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8 Maasaifrauen, Diebe und Viehhändler – von der Perle zur Ware Perlenschmuck

8.2 Transformation der Perlen bzw. Perlenobjekte zur Ware

Bevor ich mich den weiteren Stufen dieses Transformationsprozesses zuwende, lohnt es, noch einmal kurz darauf zu schauen, welche Objekte innerhalb der Gruppe verbleiben und welche nach außen gegeben werden:

Auffallend häufig finden sich unter den gebrauchten Schmuckstücken, die auf dem Markt in Arusha auftauchen, solche, die schlecht verarbeitet sind.

Die Perlenobjekte in den Sammlungen der Museen zeigen zudem, dass dies schon in historischer Zeit der Fall war. Bei unseren Recherchen in zahlrei-chen deutszahlrei-chen Sammlungen stießen Donna Pido und ich fast ausnahmslos auf Perlenobjekte mit Fehlern in der Verarbeitung. Ein Phänomen, das nicht nur auf Objekte der Maasai beschränkt ist. Es werden also zum einen die Objekt abgegeben, die minderwertig sind, zum anderen solche, für die keine Bedarf mehr besteht. Dies ist z.B. der Fall, wenn etwa für ein olaji die Zeit als ilmurran vorbeigeht.

Die Frauen im ländlichen Kontext sehen sich selbst auch nicht als kom-merzielle Perlenarbeiterinnen. Ihre Motive, eigene Perlenarbeiten zu verkaufen, mögen vielfältig sein, gefertigt wird aber generell ohne die Absicht zu verkaufen. Verkauft wird nur, wenn der Gegenstand keine

169 Seit illandis (die zwischen 1984 und 1990 Beschnittenen) ilmurran sind, hat hier ein Wandel eingesetzt: ilmurran, die in der Stadt leben (manche sind sogar bis Daressalam migriert) bestellen bei ihren Besuchen zu Hause Perlenarbeiten für sich. Bemerkenswert ist dabei vor allem, dass sie sich für diese Aufträge auch an Frauen wenden, die traditionell keine Perlenarbeiten für sie fertigen würden, wenn diese einen besonders guten Ruf als Perlenarbeiterinnen genießen. Von einer wirklichen Kommerzialisierung kann aber noch nicht gesprochen werden, da kein Arbeitslohn oder Gewinn gezahlt werden, sondern ledig-lich die Materialkosten erstattet werden.

Verwendung mehr findet oder die Frauen dringend Bargeld benötigen.170 Fakultativ ist Perlenschmuck also stets eine Ware.

Ein Gegenstand kann seine Gebrauchsfunktion verlieren, wenn er be-schädigt ist und kann somit zum Verkauf freigegeben werden. Ältere perlenverzierte Kalebassen, die nicht mehr dicht sind, finden sich z.B.

häufig unter dem Souvenirangebot in der Stadt. Andere Gegenstände sind an bestimmte Kontexte gebunden. Ein olkila171, ein perlenbestickter Rock, wird nur zu bestimmten zeremoniellen Anlässen wie dem eunoto172 getragen. Stehen derartige Rituale für eine Frau in ihrem Leben nicht mehr an, so ist der Rock für sie ohne weiteren Gebrauchswert. Das Leder eines solchen olkila ist durch den Gebrauch im Laufe der Jahre meist stark in Mitleidenschaft gezogen worden, so dass für die jungen Frauen lieber ein neuer olkila gefertigt wird, zumal sich im Laufe der Zeit oft auch die bevorzugten Formen und Farben geändert haben. Es bleibt also die Mög-lichkeit, die Perlen abzutrennen und wiederzuverwenden, was häufig getan wird, da sich die Perlen selbst in Jahrzehnten kaum abnutzen. Dennoch werden die meisten Frauen einen solchen alten Rock verkaufen, wenn sich die Möglichkeit dazu bietet und lieber neue Perlen in den passenden Farben kaufen. Neue Perlen werden älteren, gebrauchten vorgezogen.

