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Die Zeit der Militärs

Im Dokument Recht als Übersetzung (Seite 137-142)

3 Gewohnheitsrecht in ghanaischen Ge- Ge-richten

3.2 Historische Entwicklung des offiziellen Rechtspluralismus

3.2.6 Die Zeit der Militärs

Die republikanische Verfassung von 1960 wurde aufgehoben, das Par-lament aufgelöst und die CPP wie auch jegliche andere partei-politische Tätigkeit verboten.399 Auch der Supreme Court wurde durch den »Courts Decree« von 1966 (NLCD 84) aufgelöst. Unter der Füh-rung des General-Leutnants Joseph Arthur Ankrah übernahmen die Putschisten als »National Liberation Council« (NLC) die Regierungs-gewalt, versprachen aber gleichzeitig, diese spätestens bis zum 1. Ok-tober 1969 wieder an eine zivile Regierung abzugeben. Bereits im No-vember 1966 richtete der NLC einen siebzehnköpfigen Ausschuss zur Ausarbeitung einer neuen Verfassung ein und gab hierbei unter ande-rem vor, dass individuelle Grundrechte wie das der Meinungs- oder Versammlungsfreiheit ausdrücklich durch die Verfassung zu schützen seien.400 Eine unmittelbare Rückkehr zur Demokratie erfolgte jedoch nicht. Das Regime hatte einen enormen Schuldenberg geerbt und be-mühte sich nun, diesen mit einer strikten Sparpolitik zu reduzieren.

Wirtschafts- und außenpolitisch vollzog der NLC eine Kehrtwende nach Westen, als deren Folge der Internationale Währungsfonds einen weitreichenden Einfluss auf die nationale Wirtschaftspolitik erhielt.

Der ghanaische Markt wurde zugunsten großer ausländischer Firmen geöffnet; zahlreiche Staatsbetriebe privatisiert. Gleichzeitig förderten Gesetze eine »Ghanaisierung« von Klein- und Mittelbetrieben.401 Ob-wohl die Steuern auf Grundnahrungsmittel gesenkt wurden, war diese Wirtschaftspolitik in weiten Teilen der Bevölkerung unpopulär. Die Arbeitslosigkeit stieg durch die Entlassungen im öffentlichen Sektor und in den privatisierten Betrieben, Lohnerhöhungen wurden auf 5 % begrenzt und der Cedi abgewertet. Dadurch verteuerten sich

Import-399 »Grundgesetz« des NLC war die später mehrfach ergänzte »Proclamation for the Constitution of a National Liberation Council for the Administration of Ghana and for other matters connected therewith« vom 24.02.1966, abgedruckt in Gyandoh/Griffiths, A Sourcebook of the Constitutional Law of Ghana, Vol. I (Part 1), 1972, S. 172 f. Der NLC regierte fortan über den Erlass verschiedener Verord-nungen.

400 Traeder, Ghana unter dem National Liberation Council, in:

Ansprenger/Traeder/Tetzlaff (Hrsg.), Die politische Entwicklung Ghanas, 1972, S. 103 f.

401 Zur Wirtschaftspolitik des NLC: Petchenkine, Ghana in Search of Stability, 1993, S. 37 f.

güter erheblich. Es kam zu Streiks in den Goldminen und bei den Ei-senbahn- und Hafenarbeitern. 1967 versuchte eine Gruppe junger Of-fiziere erfolglos, sich an die Macht zu putschen.

Auch im Verhältnis zu den traditionellen Autoritäten versuchte der NLC, Nkrumahs Politik rückgängig zu machen. Die von der CPP neu eingesetzten »Chiefs« verloren ihre Position ebenso wie die zu »Para-mount Chiefs« beförderten.402 Indem er diese personellen Änderungen ipso iure für wirksam erklärte und damit die erforderlichen Zeremo-nien ignorierte, widersprach dieser Reformversuch seinerseits gewohnheitsrechtlichen Vorgaben, die für Er- und Enthebungen be-stimmte Prozeduren und Zeremonien verlangten. Letztlich stellte dies lediglich einen neuerlichen Eingriff in die anhaltenden, teilweise gewalttätigen Nachfolgestreitigkeiten ein. Diese Streitigkeiten hatten ihre Ursprünge oft in der Kolonialzeit und dauerten bis weit in die Un-abhängigkeit an. So kam es beispielsweise im nordghanaischen Yendi unmittelbar nach den Wahlen zu blutigen Zusammenstößen zwischen der Polizei und Anhängern eines Kandidaten.403 Gleichzeitig bemühte sich der NLC gegenüber den traditionellen Autoritäten um eine deut-lich freunddeut-lichere Politik. So gewährte die Militärregierung ihnen bei-spielsweise das Recht, eigenständig lokale Steuern zu erheben.404

