannt sind, könnte dies eine gute Alternative zu Gruppenschulungen sein. Es bietet sich daher an, von Seiten der Pflegeversicherung stärker als bisher über dieses Angebot zu informieren, sei es im Rahmen der Begutachtung durch den MDK, in den Beratungsstellen der Pflegeversicherung und anderen Institutionen oder über die ambulanten Dienste. Es ist auch zu begrüßen, dass die Pflegekassen mit dem PSG II nunmehr dazu verpflichtet sind, Pflegepersonen solche Pflegekurse anzubieten.