Da während meines Forschungsaufenthaltes 97/98 für die illandis abzu-sehen war, dass ihre Zeit als ilmurran zu Ende gehen würde,173 verkauften viele von ihnen den Schmuck, den sie als ilmurran getragen hatten. Auch der Schmuck, den Frauen verkaufen, ist alt oder ererbt und wird nicht mehr gebraucht. Die meisten Objekte, die in Arusha auf diesem Wege auf den Markt kommen, sind von Frauen der ilmakaa (das olaji174der zwischen 1969 und 1976 Beschnittenen). Männerschmuck ist in der Regel von Männern der illandis, also zehn bis 16 Jahre alt. Bestätigt wird diese Aussage, wenn man sich die Objekte in den Souvenirläden anschaut:

170 Ich beziehe mich hierbei auf Interviews im Simanjiro und Monduli Distrikt. Frauen, die Perlenarbeiten kommerziell fertigen sagen, dass dies etwas Besonderes sei und vom übli-chen Umgang mit Perlenarbeiten abweiche, da Perlenarbeiten sonst nicht gegen Geld gehandelt würden.

171olkila / ilkilani leather skirt full of glass beads (sometimes also without glass beads) [u-intv02]; enkila / inkilani small cloth, skirt (Klumpp 1987: 288).

172 Dem Ritual, durch das der Übergang eines jungen Mannes vom murran zum Junior Elder markiert wird.

173 Die Zeremonie des olng'esher markiert für die ilmurran das Ende der Zeit als ilmurran. Mit dem olng'esher erhalten die jungen Männer die soziale Reife, d.h. die Möglichkeit zu heiraten, einen eigenen Haushalt zu gründen und voll am politischen Leben teilzuhaben. Mit olng’esher erhält eine Altersklassen auch ihren endgültigen Namen. Das Haar der Männer wird geschnitten, fortan tragen sie kaum noch Schmuck.

174 „A pair of divisions [olporror] forming an age-set (Olaji) on a fourteen year cycle“ (J.

Galaty: 1993, S. 80)

Nahezu alle Arbeiten, die sich ihrem Äußeren nach den Regionen Simanjiro, Monduli und Arusha zuordnen lassen, sind alt und zeigen Gebrauchsspuren.

Abb.27: Handelskette „Perle-Schmuck-Souvenir“ vom Importeur zum Tourist.

Die oben stehende Grafik führt noch einmal den bisherigen Weg der Perle vom Importeur bis zur Aneignung durch Maasaifrauen im lokalen Kontext vor Augen. Die in der unteren Reihe genannten Akteure bezeichnen den weiteren Weg der Perle als Teil des Schmucks. Im Folgenden zeige ich auf, welche weiteren Transformationen die Perlen und Perlenobjekte erwarten, nachdem sie als Schmuck von Maasai gebraucht wurden und welche Akteure daran beteiligt sind. Die erste Gruppe sind Viehhändler aus der lokalen Gemeinschaft, in der die Perlen angeeignet wurden und in der der Perlenschmuck gebraucht wurde. Sie sind Agenten eines die Aneignung umkehrenden Prozesses, in dem das Perlenobjekt zur Ware wird. In den meisten Siedlungen in der Region Arusha gibt es einen oder mehrere Männer, die als Viehhändler arbeiten. Sie kaufen in ihrer eigenen lokalen Gemeinschaft Rinder, Ziegen und Schafe auf und verkaufen diese auf den minada. Spätestens Ende der 1980er Jahre beginnen einige dieser Händler, auch Glasperlenschmuck aufzukaufen und in der Stadt zu verkaufen.

Abnehmer sind hier die Souvenir- und Curiohändler.

Der in der Grafik aufgezeigte weitere Weg geht über den Verkauf an Souvenirhändlerinnen (S. 174ff.) zur in unserer Betrachtung letzten Station einer Aneignung, nämlich dem Kauf des Schmuckstücks als Souvenir durch einen Touristen. Der weitere Weg des Perlenobjekts bis zum Touristen kann aber auch einige Stationen mehr umfassen. Die verschiedenen Formen des Handels, auf die man hier trifft, lassen sich zwischen den beiden Polen Souvenir- und Curiohandel einordnen. Unter Souvenir im engeren Sinne verstehe ich dabei Reiseandenken, wie sie etwa Touristen von ihrem Safari-Urlaub mitbringen. Der Begriff Souvenir soll hier also nur in seiner engeren Bedeutung als Reisemitbringsel nicht in seiner weiteren Bedeutung als Touristenkunst oder Airport-Art verwendet werden. Komplementär zum Begriff Souvenir verwende ich den Begriff Curio. Ebenso wie Souvenir bezeichnet er keine universellen Eigenschaften eines Objekts, sondern nimmt Bezug auf die Art und Weise des Objektgebrauchs und den damit verbundenen Sinnzuschreibungen. Ein Teil der Händler, bei denen man in Arusha Perlenarbeiten kaufen kann, bezeichnen sich als Curio dealer. Eine

