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6 Jua Kali – wo die Spur der Perlen be- be-ginnt

6.1 Annäherung an Perlenhandel und -gebrauch in Tansania

Anfangen will ich in Tansania. Meine Feldforschung beginnt im März 1997, in Daressalam. Es ist drückend heiß und schwül. Nach 14 Monaten Tro-ckenheit, ist das Land verdorrt und vertrocknet, Wasser ist knapp und alle erwarteten sehnlich den Regen, der jeden Tag kommen soll. Doch selbst unter diesen drückenden Bedingungen macht Daressalam einen lebendigen und quirligen Eindruck. Einen Gutteil dieser Lebendigkeit verdankt die Stadt dem Treiben der wafanya biashara, also denen, die Handel oder im weitesten Sinne Geschäfte treiben. Nur ein kleiner Teil des Handels wird in Ladengeschäften abgewickelt. Daneben existieren eine Vielzahl

unter-schiedlichster Formen des Handels, sei es auf permanenten oder periodi-schen Märkten, in einfachen Buden, mit Waren, die am Straßenrand ausgebreitet sind, oder durch die vielen Wanderhändler, bei denen man direkt an der Haustür alles von der Armbanduhr bis zum Fisch und sogar Glasperlen bekommt. Doch eben diese Glasperlen, wegen denen ich gekommen bin, finde ich zunächst nicht, ich muss weiterreisen bis Arusha, dem Zentrum des tansanischen Glasperlenhandels. Später finde ich sie auch in Daressalam, bei den wamachinga, den Hausierern, die von Haus zu Haus gehen.

Der Handel der wamachinga mit Glasperlen fällt nicht sonderlich ins Auge. Glasperlen sind nur eine unter vielen Waren, mit denen sie handeln. Jeder Händler hat sich auf eine bestimmte Ware spezialisiert. Um also in den Wohnvierteln auf einen mmachinga zu treffen, der mit Glasperlen handelt, bedarf es schon großen Glücks, zumal fast nur Frauen Perlen kaufen und auch nur Frauen Perlen zu Schmuck verarbeiten. Die Lebenswelten von Männern und Frauen sind in Ostafrika weit

mehr getrennt als in westlichen Gesellschaften, und so kam ich als Mann auch immer dort, wo Perlen in einer exklusiven Frauenwelt in entsprechen-de Handlungskontexte eingebunentsprechen-den sind, an die Grenzen entsprechen-dessen, was mir zugänglich war. So blieb mir anfänglich sogar verborgen, dass in Daressa-lam große Mengen von Perlenschmuck getragen werden. Man sieht die Perlen nicht, denn die Frauen tragen sie unter der Kleidung und auch der Handel findet eher verborgen, in der privaten Sphäre statt (dazu S. 153ff.).

Abb.7: Karte Tansania.

(Quelle: Tanzania Ministry of Tourism)

Bei meinem ersten Aufenthalt in Tansania verlasse ich Daressalam so bald wie möglich, um weiter nach Arusha zu reisen, wo ich einen regen Handel mit Glasperlen zu finden hoffe. Die Maasai sind nicht nur aus populären Bildern für ihren reichen Schmuck aus Glasperlen bekannt. Jeder kennt vermutlich die Bilder von Maasaifrauen mit dem großen scheiben-förmigen und farbenfrohen Halsschmuck – ein Motiv, das immer wieder im Kontext der Tourismuswerbung für Ostafrika auftaucht. So verwenden die Werbekampagnen der Tansanischen Tourismusbehörde seit Jahren als zentrales Image Maasaifrauen in traditioneller Kleidung mit auffälligem Perlenschmuck (Abb.8). In Deutschland ist wohl das Bild einer Maasaifrau

in der TV-Werbung für Tchibokaffee am geläufigsten, wie es seit 1999 wiederholt variiert worden ist: Eine Maasai mit reichem Perlenschmuck blickt in den Sonnenuntergang in der weiten Savanne (manchmal steht sie sogar in einem Baum, dort, wo bei ähnlich stimmungsvollen Bildern der 1980er Jahre noch Löwen auf einem starken Ast lagen). Glasperlenschmuck in ‚afrikanischer’ Farbigkeit (die Rottöne dürfen nie fehlen) sind aus dem Dreiklang „Weite, Wildnis und edle Wilde“, wie er in der Reklame für Ostafrika steht, kaum wegzudenken. Perlengeschmückte Maasai sind in verschiedenen globalen Diskursen zum Symbol für ein ursprüngliches und stolzes Afrika geworden.

