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Andrew – Perlenhändler und Prediger aus Uganda Zum Zeitpunkt meiner Feldforschung sind fast alle Perlen, die in Arusha

7 Wafanya Biashara wa Shanga – Perlen- Perlen-händler in Arusha

7.7 Andrew – Perlenhändler und Prediger aus Uganda Zum Zeitpunkt meiner Feldforschung sind fast alle Perlen, die in Arusha

gehandelt werden, über Kenia importierte böhmische Perlen. Nur für kurze Zeit tauchten auch indische Perlen in Arusha auf. Ende 1997 besucht John, ein junger Mann, der im Museum von Arusha arbeitet, die Souvenirhändle-rinnen in der Joel Maeda Street und bietet ihnen Pakete mit indischen Perlen an. Sie sind auf den ersten Blick an den matten und blassen Farben als solche zu erkennen. Obwohl der Preis nur bei etwa 60 % der böhmischen liegt, kaufen die Frauen nur zwei Pakete. Über John erhalte ich dann auch Kontakt zu Andrew, in dessen Auftrag er die Perlen verkauft. Sein Beispiel zeigt, dass es im Perlenhandel auf weit mehr als auf Kenntnisse der Ware und der Kalkulation ankommt.

Andrew betreibt im ugandischen Kampala eine Konditorei und einen Großhandel für Glasperlen. Bis Mitte 1997 hat er seine Perlen hauptsächlich im Norden Ugandas abgesetzt. Doch ist die Lage aufgrund des Bürgerkriegs dort zu unsicher. Andrew, der angibt, mehr als drei Tonnen Perlen auf Lager zu haben, sieht sich gezwungen, sich nach neuen Absatzmärkten umzu-schauen. Von einem Prediger aus Tansania erfährt er von der großen Nachfrage nach Glasperlen in der Region Arusha. Andrew ist seit 1995 Mitglied in einer der neuen protestantischen Kirchen in Kampala und arbeitet auch selbst als Prediger. Seine Reise nach Arusha bereitet er vor, indem er Briefe an drei Prediger seiner Gemeinschaft in der Region Arusha sendet. Bei einem von ihnen findet er auch in Kisongo Unterkunft. Er ist für die Dauer von zwei Wochen angereist und hat zwei große Sporttasche voll mit Perlen mitgebracht. Zunächst macht er sich über seine Kontaktpersonen kundig, wo, wie und von wem Perlen verkauft werden, danach macht er sich gezielt daran, nach Absatzwegen zu suchen. Sein Ziel ist, einzelne vertrau-enswürdige Personen wie John, der auch ein Born-Again-Christian ist, zu finden und diese dann die einzelnen Pakete verkaufen zu lassen. Seinen Vorrat will er bei seinem Gastgeber lassen und sich sobald wie möglich nach Kampala zurückbegeben. Sein Plan scheitert weitgehend: Keiner der Händler auf den minada ist an seinen Perlen interessiert; einzig die Souve-nirhändlerinnen kaufen, aber auch nur kleine Mengen. Nach zwei Wochen

reist Andrew ab und hat lediglich acht Kilogramm verkaufen können. Er ist erstaunt, als ich ihm kurz vor seiner Abreise davon berichte, dass die Maasaifrauen, die böhmischen Perlen bevorzugen. Keiner seiner ausschließ-lich männausschließ-lichen Informanten hatte ihm davon berichtet.

Andrew, der während seines Aufenthalts in Arusha fast jeden Mittag als Prediger an der Dodoma Road steht, will wiederkommen. Er will versuchen, tschechische Perlen nach Kampala zu importieren, die er dann in Arusha verkaufen kann. Mit den indischen Perlen will er sein Glück noch in anderen Städten in Tansania versuchen. Die Auswahl der Städte ist durch seine schon bestehenden Kirchenkontakte bestimmt. Er setzt dabei auf eine Strategie mit der vor allem muslimische Händler in anderen Teilen Afrikas bereits seit Jahrhunderten erfolgreich sind. Innerhalb religiöser Netzwerke können sie Informationen über Märkte und Nachfrage erhalten, ebenso wie sie auf diesem Weg kostengünstige Unterkünfte und vertrauenswürdige lokale Partner finden.164 Andrew sagt, dass Informationen wichtig seien.

Doch am wertvollsten sei es, in der Fremde Personen zu finden, denen man vertrauen kann. Auch Philemon (vgl. S. 96f.), der erfolgreiche Groß- und Einzelhändler auf dem Markt in Mbauda, plant, sein Geschäft in andere Regionen Tansanias auszudehnen:

“Yes, there are more and more bead-dealer here in Mbauda, and also on the other markets. So in future business in Mbauda might be rather bad. There will be more competition of course. But still there will be enough for all.