Im April 1969 wurde Generalleutnant Ankrah wegen seiner Ver-wicklung in einen Korruptionsskandal abgesetzt. Sein Nachfolger wurde Brigadier Akwasi Afrifa, der unmittelbar nach seiner Amtseinsetzung das Verbot parteipolitischer Betätigung aufhob und den Termin für freie Wahlen auf den 29. August 1969 festsetzte. Funk-tionäre der CPP, die zum Zeitpunkt des Militärcoups im Jahre 1966 politische Ämter bekleideten, durften allerdings keine aktive Partei-politik betreiben. Aus diesen Wahlen ging die zivile Regierung der

402 Traeder, Ghana unter dem National Liberation Council, in: Ansprenger/

Traeder/Tetzlaff (Hrsg.), Die politische Entwicklung Ghanas, 1972, S. 91 schreibt, dass hiervon 194 »Paramount Chiefs« und 133 einfache »Chiefs« betroffen waren.

403 Die Regierung Nkrumah hatte in diesem Konflikt eine verhältnismäßig ausgewo-gene Politik betrieben, die beide Fraktionen zu einem Kompromiss bewegen soll-te. Erst durch die Politik des NLC sowie die eindeutige Parteiergreifung im Rah-men des folgenden Wahlkampfes kam es zu einem neuerlichen AufflamRah-men des Konflikts, vgl. Ladouceur, 6 Canadian Journal of African Studies (1972), 97 (106 ff.).

404 Petchenkine, Ghana in Search of Stability, 1993, S. 41.

»Progress Party« (PP) unter der Führung von Dr. Kofi Abrefa Busia hervor.405 Wenige Tage zuvor war eine neue Verfassung in Kraft getre-ten, die durch eine Nationalversammlung verabschiedet worden war und die Regierungsführung durch einen Premierminister nach dem Westminster-Modell vorsah. An anderer Stelle brach diese Verfassung allerdings mit britischen Traditionen: Sie sah erstmals einen detail-lierten Grundrechtskatalog vor. Dessen Einhaltung sollte der wieder eingerichtete Supreme Court als höchstes Appellationsgericht gewährleisten. Busia, der im Unabhängigkeitsjahr 1957 Führer der oppositionellen UP gewesen war, hatte von 1959 bis 1966 im Exil in Großbritannien gelebt. Wirtschaftlich setzte er den nationalistischen und wirtschaftsliberalen Kurs des Militärregimes fort. Dieser Wirt-schaftspolitik wurde verbreitet vorgeworfen, dass zu einer deutlichen Verschlechterung der Lebensbedingungen breiter Schichten führe.

Sinkende Einnahmen aus dem Kakao-Export und steigender Schul-dendienst erzwangen rigide Sparmaßnahmen, unter denen auch das Militär litt, dessen Budget drastisch gesenkt wurde. Im Verhältnis zu den traditionellen Autoritäten setzte die neue Regierung den freundli-chen Kurs des NLC fort. Dies spiegelte sich nicht zuletzt in der Präam-bel der Verfassung wider. In ihr wurde der übliche Hinweis auf das Volk als verfassungsgebende Macht durch »We, the Chiefs and the People of Ghana« ergänzt und damit die identitätsstiftende Bedeutung traditioneller Autoritäten betont.406 Die Einflussnahme von staatlicher Seite wurde in den Art. 154 und 155 der Verfassung darauf be-schränkt, dass die Regierung nur das Verhältnis traditioneller Autori-täten zum Staat regeln durfte. Im Jahre 1971 wurde der Chieftaincy Act (Act 370) erlassen, der das Verhältnis zwischen Staat und »Chiefs«

für die folgenden drei Jahrzehnten bestimmen sollte. Das Gesetz sah insbesondere die Schaffung eines »National House of Chiefs« zusätz-lich zu den auf lokaler und regionaler Ebene bereits existierenden semi-staatlichen Gremien der »Chiefs« vor. Auch dieses Haus stand nur männlichen traditionellen Autoritäten offen. Kurz vor dem

Chief-405 Dessen im Jahre 1953 fertig gestellte Dissertation behandelte die Geschichte und Bedeutung traditioneller Autoritäten in Ghana, vgl. Busia, The Position of the Chief in the Modern Political System of Ashanti, 1968.

406 Präambel, Constitution of Ghana, 1969, abgedruckt in Gyandoh/Griffiths, A Sourcebook of the Constitutional Law of Ghana, Vol. I (Part 1), 1972, S. 4.

taincy Act war der »Matrimonial Causes Act« (Act 367) erlassen wor-den. Dieser sollte zum ersten Mal Gewohnheitsrecht, islamisches Recht und Common Law im Bereich des Eherechts integrieren. Dies sollte eine höhere formelle Wertschätzung gewohnheitsrechtlich ge-schlossener Ehen ausdrücken und zugleich ein Schritt in Richtung ei-nes integrierten Eherechts sein.407