Übersetzung als „Kuriositätenhändler“ kommt dem Gemeinten nahe, birgt aber im Deutschen doch auch Konnotationen wie „merkwürdig“ oder

„abnormal“. Das semantische Feld des englischen Begriffs „Curio“ betont stark den Aspekt der Neugier. Curios sind also im weitesten Sinne nichtall-tägliche Gegenstände. Die Begriffe Souvenir und „Curio“ überlagern sich zum Teil, sind aber nicht identisch. Beide bezeichnen Gegenstände, die z.T.

auch unter Begriffe wie Schmuck, Gastgeschenk, Einrichtungsaccessoire oder Kuriosität subsumierbar sind. Curios werden in anderen Kontexten gehandelt als Souvenirs und von einer anderen Käuferschicht gekauft. Die Begriffe Souvenir und Curio verweisen auf je unterschiedliche Kontexte, in denen sie angeboten, veräußert und danach verwendet werden. Es kann sich grundsätzlich dabei aber um gleichartige Objekte handeln. Ein und derselbe Gegenstand kann im Verlauf seiner Objektbiographie als Schmuck, Souvenir und Curio beschreibbar sein. Ich will dies kurz anhand eines enkeene pus, eines Schwertgürtels illustrieren:

Als enkeene pus (inkeenta pusi) wird der perlenbesetzte Schwertgürtel der ilmurran bezeichnet. An ihm wird die aus Holz und Leder bestehende Schwertscheide mit einer Lasche befestigt. Der Gürtel selbst ist etwa drei Zentimeter breit und wird vorne mit Lederbändern zusammengebunden. In der Mitte des enkeene pus, also dort, wo der Gürtel beim Tragen auf der Wirbelsäule sitzt, befindet sich bei den Varianten der Kisonko und Ilarus ein etwa 15 cm hohes wappenförmiges Schmuckelement von etwa 10 cm Breite.

Der gesamte Gürtel wird aus dickem Rindsleder gefertigt und ist mit Glasperlen bestickt. Nur die ilmurran dürfen inkeenta pusi tragen, so dass diese für einen Mann nach seiner Zeit als olmurrani nutzlos werden. Bietet sich eine Gelegenheit, so sind sie gerne bereit, ihr enkeene pus zu verkaufen – es wird zur Ware. Auch den Souvenirhändlerinnen am Clock Tower werden häufig inkeenta pusi angeboten. 1998 liegen die Preise zwischen 3.000 und 8.000 TSh (sechs bis 14 US$). Doch welcher Tourist hat Interesse an einem Schwertgürtel? Er lässt sich kaum als Raumschmuck an die Wand hängen, noch eignet er sich als Schmuck zum Selbsttragen. Als kleines Mitbringsel im Sinne eines Souvenirs ist er zu groß und auch zu teuer.

Wenn inkeenta pusi von Europäern gekauft werden, dann von solchen, die länger in Arusha sind und die daran interessiert sind, das Stück zusammen mit der Geschichte seines traditionellen Gebrauchs nach Hause mitzuneh-men. Das Objekt dient dann als Aufhänger und Beleg für Erzählungen über die Maasai. Dass dabei die Afrikaerfahrungen des Erzählers und nicht so sehr Informationen über den tatsächlichen Gebrauch des Objekts im Vordergrund stehen, wird eher die Regel als Ausnahme sein. Entscheidend ist, dass der Gebrauchs- und Schmuckgegenstand der Maasai über die Transformationsstufe des Handels zu einem Curio wird.

