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Ungleichzeitige Unterwerfung

Im Dokument Recht als Übersetzung (Seite 112-115)

3 Gewohnheitsrecht in ghanaischen Ge- Ge-richten

3.2 Historische Entwicklung des offiziellen Rechtspluralismus

3.2.2 Ungleichzeitige Unterwerfung

Offiziell wurde der südliche Teil des heutigen Ghana erst im 19. Jahr-hundert zur Kronkolonie erklärt. Bereits vor dieser Formalisierung der Herrschaft existierte in diesem Gebiet ein starker britischer Einfluss. Die Herrschaft über die anderen Teile des heutigen Ghana er-warb das britische Königreich erst später. Diese ungleichzeitige räum-liche Entwicklung des Kolonialismus in den verschiedenen Landestei-len beeinflusste auch die rechtlichen Arrangements der Kolonialzeit.

In den vier Jahrhunderten nach der Landung portugiesischer Händ-ler im Jahre 1471 hatten verschiedene europäische Mächte wie das britische Königreich, die Niederlande und Schweden an der Küste des heutigen Ghana vorwiegend vom Handel mit Sklaven und Gold profi-tiert.323 Beliebtestes Tauschobjekt für die einheimischen Handelspart-ner waren Feuerwaffen, die diesen einen militärischen Vorteil gegen-über konkurrierenden Gesellschaften sicherten. Das britische

König-323 Vgl. Phillips, The Enigma of Colonialism, 1989, S. 16 ff., die beschreibt wie sowohl die Einführung überseeischen Sklavenhandelns durch europäische Mächte wie auch dessen offizielle Beendigung durch Großbritannien die gesellschaftliche Ent-wicklung afrikanischer Gesellschaften maßgeblich beeinflusste – gerade weil diese ebenfalls vom Sklavenhandel profitierten.

reich konnte sich erst im Laufe des 19. Jahrhunderts gegen seine inne-reuropäischen Konkurrenten als bestimmende Macht an der Küste durchsetzen. In dieser Zeit unterstanden die Forts im Küstengebiet ab-wechselnd der Kontrolle privater Handelsgesellschaften und der Kro-ne, vertreten vom Gouverneur der benachbarten Kolonie in Sierra Leone. Im Landesinneren war jedoch zeitgleich eine neue regionale Großmacht entstanden, die in ihrem Expansionstrieb der britischen Kolonialmacht nicht nachstand. Das ca. 1670 gegründete Asante-Reich hatte sich seit Beginn des 19. Jahrhunderts vehement in Rich-tung Süden ausgedehnt und dabei unter anderem Kriege mit den Ga und den Fanti geführt. Spätestens seit dieser Expansion stellte das Asante-Reich eine unmittelbare Bedrohung britischer Interessen dar – ebenso wie die Asante die britische Politik als Gefährdung ihrer Han-delsbeziehungen mit den Niederlanden wahrnahmen, die zu dieser Zeit noch Niederlassungen an der Küste unterhielten.324 Im Jahre 1824 kam es deshalb erstmals zum Krieg, den das britische Königreich nach anfänglichen Niederlagen gewann.

Durch diese erste Niederlage wurden die Asante allerdings nur vor-übergehend in ihrem Vordringen in Richtung Küste aufgehalten. Der Konflikt schwelte weiter, bis britische Truppen nach teilweise verhee-renden Niederlagen die Asante im Jahre 1874 besiegten und ihre Hauptstadt Kumasi niederbrannten. Nach diesem Sieg erklärte das britische Königreich die Küstensiedlungen durch die Royal Charter vom 24. Juli 1874 formal zur Kronkolonie.325 Dieser Schritt war kei-neswegs selbstverständlich. In der Metropole war zu dieser Zeit die Ansicht weit verbreitet, dass jegliche Aktivitäten in der Region eine Verschwendung von Steuermitteln darstellten und sich das Königreich daher so bald wie möglich zurückziehen solle.326 Das Asante-Reich

324 Außerdem zwang das britische Verbot des Sklavenhandels die Asante, die zuvor lange Zeit von diesem profitiert hatten, dazu, ihre Sklavenjagd einzuschränken und Sklaven anderweitig, etwa in der Produktion von Palmöl, einzusetzen. Dieser interne Einsatz von Sklaven wurde erst nach der Eroberung des Ashani-Reichs im Jahre 1908 verboten, vgl. Austin, Labour, Land, and Capital in Ghana, 2009, S. 201 ff.

