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Der Weg in die Unabhängigkeit

Im Dokument Recht als Übersetzung (Seite 126-130)

3 Gewohnheitsrecht in ghanaischen Ge- Ge-richten

3.2 Historische Entwicklung des offiziellen Rechtspluralismus

3.2.4 Der Weg in die Unabhängigkeit

Insbesondere auf dem Gebiet der Kronkolonie hatte sich in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen innerhalb der urbanen Elite eine nationalistische Bewegung gebildet, die immer mehr Einfluss gewann.

Die einheimische Bevölkerung – beziehungsweise die urbane und tra-ditionelle Elite – wurde zunehmend in die Verwaltung einbezogen.366 Zwischen beiden Gruppen kam es nicht zuletzt durch die Einbindung der traditionellen Autoritäten im Rahmen der indirekten Herrschaft zu Spannungen: Die intellektuelle Elite der Küstenstädte sah sich – in

364 Danquah, Akan Laws and Customs, 1928, S. 5f.

365 Danquah, Akan Laws and Customs, 1928, S. 5.

366 Diese Einbeziehungspolitik war eher pragmatischen Zwängen geschuldet als ei-nem frühzeitigen Willen der britischen Administration zur Dekolonisierung ent-sprungen, vgl. Cooper, Africa since 1940, 2002, S. 49 ff.; Crook, 85 African Affairs (1986), 75 (78 ff.)

ihrem Selbstverständnis als moderne Führungsschicht der Kolonie – durch die britische Politik hintergangen.367 Dieses Selbstverständnis wurde durch den Siegeszug des Modernisierungs- und Entwicklungs-denkens in den 40er und 50er Jahren noch verstärkt.368 Modernisie-rung löste die zuvor zur Rechtfertigung des Kolonialismus herangezo-gene Zivilisierungsmission ab. Dadurch veränderte das Entwicklungs-paradigma als neues Schlagwort nicht nur die Legitimation der Kolo-nisierung maßgeblich. Es beeinflusste gleichermaßen das Vokabular und die Zielvorstellungen der einheimischen Eliten.

Trotz der zunehmenden Einbindung Einheimischer in die höheren Ämter der Kolonialadministration verstärkten sich nach dem 2. Welt-krieg Bestrebungen nach langfristiger Unabhängigkeit. 65.000 ghanai-sche Soldaten hatten auf britighanai-scher Seite im 2. Weltkrieg im Namen von »Freiheit und Demokratie« gekämpft.369 Dieses Versprechen wur-de nun auch für die Heimat eingeforwur-dert. Viele Posten in wur-der Verwal-tung waren jedoch nach wie vor für Personal aus Großbritannien re-serviert. 1946 trat in der Goldküste eine neue Verfassung in Kraft, die nach dem damaligen Gouverneur benannte »Burns-Constitution«. Sie legte erstmals in einer britischen Kolonie in Afrika eine einheimische Majorität innerhalb eines gesetzgebenden Rates fest. Allerdings lag die eigentliche Entscheidungsgewalt nach wie vor beim britischen Gouverneur. Außerdem kamen die Vertreter in diesem Rat überwie-gend aus den Reihen der »Chiefs«.370 Deren Beteiligung war für die bürgerliche Elite unbefriedigend. So wurde im Jahre 1947 die »United Gold Coast Convention« (UGCC), als nationalistisches Sammelbecken all derer gegründet, die eine vollständige Unabhängigkeit forderten.371 Einen allgemeinen Stimmungsumschwung brachten schließlich die

»Accra-Riots« im Jahre 1948. Eine Demonstration ghanaischer Mili-tärveteranen endete mit dem Tod mehrerer Demonstranten durch

367 Rathbone weist zutreffend darauf hin, dass jenseits dieser Polarisierung beide Eli-ten – nicht zuletzt auch verwandtschaftlich – miteinander verwoben waren, vgl.

Rathbone, Nkrumah and the Chiefs, 2000, S. 14 (Fn. 5).

368 Cooper/Packard, Introduction, in: Dies. (Hrsg.), International Development and the Social Sciences, 1997, S. 7 f.

369 Gocking, The History of Ghana, 2005, S. 75.

370 Zu dieser Verfassung, die zunächst nur für die Kolonie und die Ashanti-Region galt: Bennion, The Constitutional Law of Ghana, 1962, S. 37 ff.

371 Austin, Politics in Ghana, 1970, S. 52.

Polizeikugeln. Dies führte in den folgenden Tagen zu Ausschreitungen in Accra und verschiedenen anderen Städten, bei denen insgesamt 29 Menschen starben. Zwar wurden die Anführer der UGCC zunächst ver-haftet, obwohl sie mit den Unruhen nicht in direkter Verbindung stan-den.372 Die Kolonialverwaltung zeigte sich jedoch dialogbereit und setzte ein Komitee ein, das ausschließlich mit Einheimischen besetzt war und die Verfassung überarbeiten sollte.373 Forderungen nach bal-diger Unabhängigkeit des Landes waren dennoch so populär wie nie zuvor. Im Gefolge dieser Unruhen wurde der spätere erste Präsident Ghanas, Kwame Nkrumah, landesweit bekannt. Im Jahre 1949 trat er aus der UGCC aus und gründete eine eigene Partei, die »Convention People's Party« (CPP). Mit ihrem Hauptprogrammpunkt »Self-govern-ment now!« agierte sie ungleich radikaler und drohte, ihre Ziele durch landesweite Streiks und zivilen Widerstand nach indischem Vorbild durchzusetzen. Die Kolonialregierung erklärte den Ausnahmezustand, ließ Nkrumah verhaften und verurteilte ihn zu drei Jahren Gefängnis.