In Arusha treffe ich auf Menschen, die in unterschiedlichsten Zusammenhän-gen mit Glasperlen umgehen. In Tansania ist die Region Arusha diejenige mit dem mit Abstand ausgeprägtesten Handel und Gebrauch von Glasperlen. Hauptsächlich die Angehörigen der maasprachigen95 Gruppen wie der Ilarus und der Kisonko, die etwa zwei Drittel der Bevölkerung ausmachen, zeichnen sich durch einen ausgesprochen lebendigen Gebrauch von Glasperlen-schmuck aus. Aber auch in der materiellen Kultur anderer Gruppen der Region, wie der im Westen lebenden Iraqw96 oder Datooga bzw.

Barbaig97, spielen Glasperlen zumindest bis in die 1970er Jahre hinein eine wichtige Rolle. Heute ist

Glasperlenschmuck weitgehend aus dem alltäglichen Gebrauch dieser Gruppen, mit Ausnahme der Barbaig, verschwunden.98 In den ländlichen

Abb.8: Titelblatt eines Werbeprospekts des Tanzania Tourist Board 1998.

95 Maa, eine nilotische Sprache, ist in Kenia und Tansania nach dem Swahili die Sprache mit dem größten Verbreitungsgebiet. 1974 zählte sie etwa 440.000 Sprecher. Das in der Region Arusha gesprochene Maa zählt zur Dialektgruppe des Süd-Maa. Zusammen mit dem Onga-mo (Ost-Kilimanjaro) bildet das Maa eine der vier Untergruppen der ostnilotischen Spra-chen und gehört damit zum Ost-SudanesisSpra-chen und darüber hinaus zum Nilo-SaharanisSpra-chen (Jungraithmayr & Möhlig (eds) 1983: 152).

96 Die Iraqw leben im Westen der Region Arusha. Sie sprechen eine kuschitische Sprache und leben überwiegend als Bauern in den fruchtbareren Gebieten östlich des Grabenbruchs. Mit etwa 400.000 Mitgliedern machen sie gut ein Drittel der Bevölkerung in der Region Arusha aus. Ihr Anteil an der Bevölkerung im urbanen Siedlungsraum Arushas ist dagegen gering.

97 Die Datooga oder Tatoga sind im Westen der Region Arusha lebende Hirtennomaden. Ihre Kultur gleicht in vielem der der Maasai, doch sprechen sie eine südnilotische Sprache, die dem Kalenjin und Omotik verwandt ist. Sie selbst bezeichnen sich als Datooga, von ihren Nachbarn sowie von den meisten Menschen in Arusha werden sie jedoch als Taturu be-zeichnet. Im tansanischen Zensus von 1967 tauchen sie sowohl unter letzter Bezeichnung wie auch als Barabaig auf. Barabaig ist im engeren Sinn nur einer der sieben Dialekte des Datooga, wird jedoch häufig als Synonym für die gesamte Ethnie verwendet. Die Barabaig waren 1967 mit mehr als 35.000 Sprechern auch die größte Gruppe der Datooga, wogegen die anderen je auf 3.000 bis 6.000 Sprecher kommen (Jungraithmayr & Möhlig (eds) 1983:

68f.).

98 Eine von mir im Dezember 1998 durchgeführte Untersuchung in der Gegend um die Orte Katesh und Dareda und auf verschiedenen Märkten zeigte eine im Vergleich zu den Maasai-gebieten ausgesprochen gering ausgeprägte Verwendung von Perlenschmuck. Auch auf den Märkten war kein einziger Perlenhändler anzutreffen.