325 Bennion, The Constitutional Law of Ghana, 1962, S. 17. Kimble, A Political History of Ghana, 1963, gibt einen detaillierten Überblick über die frühe Kolonialzeit.

326 So empfahl ein parlamentarisches Select Committee noch im Jahre 1865, die Ver-waltungsangelegenheiten zeitnah auf einheimische Institutionen zu verlagern, um

wurde der Kolonie im Jahre 1901 als separates »Protektorat« ange-gliedert, nachdem ein letzter Aufstand der Asante unter der Führung der ɔhemaa des Ortes Ejisu, Yaa Asantewaa,327 niedergeschlagen wor-den war.328 Ein Jahr später wurde der Norden des heutigen Ghana un-ter der Bezeichnung »Northern Territories« ebenfalls als Protektorat angegliedert. Hauptgrund für die Einverleibung dieses Gebiets war die Angst vor europäischer Konkurrenz, vor allem vor Frankreich, aber auch vor Deutschland, das inzwischen ebenfalls nach afrikanischen Besitzungen strebte. Der östliche Teil Ghanas fiel erst nach dem Ende des Ersten Weltkriegs unter britische Verwaltung, als die ehemalige deutsche Kolonie Togoland im Jahre 1919 zwischen Frankreich und dem britischen Königreich aufgeteilt wurde.329 Dieses »British-Togo-land« blieb bis kurz vor der Unabhängigkeit Ghanas von der restlichen Kolonie getrennt und wurde erst im Jahre 1956 angegliedert.330 Im Ge-gensatz zur Kronkolonie unterstanden die anderen Teile der direkten Kontrolle eines Sonderbeauftragten. Auch die Herausbildung einer bürgerlichen Elite war lange auf das Gebiet der Kronkolonie be-schränkt, in dem schon seit Jahrhunderten ein kommerzieller und

so die Regierungsgewalt in der Region mit Ausnahme von Sierra Leone abgeben zu können, vgl. Kimble, A Political History of Ghana, 1963, S. 205 ff.

327 Eine differenzierte Darstellung des Aufstands und Yaa Asantewaas findet sich bei:

McCaskie, 77 Africa (2007), 151 ff., der auch die spätere Identitätspolitik um ihre Person analysiert.

328 Yaa Asantewaa wurde gemeinsam mit dem bereits zuvor inhaftierten Asantehene, Prempreh I, und der Asantehemaa, Yaa Kya, ins Exil auf die Seychellen verbannt, vgl. Wilks, Asante Nationhood and Colonial Administrators, in: Lentz/Nugent (Hrsg.), Ethnicity in Ghana, 2000, S. 69 ff. Auslöser für diesen letzten großen Auf-stand war das Verlangen des damaligen britischen Gouverneurs, Sir Frederick Hodgson, auf dem Goldenen Stuhl, dem »Sika Dwa Kofi«, der Asante-Föderation Platz nehmen zu dürfen. Dieser Stuhl war ein sakrales Symbol der Gemeinschaft, diente aber nicht als tatsächliche Sitzgelegenheit, weshalb Hodgsons Aufforderung als tiefe Beleidigung aufgefasst werden musste. Ein blutiges Missverständnis also, das von der britischen Administration auch als solches verstanden wurde, vgl.

Laue, African Affairs (1976), 33 (36). Erst im Jahre 1935 wurde die Ernennung ei-nes Asanteheei-nes erneut zugelassen und die Asante-Föderation wieder hergestellt.

Prempeh II herrschte damit als erster Asantehene unter britischer Herrschaft, al-lerdings über ein deutlich kleineres Gebiet.

329 Die deutsche Kolonie wurde faktisch bereits einige Tage nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs durch ein britisch-französisches Expeditionsheer besetzt. Völkerrecht-lich legalisiert wurde die Aneignung erst durch ein Mandat des Völkerbunds am 20. Juli 1922, vgl. Bennion, The Constitutional Law of Ghana, 1962, S. 25, 28.

330 Gocking, The History of Ghana, 2005, S. 109.

kultureller Austausch existiert hatte. Diese Elite − Kaufleute, Verwal-tungsbeamte, Juristen, Prediger – grenzte sich deutlich von der tradi-tionellen Elite ab, distanzierte sich durch zunehmende Forderungen nach Autonomie aber ebenfalls schon früh von der britischen Koloni-alverwaltung. Diese begegnete denjenigen, die nach mehr Selbstbe-stimmung strebten, mit zunehmender Ablehnung.331

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