Die CPP war aber nicht nur radikaler in ihrer Forderung nach Unab-hängigkeit. Auch in ihrer Ablehnung traditioneller Herrschaftsformen ging sie deutlich weiter als die UGCC. Einerseits setzte sie sich größ-tenteils aus Mitgliedern zusammen, die keinerlei Verbindung zu könig-lichen oder adeligen Familien hatten.374 Andererseits war sie seit ihrer Gründung inspiriert von marxistisch-leninistischen Ideen, die sich schwerlich mit der aristokratischen Vorstellung einer traditionellen Elite vereinbaren ließen.375 Diese Ablehnung ließ die konkurrierenden

372 Zum sozio-ökonomischen Hintergrund der Unruhen: Crook, 85 African Affairs (1986), 75 (95 ff.).

373 Osei, Ghana, 1999, S. 43 f. weist darauf hin, dass der Ausschluss Nkrumahs, der Schlüsselfigur im Unabhängigkeitskampf, aus dieser Kommission erheblich zu dessen Popularisierung beitrug. Die Kommission war mit Vertretern der UGCC, wichtigen traditionellen Autoritäten und weiteren Mitgliedern der modernen Elite besetzt – also gerade nicht mit denjenigen, deren Zorn sich bei den Unruhen entla-den hatte.

374 Nkrumahs Gefolgschaft wurde regelmäßig als »Veranda Boys« oder auch nur als

»Youth« bezeichnet, vgl. Rathbone, Nkrumah & the Chiefs, 2000, S. 24. Dieser ab-fällige Verweis auf die Jugend galt weniger dem biologischen Alter als dem sozia-len Status der Anhängerschaft. Als Jugend wurden dabei all diejenigen bezeichnet, die nicht den mächtigen Familien entstammten. Gefolgsleute der CPP innerhalb der traditionellen Elite waren zumindest in ihrer Anfangszeit die Ausnahme.

375 Rathbone, Nkrumah & the Chiefs, 2000, S. 21 f.

Kräfte der konservativ-nationalistischen UGCC und der traditionellen Elite enger miteinander kooperieren.

Im Jahre 1951 fanden die ersten Wahlen gemäß den Regeln der un-mittelbar zuvor in Kraft gesetzten neuen Verfassung statt. Diese sah eine fast vollständig aus gewählten Mitgliedern bestehende gesetzge-bende Versammlung für das gesamte Territorium vor.376 Die CPP er-rang einen deutlichen Sieg. Nkrumah, der zu dieser Zeit noch inhaf-tiert war, erhielt selbst ein Mandat und wurde nach seiner Freilassung Premierminister der »selbstverwalteten«377 Kolonie. Dieser Sieg wie-derholte sich bei den folgenden Wahlen in den Jahren 1954 und 1956.

Der Zeitraum zwischen diesen beiden Wahlen war jedoch eine Phase der Instabilität. Immer wieder kam es zu gewaltsamen Auseinander-setzungen der politischen Lager. Gegen Ende des Jahres 1954 hatte sich das »National Liberation Movement« (NLM) gebildet, in dem sich erstmals oppositionelle Kräfte aus Teilen der konservativen intellek-tuellen Elite mit traditionellen Autoritäten insbesondere der Asante auch institutionell vereinigten.378 Das NLM verband den Wunsch nach Verschiebung der Unabhängigkeit mit der Forderung nach einer stär-keren Unabhängigkeit der Ashanti-Region und schreckte nicht vor gewaltsamem Handeln zurück, um seinen Forderungen Nachdruck zu verleihen. Insbesondere die Wahlen des Jahres 1956 waren daher richtungsweisend, da sich mit ihnen nicht nur der Zeitplan zur Unab-hängigkeit, sondern auch die Frage nach der Einheit der Kolonie ent-schied. Der abermalige Sieg der CPP bedeutete, dass dies die letzte Wahl vor Erlangung der Unabhängigkeit gewesen sein sollte. Mit Aus-nahme der auswärtigen Politik sowie der Führung von Polizei und Mi-litär regierte sich die Kolonie inzwischen tatsächlich weitgehend selbst. Unmittelbar nach der Wahl verabschiedete der gesetzgebende Rat eine Resolution, die von der britischen Regierung verlangte, der Kolonie den Status eines »Dominions« zu verleihen, diese also in die

376 Bennion, The Constitutional Law of Ghana, 1962, S. 41 f.

377 Auch nach der Verfassung von 1951 lag das Letztentscheidungsrecht noch beim britischen Gouverneur. Erst mit der Wahl im Jahre 1954 wurde der gewählten Regierung nach innen tatsächlich eine weitreichende Autonomie gewährt. Eine ei-genständige Außenpolitik wurde jedoch nach wie vor nicht eingeräumt.

378 Das NLM wurde von reichen Kakaobauern gegründet, die mit den Festpreisen der Regierung für Kakao unzufrieden waren. Zur Zusammensetzung und Entwicklung:

Austin, Politics in Ghana, 1970, S. 253 ff.

Unabhängigkeit zu entlassen.379 Kurz vor dieser Wahl hatte sich auch die Bevölkerung Britisch-Togolands in einem Referendum für die Zu-gehörigkeit zu einem neu zu bildenden Staat Ghana entschieden.380 Gemeinsam mit der britischen Regierung arbeitete die Kolonialregie-rung unter Nkrumah eine Unabhängigkeitsverfassung aus. Diese wur-de – wie auch wur-der »Inwur-depenwur-dence Act« – allerdings einseitig durch die britische Regierung erlassen. Am 6. März 1957 endete die Kolonialge-schichte der Goldküste formal mit der Unabhängigkeit Ghanas. Ghana war zu dieser Zeit der »Rising Star« Afrikas und ein Vorbild für andere nach Selbstbestimmung und Unabhängigkeit strebende Kolonien.

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