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Präventiv- und Unterstützungsmassnahmen durch Eltern und Lehrpersonen34

11. Präventiv- und Unterstützungsmassnahmen

11.3 Präventiv- und Unterstützungsmassnahmen durch Eltern und Lehrpersonen34

11.3.1 Aufklärung und Beratung der Eltern und Lehrpersonen

Bevor die Eltern oder Lehrpersonen sozial ängstliche Kinder unterstützen und ihnen helfen können, müssen diese selber über das Krankheitsbild der Sozialen Angst, (Schüchternheit oder Phobie) durch Fachpersonen, beispielsweise Psychotherapeuten, aufgeklärt werden. Die Aufklärung und Beratung der Eltern und Erzieher/innen umfasst: Informationen bereitstellen bezüglich der Angstsymptomatik und der Folgen sowie der vermuteten Faktoren, welche die Angst aufrecht erhalten sowie diejenigen Faktoren, welche von diesen Bezugspersonen beeinflusst werden, herausarbeiten (Büch et al., 2015, S. 96). Weiter werden Informationen zum vermuteten weiteren Verlauf sowie den Behandlungsmöglichkeiten gegeben. Auch hier werden Interventionsmöglichkeiten, die durch die Bezugspersonen beeinflusst werden können, herausgearbeitet (ebd.). Zum Schluss werden Eltern und Lehrkräfte über pädagogische Interventionen in der Familie und in der Schule/dem Kindergarten

12 Ausgenommen Unterkapitel 11.4 Präventiv- und Unterstützungsmassnahmen durch Therapeutinnen und Therapeuten: Hier wird auf Beispiele verzichtet, da es lediglich um die Übersicht der einzelnen Therapieformen geht. Des Weiteren fehlt es den Autorinnen an genügender Kompetenz, um in diesem Gebiet treffende Beispiele zu machen.

35 beraten, die auf die Bewältigung der Sozialen Angst abzielen (ebd.). Hier kann die Beratung der Bewältigung der Angst an drei Förderbereichen ansetzen:

- «durch Stärkung der positiven Beziehung zum Kind oder Jugendlichen»

- «durch Förderung der Autonomie des Kindes/Jugendlichen» und

- «durch den Abbau perfektionistischer Erwartungen und überbehütenden Erziehungsverhaltens» und der gleichzeitigen Stärkung eines Erziehungsverhaltens, welches das Kind unterstützt, seine Angst zu überwinden (ebd.)

Beispiel: Nach der Diagnose «Soziale Angststörung» bei Sarah, hat die Psychotherapeutin Sarahs Eltern erklärt, was das Krankheitsbild umfasst und welche Behandlungsmöglichkeiten es gibt. Zusammen haben sie ebenfalls die Faktoren herausgearbeitet, die Sarahs Soziale Angst beeinflussen könnten. Daraufhin wurde auch die Lehrerin der Schülerin informiert.

11.3.2 Das Gespräch suchen

Leiden Kinder unter Sozialer Angst, ist es zuerst wichtig, das Gespräch mit ihnen zu suchen (Friedrich & Friebel, 2011, S. 46). Specht-Tomann schreibt ebenfalls, dass Gespräche mit den Eltern, bei denen offen über die Problematik geredet und nach Möglichkeiten gesucht wird, Kinder mit Menschen zusammenzubringen, von Bedeutung sind (2007, S. 117). Obwohl sich Rotthaus dieser Meinung anschliesst und darauf verweist, dass man Kindern beim Reden über ihre Angst gut zuhören soll, bemerkt er, dass nicht der Fehler gemacht werden darf, ausschliesslich über die Angst an sich zu reden (2020, S. 51). Er verweist darauf, dass das Reden über angstfreie Zeiten viel mehr Wirkung hat, da die Stimmung aufgehellt und so erkannt wird, welche Situationen und welche Personen diese angstfreien Zeiten ermöglichen (ebd.) Auch Büch et al. beschreiben, dass «das gezielte Herausarbeiten und gezielte Beachten von positiven, nicht angstbesetzten oder nicht leistungsbezogenen Situationen wichtige Interventionsbausteine sind» (2015, S. 100).