You have to look for new opportunities, you know. I want to go to other cities. I’ve been to Morogoro already – there might be a market for beads as well. But the problems are the expenses: You have to pay the trip and you’ve to find a place to stay. Of course you can’t just sleep on the street, you have to find a safe place. Since I don’t know anybody in Tanga or Daressalam I would have to stay in a guesti, but that’s 1.500 TSh per night – it’s really expensive. And you have to pay for your meals as well if you don’t know anybody to stay with. It’s difficult – but there are good markets elsewhere, I am sure.”

(Philemon Kanisa Mollel, Mbauda Januar 1998)

Andrew wie auch Philemon haben beide den Willen, Grenzen zu überwin-den. Sie machen sich auf, um nach neuen Märkten zu suchen. Mit sich bringen sie eine Ware, von der sie hoffen, dass sie auch auf den neuen, für sie noch fremden Märkten nachgefragt wird. Dies geht nur, wenn die Ware keine rein lokale Ware ist, in dem Sinn, dass sie speziell auf eine spezifische lokale Nachfrage hin am Ort produziert wird. Lokale oder regionale Waren sind dadurch gekennzeichnet, dass sie auf eine lokale oder regionale

164 Dazu z.B. Förster (1997: 83ff.).

Nachfrage zielen. Am deutlichsten ist dies bei Objekten mit regionaltypi-scher Ornamentik etwa im Bereich der Kleidung. Glasperlen bieten dagegen den Vorteil, dass sie, vor allem in ihren einfachsten Formen wie Rocail-lesperlen, tendenziell globale Waren sind.165 Rocailles oder die einfachen Redlhammerperlen (S. 415ff.) lassen sich fast überall auf der Welt verkau-fen, vorausgesetzt, die entsprechenden Farben finden Gefallen. Die Perlen-händler Andrew und Philemon liegen insofern durchaus richtig, wenn sie annehmen, dass sie gute Chancen haben, fern von Arusha erfolgreich mit ihren Perlen zu sein.

Das Bedürfnis nach Glasperlen ist zwar weitgehend universell, in dem Sinne, dass es kaum eine Gesellschaft gibt, in der sie nicht in der einen oder anderen Form geschätzt werden. Im Prozess der Aneignung zeigt sich aber, dass die globale Ware Glasperle stets im Zuge der Aneignung zu einem lokalen Gut transformiert wird. Vereinfachend könnte man sagen, dass sich ein Objekt um so offener für eine erfolgreiche Transformation zum lokalen Gut an verschiedenen Orten zeigt, um so einfacher seine Form und Farbe sind. Im Grunde konnte Andrew, als er seine Reise nach Arusha vorbereite-te, ziemlich sicher sein, auch dort seine Ware verkaufen zu können, die, wie er aus eigener Erfahrung wusste, in ganz Uganda gefragt ist. Er hat die ideale globale Ware und war sich sicher, dass kaum jemand so günstig anbieten könne wie er. Selbst wenn man einräumt, dass überall andere Farbpräferenzen bestehen, so hätten zumindest die einfachen weißen oder schwarzen Rocailles erfolgreich sein müssen. Eine der wichtigsten Hürden im Austausch von Waren hat Andrew bereits genommen, indem er nicht als Fremder direkt an die lokalen Abnehmer herantritt, sondern sich der Vermittlung durch lokale Vertrauenspersonen aus seinem kirchlichen Netzwerk bedient. Die Waren werden also nicht von einem Fremden, der als Person auf Ablehnung treffen könnte, sondern von lokal weitgehend etablierten Mittelsmännern angeboten. Zwar fehlt es diesen, da sie keine Händler sind, an Vertrautheit mit dem Marktgeschehen selbst, dennoch geht es durch diese Vermittlung weit mehr um die Ware an sich und deren Akzeptanz als um den Fremden, der sie bringt.

