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Westlich des Clock Tower – Arushas Zentrum des Souvenir- und Curiohandels

9 Souvenir- und Curiohändler – Perlenob- Perlenob-jekte als globale Waren

9.2 Westlich des Clock Tower – Arushas Zentrum des Souvenir- und Curiohandels

Die bereits weiter oben eingeführte Unterscheidung in Curio- und Souvenir-handel ist primär der Beobachtung geschuldet, dass es in Arusha zwei deutlich voneinander abgrenzbare Formen des Handels bzw. der Aneignung von Glasperlenobjekten gibt. Die Objekte, um die es geht, erfüllten in ihrem ersten Leben Funktionen als Schmuck, Kleidung oder Gebrauchsgegenstand im Haushalt wie z.B. die perlenverzierten enkukuri (Kalebasse), andere werden erst speziell für den Verkauf gefertigt, ohne vor ihrem Dasein als Souvenier oder Curio je etwas anderes gewesen zu sein.

Gerade an Perlenarbeiten wird deutlich, dass Souvenirhandel und Curio-handel klar voneinander abgegrenzt sind. Die Käufergruppen unterscheiden sich, Waren wie Händler gehören unterschiedlichen Gruppen an. Kaufen im Souvenirhandel eher Touristen, so sind es im Curiohandel eher ortsansässi-ge residents183 und Händler. Im Souvenirhandel besteht der überwiegende Teil des Warenangebots aus kleineren Objekten, große wie ilkilani (Röcke) werden sogar manchmal zerschnitten und in kleine Objekte umgearbeitet.

Im Curiohandel spielen auch große Objekte eine Rolle. Perlenarbeiten, vor allem die großen wie ilkilani und isosin sind am Gesamtumsatz der Ge-schäfte aber weniger stark beteiligt als es ihre Präsenz im Laden vermuten lässt. Exemplarisch für das Konzept Curiohandel steht Abdaiali’s Curio Shop in der Maeda Street. Eindeutig auf den Souvenirhandel ausgerichtet sind die Gruppe maasprachiger Frauen in der gleichen Straße, umhergehen-de Kleinhändler und die Geschäfte umhergehen-der Souvenirbuumhergehen-den. Die verschieumhergehen-denen

183 Residents sind nichttansanische Fremde, die sich für einen längeren, doch befristeten Zeitraum hier aufhalten. Darunter fallen unter anderem Entwicklungshelfer, Missionare und UN-Mitarbeiter. Resident ist also keineswegs nur der weiße Europäer oder Amerikaner, sondern auch der indische UN-Mitarbeiter und der koreanische Missionar, die alle gemein-sam eine aus lokaler Sicht recht homogene Gruppe relativ finanzkräftiger Fremder bilden.

Formen des Handels unter einem Dach, doch klar voneinander getrennt, finden sich bei Cultural Heritage.

Der Clock Tower ist, wenn auch nicht räumlich, so doch in der Vorstel-lung der meisten Bewohner das Zentrum Arushas. Aber auch fast alle Touristen kennen das alte Zentrum Arushas von einem kurzen Bummel durch die dort ansässigen Läden. Versetzt man sich in die Lage eines gerade angekommenen Touristen, so bleiben während der drei bis vier Stunden Aufenthalt, nur zwei Möglichkeiten, die Stadt auf einem kurzen Fußmarsch zu erkunden: Die Dodoma Road hinauf und hinunter zu laufen, oder sich ein wenig in dem Viertel nordwestlich des Clock Towers zu bewegen. Um beides gründlich zu erkunden, sind zwei bis drei Stunden ausreichend. Da die Zahl der Geschäfte und Stände insgesamt recht überschaubar ist, sieht jeder auch nur einigermaßen interessierte Tourist auch in fast jedes Geschäft kurz hinein, so dass diese auch weitgehend auf lockende Werbung verzich-ten können. Abb.29: Arushas Zentrum des Souvenir- und

Curiohan-dels.

Touristen finden in diesem Dreieck auf kleinem Raum ein sehr heterogenes Angebot an Souvenirs und Curios: Maasaifrauen, die selbst Perlenarbeiten fertigen und sie direkt verkaufen in der Joel Maeda Street, Händler mit Sperrholzbuden und recht einfachem Angebot in der Souvenirgasse, in der Joel Maeda Street und am Kreisverkehr wamachinga, die mit einer Hand-voll Gegenständen potentielle Kunden verfolgen und ihre Ware anbieten sowie indische Curio Shops mit einem reichhaltigen Angebot an Souvenirs von der Postkarte über Schnitzereien und Perlenschmuck bis hin zu Edelsteinen in der Joel Maeda Street.

