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3 Pflegebedürftige in Privathaushalten

3.3 Pflege und Versorgung in Privathaushalten .1 Pflegearrangements

3.4.5 Leistungen der „häuslichen Betreuung“, niedrigschwellige Hilfe sowie

„zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen“

Die zusätzlichen Betreuungs- und Entlastungsleistungen (§ 45b SGB XI) wurden bereits 2008 für Menschen mit erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz im Sinne von § 45a SGB XI in den Leis-tungskatalog der Pflegeversicherung aufgenommen. Aufgrund von demenzbedingten Fähigkeitsstö-rungen, geistigen Behinderungen oder psychischen Erkrankungen können Menschen in ihrer Alltags-kompetenz auf Dauer erheblich eingeschränkt sein und dadurch besonders auf Betreuung und Be-aufsichtigung angewiesen sein. Dieser zusätzliche Betreuungsbedarf wird von der Pflegeversicherung in besonderem Maße unterstützt. Je nach Umfang und Schwere der vorliegenden eingeschränkten Alltagskompetenz erhalten Betroffene und ihre Angehörigen eine Kostenerstattung in Höhe von bis zu 104 Euro (Grundbetrag) oder bis zu 208 Euro (erhöhter Betrag) monatlich, zweckgebunden für die Inanspruchnahme entsprechender Leistungen.

Auch Pflegebedürftige ohne erheblich eingeschränkte Alltagskompetenz haben mit dem PSG I seit dem 1. Januar 2015 einen Anspruch auf zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen in Höhe des Grundbetrages und können sich die hierfür entstehenden Kosten bis zu einer Höhe von 104 Euro im Monat erstatten lassen. Bei den zusätzlichen Betreuungs- und Entlastungsleistungen handelt es sich um qualitätsgesicherte Betreuungs- und Entlastungsleistungen in Form einer teilstationären Ta-ges- oder Nachtpflege, einer Kurzzeitpflege, besonderer Angebote der allgemeinen Anleitung und Betreuung oder hauswirtschaftlichen Versorgung ambulanter Pflegedienste (nicht aber Leistungen der Grundpflege). Die Leistungen können auch in Form von niedrigschwelligen Betreuungs- und Ent-lastungsangeboten erbracht werden.

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Sozialforschung

Ein Fünftel aller pflegebedürftigen Personen in Privathaushalten nimmt die zusätzlichen Betreuungs- und Entlastungsleistungen in Anspruch. 55 Prozent machen von ihrem Anspruch keinen Gebrauch, während fast ein Viertel der Pflegebedürftigen den Anspruch auf diese Leistung nicht kennt (Tabelle 3.23). Bei Pflegebedürftigen mit eingeschränkter Alltagskompetenz (PEA) – und damit der ursprüng-lichen Zielgruppe der Leistung – liegt der Anteil derer, die zusätzliche Betreuungs- und Entlastungs-leistungen in Anspruch nehmen, unabhängig von der Pflegestufe bei 28 Prozent (Tabelle 3.24).

Tabelle 3.23: Inanspruchnahme zusätzlicher Betreuungs- und Entlastungsleistungen, 2016 (%)

Basis: Repräsentativerhebung, Pflegebedürftige in Privathaushalten

Insgesamt Stufe 0 Stufe I Stufe II Stufe III

Inanspruchnahme 20 22 18 22 31

Nicht in Anspruch genommen 55 56 57 56 46

Leistung nicht bekannt 24 22 25 21 22

____________________

Fehlende zu 100% = Keine Angabe

Studie zur Wirkung des PNG und PSG I − TNS Infratest Sozialforschung 2016

Der Anteil der pflegebedürftigen Personen mit eingeschränkter Alltagskompetenz ist je nach Pflege-stufe unterschiedlich hoch: In PflegePflege-stufe 0 ist der Anteil definitionsgemäß bei 100 Prozent, während er bei Stufe I bei 25 Prozent liegt. Pflegebedürftigen der Pflegestufen II und III wird jeweils zu 44 Prozent eine eingeschränkte Alltagskompetenz beschieden (Abbildung 3.32). Damit erklärt sich die unterschiedliche Inanspruchnahme der zusätzlichen Betreuungs- und Entlastungsleistungen nach Pflegestufen nur zum Teil. Es zeigt sich, dass die zusätzlichen Betreuungs- und Entlastungsleistungen in Pflegestufe II von 22 Prozent der Pflegebedürftigen in Anspruch genommen werden, in Stufe III sind es 31 Prozent. Dies mag weiter mit einem generell erhöhten Pflegebedarf und der damit einher-gehenden größeren Belastung der privaten Pflegepersonen zusammenhängen, was wiederum dazu führt, mit größerer Bereitschaft zusätzliche Angebote zur Betreuung und Entlastung anzunehmen.