Beispiel: Die Lehrerin spricht das Thema der Sozialen Angst beim Elterngespräch an, zunächst ohne Sarah. Sie empfiehlt den Eltern, mit Sarah über ihre Angst in einem Gespräch ganz offen zu reden. Danach sollten die Eltern ihrer Tochter zwar immer zuhören, wenn sie Angst hat und ihr Anliegen ernst nehmen, sich aber auf die angstfreien Situationen konzentrieren. So können sie mit Sarah verschiedene solcher Situationen aufschreiben und den Grund suchen, weshalb Sarah in diesen keine Angst hat. Weiter sollen sie immer auf diese positiven Aspekte hinweisen und Sarah in sozialen Situationen, die sie gut bewältigt, loben.

11.3.3 Das Problem ist nicht das Kind, sondern die Angst

Als Unterstützungsmassnahme im Sinne von verbalem und mentalem Beistand für das sozial ängstliche, sozialphobische oder schüchterne Kind, nennt Rotthaus die Formulierung, wie über die Angst eines Kindes geredet wird. Anstatt zu sagen, dass das Kind ein für andere Mitglieder belastendes Verhalten zeigt, soll formuliert werden:

«Die Angst macht, dass das Kind sich in dieser auffälligen Weise verhält.» So ist nicht

36 mehr das Kind, sondern die Angst das Problem (2020, S. 54). Specht-Tomann bestätigt diese Aussage mit dem Satz: «Was sozial ängstliche Kinder jedoch ganz besonders brauchen, das ist das Gefühl, dass sie in Ordnung sind und geliebt werden»

(2007, S. 119).

Beispiel: In der Schule achtet die Lehrerin stark auf ihre Sprache. Wenn sie merkt, dass ein Vorhaben für Sarah schwer bewältigbar ist, tritt sie dem mit Verständnis entgegen: «Ich weiss, dass du eigentlich XY machen möchtest, die Angst es aber so macht, dass du es nicht schaffst.» Danach hilft die Lehrerin Sarah, die Situation mithilfe von Unterstützungsmassnahmen zu bewältigen.

11.3.4 Stressquellen reduzieren

Als Präventiv-, aber auch Unterstützungsmassnahme schlägt Rotthaus vor, Stressquellen zu reduzieren: «Eine Möglichkeit, dem Kind bei der Bewältigung seiner Angst zu helfen, besteht darin, seinen Tag gut zu strukturieren» (2020, S. 51). So kann mit dem Kind in der Schule sowie Zuhause ein Stundenplan für jeden Tag ausgearbeitet werden, damit es genau weiss, wann welche Aktivitäten anstehen und welche Aufgaben zu erledigen sind (ebd.).

Bei der Strukturierung des Tages verweist Rotthaus auf die Regelmässigkeiten, die dem Kind Sicherheit geben. Dazu zählen beispielsweise gemeinsame Mahlzeiten, Spielzeiten, feste Zeiten, in denen das Kind die Hausaufgaben macht oder zu Bett geht und Zeiten, in denen etwas mit dem Kind gemacht wird oder es sich eine gemeinsame Aktivität wünschen darf (2020, S. 51f.). Auch in der Schule kann dieses Prinzip der zeitlichen Ordnung angebracht werden, da der Stundenplan Lektionen klar gliedert und Pausen festlegt. Als Lehrperson soll dementsprechend darauf geachtet werden, dass diese definierten Zeitspannen eingehalten werden.

Beispiel: Die Lehrerin hat gemerkt, dass es für Sarah leichter ist, wenn sie die Tagesstruktur kennt und weiss, wann welche Situation welche soziale Kompetenz von ihr fordert. Deshalb hat Sarah auf ihrem Tisch ein Brett hängen, auf welchem ein Klettverschlussband befestigt ist, auf welchem sie Kärtchen darauf kleben kann. Die Lehrerin legt Sarah in der richtigen Reihenfolge jeden Tag Kärtchen auf den Tisch, die die Struktur des Tages wiedergeben. Sarah klebt diese Kärtchen nun in derselben Reihenfolge auf ihr Brett und weiss, was sie wann erwartet.

11.3.5 Dem Kind Dinge zutrauen – Das Entgegenkommen abbauen

Wenn ein Kind Angst hat, kann es als Elternteil oder als Lehrperson passieren, dass man dem Kind die Situation erleichtert und die Angst weggenommen werden soll.