Die sozialen Folgen einer 42-prozentigen Abwertung des ghanai-schen Cedi im Jahre 1971 gaben den Ausschlag für einen erneuten Mi-litärputsch am 13. Januar 1972. Durch ihn wurde die Zweite Republik beendet. Die Verfassung wurde aufgehoben, der Supreme Court aber-mals aufgelöst. Seine Aufgaben als Revisionsinstanz nahm der Court of Appeal wahr. An der Spitze der Militärregierung, die sich »National Redemption Council« (NRC) nannte, stand Colonel Ignatius Kutu Acheampong. In den ersten Jahren seiner Herrschaft führte das Re-gime zahlreiche populäre Maßnahmen durch: Die Abwertung des Cedi wurde ebenso zurückgenommen wie die Kürzung der Einkommen von Staatsangestellten. Vor allem aber verweigerten die neuen Machtha-ber die Rückzahlung der enormen Schuldenlast des Landes an inter-nationale Gläubiger. Begünstigt durch die hohen Gold- und Kakao-preise auf dem Weltmarkt kam es zu einer vorübergehenden wirt-schaftlichen Erholung.408 Kwame Nkrumah wurde rehabilitiert und seine sozialistische Wirtschaftspolitik wieder aufgenommen. Insbe-sondere die Privatisierungen staatlicher Unternehmen ließ der NRC revidieren.409 Der Militärrat versuchte außerdem, wieder stärkere Kontrolle über die traditionellen Autoritäten auszuüben.410 Die Begeis-terung der Bevölkerung für diesen abermaligen Eingriff des Militärs war von Beginn an deutlich zurückhaltender als beim Putsch im Jahre 1966. Die Zustimmung für die Maßnahmen NRC sank erheblich, als sich Mitte der 70er Jahre die wirtschaftliche Situation erneut änderte:

Während die Kakaopreise fielen, stieg der Ölpreis. Ghana war wieder

407 Wanitzek, Third World Legal Studies (1991), 75 (76). Vgl. zum Matrimonial Causes Act 3.3.1.4.

408 Petchenkine, Ghana in Search of Stability, 1993, S. 65 f.

409 Gocking, The History of Ghana, 2005, S. 165 ff.

410 Dies geschah jedoch überwiegend durch relativ subtile Eingriffe wie die Ausge-staltung der Verfahren vor den verschiedenen Houses of Chiefs, vgl. Ray, 37-38 Journal of Legal Pluralism (1996), 181 (189).

auf ausländische Kredite angewiesen und musste seine Altschulden anerkennen. Das Regime druckte in großen Mengen Banknoten, wo-durch die Inflationsrate unaufhörlich stieg.411 Maßnahmen zur Preis-regulierung bewirkten nur, dass viele Güter des täglichen Lebens und Ersatzteile aller Art knapp wurden und aus dem offiziellen Wirt-schaftskreislauf verschwanden.

In einigen Gebieten des Landes erreichte die Unterversorgung schließlich das Ausmaß einer Hungersnot. Hinzu kam, dass der NRC immer stärker durch Korruptionsskandale belastet wurde. Acheam-pong maß sich zunehmend diktatorische Gewalt an und inhaftierte eine große Zahl seiner Gegner. Auch die – als Zeichen eines Neuan-fangs gedachte – Restrukturierung der Militärregierung, die hierbei in

»Supreme Military Council« (SMC) umbenannt wurde, änderte nichts daran, dass weite Kreise der Gesellschaft sie ablehnten. Mehrere Putschversuche scheiterten. Inmitten des allgemeinen Niederganges versuchte Acheampong, die Legitimation seiner Herrschaft zumindest teilweise zurückzugewinnen und per Referendum die Idee einer Ein-heitsregierung durchzusetzen: Einer »gemeinsamen«, nicht parteilich organisierten Regierung von Militär und Zivilgesellschaft.412 Letztere lehnte den Vorschlag von Beginn an größtenteils ab und forderte statt-dessen eine baldige Rückkehr zu einer demokratisch gewählten Zivil-regierung. Als Acheampong das Referendum über die Unionsregie-rung offensichtlich zu seinen Gunsten manipulierte und in der Folge-zeit zahlreiche Gegner inhaftieren ließ, rebellierte eine Gruppe jünge-rer Offiziere. Anstelle Acheampongs setzten sie dessen bisherigen Stellvertreter, Frederick Akuffo, als Oberhaupt des Militärrates ein.

Dieser nannte sich nunmehr SMC II.413 Den anfänglichen Versuch, das bisherige Programm einer Einheitsregierung fortzusetzen, musste die-ser schon bald aufgrund des großen Drucks der Bevölkerung aufge-ben. Das Parteienverbot wurde aufgehoaufge-ben. Im Juni 1979 sollten Wahlen abgehalten werden.

411 Die Inflationsrate stieg in dieser Zeit teilweise auf 300 %, vgl. Pellow/Chazan, Gha-na – Coping with Uncertainty, 1986, S. 60.

412 Zur Diskussion über den Vorschlag des SMC: Owusu, 22 African Studies Review (1979), 89 (98 ff.).

413 Petchenkine, Ghana in Search for Stability, 1993, S. 74 ff.

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