In vielen Fällen wartet die Händlerin aber gar nicht, bis sich endlich einer der seltenen Käufer für den enkeene pus bei ihr einfindet. Sie wird entweder versuchen, das Stück an einen Curiohändler zu verkaufen oder sie verarbei-tet das Stück zu Souvenirs, was heißt, dass sie den Gürtel in einzelne kleinere Stücke zerteilt. Die Fragmente werden zu Armbändern oder Ketten verarbeitet. So lassen sich aus einem enkeene pus, für den die Souvenir-händlerin 1. bis 2.000 TSh bezahlt, acht und mehr Souvenirs, mit jeweils einem Verkaufswert von 2. bis 3.500 TSh, fertigen.

Da es sich bei dem Handel mit gebrauchtem Schmuck durch die Vieh-händler um einen rezenten Wandlungsprozess handelt, ist es durchaus interessant einen Blick auf mögliche Weiterentwicklungen zu werfen. So stellt sich z.B. die Frage, ob dies der Anfang einer weitergehenden Kom-merzialisierung von Lebensbereichen ist, die bisher außerhalb marktwirt-schaftlicher Orientierungen standen. Seit Ende der 1980er wird die durch den Souvenirhandel entstandene Nachfrage nach Perlenarbeiten durch Händler auch in Gebiete getragen, die weit von den touristischen Zentren entfernt sind. Es mag nur eine Frage der Zeit sein, bis hier auf die gestiegene Nachfrage mit einer speziellen Produktion von Perlenarbeiten für den Markt in Arusha reagiert wird. Dennoch vermute ich, dass stärkere Anreize durch die Viehhändler nicht unbedingt zu erwarten sind. Handel ist für sie nur Nebenerwerb, in erster Linie sehen sie sich als Rinderhirten. Nur solange sich ohne großen Aufwand mit dem Verkauf einiger Perlenarbeiten etwas Geld verdienen lässt, werden sie diese Möglichkeit nutzen. Der Aufbau von Produktionsnetzwerken erfordert aber durchaus einiges an Arbeit und Kapital. Vor allem aber ist es fraglich, ob es sich in entlegenen Gebieten als dauerhaft lohnend erweist, Perlenarbeiten für einen weit entfernten Markt zu fertigen. Die durch den Transport im Vergleich zur Stadt höheren Material-kosten sowie die Notwendigkeit, einen Zwischenhändler zu beteiligen, dürften kaum einen Profit zulassen. Selbst Gruppen, die in unmittelbarer Nähe zu den Absatzmärkten produzieren und direkt vermarkten oder zumindest direkt an die Einzelhändler verkaufen, haben große Probleme, kostendeckend zu arbeiten. Der Kostenfaktor Arbeit spielt auch hier nur eine untergeordnete Rolle; entscheidend sind die Materialkosten und die Spannen des Zwischenhandels, wenn nicht dort gearbeitet wird, wo der Absatz erfolgt. Die meisten Maasai leben aber fernab der Zentren des Tourismus. Die gezielte Produktion von Perlenarbeiten für den Verkauf dürfte, wenn überhaupt, dann nur in Nähe der Absatzmärkte lohnend sein.

Weiter kann angezweifelt werden, ob die kommerzielle Produktion von Perlenarbeiten innerhalb eines kulturellen Kontextes möglich sein wird, in dem ansonsten Schmuck eben gerade keine Ware ist.

Abgesehen von einigen Frauen in der näheren Umgebung der Tou-ristenstopps175 und Frauengruppen, die Kontakt zu Organisationen der Kirchen oder Entwicklungshilfe haben, werden Perlenarbeiten auf dem Land auch heute nicht für den Verkauf gefertigt. Der Großteil der Perlenar-beiten in tansanischen Geschäften ist gebraucht, d.h. er stammt aus dem traditionellen Kontext. In Kenia ist das Verhältnis umgekehrt, hier ist der überwiegende Teil der Perlenarbeiten, die zum Verkauf angeboten werden, neu und noch nicht getragen. Eine weitere Motivation für den Verkauf von Perlenarbeiten ist die Möglichkeit, an Bargeld zu gelangen. Es geht nicht darum, Gewinn zu machen, entscheidend ist, dass auf einmal eine größere Summe Bargeld erzielt werden kann. Ob in Relation zum Materialwert mehr oder weniger eingenommen wird, ist dabei unwichtig. Ich habe zwar nur wenige Frauen befragt, die eigenen Schmuck verkauft hatten, aber aus meinen Erfahrungen in der Stadt kann ich sagen, dass fast immer weniger als der Wiederbeschaffungswert des Materials bezahlt wird.176

Wie erklärt sich dieses marktökonomisch nicht schlüssige Verhalten?