Siedlungsgebieten der Maasai gehört es dagegen Ende der 1990er zum alltäglichen Bild, Frauen oder ilmurran (olmurrani, beschnittner junger Mann) mit aufwendigem Perlenschmuck zu sehen. Am auffälligsten sind dabei die isosin (sg. esos), die großen runden Halsscheiben der Frauen, die inkeenta pusi (sg. enkeene pus), die Schwertgürtel der ilmurran oder deren breite Arm- und Fußgelenkbänder die ngomeshani (sg. engomesha).99 In den urbanen Siedlungsgebieten selbst wird der Glasperlenschmuck nicht so auffällig getragen. Hier leben überwiegend Ilarus, die wie die Kisonko-Maasai Maasprecher sind und auch weitgehend die Kultur der anderen Maasaigruppen teilen. Das Leben in der Stadt bringt insgesamt einen anderen Gebrauch von Glasperlenschmuck mit sich als in den ländlichen Gegenden. Dennoch tragen auch in Arusha die meisten Maasprecher, sei er Pastoralist, Bauer oder Verwaltungsangestellter, irgendein nach außen sichtbares Schmuckstück aus Glasperlen. Am gebräuchlichsten sind bei Männern und Frauen Armbänder – so genannte emarinai. Das färbt sogar deutlich auf andere Bewohner Arushas ab. Ein emarinai mit den typischen Glasperlenmustern der Region trägt hier fast jeder, der länger in der Stadt lebt, sei es der Entwicklungshelfer, der indische Jugendliche oder der district commissioner, der aus dem Süden Tansanias nach Arusha versetzt wurde.

Glasperlen sind in Arusha wie in keiner anderen Stadt Tansanias ständig präsent, sei es im Gebrauch, als Handelsware auf den Märkten oder als Perlenschmuck bei einem der vielen Souvenirhändler. Um jedoch zu erfahren, woher sie kommen, wie sie verwendet werden und wohin sie gehen, muss man genauer nachfragen und beobachten. Ich werde keine eigentlichen Objektbiographien einzelner Perlen aufzeigen – das wäre praktisch gar nicht möglich.100 Ich werde aber Menschen vorstellen, die in unterschiedlichen Kontexten mit Glasperlen umgehen, so dass auch die Biographie einer einzelnen Perle auf ihren verschlungenen Pfaden imagi-niert werden kann. Ich beschreibe einen Warenfluss, an dem wie in einem wirklichen Fluss das einzelne Wasserteilchen nicht wirklich Gegenstand einer Betrachtung sein kann. Es geht um den Verlauf des Flusses, die Quellen, die ihn speisen, die Landschaften, die er durchquert und die

99 Engomesha engeju ist ein etwa zehn bis fünfzehn Zentimeter breites Band, das oberhalb des Fußgelenks getragen wird und engomesha enkaina ist das entsprechende Gegenstück am Handgelenk mit einer Breite von fünf bis zehn Zentimetern. Beide werden nur von ilmurran getragen. Sie werden entsprechend der Verjüngung von Arm bzw. Bein zum einen Ende hin trichterförmig etwas enger und liegen eng auf der Haut an. Sie werden permanent getragen.

100 Vgl. dazu auch das Kapitel über Handel und Produktion der Böhmischen Perle (S. 437ff.), in dem ich die Skizze der möglichen Geschichte einer Perle zeichne, die ich in Nairobi fand.

Dort diskutiere ich auch ausführlicher das Konzept der Objektbiographie, wie es vor allem in der Volkskunde und seit den späten 1980ern auch in der Ethnologie (Appadurai 1986) bedeutsam ist.

Menschen, die an ihm leben sowie die Veränderungen, die alle zusammen erlebt haben.

Zunächst folge ich der Spur der Perlen zu den Maasaifrauen, die im traditionellen dörflichen Kontext Schmuck aus ihnen fertigen: Will etwa ein junges Mädchen ein Armband für ihren Freund machen, dann besorgt sie sich die Perlen auf der lokalen mnada. Eine mnada ist ein Viehmarkt, eine Art periodische Viehauktion (im Englischen, z.B. in den Berichten der District Officer in der Kolonialzeit spricht man von cattle auction), an deren Rand immer auch andere Waren angeboten werden. Der Markt in Mbauda, am Rande Arushas, den ich als erstes vorstellen werde, ist eine solche mnada. Hier stehen Händler bzw. Verkäufer mit kleinen mobilen Ständen und bieten Glasperlen an. Von diesen Klein- oder Einzelhändlern (wachuu-zi) für Glasperlen gibt es etwa 100 in der Region Arusha. Nur die wenigsten haben einen Gehilfen (msaidizi) oder Verkäufer (mwuzaji), der ihren Stand auf dem Markt betreut. Die wachuuzi, die sich einen Verkäufer leisten können, gehören zu den größeren und etablierten Händlern. Einige wenige von ihnen sind auch als Großhändler oder Importeure tätig. Etwa zwei Dutzend der Händler importieren ihre Perlen selbst, von denen vier auch Großhandel betreiben. Sie alle beziehen ihre Perlen aus Nairobi, von einem einzigen Importeur für Glasperlen. Dieser wiederum importiert über Mombasa tschechische Perlen und hatte mehr als zehn Jahre in den 1980er und 1990er Jahren quasi ein Monopol auf den Import von Glasperlen nach Kenia – in Tansania gab es in dieser Zeit gar keinen offiziellen Importeur, so dass das Monopol auch Tansania mitumfasste. Ende der 1990er Jahre, zur Zeit meiner Feldforschung, herrschte eine Zeit des Aufbruchs und des Wandels im Perlenhandel. Neue Handelswege, neue Formen des Handels, neue Handelswaren und auch neue Abnehmer traten in Erscheinung. Die gesamte Situation war komplexer und facettenreicher als jemals zuvor.

Die Personen, die ich vorstellen werde, agieren überwiegend im afrikani-schen Kontext. Bei der Betrachtung des europäiafrikani-schen Teils der Spur der Perlen stehen historische Entwicklungen und Aspekte im Vordergrund.

Dabei geht es mir hauptsächlich um eine sozialgeschichtliche Sicht auf die Lebensbedingungen der Menschen im Fichtelgebirge, Gablonz und an anderen Orten. Sie ergeben in einem komplexen Zusammenspiel den Hintergrund für den Handel und den Umgang mit Perlen durch Menschen in Arusha.

Allein schon in Arusha selbst sind es fast ein Dutzend Personen, die im Rahmen meiner Forschung wichtige Rollen spielen. Als erstes muss eine Person genannt werden, die kein Händler, aber mir ein unentbehrlicher

Helfer war: Boniphace101, ein junger Ilarus. Heute betreibt er einen kleinen Frisörsalon, 1997 war er auf der Suche nach Arbeit und wurde für mich Assistent und Kamerad. Weiter sind da Mama Nasieku, eine starke, kluge Frau und überaus erfolgreiche Händlerin; Philemon, ein sympathischer junger Mann, der bereits die ersten Sprossen auf der Erfolgsleiter als Händler erklommen hat; Shabbir M. Abdaiali und sein Vater, die einen Curioladen betreiben und deren liebenswürdige Art wohl auch Teil ihres geschäftlichen Erfolges ist. Ebenso freundlich und offen begegneten mir die Essajee-Brüder und ihr Vater, auch sie wie die Abdaialis Bohras, also Angehörige einer kleinen und in Ostafrika überaus erfolgreichen schiiti-schen Minderheit. Weiter ist da die Familie Esmail, die früher eines der zwei großen Perlengeschäfte in Arusha betrieben. Andrew, ein Konditor und Perlengroßhändler aus Kampala, ist ein weiterer wichtiger Akteur. Vergeb-lich versuchte er auf Arushas Märkten sein Glück mit indischen Perlen.

