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7.1 Symptome und Ebenen der Angst

Angst ist ein Gefühl, welches gleichzeitig von Erregung sowie Einengung geprägt ist (Friedrich & Friebel, 2011, S. 14). Sie zeigt sich bei allen Menschen unterschiedlich.

Körperliche Symptome wie Atemnot, Schwindel, Gesichtsblässe, Schweiss und Herzklopfen können sich bemerkbar machen (ebd.). Rotthaus zählt neben den bereits genannten noch weitere körperliche Reaktionen auf: Zittern, Erröten, Kälteschauern, Schwächegefühl und Übelkeit (2020, S. 16).

Unser Körper richtet sich danach aus, die Gefahr möglichst gut überstehen oder aus der Gefahrenzone zu flüchten. Specht-Tomann schreibt: «Das menschliche Nervensystem stellt eine ganze Reihe von Reaktionen zur Verfügung, die zunächst dazu dienen sollen, Gefahrensignale als solche zu erkennen und darauf reagieren zu können» (2007, S. 14). Hoher Blutdruck, geweitete Pupillen, rasender Puls, gesträubte Nackenhaare, Gänsehaut, und Muskelanspannung können neben den oben erwähnten körperlichen Angstreaktion weitere Folgen sein (ebd.). Durst und Hunger bleiben aus: man bekommt keinen Bissen mehr hinunter (ebd.). Wie Friedrich und Friebel (2011, S.14) beschreibt auch Specht-Tomann einen Erregungszustand, welcher als unangenehm erlebt wird (2007, S. 14). Dieser gibt dem Körper bei einer Angstreaktion entweder das Signal zum Kampf oder zur Flucht (2007, S. 14).

Doch die körperliche Ebene ist nur eine von vier Ebenen der Angst, die Specht-Tomann in ihrem Buch beschreibt. Die kognitive Ebene, Gefühlsebene und Verhaltensebene gehören ebenfalls zum Erregungszustand bei einer Angstreaktion (2007, S. 15). Auf der kognitiven und Gefühlsebene, also im seelischen Bereich, kommt es bei einem hohen Angstpegel zu einem «Zusammenbruch der seelischen Kräfte» (2007, S. 14). Die hohe mentale Anspannung wirkt sich auf der kognitiven Ebene auf die Konzentration, das Denken sowie Handeln aus: Sie blockiert und hemmt alles (ebd.). Tritt ein Gefühl der Hilflosigkeit ein, welches den Glauben an sich und die eigenen Fähigkeiten schwächt, kommt es häufig zu einer «Negativspirale» (ebd.).

Diese bedeutet, dass eine Person oder ein Kind die immer schwächer werdenden mentalen Fähigkeit, also das Denken, Bewertungen, Situationseinschätzungen, wahrnimmt und aufgrund dessen in Panik ausbricht (Specht-Tomann, 2007, S. 15).

Die Autorin beschreibt dies metaphorisch als ein «Karussell negativer Gefühle» (ebd.).

Dabei gleitet eine Person in einen angespannten Dauerzustand der Angst hinein, in welchem sie nicht in der Lage ist, Dinge selbst zu bewältigen (ebd.). Die «gute» Angst hat sich hiermit in eine «schlechte» Angst entwickelt, welche ihre «Funktion als schützendes Warnsystem verloren» hat (ebd.).

Bei solchen körperlichen Reaktionen infolge einer von Angst geprägten Situation können selbst Erwachsene nicht genau beschreiben, was sie fühlen (Friedrich &

Friebel, 2011, S. 14). Bei Kindern, vor allem jüngeren, die sich nicht adäquat äussern können, kann nicht darauf verlassen werden, lange, ausführliche Erklärungen zu erhalten (ebd.). Allerdings ist es auch nicht immer einfach, zu erkennen, wenn eine Person diese Symptome zeigt. Zum einen ist es uns Menschen nicht möglich, zu lesen,

20 was sich bei einer Person auf der kognitiven oder Gefühlsebene abspielt. Zum anderen sind körperliche Anzeichen wie beispielsweise geweitete Pupillen aufs Erste leicht übersehbar oder wie ein erhöhter Blutdruck gar nicht erkennbar. Weitaus wichtiger ist es, andere und häufigere Merkmale von Angst zu erfassen. Folglich soll nicht nur auf körperliche Symptome beschränkt, sondern auch auf die Verhaltensebene (Specht-Tomann, 2007, S. 15) eingegangen werden. Auf dieser Ebene ist das Verhalten von Jungen und Mädchen, beispielsweise «motorische Reaktionen wie Fliehen und Kämpfen» (ebd.), ausschlaggebend für die Identifizierung von Angst.