Bei Pflegebedürftigen mit eingeschränkter Alltagskompetenz oder deren Angehörigen ist der Anteil derer, die die zusätzlichen Betreuungs- und Entlastungsleistungen kennen, höher. Von ihnen bezie-hen 56 Prozent den erhöhten Betrag.

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Abbildung 3.32: Anteil der Personen mit eingeschränkter Alltagskompetenz nach Pflegestufen, 2016 (%)

Basis: Repräsentativerhebung, Pflegebedürftige in Privathaushalten

Studie zur Wirkung des PNG und PSG I − TNS Infratest Sozialforschung 2016

Tabelle 3.24: Zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen und eingeschränkte Alltagskompetenz, 2016 (%)

Basis: Repräsentativerhebung, Pflegebedürftige in Privathaushalten

Insgesamt

Ohne einge-schränkte

Alltags-kompetenz

Mit eingeschränk-ter

Alltagskompe-tenz

Inanspruchnahme 20 16 28

Nicht in Anspruch genommen 55 56 55

Leistung nicht bekannt 24 28 17

____________________

Fehlend zu 100 = Keine Angabe

Studie zur Wirkung des PNG und PSG I − TNS Infratest Sozialforschung 2016

Ein wesentlicher Bestandteil der Änderung durch das PSG I bestand darin, die Leistungen der zusätz-lichen Betreuung und Entlastung allen Leistungsbeziehern der Pflegeversicherung zugänglich zu ma-chen. Im Vorgriff auf den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff des PSG II stehen die Leistungen nach

§ 45b SGB XI zusätzlich auch den Pflegebedürftigen ohne eingeschränkte Alltagskompetenz zur Ver-fügung. Wie vielen Pflegebedürftigen ist dies bekannt? Bezogen auf alle Pflegebedürftigen in

37

100

25

44 44

Insgesamt Pflegestufe 0 Pflegestufe I Pflegestufe II Pflegestufe III Eingeschränkte Alltagskompetenz

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Sozialforschung

haushalten gibt ein Viertel an, die Ausweitung der Anspruchsberechtigten zu kennen (Abbil-dung 3.33). Der Anstieg der Bekanntheitsanteile mit ansteigender Pflegestufe kann als wachsender Bedarf an Unterstützung interpretiert werden.

Abbildung 3.33: Bekanntheit: Zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen können seit 2015 auch von Personen ohne eingeschränkte Alltagskompetenz in Anspruch

genommen werden, 2016 (%)

Basis: Repräsentativerhebung, Pflegebedürftige in Privathaushalten

Studie zur Wirkung des PNG und PSG I − TNS Infratest Sozialforschung 2016

Auch die Daten der BARMER GEK zeigen (Abbildung 3.34), dass die zusätzlichen Betreuungs- und Entlastungsleistungen im ersten Jahr bereits von rund jedem fünften Pflegebedürftigen ohne einge-schränkte Alltagskompetenz in Anspruch genommen worden sind. Der auf dieser methodisch unter-schiedlichen Grundlage ermittelte Anteil liegt sogar noch etwas höher als in der repräsentativen Querschnittserhebung. Insgesamt ist die Inanspruchnahme als sehr hoch zu bewerten, da die ent-sprechenden Leistungen nur über formal anerkannte Leistungserbringer in Anspruch genommen wer-den können, etwa zwei Drittel der ambulant versorgten Pflegebedürftigen jedoch in einem Pflegear-rangement ohne die Beteiligung formeller Leistungserbringer leben. In der praktischen Umsetzung kann es jedoch auch so sein, dass in den Versorgungssettings, in denen bereits professionelle Dienst-leister eingebunden sind, verstärkt auf die Inanspruchnahme der zusätzlichen Leistungen hingewirkt wird. In diesem Fall sind die zusätzlichen Leistungen für den Pflegebedürftigen eine Erweiterung der insgesamt abrufbaren zeitlichen und finanziellen Ressourcen, ohne dass ihm dafür ein zusätzlicher Verwaltungsaufwand entstehen würde.