Konstante Wiederholung dieses Verhaltens kann dazu führen, dass sich das Kind in der Angst bestätigt fühlt und dementsprechend noch ängstlicher wird (Rotthaus, 2020, S. 56). Rotthaus schlägt deshalb vor, dass man am besten das Kind unterstützen und seine Schwierigkeiten «sehen und anerkennen» soll (ebd.) Gleichzeitig soll aber klar gemacht werden, dass man Vertrauen in die Fähigkeiten des ängstlichen Kindes hat, die Angst zu bewältigen (ebd.). Auch Specht-Tomann schreibt, dass es bei Sozialen Ängsten wichtig und hilfreich ist, die Kindersorgen ernst zu nehmen und den kindlichen

37 Bedürfnissen nach Nähe nachzukommen, man aber «Gelassenheit zeigen und Vertrauen in die positiven Entwicklungskräfte im Kind haben» kann (2007, S. 116.).

Soll die Angst des Kindes begrenzt werden, so muss das «den Wünschen und Forderungen des Kindes entgegenkommendes und an seine Forderungen angepasstes Verhalten» abgebaut werden (Rotthaus, 2020, S. 57). Empathie und Mitgefühl, aber auch Entschlossenheit, dass die Angst bewältigt werden kann, sollen gezeigt werden (ebd.).

Das Entgegenkommen beinhaltet zwei wichtige Punkte (Rotthaus, 2020, S. 58f.):

- das Kind darüber informieren, dass man zu dem Entschluss gekommen ist, sich den Forderungen, «die durch die Angst diktiert werden» zu wiedersetzen, da dies das Problem nur noch schlimmer macht

- das Entgegenkommen schrittweise reduzieren und das Kind für die erbrachte Leistung verbal belohnen (stolz sein auf das Kind)

- dem Wunsch nach 100%iger Sicherheit mit Humor entgegentreten und klar machen, das dies nicht möglich ist (zum Beispiel mit humorvollen Sätzen wie, dass das Kind das Haus am Nachmittag nicht verlassen sollte, weil «es könnte sein, dass aus dem Zirkus gerade ein Löwe ausgebrochen ist» oder «Die Hintertür und der Weg durch den Garten sind auch nicht zu empfehlen. Denn es könnte geschehen, dass gerade ein Flugzeug kein Kerosin mehr hat, und dieses Flugzeug könnte genau über dem Garten abstürzen»). Mit diesen humorvollen Hinweisen lernt das Kind, «mit der Unvorhersehbarkeit zukünftiger Ereignisse umzugehen».

Beispiel: Die Lehrerin hat in der Vergangenheit, wenn die Schülerinnen und Schüler einige Sätze oder einen Kurztext im Kreis vorlesen mussten, Sarah immer übersprungen, nachdem sie ganz leise gesagt hat: «Ich will nicht.» Nun hat die Lehrerin beschlossen, dies nicht mehr zu tun. Sie informiert Sarah darüber, dass sie ihren Forderungen nicht mehr nachkommen wird und fordert von ihr schrittweise, auch mindestens einen Satz in solchen Situationen vorzulesen. Nach zwei Monaten kann Sarah schon sichtlich gelassener einen Kurztext vor der Klasse lesen und streckt manchmal sogar freiwillig auf.

11.3.6 Vorbild sein

So einfach es klingt, in gewissen Situationen genügt es auch, ein gutes Vorbild zu sein.

Das Kind verbringt den Grossteil seiner Zeit mit den Eltern und mit Lehrpersonen. Dies bietet Gelegenheit, als Vorbild dem Kind aufzuzeigen, dass es möglich ist, bestimmten Angstsituationen gegenüberzutreten und diesen gewachsen zu sein (Friedrich &

Friebel, 2011, S. 81). Das betroffene Kind kann beobachten, welche erfolgreichen Strategien es gibt und wie man diese einsetzt (ebd.).

Beispiel: Die Lehrerin hat Höhenangst. Bei einer Wanderung auf einem Schulausflug muss die Klasse eine Brücke überqueren. Dies ist für die Lehrerin sichtlich unangenehm und die Kinder wissen um ihre Höhenangst. Als gutes Vorbild wagt sie

38 es trotzdem, mithilfe von Strategien die hohe Brücke zu überqueren. Sarah erkennt, dass auch Erwachsene Ängste haben, sich diesen aber stellen und sie ausharren.