7.2 Beobachtbare Verhaltensweisen

Das Autorenduo Friedrich und Friebel fasst die Ergebnisse einer Studie (Lugt-Tappeser, Trudelwind & Schneider, 199210) zu beobachtbaren Verhaltensweisen bei Angst von Kindern wie folgt zusammen (2011, S. 15f.):

Motorisches Verhalten: Das motorische Verhalten fällt ab. Kinder weichen zurück, wenden sich ab, flüchten allenfalls und lehnen sich im Sitzen zurück. Bei Kleinkindern kann das Ausbleiben von Bewegung von mehr als drei Sekunden auch als Anzeichen für Angst gelten.

Mimik: Hat ein Kind Angst, kann ein Blick auf den Boden oder das Verziehen des Gesichtes zum Weinen oder zum Anschein davon beobachtet werden.

Körperhaltung und Gestik: In der Körperhaltung und Gestik kann bei ängstlichen Kindern beobachtet werden, dass sie den Kopf senken, das Gesicht abwenden, einen mit Händen abwehren, trappeln, mit den Füssen über den Boden schleifen oder die Beine baumeln lassen.

Selbstbeschäftigung: Es kann beobachtet werden, wie sich die Kinder selbst schaukeln, wiegen und sich drehen. Hierbei ist es wichtig, dass sich die Kinder nicht in einem Spiel befinden und ihr Verhalten dadurch begründet werden kann. Weitere Anzeichen von Angst sind: sich kratzen, mit den Händen spielen und Haare in Wirbel drehen oder immer wieder zurückstreichen. Bei Kleinkindern kann es vorkommen, dass sie an Gegenständen wie auch an eigenen Körperteilen nuckeln, saugen und lutschen. Schenkt ein Kind beim Spielen den Objekten, beispielweise Spielsachen, keine Beachtung, sondern fuchtelt nur herum, kann das weiter als Hinweis auf eine Angstreaktion aufgenommen werden.

Soziale Interaktion: Genau wie bei der Selbstbeschäftigung können in der sozialen Interaktion auch viele Kennzeichen auf Angst bei (Klein-) Kindern deuten. Im Spiel mit Gleichaltrigen zeigt sich Passivität: Die Kinder schauen anderen zu und beteiligen sich nicht. Häufig alleine spielen, obwohl andere Kinder in der Nähe sind, kommt vor. Falls sie allerdings doch mitspielen, kann festgestellt werden, dass sie ihre Dinge anderen

10Titel: Die Marburger Angstzeichenliste. Ein Beobachtungsverfahren zur Erfassung der Ängstlichkeit im Vorschulalter.

Da es sich bei dieser Quelle um einen älteren Bericht aus der Universität Marburg handelt, ist er online nicht auffindbar. Im Bibliothekskatalog der Kantons- und Stadtbibliothek St. Gallen, dem Medienverbund PHSG und der Zentralbibliothek Zürich ist er nicht zu finden. Der Kauf des Berichtes wird in Bezug auf den dafür zu leistenden Aufwand und daraus resultierenden Ertrag als nicht lohnenswert erachtet. Aus diesem Grund wird auf eine qualitätsvolle Zusammenfassung von Friedrich und Friebel (2011) vertraut.

21 Kindern ohne Weiteres überlassen und sich nicht wehren, wenn ihnen etwas weggenommen wird. Weiter fällt in sozialen Situationen auf, wenn der Blick der Kinder trotz genügender Spielangebote und -kameraden für mehrere Sekunden ins Leere oder immer wieder zu Erwachsenen, beispielsweise Eltern oder Erziehern/Erzieherinnen, geht. Als letztes Anzeichen von Angst kann das Stillsein in Spiel- oder sozialen Situationen sein.

Es fällt auf, dass die Anzeichen von Angst weitreichend sind. Jeder Mensch und entsprechend jedes Kind reagiert anders auf die subjektiv erlebte Gefahr. Was man als eine Angstreaktion bei sich kennt, muss keineswegs von einer anderen Person geteilt werden. Und selbst wenn das eine oder andere Anzeichen beim Gegenüber bemerkt wird, bleiben Zeichen «eben nur Zeichen» (Friedrich & Friebel, 2011, S. 16).

Jedes dieser Merkmale kann einzeln auftreten, ohne dass es sich um ein sozial unsicheres oder ängstliches Kind handelt (ebd.). Nur wenn solche Verhaltensweisen gehäuft vorkommen oder in bestimmten Situationen wiederkehren, kann interpretiert werden, dass ein Kind Angst hat oder sich bedroht fühlt, selbst wenn es dies nicht immer verbal äussert (ebd.).

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