In Monduli, etwa 40 km westlich von Arusha, lebt der ehemalige Perlen-händler Mzee Ali. Mzee ist im Swahili die respektvolle Anrede für einen alten Mann. Bei Ali, von dem es heißt, er sei über 100 Jahre alt, ist sie Teil des Eigennamens geworden. Noch zu Zeiten der deutschen Kolonialherr-schaft kam er als kleiner Junge nach Tanga, von wo er später nach Arusha ging. Mit Packeseln zog er bis zum Ngorongorokrater und verkaufte Glasperlen und einfache Haushaltswaren an die Maasai.102

Es wären noch viele andere zu nennen, so auch die, die nur in den Erzäh-lungen meiner anderen Informanten auftauchen, so wie Esmail Ismael der Großhändler in Arusha war und von dem Ali seine Waren bezog. Er war über Jahrzehnte der größte Einzelhändler in Arusha. Ebenso wie Ali war er bereits in der deutschen Kolonialzeit nach Tanganjika gekommen, sein Name findet sich sogar in den frühen Ausgaben des deutschen Kolonialat-las. Ismael, ein Ismaili, verließ wie fast alle seiner Glaubensgenossen das sozialistische Tansania, als die Bedingungen für Unternehmer unerträglich

101 Boniphace ist kein Pseudonym, doch in anderen Fällen verwende ich nicht die wirklichen Namen; wo es möglich ist, beschränke ich mich darauf, nur Vornamen zu verwenden. Viele Personen lassen sich anhand meiner Beschreibungen recht einfach identifizieren. Aber es geht in dieser Arbeit oft um Geschäftliches, in Ausnahmen auch um Grenzbereiche der Legalität, etwa dort, wo Schmuggel oder Hehlerei Gegenstand der Betrachtung sind. Immer aber bildet ein Vertrauensverhältnis zwischen den Informanten und mir die Grundlage für den Informationsaustausch. Bereits Max Weber weist auf die zentrale Rolle hin, die Ver-trauen als Grundlage allen Handels spielt, gleiches gilt für das Reden über Handel. Immer musste ich mir dieses Vertrauen erwerben, kaum einmal brachte das erste Gespräch, in dem ich noch gänzlich Fremder war, verwertbare Informationen. Jetzt aber mache ich die Infor-mationen, die ich erhielt, gänzlich Fremden zugänglich. Ein Widerspruch, den ich nicht lösen kann.

102 Vgl. dazu Dobler & Vierke 2001.

wurden. Heute sind im Handel mit neuen Glasperlen in Tansania keine Inder103 mehr beteiligt.

Meine Beschreibungen beginnen und enden in Arusha. Ich werde also zunächst Stadt und Region Arusha einführen. Von der Gegenwart und von einzelnen Personen ausgehend ergeben sich Fragen nach anderen Orten, nach Entwicklungslinien und nach Einordnungen in globale und historische Kontexte. Diese werde ich dann in einzelnen Kapiteln verfolgen, um immer wieder nach Arusha und in die Gegenwart zurückzukommen.

6.2 Arusha

Die Stadt Arusha ist Verwaltungssitz der gleichnamigen Region, die mit 82.428 km2 die größte Region Tansanias ist. Das Stadtgebiet selbst umfasst 93 km2 mit einer Bevölkerung von heute mehr als 250.000 Einwohnern. Die Stadt blickt auf ein rasantes Wachstum in den letzten 50 Jahren zurück – 1948 zählte man gerade einmal 5.300 Einwohner. Die Geburtenrate liegt gegenwärtig bei etwa 3,5 %, das Gesamtwachstum der Bevölkerung ist aufgrund des Zuzugs aus ländlichen Gebieten weit höher und soll gar bei neun Prozent liegen.104

Arusha liegt am Fuß des Meru, dem mit 4.566 m zweithöchsten Berg Tansanias. Das eigentliche Stadtzentrum erstreckt sich etwa zwischen 1.400 und 1.500 m Höhe. Durch das fortgesetzte Wachstum der Stadt dehnt sich diese immer weiter vor allem in die Ebene und in Ost- und Westrichtung um den Meru aus. Die Stadt Arusha gliedert sich in insgesamt 17 Shehia (Stadtteile), die als administrative Einheit vom Distrikt Arusha gefasst werden. Dieser wiederum bildet zusammen mit den Distrikten Arumeru, Monduli, Karatu und Ngorongoro die Region Arusha, mit über 1,2 Millio-nen Einwohnern.105

Aufgrund der Höhenlage herrscht in Arusha das ganze Jahr über ein moderates Klima. Zwei Regenzeiten (Februar - März und August - Oktober) und Wasser von den Berghängen sorgen für eine weitgehend stabile Versorgung mit Wasser, wobei Engpässe angesichts der großen Bevölke-rungszahl und des Ausbleibens der Regenzeiten 1997/98 für eine