26 13 25 28 34

73 87 74 71 65

Insgesamt Pflegestufe 0 Pflegestufe I Pflegestufe II Pflegestufe III Nicht bekannt (inkl. Pflegebedürftige die keine Betreuungs- und Entlastungsleistungen kennen)

Bekannt Fehlend zu 100 = Keine Angabe

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Abbildung 3.34: Anteil der Pflegebedürftigen ohne EA, die innerhalb eines Monats Betreuungs- und Entlastungsleistungen nach § 45b SGB XI erhalten haben (%)

Basis:Versicherte der BARMER GEK, Erfassung über den Durchschnitt der ersten neun Monate des Jahres, Hochrechnung auf die BRD

Studie zur Wirkung des PNG und PSG I − Universität Bremen 2016

Art der finanzierten Leistungen

Aktuell nehmen Pflegebedürftige in Privathaushalten, die die Erstattung aufgrund von zusätzlichen Betreuungs- und Entlastungsleistungen nutzen, vor allem niedrigschwellige Betreuung (42%) in An-spruch. 32 Prozent bezahlen davon ambulante Pflegedienste, 15 Prozent setzen das Geld für Kurz-zeitpflege und neun Prozent für Tagespflege ein (Abbildung 3.35). Nachtpflege spielt bei der Geld-verwendung kaum eine Rolle, dafür geben 21 Prozent an, das Geld für weitere Leistungen aufzuwen-den (ohne Abbildung) Wie bereits erwähnt, handelt es sich um zweckgebunaufzuwen-dene Leistungen, die primär zur Finanzierung von niedrigschwelligen Betreuungsangeboten, Angeboten der ambulanten Dienste oder für teilstationäre Hilfen genutzt werden. Von daher überrascht es nicht, dass diejenigen, die als Regelleistung der Pflegeversicherung teilstationäre Angebote nutzen, im Falle des Beanspru-chens von zusätzlichen Betreuungs- und Entlastungsleistungen diese dann auch zu 61 Prozent als Tagespflege nutzen. Bezieher von ambulanten Sachleistungen und auch Kombileistungen nutzen durch die Erstattungen der zusätzlichen Betreuungsleistungen zu 44 Prozent weitere Einsätze von ambulanten Diensten.

Im Jahr 2010 ergab sich in der Repräsentativerhebung bei der Verwendungsstruktur der zusätzlichen Betreuungs- und Entlastungsleistungen ein anderes Bild. Allerdings ist dabei zu berücksichtigen, dass sich die Gruppe der Anspruchsberechtigten 2010 auf Personen mit eingeschränkter Alltagskompetenz beschränkte, während heute alle Pflegebedürftigen einbezogen sind. Vergleicht man für Pflegebe-dürftige mit eingeschränkter Alltagskompetenz die Verwendungsart für die beiden Zeitpunkte, wird ein Zuwachs bei Einsätzen der ambulanten Dienste sichtbar, wie auch ein Rückgang bei den statio-nären Einsätzen, sowohl in Form von Kurzzeitpflege als auch Tagespflege (Abbildung 3.36). Die Aus-weitung des Kreises der Anspruchsberechtigten hat in erster Linie zu einem steigenden Einsatz der

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Sozialforschung

ambulanten Dienste geführt. Pflegebedürftige ohne eingeschränkte Alltagskompetenz greifen ver-mehrt auf das Angebot der Pflegedienste zurück (40%) denn auf niedrigschwellige Betreuungs- und Entlastungsangebote.

Abbildung 3.35: Verwendung der zusätzlichen Betreuungs- und Entlastungsleistungen in den letzten zwölf Monaten, 2016 (Mehrfachnennungen, %)

Basis: Repräsentativerhebung, Pflegebedürftige in Privathaushalten, die zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen in Anspruch nehmen

Studie zur Wirkung des PNG und PSG I − TNS Infratest Sozialforschung 2016

Abbildung 3.36: Verwendung der zusätzlichen Betreuungs- und Entlastungsleistungen in den letzten zwölf Monaten, 2010 und 2016 (Mehrfachnennungen, %)

Basis: Repräsentativerhebung, Pflegebedürftige mit eingeschränkter Alltagskompetenz in Privat-haushalten, die zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen in Anspruch nehmen