Maasaifrauen haben praktisch keine Möglichkeit, Bargeld anzusparen.

Verfügt eine Frau über Bargeld, so muss sie jederzeit damit rechnen, dass ihr Mann, Vater oder Bruder dieses Geld von ihr fordert. Ohnehin hat sie kaum Gelegenheit, Bargeld zu verdienen. Sie kann vielleicht einmal eine Ziege oder etwas Mais verkaufen, ansonsten ist sie aber auf den guten Willen ihres Mannes angewiesen. Erhält eine Frau einen kleinen Geldbetrag und will diesen für sich verwenden, so wird sie versuchen, ihn möglichst schnell auszugeben. Selbst für wenige Shilling kann man schon Perlen kaufen: Ein einzelner Strang der Größe 1/0 kostet 100 TSh, lose Rocail-lesperlen können sogar für 10 oder 20 TSh gekauft werden. Jede Frau hat eine Dose, in der sie Perlen verschiedener Farben aufbewahrt. Auf den minada habe ich fast nur den Kauf von kleineren Mengen beobachtet, obwohl Perlen in größeren Mengen billiger sind und es wirtschaftlicher wäre, mehr von nur einer Farbe zu kaufen und dann mit anderen Frauen zu tauschen. In der Regel werden immer gerade die Perlen gekauft, die man zu einer anstehenden Arbeit benötigt. Perlen ersetzen gewissermaßen die Spardose. In Form von Perlen und Perlenarbeiten sammelt eine Frau so über einen längeren Zeitraum Kapital an. Bietet sich ihr eine Gelegenheit, Perlenschmuck zu verkaufen, so kann sie auf einen Schlag zu einer größeren

175 Ich selbst kenne solche Ausnahmen nur entlang der Straße zu den Nationalparks (so etwa im Meserani Snake Park in Duka Bovu), in den Parks selbst, wo z.B. in den beiden Schaub-omas im Ngorongoro Game Reserve Perlenarbeiten verkauft werden, sowie eine Frauen-gruppe nördlich von Longido, die engen Kontakt zur evangelischen Kirche hat.

176 Ein großes esos wie norkine oder große enaikendikenda werden in Arusha für etwa 6 bis 8.000 TSh von Händlern aufgekauft. Hiervon muss noch die Provision von 20 bis 30 % für den Aufkäufer abgezogen werden, so dass ca. 4 bis 6.000 TSh für die Verkäuferin bleiben.

Der Neuwert der verarbeiteten Perlen liegt i.d.R. etwas über diesem Wert.

Summe Geld kommen. Selbst wenn eine Frau nur 6.000 oder 7.000 TSh für ein esos erhält, in dem ca. 8.000 TSh an Materialwert verarbeitet sind, so hätte sie doch auf anderem Wege kaum eine derart große Summe akkumu-lieren können. Geld für größere Ausgaben wie das Schulgeld für die Kinder, Arztrechnungen oder der Kauf von Stoffen können über den sukzessiven Kauf von Perlen angespart werden. Emische und etische Perspektive decken sich hier jedoch nicht: Die Beschreibung von Perlenschmuck als Spardose ist nur in ökonomischer also etischer Sicht möglich. Keine Frau spart in dieser Form bewusst auf eine einzelne Ausgabe hin. Im Vordergrund steht für sie immer die Funktion der Perlenarbeiten als Schmuck. In emischer Sicht sind Perlenarbeiten in erster Linie keine Ware, es besteht aber ein zunehmendes Bewusstsein dafür, dass bei Bedarf Schmuck gegen Geld verkauft werden kann. Eine Vorstellung über den Wert auf dem Markt in Arusha oder aber auch nur über den Wiederbeschaffungswert besteht im dörflichen Kontext nicht. Im Allgemeinen wissen Maasaifrauen nicht, wie viele Perlen in einem Objekt verarbeitet sind, sie sind also auch nicht in der Lage, die Herstellungskosten zu ermitteln. Es fehlen ihnen i.d.R. auch die mathematischen Grundkenntnisse, um Kosten und Preise zu berechnen. Es ist durchaus möglich, dass selbst viele Händler ihre Preise nicht wirklich kalkulieren. Interessant ist daher zunächst auch nicht so sehr die mathemati-sche Kalkulation, sondern ob eine allgemeine Gewinnerzielungsabsicht vorliegt. Den Maasaifrauen im lokalen Kontext fehlt diese; es ist nicht relevant für sie, ob sie einen rechnerischen Verlust machen.