11.3.7 Positive Erfahrungen und das Vorbereiten auf neue soziale Situationen Ein sozial ängstliches Kind, das Fehler und Konsequenzen übermässig negativ einschätzt, kann sich zurückziehen, weshalb es weniger lernt und weniger soziale Fähigkeiten entwickelt (Friedrich & Friebel, 2011, S. 42f.). Ein allenfalls miteinhergehendes negatives Selbstbild muss von Erwachsenen erkannt werden, am besten im Gespräch mit dem betroffenen Kind (Friedrich & Friebel, 2011, S. 46). Um die «übertriebenen Vorstellungen von den Konsequenzen fehlerhaften Handelns»

abzubauen, soll dem Kind die Möglichkeit gegeben werden, positive Erfahrungen, beispielsweise durch leichtere Aufgaben, zu machen (ebd.). «Schlechte Erfahrungen werden nicht durch einen Rückzug aus der sozialen Situation ausgeglichen, sondern durch gute Erfahrungen» (ebd.).

Auch Specht-Tomann beschreibt, wie wichtig Erfolgserlebnisse sind. Besonders beim Eintritt in den Kindergarten oder die Schule hängt viel vom Gelingen dieser Erlebnisse ab, ob sich das Kind im Laufe der Entwicklung «mit Neugierde und Zuversicht in neue Situationen begeben und gestärkt aus ihnen hervorgehen» kann (2007, S. 107). So können sozial ängstliche Kinder mithilfe von Schnuppertagen oder beim Betrachten von Bilderbüchern und Rollenspielen auf neue soziale Situationen vorbereitet werden, indem sie in die neuen Rollen schlüpfen (Specht-Tomann, 2007, S. 118). Ihre grossen Fragen und dunkle Ungewissheiten werden in kleinere Fragezeichen und neue, kleine Gewissheiten zerteilt (ebd.). Auch Friedrich und Friebel beschreiben, dass bei der Mehrheit der Sozialen Ängste ein Rollenspiel Zuhause in geschützter Umgebung, helfen kann, um zu einer besseren Selbst- und Fremdwahrnehmung zu gelangen (2011, S. 88). So können die betroffenen Kinder verschiedene Verhaltensweisen ausprobieren, diese miteinander vergleichen und optimale Verhaltensweisen einüben (ebd.). Anregungen für Rollenspiele ergeben sich aus der Problematik und dem Alltag der Kinder. So kann beispielsweise eingeübt werden, wie eine Kontaktaufnahme oder Absage am besten formuliert werden kann (ebd.).

Beispiel: Sarah soll lernen, wie sie bei der Post einen Brief abgibt. Die Eltern veranstalten dafür an einem Abend ein Rollenspiel. Zuerst spielt der Vater den Mann am Schalter und die Mutter diejenige Person, welche einen Brief abgeben muss.

Danach wechselt Sarah in beide Rollen und spielt diese mit den Eltern durch. Sarah weiss nun ungefähr, wie die Situation in der Post mit der fremden Person hinter dem Schalter ablaufen könnte und hat mehr Vertrauen darin, dass sie die Situation alleine bewältigen kann.

11.3.8 Angsterziehung und das Leben mit einer erträglichen Angst

Bevor konkrete Präventions- und Unterstützungsmassnahmen aufgegriffen werden, soll nach Rotthaus auf den Versuch verzichtet werden, die Angst zu unterdrücken und die Zukunft mit einer erträglichen Angst angestrebt werden (2020, S. 42ff.). Dies kann mit folgendem Bild verdeutlicht werden – auch für die betroffenen Kinder: «Ängste sind

39 wie das Telefonklingeln. Dass jemand anruft und das Telefon klingelt, kann man nicht verhindern. Aber man muss nicht drangehen» (Rotthaus, 2020, S. 45).

Weiter ist es wichtig, den betroffenen Kindern beizubringen, wie das Angstzentrum im Gehirn arbeitet und auch klarzumachen, dass sie ihrer Sozialen Ängstlichkeit nicht hilflos ausgeliefert sind, sondern diese erziehen können. So kann das Prinzip der

«Angsterziehung» mithilfe folgender Geschichte veranschaulicht werden (besonders, wenn das Kind einen Hund oder eine Katze Zuhause hat):

«Stell dir vor, die Familie Schlau ist in ein schönes neues Haus auf einem grossen Grundstück gezogen. Allerdings liegt das ziemlich weit ausserhalb des Ortes. Aus diesem Grund haben sich die Eltern vorgenommen, einen Wachhund anzuschaffen.