Studie zur Wirkung des PNG und PSG I − TNS Infratest Sozialforschung 2016

99 Gründe für die Nicht-Inanspruchnahme

Nach den Ergebnissen der Repräsentativerhebung nutzen 55 Prozent aller Pflegebedürftigen keine der abrechnungsfähigen zusätzlichen Betreuungs- und Entlastungsleistungen, obwohl ihnen der An-spruch bekannt ist. Hinweise darauf, warum dies so ist, geben die Antworten auf die Frage, weshalb keine niedrigschwelligen Betreuungsangebote in Anspruch genommen werden. Als Hinderungs-gründe werden von denjenigen, die das Betreuungsangebot kennen, jedoch keine niedrigschwelligen Betreuungs- und Entlastungsangebote nutzen, vor allem benannt, dass die pflegebedürftige Person nicht durch fremde Personen betreut werden möchte (50%) und dass die vorhandenen Angebote nicht ihren Bedürfnissen entsprechen (30%). Vorbehalte der Hauptpflegeperson gegenüber einer Betreuung durch Fremde werden hingegen in knapp einem Fünftel der Fälle als Grund für die Nicht-Inanspruchnahme angeführt. Etwa 15 Prozent kennen kein entsprechendes Angebot in der näheren Umgebung (Abbildung 3.37).

Abbildung 3.37: Ausgewählte Gründe für die Nicht-Inanspruchnahme von Betreuungs- und Entlastungsleistungen, 2016 (Mehrfachnennungen, %)

Basis: Repräsentativerhebung, Pflegebedürftige in Privathaushalten, denen zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen bekannt sind und die keine niedrigschwelligen Betreuungsangebote in An-spruch nehmen

Studie zur Wirkung des PNG und PSG I − TNS Infratest Sozialforschung 2016

Bekanntheit weiterer Neuerungen im Pflegestärkungsgesetz I

Das PSG I sieht Kombinationsmöglichkeiten zwischen den verschiedenen Leistungsarten vor und be-absichtigt, damit eine möglichst individuelle und passgenaue Versorgung für jeden Pflegebedürftigen in der häuslichen Pflege zu ermöglichen. Vorausgesetzt, die Grundpflege ist abgedeckt, kann derje-nige, der seinen Anspruch auf ambulante Pflegesachleistungen nicht voll ausschöpft, den nicht für den Bezug von ambulanten Sachleistungen genutzten Betrag – aber maximal 40 Prozent des hierfür vorgesehenen Leistungsbetrages – für zusätzliche niedrigschwellige Betreuungs- und Entlastungsan-gebote verwenden. Ob den Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen diese Neuerung auch bekannt ist, wurde in der Repräsentativerhebung 2016 erfragt (Abbildung 3.38). 45 Prozent aller Pflegebe-dürftigen oder ihrer Angehörigen war dies bekannt. Elf Prozent aller Personen, die Kenntnis von

Kein Angebot in der näheren Umgebung bekannt

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Sozialforschung

dieser Neuerung hatten, beziehungsweise fünf Prozent umgerechnet auf alle Pflegebedürftigen in Privathaushalten berichten, von der neuen Möglichkeit der Umwidmung Gebrauch gemacht zu haben.

Abbildung 3.38: Bekanntheit der Leistungsumwidmung von bis zu 40 Prozent der Sachleistungen in zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen, 2016 (%) Basis: Repräsentativerhebung, Pflegebedürftige in Privathaushalten

Studie zur Wirkung des PNG und PSG I − TNS Infratest Sozialforschung 2016

Zur weiteren Entlastung der Angehörigen wurde mit dem PSG I festgeschrieben, dass die zusätzli-chen Betreuungs- und Entlastungsangebote auch zu diesem Zwecke in Anspruch genommen werden können bzw. Entlastungsangebote mit einer klaren Zielsetzung der Entlastung für Angehörige aus-zugestalten sind. Ein knappes Drittel der Pflegebedürftigen oder deren Angehörigen weiß von den Neuerungen in diesem Bereich (Abbildung 3.39). An dieser Stelle wäre es wichtig, die Informationen über dieses Leistungsangebot breit zu streuen, um die Angehörigen zu erreichen und sie und die Hauptpflegepersonen sinnvoll unterstützen zu können.

45

27

45 49 46

55

73

55 49 52

Insgesamt Pflegestufe 0 Pflegestufe I Pflegestufe II Pflegestufe III Bekannt Nicht bekannt Fehlend zu 100 = Keine Angabe

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Abbildung 3.39: Bekanntheit der Möglichkeit, auch solche zusätzlichen Betreuungs- und Entlastungsangebote in Anspruch zu nehmen, die gezielt auf die Pflegepersonen

ausgerichtet sind und diese entlasten sollen, 2016 (%) Basis: Repräsentativerhebung, Pflegebedürftige in Privathaushalten

Studie zur Wirkung des PNG und PSG I − TNS Infratest Sozialforschung 2016