Erst der sich in der zweiten Hälfte des 20. Jh. herausbildende Curio- und Souvenirhandel bietet die Möglichkeit, Perlenarbeiten zu verkaufen. Dieser Wandel setzt in den 1960er Jahren ein und wird erst ab den späten 1980ern für Nordtansania wirklich bedeutsam. Als Resultat dieses Wandels ist heute auch in entlegenen ländlichen Gebieten das Wissen vorhanden, dass sich prinzipiell Perlenschmuck zu Geld machen lässt. Frauen, die näher an der Stadt wohnen, finden eher Zugang zu den Märkten. Sie treffen häufiger auf Händler, die Perlenarbeiten nachfragen. Dass Frauen selbst in die Stadt kommen und ihre Perlenarbeiten an die Souvenirläden verkaufen, habe ich nicht beobachten können, es ist immer ein Händler zwischengeschaltet.177

Auch die Wahrscheinlichkeit, einmal direkt an einen Weißen verkaufen zu können, ist in Stadtnähe größer. Trotzdem sind auch in der Stadt Perlenarbeiten im Alltag keine Ware. Der Großteil der maasprachigen Bevölkerung Arushas lebt in Verhältnissen, die ländlich geprägt sind.

Entsprechend ist es auch hier unüblich, Perlenarbeiten zu verkaufen. Keine der von mir befragten Frauen, mit Ausnahme der Souvenirhändlerinnen,

177 Dies gilt generell für die tansanischen Maasaifrauen. Es gibt jedoch einige Frauen aus Kenia und unter diesen auch Maasai, die Perlenarbeiten an Souvenirläden in Nordtansania verkau-fen. Vgl. dazu auch den Abschnitt über den Maasai-Market in Nairobi (S. 176ff.)

hatte eine größere Anzahl von Perlenarbeiten in ihrem Leben verkauft. Dass aber einzelne Stücke verkauft wurden, ist nicht selten. Der alltägliche Umgang mit Perlenarbeiten als Objekte, die keine Ware sind, wird im urbanen Kontext zunehmend ergänzt durch das Wissen um die prinzipielle Möglichkeit, sie zur Ware zu machen, d.h. sie zu verkaufen.

Wie kommt der Preis zwischen einer Maasaifrau, die ihren Schmuck verkaufen will, und ihrem Abnehmer zustande? Ich war verschiedene Male zugegen, wenn Maasaifrauen Schmuck Händlern oder Touristen anboten.

Stets nannte die Frau einen Preis und überließ die Preisfestlegung nicht etwa bloß dem Interessenten. Doch wie kann sie, ohne kalkulieren zu können, einen Preis finden? Sie geht von der Höhe des Preises in Relation zu ihrer Alltagserfahrung aus. Im Alltag haben Maasaifrauen es aber fast ausschließ-lich mit kleineren Geldbeträgen von einigen hundert TSh zu tun. Ihre Strategie besteht darin, entweder die Summe für ein Perlenobjekt zu fordern,

Stets nannte die Frau einen Preis und überließ die Preisfestlegung nicht etwa bloß dem Interessenten. Doch wie kann sie, ohne kalkulieren zu können, einen Preis finden? Sie geht von der Höhe des Preises in Relation zu ihrer Alltagserfahrung aus. Im Alltag haben Maasaifrauen es aber fast ausschließ-lich mit kleineren Geldbeträgen von einigen hundert TSh zu tun. Ihre Strategie besteht darin, entweder die Summe für ein Perlenobjekt zu fordern,