Sie gehen in das nächste Tierheim und treffen dort auf einen Schäferhund, der ganz laut bellt, als sie in die Nähe seines Geheges kommen. «Der soll unser Wachhund sein!» Gesagt, getan, sie nehmen ihn mit nach Hause und nennen ihn Kustos. Denn das heisst auf Lateinisch: der Wächter. Sie freuen sich nun darauf, dass sie in der Nach ganz ruhig schlafen können. Doch damit haben sie sich geirrt: In der ersten Nacht bellt Kustos acht Mal lang und anhaltend, sodass alle Familienmitglieder jedes Mal aufwachen. Einmal war offensichtlich draussen auf dem Weg eine Katze vorbeigelaufen, ein andermal ein Kaninchen und einmal hatte sich ein Vogel kurz vor Sonnenaufgang auf den Zaun gesetzt und gesungen. So konnte es nicht weitergehen!

Und die Eltern beschlossen, Kustos so zu erziehen, dass er nur noch bellt, wenn eine Person ganz nah an den Zaun herankommt oder versucht, über den Zaun zu steigen.

Das hat einige Wochen gedauert und einige Mühe gekostet. Aber inzwischen bellt Kustos nur noch, wenn tatsächlich eine Gefahr droht.» (Rotthaus, 2020, S. 49).

Zur Angsterziehung gehört auch, zu wissen, wie viel Angst eine «erträgliche» Angst ist. Wie bereits in der Einleitung beschrieben, schützt die Angst Kinder vor Gefahren.

Aber: «Wie viel Angst ist notwendig, damit sie in ausreichendem Masse schützt, und wie viel Angst sollte verschwinden, damit ein gutes Leben wieder möglich wird?»

(Rotthaus, 2020, S. 43). Dazu kann das Kind aufgefordert werden, ein Bild seiner Sozialen Angst auf ein Papier aufzumalen. Danach kann gefragt werden, wie viel es von dieser Angst zum Schutz braucht. Dieses Stück, welches es braucht, kann es aus dem Blatt Papier ausschneiden und mit nach Hause nehmen oder an einen sicheren Ort legen. Die restliche «Angst» kann in einem Briefumschlag in einer Schublade verstaut werden (ebd.). Dieses Vorhaben kann von der Lehrperson sowie von Eltern durchgeführt werden. Rotthaus betont, dass ein Gespräch, wie viel Angst das Kind aushalten kann, sehr wichtig ist (2020, S. 44). So kann ein Kind ebenfalls eine Säule malen, die die Angst darstellen soll. Auf dieser Säule setzt es Striche (Markierungen), die aufzeigen, wie viel Angst es in einer Situation tatsächlich aushält und wie viel Angst es aushalten lernen möchte. Nach einer Woche Übung kann dieses Blatt wieder hervorgenommen und der Fortschritt so bewertet werden. (ebd.) In der Schule kann dies anhand von festgelegten Situationen für das sozial ängstliche Kind (z.B.

Aufstrecken, Vortrag halten) gemacht und entsprechend präventiv geübt werden.

Beispiel: Die Lehrerin gibt Sarah den Auftrag, mithilfe der Eltern fünf Situationen in der Schule aufzuschreiben, in denen sie Soziale Angst erlebt. Danach soll Sarah für jede Situation eine Säule malen. Zuerst markiert sie mit einem roten Farbstift und wenig

40 Druck, wie viel Angst sie in der jeweiligen Situation aushält. Danach markiert sie mit blau, wie viel Angst sie lernen möchte, auszuhalten. Sie nimmt dieses Blatt in die Schule mit und legt es unter die Tischunterlage. Jeden Freitagnachmittag hat sie Zeit, sich die Säulen nochmals anzuschauen und diese falls nötig zu verändern. Die Lehrerin bespricht mit ihr, was sich geändert hat, gibt Ratschläge, wie sie ihre Ziele erreichen kann und bestärkt Sarah in dem, was sie bereits gut gemacht hat.