Mit ihren kaum 300 m Länge und einer Breite von gut 60 m wirkt die Joel Maeda Street wie ein Platz. Der Blick-fang im Zentrum unter drei großen Bäumen ist eine Gruppe Maasaifrauen. Jeder kennt sie. Die Gruppe umfasst ca. 18 Frauen, von denen meist zwischen acht und 16 anwesend sind. Bei gutem Wetter sitzen

sie zur Straße hin an den Bäumen. Ihre Waren, zu über 95 % Perlenarbeiten, haben sie vor sich ausgebreitet. Die isosin, an einen 20 cm hohen Randstein gelehnt, bilden den Abschluss und eine klare Trennung zum Raum der Straße. Hinter dem 10 m2 großen Carre mit den drei Bäumen verläuft ein Bürgersteig, der zur India Street über drei Stufen ansteigt. Auf den über-dachten Bürgersteig ziehen die Frauen sich bei Regen zurück. In der Regenzeit sind zwar ohnehin weniger Frauen anwesend, aber trotzdem wird es dann eng auf dem Bürgersteig, den sie sich mit den Betreibern von zwei Batikständen und den vorbeigehenden Passanten teilen müssen.

Abb.30: Souvenirhändlerinnen in Arusha.

(Foto: Vierke 2005)

Im Gegensatz zu den Frauen mit ihren aufgestellten isosin fallen die Curio Shops nicht sehr auf. Das Geschäft des zweitgrößten Curiohändlers befindet sich 20 m links hinter dem Platz, an dem die Maasaifrauen sitzen.

Es ist nach außen hin unscheinbar wie die anderen Curio Shops auch. Die Schaufenster sind klein und bescheiden eingerichtet. Einfache handgemalte Schilder weisen hin auf Abdaiali „Curio“ Dealer oder Qutbi Art Gallery - Stockists & Dealers of: Oil Paintings, Batics, Makonde Carvings, Jewelleries & Gift Items. Im Viertel um die Joel Maeda Street stehen Touristen keiner verwirrenden Vielfalt gegenüber, in der einzelne Geschäfte mit aufwendiger Werbung auf sich aufmerksam machen müssten. Es gibt gerade einmal fünf Curio Shops mittlerer Größe und einige kleinere. Die Werbung um Kunden findet nicht durch Präsentation nach außen, sondern im Geschäft statt: Das Warenangebot verlockt in seiner unübersichtlichen Vielfalt, das Geschick des Händlers entscheidet darüber, ob der Kunde länger verweilt und sogar kauft. Die indischen Curiohändler gehen auf ruhige, unaufdringliche Art vor. Die Geschäfte, mit Waren übervoll, laden zum Stöbern ein. Ganz anders ist dies, wenn man sich in die Souvenirgasse begibt: Hier sind die Auslagen in den einfachen Bretterbuden eher

über-sichtlich. Die zumeist jugendlichen Händler haben oft wenig Kapital für ein üppiges und vielfältiges Warenlager und versuchen angesichts der geballten Konkurrenz, die Kunden sehr offensiv anzugehen. Sie selbst sehen sich als viongozi, Fremdenführer, oder als wachuuzi, Händler, doch am Rand dieser Gruppe gibt es durchaus auch einige junge Männer, die von Passanten und Ladenbesitzern nicht ganz zu Unrecht als wahuni, Vagabunden, diffamiert werden.

9.2.1 Wachuuzi, viongozi na wahuni – Arushas Souvenirgasse

Die kleinen Händler der Souvenirgasse sind nicht nur als Vergleichsgruppe zu anderen Händlern wichtig, sie beeinflussen durch ihre Anwesenheit und ihr Handeln auch die Strategien der arrivierten Ladenbetreiber – nicht nur als Konkurrenz, sondern auch, weil diese sich in ihren Verkaufsstrategien direkt auf sie beziehen. Betrachtet man den typischen Weg, den Touristen in Arushas Zentrum nehmen, so zeigt sich, dass sie erst in Kontakt mit den wachuuzi, den viongozi oder gar wahuni kommen. Gelangen sie schließlich am Ende ihres Ausflugs zu einem der indischen Curioshops, dann wirkt die dortige zurückhaltende Verkaufsanbahnung um so einladender und vertrau-enserweckender. Der Prozess des Verkaufs bzw. der Aneignung durch Touristen zeigt sich so nicht nur als eine Interaktion zwischen Händler und Konsument, sondern als komplexes Zusammenspiel verschiedener Akteure und Kontexte.