Dass selbst das nicht gelingt, verweist indirekt auch darauf, dass die Transformation zum lokalen Gut weit vor der eigentlichen Ingebrauchnah-me stattfindet, waren es doch die Händler, die Andrews Ware ablehnten und nicht erst die Konsumentinnen. Die Händler wissen aber in den meisten Fällen so gut wie nichts über die Verarbeitung der Perlen. Die indischen Glasperlen, die Andrew anbietet, eigenen sich abgesehen von den nicht passenden Farben auch nicht besonders zur Verarbeitung zu

165 Zur umgekehrten Transformation von Maasaischmuck, der als solcher nur in einem eng umgrenzten Raum Verwendung finden kann, zu einer für verschiede Sinnzuschreibungen offenen globalen Ware vergleiche auch S. 174f.

saischmuck, weil sie nicht so gleichmäßig geformt sind wie die tschechi-schen (d.h. komplexe Muster lassen sich mit ihnen nur schwer ausführen) und weil die Festigkeit des Glases gering ist. Die Perlen zerbrechen leichter, was sicher ein Nachteil ist, wenn sie zu isosin verarbeitet werden. Andrew ist aber nicht daran gescheitert, dass seine Perlen sich faktisch nicht zum Gebrauch eignen, sondern an den Zuschreibungen, die die Ware im Prozess der Aneignung erfährt. Kein Händler hat seine Pakete geöffnet und die Härte der Perlen getestet. Auch die Käuferinen auf den Märkten testen die Festigkeit der Perlen nicht. Alle verlassen sich darauf, dass die Perlen, die auf den Märkten angeboten werden, böhmische sind und die entsprechende Qualität haben. Als Zeichen dafür gilt die Art wie die Perlen gefädelt sind, ebenso wie die Verpackung in JABLONEX-Tüten. Bemerkenswert ist, dass sich kein Händler auf das Experiment einlässt, es mit anderen als JABLONEX -Perlen zu versuchen. Offensichtlich ist das, was sie verkaufen, in der Sicht des Händlers eben nicht die bloße Perle, sondern eine Ware mit ganz spezifischer Form: angefädelte Perlen, der Firma Jablonex. Andrews indische Perlen sind lose in Beuteln abgepackt. Vor allem aber sind sie nicht mit dem Signé „JABLONEX verknüpft.

Dass es sich bei dem Signé „JABLONEX um eine Sinnzuschreibung han-delt, zeigt sich beispielhaft daran, dass auf dem Maasaimarkt in Nairobi immer wieder indische Perlen in JABLONEX-Tüten angeboten werden. Diese Täuschung ist nur möglich, weil nicht nur die Perlen an sich gekauft werden, sondern Perlen mit einer Sinnverknüpfung zu einem Signé. Die Täuschung funktioniert aber auch nur solange sie die Ausnahme im Warentausch bleibt. In Arusha sind derartige Täuschungen noch nicht vorgekommen. Hier kann man dem äußeren Anschein trauen bzw. hier kann man den Händlern trauen. Als typisch für eine ideale globale Ware könnte man sehen, dass es bei Glasperlen für jeden ein Leichtes ist, sich aller wichtigen Objekteigenschaften zu vergewissern. Selbst die Brucheigen-schaften lassen sich durch einfaches Zerbeißen ermitteln. Die Souvenirhänd-lerinnen tun dies z.B. auch, wenn sie lose Perlen angeboten bekommen. Auf den Märkten basiert das für den Austausch konstitutive Vertrauen auf der soziokulturellen Nähe zwischen Händler und Konsumentin.

Philemon, der mit echten JABLONEX-Perlen handelt, hat ein ganz anderes Problem, das mit der Frage zu tun hat, wie Vertrauen geschaffen werden kann. Er steht vor der Aufgabe, ein Netzwerk aufzubauen, das es ihm ermöglicht, seine Reisen durchzuführen. Auf die Möglichkeit angesprochen, über ethnische Netzwerke nach Unterkunft und vertrauenswürdigen Personen zu suchen, verweist er darauf, dass es sehr viele Maasai in Daressalam und auf Sansibar gebe. Doch seien ihm diese Pfade zu ausgetre-ten, er suche nach neuen Märkten. In Morogoro war er schon und auch die Städte weiter im Süden scheinen ihm vielversprechend. Ob seine

Geschäfts-chancen in Morogoro allerdings so gut sind, ist zweifelhaft, stammen doch die großen Perlenhändler Daressalams allesamt aus Morogoro. Sie werden mit Sicherheit auch den Markt in ihrer Heimatstadt nutzen. Philemons einziger Vorteil kann seine Ware sein, denn JABLONEX-Perlen hat vorerst nur er. Das Beispiel Philemons zeigt einerseits wie sehr Händler auf die Sicherheit ethnischer oder religiöser Netzwerke angewiesen sind,166 andererseits zeigt sich wie auch im Fall von Andrew oder Mzee Ali, die große Rolle, die der individuellen Bereitschaft zukommt, alleine aufzubre-chen, um Grenzen zu überwinden und neue Märkte zu erreichen.

7.8 madelali wa shanga – hausierende Perlenhändler