11.3.9 Symptome malen und verändern

Die Angst zu personifizieren und grafisch darzustellen, ist eine sehr alte Idee, nahezu so alt «wie die Menschheit selbst» (Rotthaus, 2020, S. 72). Durch die grafische Gestaltung der Angst kann sie als fassbar und kontrollierbar erlebt werden (ebd.). Die Gestaltung kann durch «bildliches Gestalten, Kneten von Ton oder Formen von Sand sowie durch Spiele» geschehen (ebd.). Durch diese Mittel kann das Kind seine Angst durch Tun verändern, wie es das will: die Grösse und Farbe, die Konsistenz, die Stimme oder den Geruch (ebd.). Ähnlich wie bei der Angsterziehung steckt hier die Idee dahinter, dass das Kind Einfluss und Kontrolle auf die Angst ausüben kann (ebd.).

Beispiel: Im Zeichnungsunterricht wird das fächerübergreifende Thema Angst aufgegriffen. Nach der Behandlung der Geschichte von Quadri und Kakasi (siehe Kapitel Märchen und Geschichten) zeichnen die Kinder nun ihre eigenen Angstmonster. Zuerst ganz gross und dann verändern sie es so, wie sie es eigentlich lieber haben wollen. Sarah zeichnet ein ganz grosses, braunes Monster mit einem bösen Gesicht. Danach verändert sie das Angstmonster so, wie sie es lieber den Grossteil der Zeit bei sich haben würde.

11.3.10 Gefühlsveränderung durch Lautstärke

Diese Übung eignet sich besonders für schüchterne Kinder, um ihre Angst in angsteinflössenden Situationen besser steuern zu können und die Kinder in der jeweiligen Situation besser zu unterstützen. Ein Satz wird in verschiedenen Lautstärken (leise, laut, mittellaut, geschrien) geäussert (Friedrich und Friebel, 2011, S. 89). Nach jedem Mal wird das Kind gefragt, wie es sich bei dieser Variante gefühlt hat. Dabei kann ein Vergleich mit Tieren («Ich fühle mich wie …eine Maus… ein Elefant…») ebenfalls sinnvoll sein, wenn sich das Kind nicht äussern kann (ebd.). Im Anschluss wird besprochen, was dies nun zu bedeuten hat: «Für was steht eine Maus?

Für was ein Elefant?» (ebd.) Mithilfe dieser Übung erfahren sozial ängstliche Kinder, wie die Lautstärke mit Schüchternheit oder anderen Themen, wie Mut, Prahlerei oder Aggressivität, zusammenhängt (ebd.). Die Kinder erfahren, wie ihre eigenen Gefühle sowie die Zuhörer und das Gesagte durch die Lautstärke beeinflusst werden (Friedrich und Friebel, 2011, S. 89f.). Gerade für sozial ängstliche Kinder ist es von Vorteil, wenn sie mit anderen Lautstärken als den von ihnen üblich verwendeten in einem freien Raum experimentieren können (Friedrich und Friebel, 2011, S. 90). So können aus dieser Übung Aufgaben für den Alltag entstehen: «Wenn der Sebastian wieder etwas zu dir sagt, dann antwortest du nicht wie eine Maus, sondern wie ein Löwe!» (ebd.).

Beispiel: Die Eltern führen diese Übung mit Sarah aus und besprechen, wie es auf Zuhörer wohl wirken könnte, wenn Sarah wie eine Maus, wie ein Pferd oder wie ein

41 Elefant redet. Sie besprechen mit Sarah, welche Lautstärke sie als optimal erachtet und sie vereinbaren, dass, wenn Sarah sich in der Schule meldet, sie wie das von ihr gewählte Tier redet, damit die gewünschte Wirkung bei ihren Klassenkameraden erreicht wird. In der nächsten Woche wendet Sarah diese Methode in der Schule an und denkt, wenn sie etwas sagen will oder muss, immer an ihr Tier und ihre Lautstärke.

Sie merkt mit der Zeit, dass sie sich viel sicherer fühlt, wenn sie nicht wie eine Maus redet. Sarah bemerkt auch, dass ihre Klassenkameraden während der ganzen Woche weniger zu ihr geschaut haben, wenn sie geredet hat und niemand kommentiert hat:

Sie merkt mit der Zeit, dass sie sich viel sicherer fühlt, wenn sie nicht wie eine Maus redet. Sarah bemerkt auch, dass ihre Klassenkameraden während der ganzen Woche weniger zu ihr geschaut haben, wenn sie geredet hat und niemand kommentiert hat: