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12. Interviews

12.4 Kategoriensystem

Kategorien können auf zwei verschiedene Arten entwickelt werden: deduktiv und induktiv (Roos & Leutwyler, 2017, S. 296). Deduktiv bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Kategorien vor der Analyse der Daten, durch Vorüberlegungen, abgeleitet werden (ebd.). Die induktive Arbeitsweise beschreibt, dass die Kategorienbildung erst im Laufe der Analyse vorgenommen wird (ebd.). Roos und Leutwyler erläutern, dass in der Praxis eine Kombination der beiden Vorgehen häufig ist (2017, S. 297). «Aufgrund (theoretischer) Vorüberlegungen werden erste Kategorien deduktiv entwickelt, die im Laufe der Analyse jedoch kontinuierlich induktiv verfeinert und angereichert werden» (ebd.). Ebenfalls ist es üblich, die Kategorien aus dem Interviewleitfaden abzuleiten und anschliessend zu abstrahieren oder umzuformulieren (ebd.).

Das folgende Kategoriensystem wurde induktiv sowie deduktiv entwickelt und ist an den Interviewleitfaden angelehnt. Die Codierregeln, welche die Zuordnung zu den entsprechenden Kategorien festlegen (ebd.), und je ein Ankerbeispiel, das zur Veranschaulichung dient (ebd.), werden ebenfalls aufgeführt.

Kategorie Codierregel Ankerbeispiel

2.2 Auffälligkeiten bei Eltern Aussagen über die Auffälligkeiten,

59

«Es ist den anderen in diesem Alter aber auch gar nicht

3.1 Verständnis des Begriffs Aussagen über das subjektive Situationen vermeidet wo sie bewertet, ausgelacht oder

3.2 Ursachen Aussagen über die

Ursachen, welche der Sozialen Angst zugrunde liegen (könnten)

«Also ich denke am Anfang ist vermutlich noch gar keine

3.3 Komorbide Störungen Aussagen über Störungen, die

60 3.4 Häufigkeit Aussagen über die

Vermutungen oder

3.5 Abgrenzung Aussagen über die Abgrenzung der

Leistungsangst find ich ist jetzt eher etwas, schon von aussen, man kann dem schon sozial sagen, aber eher vom System her. Das tritt jetzt bei mir in der Grundstufe weniger Beispiel, für so ein Kind kann es sein für eine Partnerarbeit. Hilfestellung gibt und einfach ohne Druck. Druck bringt überhaupt nichts.» (B3, Zeile 49-53)

61 beim anderen ist vielleicht ganz etwas anderes gefragt.

«Wo man auf einmal sieht wie ein Kind, im Kontakt mit dem Tier aber auch mit dem liebsten hinter die anderen zurücktretet.» (B1, Zeile 346-350)

Tabelle 5 Kategoriensystem der qualitativen Inhaltsanalyse (Befragter 1 et al., 2020, Persönliches Interview)

12.5 Analyse - Zusammenfassung der Daten

Beim Analysieren des Datenmaterials gibt es drei Formen (Roos & Leutwyler, 2017, S. 300f.):

1. Zusammenfassen: Gleiche/ähnliche Informationen werden zusammengefasst beispielsweise in Oberbegriffe oder durch das Paraphrasieren zu einer allgemeinen Aussage zusammengefasst.

2. Explizieren: Stellen oder Aussagen werden «erläutert, ausgelegt, in einen Kontext gesetzt» und eventuell mit Ergänzungen aus anderen Quellen versehen.

3. Strukturieren: Eine «häufige Form der Strukturierung ist die Gegenüberstellung von unterschiedlichen Perspektiven». Ebenfalls können verschiedene Aspekte durch das ganze Datenmaterial hindurch gesucht und verfolgt sowie Zusammenhänge zwischen den Kategorien hergestellt werden.

Die nachfolgende Analyse wird mit dem Verfahren «Zusammenfassen» nach Roos und Leutwyler (2017, S. 300), erarbeitet. Dabei werden alle Äusserungen der

62 befragten Personen in den Transkripten durchgelesen und ähnliche oder gleiche Informationen einer Unterkategorie zu allgemeingültigen Aussagen zusammengefasst (B1 et al., 2020; Persönliches Interview):

1. Sozial ängstliche Kinder

1.1 Erfahrungen mit sozial ängstlichen Kindern

Die Befragten haben mit sozial ängstlichen Kindern die Erfahrung gemacht, dass sie ruhige, schüchterne und unauffällige Kinder sind. Sie fühlen sich in neuen Situationen oder mit Fremden unwohl und versuchen, diese zu vermeiden. Sozial ängstliche Jungen und Mädchen können sich jedoch in einem geschützten Raum, nachdem sie Vertrauen gewonnen haben, öffnen und sich sicher fühlen.

Einige Befragte haben erlebt, dass die betroffenen Kinder nach aussen ein von der Norm abweichendes Verhalten zeigen können, für welches die Soziale Ängstlichkeit verantwortlich ist.

1.2 Angstsituationen

Als Angstsituationen haben die Befragten grösstenteils Situationen genannt, in denen die betroffenen Kinder von anderen bewertet werden können oder mit anderen Personen, beispielsweise Erwachsenen oder Gleichaltrigen, zusammen sein müssen.

Als konkrete Beispiele wurden Vortragssituationen, Kreissituationen, Einkaufen, Vorlesen, Schulreisen, Spielgruppe, Mittagstisch und das Reisen mit dem öffentlichen Verkehr erwähnt.

2. Auffälligkeiten

2.1 Auffälligkeiten und Symptome bei sozial ängstlichen Kindern

Auffälligkeiten oder Symptome, welche die Befragten bei sozial ängstlichen Kindern beobachteten, sind gebücktes Laufen, eine sehr steife Haltung, Übelkeit in Angstsituationen, Stottern, ein trockener Mund, Zittern oder Erröten.

Weiter haben die Befragten ausgesagt, dass sozial ängstliche Kinder Augenkontakt meiden, leise oder gar nicht reden, keinesfalls irgendwo alleine hingehen wollen, wenig kommunizieren und selten für ihre Bedürfnisse einstehen.

2.2 Auffälligkeiten bei Eltern

Einige der Befragten haben geäussert, dass es für Eltern peinlich, unangenehm oder stressig sein kann, wenn sie ein sozial ängstliches Kind haben. Manche Eltern hatten selbst schlechte Erfahrungen in der Schule gemacht und versuchen deshalb, das Kind zu schützen, indem sie es überbehüten und das Kind angsteinflössende Situationen vermeiden lassen.

Es gibt aber auch Fälle, in welchen den Eltern gar nicht, oder nur wenig, bewusst ist, dass ihr Kind sozial ängstlich ist, obwohl sie schon Auffälligkeiten beobachten konnten.

Für viele stellt die Diagnose eine Erleichterung dar.

63 2.3 Auffälligkeiten bei Gleichaltrigen

Bei Gleichaltrigen gibt es zwei Arten von Reaktionen auf sozial ängstliche Kinder.

Manche Befragte haben beschrieben, dass gewisse Kinder von Gleichaltrigen ausgelacht werden und eine Rangordnung in der Klasse entsteht. Andere haben wiederum erzählt, dass sozial ängstliche Kinder von anderen, manchmal auch ohne böse Absichten, nicht wahrgenommen oder ignoriert werden. Zuletzt gibt es Gleichaltrige, die eine Helferrolle einnehmen und sozial ängstliche Kinder unterstützen und Angelegenheiten für sie regeln.

3. Subjektives Wissen über die Soziale Angst 3.1 Verständnis des Begriffs

Unter dem Begriff der Sozialen Angst verstehen die Befragten extreme Schüchternheit, eine Angst vor der Begegnung mit Unbekanntem oder Fremden und wenn sich das Kind nicht sicher fühlt. Weiter wird diese Thematik damit umschrieben, dass die Kinder Angst davor haben, von anderen bewertet zu werden und deshalb entsprechende Situationen vermeiden.

3.2 Ursachen

Befragter 4 begründet, dass die Ursachen für Soziale Ängstlichkeit der Genetik oder schlechten Erfahrungen zugrunde liegen. Dem Umfeld kommt bei der Entwicklung der Sozialen Angst ebenfalls eine grosse Bedeutung zu.

3.3. Komorbide Störungen

Als komorbide Störungen wurden von den Befragten Depressionen, Panikattacken, Ticks, Ess- oder Schlafstörungen, die Borderline-Persönlichkeitsstörung oder psychosomatische Beschwerden, wie Probleme mit dem Magen-Darmtrakt oder Kopfschmerzen, genannt. Des Weiteren wurden Legasthenie, Dyskalkulie und Schulabsentismus erwähnt.

3.4 Häufigkeit

Bei der Häufigkeit der Sozialen Angst haben die Befragten verschiedene Angaben gemacht. Allgemein denken Interviewten, dass in der Schule die Schüchternheit oft, Soziale Angststörungen eher selten vorkommen. Erwähnt worden sind die Werte 10-20%, welche jedoch Schätzungen und deshalb keine allgemeingültigen Werte darstellen. Ein Befragter erwähnte, dass von den sozial ängstlichen Kindern, die bei ihm in der Behandlung waren, 80% Mädchen sind.

3.5 Abgrenzung

Die Abgrenzung der Sozialen Angst zu der Prüfungsangst, der Leistungsangst und der Schüchternheit kann nicht immer klar definiert werden. Für die meisten Befragten gehört die Schüchternheit zu der Sozialen Angst dazu, oder wird als eine Vorstufe der Sozialen Angst betrachtet. Die Prüfungs- oder die Leistungsangst gehört für vier der Befragten nicht zu der Sozialen Angst und kann getrennt von ihr betrachtet werden.

64 Der Befragte 2 erläutert, dass diese zwei Ängste spezifischer auf Prüfungs- oder Leistungssituationen bezogen sind.

4. Präventivmassnahmen

4.1 Erfahrungen bezüglich Präventivmassnahmen

Damit die Soziale Angst der betroffenen Kinder verhindert werden kann, ist es wichtig, dass sie Vertrauen aufbauen und sich in ihrem Umfeld willkommen fühlen können.

Weiter ist wichtig, sie auf neue Situationen vorzubereiten, indem sie gut informiert werden, im Voraus schon erklärt wird, um was es bei einer neuen Aktivität geht, und neue Situationen mit ihnen in einer beliebigen Form durchspielt werden.

Als Lehrperson ist es vorteilhaft, wenn bei einer Gruppenarbeit die Gruppen schon bildet werden, sodass die Kinder nicht in Angstsituationen kommen. Ein wohlwollendes Klassenklima hilft dabei, dass sich die Kinder im Schulzimmer wohler und sicherer fühlen.

4.2 Ideen bezüglich Präventivmassnahmen

Die Befragten B1 und B5 überlegten sich folgende Präventivmassnahmen, um Soziale Angst bei Kindern vorzubeugen: Theater spielen, um sich an Situationen gewöhnen und sich in diese hineinversetzen zu können, und Vorträge (oder ähnliches) zu zweit anstatt alleine zu machen. Weiter kann das Thema Angst anhand einer Geschichte oder einem Bilderbuch in der Klasse behandelt werden. So können sich Kinder mit gewissen Charakteren identifizieren, ohne dass diese Kinder direkt vor allen anderen angesprochen und eventuell so blossgestellt werden.

5. Unterstützungsmassnahmen

5. 1 Erfahrungen bezüglich Unterstützungsmassnahmen

Die wichtigste Unterstützungsmassnahme für sozial ängstliche Kinder ist, dass Bezugspersonen für sie da sind und sie verstehen. Lehrpersonen und Eltern sollen die Anliegen und die Angst der Kinder ernst nehmen, ihnen zuhören und die Angst nicht herunterspielen.

Als Lehrperson ist es bedeutend, aufmerksam zu sein und den Kindern in angsteinflössenden Situationen «im Rücken zu stehen» und ihnen ein Gefühl der Sicherheit zu geben.

Befragter 2 betonte die Progressive Muskelentspannung nach Edmund Jacobsen20, wobei Muskeln bewusst kurz angespannt und dann entspannt werden.

20 Für mehr Informationen siehe Truffer, H.-E. (2019). So funktioniert Progressive Muskelentspannung.

Abgerufen von https://www.helsana.ch/de/blog/themen/gesundheitstipps/progressive-muskelentspannung.html (05. Januar 2021)

65 5.2 Unterschiede bezüglich Unterstützungsmassnahmen bei sozial ängstlichen Kindern

Kinder mit Sozialen Ängsten brauchen immer unterschiedliche Unterstützungsmassnahmen, weil der Kern der Angst an unterschiedlichen Orten liegt.

Befragter 2 fügte hinzu, dass es von Bedeutung sei, wie stark und wie lang die Kinder schon unter der Angst gelitten haben.

Alle Befragten sind sich einig, dass die Behandlung der Angst viel Zeit in Anspruch nimmt und Druck zu keinem Erfolg führt.

6. Behandlungen

6.1 Therapien und Theorieansätze

Die Befragten arbeiten mit den folgenden Therapien und Theorieansätzen:

Progressive Muskelentspannung nach Edmund Jacobsen, Verhaltenstherapie, Psychomotorik, Psychoedukation, Angsthierarchie, Pferdetherapie, und Pränatale – und Geburtstherapie nach Ray Castellino21.

21 Für mehr Informationen siehe Castellino Prenatal & Birth Therapy Training (o.J.) News. About Dr.

Castellino. Abgerufen von http://www.castellinotraining.com/ (05. Januar 2021)

66

13. Verknüpfung und Vergleich von Literatur und Interviews

In diesem Kapitel werden die theoretischen Grundlagen aus dem Kapitel 11. Präventiv- und Unterstützungsmassnahmen mit den Erfahrungen der Befragten und dem Gesagten aus den Interviews verglichen und Gemeinsamkeiten erforscht.

Hierbei werden allerdings nur die im Kapitel 12 gebildeten Kategorien

«Präventivmassnahmen» und «Unterstützungsmassnahmen» im Vordergrund stehen, da die restlichen Kategorien für die Beantwortung der Fragestellung nebensächlich sind.

Um die Fragestellung wieder ins Gedächtnis zu rufen, wird sie folgend nochmals niedergeschrieben:

«Wie kann man Schülerinnen und Schüler mit sozialen Ängsten im Schulalltag effektiv unterstützen?»

Da die Bedeutung von «Unterstützung» gemäss Duden unter anderem «Helfen» und

«Fördern» beinhaltet22, gehören zum effektiven Unterstützen alle Massnahmen, die zur Förderung des Kindes beitragen oder dem Kind bei der Bewältigung der Sozialen Angst helfen. Dies umfasst sowohl die Unterstützungs- als auch die Präventivmassnahmen.

Bei der Verknüpfung und dem Vergleich von der Theorie und den Inhalten aus den Interviews wird so vorgegangen, dass die einzelnen Unterkapitel aus dem wissenschaftlichen Theorieteil23 aufgelistet, jeweils nochmals kurz beschrieben und mit zwei bis drei passenden Aussagen aus den Interviews vernetzt und gegenübergestellt werden.

13.1 Präventiv- und Unterstützungsmassnahmen durch Eltern und Lehrpersonen

13.1.1 Aufklärung und Beratung der Eltern und Lehrkräfte

Büch et al. beschreiben, dass die Eltern und Lehrkräfte selbst über die Problematik der Sozialen Angst, wie beispielsweise über die Angstsymptomatik oder die aufrechterhaltenden Faktoren, aufgeklärt werden müssen (2015, S. 96).

Im Interview hat die Befragter 2 folgendes gesagt:

«Genau, Psychoedukation heisst, dass man viel Wissen vermittelt mit Modellen und Büchern. Dann bespricht man das noch mit den Eltern und den Jugendlichen und auch mit den Kindern, je nach Alter, kindgerecht. Ich habe das immer als eine grosse Unterstützung für die Eltern und auch für die Lehrer erlebt.» (Zeile 107 – 110)

22 Vergleiche Kapitel «11.1 Die Begriffe Prävention und Unterstützung»

23 Dementsprechend dem Kapitel 11 Präventiv- und Unterstützungsmassnahmen

67 Auch der Befragte 1 hat erklärt:

«Und den gleichen Tipp den Eltern geben. Manchmal ist es den Eltern gar nicht so bewusst. Sie nehmen schon wahr, dass das Kind dort ein bisschen Mühe hat, aber es ist für sie so selbstverständlich, dass sie das Leben um das Kind herumarrangieren […]» (Zeile 256 – 259)

Besonders aus dem Interview 1 wird klar, dass nicht allen Eltern bewusst ist, dass bei ihrem Kind eine Störung vorliegt. Deshalb ist es, wie in der Theorie und von dem Befragten 2 beschrieben, wichtig, die Eltern und die Lehrpersonen aufzuklären, damit am Problem des Kindes gearbeitet werde kann.

13.1.2 Das Gespräch suchen

Friedrich und Friebel (2011, S. 46) sowie Rotthaus (2020, S. 51) beschreiben, dass das Gespräch über die Problematik mit dem Kind wichtig ist, wobei Rotthaus betont, dass sich auf die angstfreien Zeiten bezogen werden soll (ebd.). Specht-Tomann ergänzt, dass auch das Gespräch mit den Eltern aufgesucht werden soll (2007, S.

117).

Befragter 4 hat indirekt angedeutet, dass es wichtig sei, dem Kind anfangs deutlich zu machen, was das Problem ist. Spuren davon können dieser Aussage entnommen werden:

«Weil, die Gefahr bei dieser verhaltenstherapeutischen Fahrschiene, ist, dass wir das Kind dorthin bringen wollen, wo wir es gerne hätten als Erwachsene. Ist absolut verständlich. Aber für mich gibt es andere Wege. Nämlich, indem wir das anerkennen, was gewesen ist, warum das Kind das eben zeigt. Und eben, wo man einem Kind sagt

«Schau, deine Reaktion im Zusammenhang mit dem, was du damals erlebt hast, ist doch völlig okay. Du bist doch nicht falsch, sondern das Gegenteil. Ich bin so froh, dass du mir das so klar zeigen kannst». Und dann erkennen wir das Kind für das an, dass es damals in seinem Körper völlig richtig reagiert hat» (Zeile 412 – 420).

Im Interview mit dem Befragten 1 hat dieser erläutert:

«Und dann in einem intensiven Elterngespräch haben sich die Eltern rückbesonnen und haben gemerkt «Eigentlich haben wir schon in der Spielgruppe so gemerkt, dass er…» oder «Er wollte nie zu anderen spielen». Plötzlich, in diesem Licht dann, fallen ihnen Sachen auf, die darauf hingedeutet haben» (Zeile 270 – 272).

In diesen zwei Aussagen kann die Relevanz des Gesprächs mit den Eltern oder/und dem Kind aufgezeigt werden. Aus der Aussage vom Befragten 4 kann interpretiert werden, dass es bedeutsam ist, dem Kind zuzuhören, es auf die Angst anzusprechen und die Angst anzuerkennen.

68 13.1.3 Nicht das Kind, sondern die Angst ist das Problem

Hierbei geht es darum, dem sozial ängstlichen Kind das Gefühl zu geben, dass mit ihm alles in Ordnung ist und es geliebt wird (Specht-Tomann, 2007, S. 119). Rotthaus verweist auf die Formulierung, welche beim Gespräch über die Angst verwendet wird (2020, S. 54).

Hier kann erneut die Aussage vom Befragten 4 als Beispiel zur Verdeutlichung genommen werden:

««Schau, deine Reaktion im Zusammenhang mit dem, was du damals erlebt hast, ist doch völlig okay. Du bist doch nicht falsch, sondern das Gegenteil. Ich bin so froh, dass du mir das so klar zeigen kannst»» (wörtliches Zitat in einem Zitat) (Zeile 417 – 419) Ein weiteres Zitat aus dem Interview des Befragten 4:

««Dass du Angst hast, spüre ich. Ich habe jetzt gar keine Angst, aber bei dir ist es anders.» Und dann anerkennen wir das Kind. Das Kind merkt dann, «jetzt werde ich gesehen und gehört so wie ich bin».» (Zeile 126 – 128).

13.1.4 Stressquellen reduzieren

Rotthaus schlägt vor, Stressquellen zu reduzieren, indem man Struktur in den Alltag des Kindes, beispielsweise anhand von Stundenplänen und Regelmässigkeiten wie Mahlzeiten oder Spielzeiten, bringt (2020, S. 51).

Befragter 3 hat in diesem Zusammenhang folgendes erwähnt:

«Nicht vor vollendete Tatsachen stellen, sondern Sachen ankündigen. Oder einen Wochenplan machen hilft auch sehr, dass neue Situationen vorbereitet sind» (Zeile 218 – 220).

Befragter 5 hat bezüglich Stressquellenreduktion angedeutet:

«Die beim Vortrag müssen wissen, dass ich da bin. Man muss reden mit dem Kind und schauen, dass technisch auch alles funktioniert […]» (Zeile 214 – 216).

Auch Befragter 1 bezieht sich mit folgender Aussage auf die Stressreduktion:

«Das Erste, das mir in den Sinn kommt, ist natürlich, dass du gewisse Stresssituationen auch einfach vermeidest. Also, dass du dir halt etwas organisierst. Wie zum Beispiel, für so ein Kind kann es sein für eine Partnerarbeit «Jetzt muss ich einen Partner suchen». Dann machst du die Pärchen schon» (Zeile 464 – 467)

Bei dieser Präventivmassnahme wird klar, dass sich das Kind mithilfe der Stressreduktion mental auf allenfalls als schwierig empfundene, soziale Situationen vorbereiten und nicht die ganze Zeit darüber nachdenken und sich sorgen muss, wann die Soziale Angst auftritt.

69 13.1.5 Dem Kind Dinge zutrauen – Das Entgegenkommen abbauen

Bei dieser Massnahme soll dem Kind aufgezeigt werden, dass Erziehungspersonen Vertrauen in die kindlichen Fähigkeiten, die Angst zu bewältigen, haben (Rotthaus, 2020, S. 56). Der Autor schreibt ebenfalls, dass den Wünschen des Kindes entgegenkommendes und «an seine Forderungen angepasstes Verhalten» abgebaut werden muss (Rotthaus, 2020, S. 57).

Befragter 2 verdeutlicht das elterliche Entgegenkommen wie folgt:

«Das ist meine Hypothese, dass es sicherlich in einem gesunden Grad angefangen hat aber je mehr Schwierigkeiten das Kind hatte, desto mehr haben die Eltern versucht das Kind zu schützen. Oder dass es ihm besser geht, haben sie dem Kind immer mehr abgenommen. Dann ist es aber in eine ungesunde Richtung gegangen» (Zeile 77 – 80).

Die Befragte 1 beschrieb folgendes im Kontext, dass bei Kindern die Eltern entgegenkommen, sozial ängstliche Erwachsene gewisse Sachen jedoch einfach erlernen müssen, weil im Berufsleben nicht auf ihre Ängste Rücksicht genommen werden kann:

«Bei einem Kind, wenn die Eltern sagen es soll zum Beck und Brot holen, und es will nicht, dann zwingt es keine Mutter dies trotzdem zu machen» (Zeile 178 – 180) Bei dieser Präventivmassnahme hat keiner der Befragten erwähnt, dass das Entgegenkommen der Eltern abgebaut werden muss. Allerdings wird aus den Aussagen klar, dass die Fürsorge in eine ungesunde Richtung gehen und es später dafür zu Problemen im Berufsalltag kommen kann.

13.1.6 Vorbild sein

Friedrich und Friebel machen deutlich, dass Erwachsene in ihrer Vorbildrolle dem sozial ängstlichen Kind aufzeigen können, dass es möglich ist, der eigenen Angst gegenüberzutreten (2011, S. 81).

Der Befragte 4 hat zu der Vorbildfunktion der Erwachsenen zwei Aussagen gemacht:

«[…] vor allem auch Eltern, die ihre eigene Geschichte auch anschauen. Und sagen

«Hey, Moment einmal. Ich kenne das doch.» Dann sage ich ab und zu «Ja, haben Sie ihrem Kind schon einmal erzählt, wie Sie es als Kind gehabt haben?». «Ouh, nein.

Habe ich noch nie.» Dann muss ich sagen «Das fände ich vermutlich wichtig. Und wenn, dann hört das Kind, wie Sie mit dem umgegangen sind. Wie Sie es geschafft haben. Und das könnte ein gutes Beispiel sein». Wenn das Kind sagt «Hey, wenn das Mami das macht, dann kann ich das doch auch» (Zeile 662 – 668)

«Und das gibt dem Kind Vertrauen «Hey, ich kann dieser Welt begegnen, weil das Mami begegnet der Welt, der Papi begegnet der Welt» und es ist einfach da, selbstbewusst, «Das kann ich auch». Und Kinder schauen ganz genau, was die Erwachsenen machen. Ich sage immer wieder, wir müssen Kinder nicht erziehen, wir müssen ihnen nur ein Beispiel geben, und dann schauen die schon was wir machen und machen es uns nach» (Zeile 271 – 276)

70 Aus den theoretischen Grundlagen und aus dem Interview des Befragten 4 kann interpretiert werden, dass es einen positiven Einfluss auf das Selbstvertrauen des sozial ängstlichen Kindes hat, wenn Erwachsene sich ihrer Vorbildrolle bewusst sind und entsprechend handeln.

13.1.7 Positive Erfahrungen und das Vorbereiten auf neue soziale Situationen Sowohl Friedrich & Friebel als auch Specht-Tomann berichten, wie wichtig Erfolgserlebnisse und positive Erfahrungen zur Bewältigung der Angst sind (2011, S.

46; 2007, S. 107). Sozial ängstliche Kinder können mithilfe von beispielsweise Schnuppertagen oder Rollenspielen auf neue soziale Situationen vorbereitet werden (Specht-Tomann, 2007, S. 118).

Befragter 5 hat bezüglich des Vorbereitens auf neue Situationen geäussert:

«Was vielleicht helfen würde, ist wenn man ein wenig Theater spielt. Sodass sie sich

«Was vielleicht helfen würde, ist wenn man ein wenig Theater spielt. Sodass sie sich