103 In den englischsprachigen Diskursen in Ostafrika hat sich seit der Unabhängigkeit zunehmend die Bezeichnung Asians anstelle von Indians durchgesetzt. Seit der Trennung Indiens und Pakistans fällt es vor allem Muslimen schwer, sich uneingeschränkt mit einer als indisch bezeichneten Abstammung zu identifizieren. Ich bin mir der Problematik bewusst, ziehe es aber aus Gründen der Übersichtlichkeit vor, im Deutschen insgesamt von Indern zu sprechen.

104 Der tansanische Bevölkerungszensus von 2002 nennt für das eigentliche Stadtgebiet von Arusha eine Gesamteinwohnerzahl von 282.712, die sich auf 72.444 Haushalte verteilen (National Bureau of Statistics 2003: www.tanzania.go.tz districts/arusha.htm, Stand 03.11.03).

105 NBS 2002: www.tanzania.go.tz census/arusha.htm.

spannte Lage zu Beginn meines ersten Aufenthalts gesorgt hatten. Dem prosperierenden Tourismusgeschäft tat dies aber bisher keinen Abbruch:

Arusha ist Ausgangspunkt für den Großteil der tansanischen Safaritouristen, auf dem Weg in die nahe gelegenen Nationalparks und conservation areas:

Serengeti, Ngorongoro, Kilimanjaro, Arusha, Makujuni, Tarangire etc. 1996 besuchten mehr als 250.000 Touristen Arusha. Gleich nach der Entwick-lungshilfe ist die Tourismusbranche der wichtigste Devisenbringer für Tansania. Zahlreiche Entwicklungsprojekte für Tansania haben ihren Sitz oder ihre Büros in Arusha. Bedeutend für die Ökonomie der Stadt wie auch ihr Erscheinungsbild ist das Arusha International Conference Centre (AICC) gleich neben der alten deutschen boma, ehemaliger Verwaltungssitz und Festung. Im AICC sind unter anderem das East African Secretary, das Eastern and Southern African Management Institute (ESAMI) und das International Rwanda Tribunal untergebracht.

werde, ebenso wie die Curioläden der Abdaialis und Ajmeri. Von den Dächern der umliegenden Häuser kann man bei klarer Sicht weit nach Süden in die Savanne hinausblicken. Dreht man sich um, so kann man zum Gipfel des Meru heraufblicken, meist ist er aber in Wolken gehüllt, im Osten befindet sich der schneebedeckte Kilimanjaro und im Westen und Süden endloses Grasland mit kleinen abgeflachten Hügeln, das Gebiet der Maasai. Der graue Bergriese Meru106 zeigt sich das ganze Jahr über an

Sokoine Rd. Cl ock Tower

Ngoliondoi Rd.

Moshi Rd.

India Street Boma Street

© Entwurf und Grafik U. Vierke 2001 N

106 Der Meru ist ein ruhender Vulkan, dessen Zentralgipfel sich bis auf 4.566 m erhebt. Die Ebenen, die den Meru umgeben, liegen auf einer Höhe von etwa 1.200 m über NN. Die bewohnten Hänge steigen sanft bis auf etwa 2.100 m an. Darüber steigt mit etwa 30°

(Kili-seinen Hängen in üppigem Grün, das schon wenig oberhalb der ost-westlich verlaufenden Nairobi Road jegliche Anzeichen der dennoch dichten Besiedlung verschluckt. Hier leben die Ilarus, Bauern wie ihre östlichen Nachbarn, die Meru. Im Nord-Westen kann man noch einen Blick auf grüne Zipfel Farmlands erhaschen. Hier bauen zumeist weiße Farmer auf riesigen Farmen Kaffee an.

Arusha ist eine Stadt der Kontraste. Viele der zahlreichen Facetten dieser Stadt haben mittelbare oder unmittelbare Bezüge zum Handel mit

Arusha ist eine Stadt der Kontraste. Viele der zahlreichen Facetten dieser Stadt haben mittelbare oder unmittelbare Bezüge zum Handel mit