Von der Joel Maeda Street in Richtung auf den Platz vor dem Distrikt Office führt eine schmale unbefestigte Gasse von ca. 200 m Länge. Sie ist nicht als Geschäftsstraße konzipiert und führt nur an den Hinterhöfen der Häuser der India und Goliondo Street entlang. Wären da nicht die vielen jungen Männer, ob mchuuzi, kiongozi oder mhuni, man könnte den Eingang zu dieser Gasse leicht übersehen. Es steht immer eine Gruppe von mehreren jungen Männern auf dem Bürgersteig gleich neben dem indischen Curio Shop. Ein vorbeikommender Tourist ist sofort von drei bis fünf jungen Männern umgeben, die versuchen, ihn lautstark und durchaus mit Körper-kontakt zu den Geschäften zu führen. Die Läden sind einfache Sperrholzbu-den, deren Frontseite offen ist. Die Grundfläche beträgt zwischen vier und acht Quadratmetern. Die Einrichtung ist sehr einfach, sie besteht aus Lattenregalen, manchmal fehlen sogar diese. Die Buden sind recht neu. Die Ausstattung mit Ware gleicht sich bei den meisten der 46 Buden: Kleine und mittelgroße Holzfiguren bis 50 cm – größere Stücke sind selten – kleine Holzarbeiten wie etwa Löffel, Specksteinfiguren, einfacher Schmuck.

Traditionelle Figuren und Perlen- oder Lederarbeiten finden sich nur in den größeren Buden. Einfache Perlenketten mit nur einer großen Glasperle auf einem Lederband hängen auf Nägeln an der Stirnseite fast einer jeden Bude.

Weiter im Mittelteil der Gasse geht es etwas ruhiger zu, aber ein unge-störtes Flanieren ist auch hier kaum möglich. Zum Nordende hin finden sich auch einige Buden, die sich an ein nicht-touristisches Publikum wenden:

Unter anderem eine Friseuse, zwei Stände mit T-Shirts und zwei Getränke-stände. Nach dem „Spießrutenlauf entlang der Souvenirbuden184 findet sich der Tourist vor dem weiten Platz vor dem Distrikt Office. Zur Rechten beginnen die India und die Boma Street. Wendet man sich hier nach links, so gelangt man auf die Goliondo Street mit mehreren Einzelhandelsgeschäf-ten, einigen Imbissen und Reisebüros und auch vier Souvenirshops. Diese vier Geschäfte haben ein weniger reichhaltiges Angebot als die in der Joel Maeda Street. Perlenarbeiten machen ca. zehn bis zwanzig Prozent der Ware aus. Ein Geschäft bietet neben wenigen Souvenirs überwiegend traditionelle Masken zu hohen Preisen an. Alle vier werden von Afrikanern geführt, wobei in zwei Fällen nicht die Eigentümer im Geschäft stehen, sondern Verkaufspersonal. Touristen haben auch hier die Möglichkeit, sich in Ruhe umzuschauen. Dort wo Angestellte und nicht die Eigentümer im Laden sind, erfolgt i.d.R. aber auch auf Anfrage keine Beratung.

Selbst ein Tourist, der sich viel Zeit nimmt, ist nach etwa einer halben Stunde durch die Souvenirgasse hindurch, die India oder Goliondo Road hinunter wieder auf dem Platz der Joel Maeda Street angelangt. Nun, wenn sie ein zweites Mal hier her kommen, schauen die meisten Reisenden auch ausgiebig in die Curioläden und betrachten intensiver die Auslagen der Souvenirhändlerinnen. Einen der Curioläden stelle ich später ausführlicher vor. Zunächst will ich aber den Blick auf die Gruppe von Souvenirhändle-rinnen richten.

184 Zitat einer Schweizer Touristin Januar 1998.