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Dieses einleitende Kapitel zielt darauf, einen allgemeinen Überblick über das Material Glas, seine Herstellung und die verschiedenen Techniken der Formgebung zu bieten, soweit sie für die Produktion von Glasperlen relevant sind. Die mehr allgemeinen und technischen Aspekte in einem Kapitel als Einleitung an dieser Stelle zusammenzufassen ist schon deshalb notwendig, um die folgenden Kapitel stringenter gestalten zu können und Redundanzen zu vermeiden. Vielmehr ist es auch einer bestimmten theoretischen Perspektive geschuldet, in der materielle Kultur nicht als

„materialisierte Kultur“27 gesehen wird, sondern immer wieder auf die Prägung des Handelns der Menschen durch die Gegenstände selbst abgeho-ben wird. Produkte menschlicher Arbeit, wie materielle Kultur insgesamt, stehen im Handeln immer in einem dialogischen Verhältnis zum Handeln-den. Das Wissen um das Material Glas und die allgemeine Kenntnis der Herstellungstechniken sind nicht bloßer Hintergrund für das Verstehen konkreter Handlungen – es ist weit mehr. Handeln und Handlungsstrategien der Perlenmacher sind geprägt durch den Werkstoff Glas.

5.1 Glas

"Those who want to love Czech glass must know and understand it. And there is no understanding without a deep knowledge of the art of glassmaking itself, its long tradition, its origins, and its development. Only a few people share the secrets of this art and its complicated progress from mass of glass into beautiful object. The glassmaker will accomplish his job by the breath from his mouth and often with tears of exhaustion caused by the flames of the melting furnaces.

The role of glass in the world is greater than that of other materials, even more expensive ones. Loving glass means forgetting darkness and rising towards light and brightness. To stare at its rainbow-like reflections and glare is to become a more noble person. The love of glass means admiring and appreciating those

27 Vgl. die von Johansen 1992 in der Zeitschrift für Ethnologie angestoßene Diskussion über materielle Kultur.

qualities that form its permanent value – like the genuineness of the glass and the honesty of work."

(Josef Drahoňovský, 2nd International Congress on Glass, London, 1936)

5.1.1 Historie der Glasgewinnung

Bereits im antiken Ägypten beherrscht man die Herstellung von Glas auf einem recht hohen technischen Niveau. Hergestellt wurden einfaches Rohglas und farbiges Glas. Bis Ende der 1990er Jahre ging man davon aus, dass das bekannte Ägyptischblau die einzige damals herstellbare Farbe war, jüngste Grabungsfunde belegen aber, dass die Kenntnisse über die Glasher-stellung umfangreicher waren und man vermutlich auch rotes Glas produ-zieren konnte. Aus diesem opaken, farbigen Glas stellen die Ägypter z.B.

kleine Gefäße her, in denen man Salben aufbewahrt. Im 1. Jh. v. Chr. wird in Griechenland die Technik des Glasblasens entwickelt. Glas als Werkstoff gelangt aber erst im Römischen Imperium zu einer wahren Blüte.28

In der nachrömischen Zeit erfährt die Kunst des Glasmachens erst im 11./12. Jh. wieder einen nennenswerten Aufschwung. Eine einzigartige Quelle aus dem 12. Jh. ist ein Text von Theophilus Presbyter, der einen ganzen Band seiner dreiteiligen Schedula diesem Thema widmet. Ausge-hend von einer kontinuierlichen Glasproduktion seit der Karolingerzeit, führt der sich anbahnende Aufschwung nun auch zu Gründungen außerhalb der Francia in der Ile de France, der Normandie, in Lothringen, in Byzanz, in Italien und wohl auch in England, Deutschland und Skandinavien. Die byzantinischen Gläser genießen bald einen so guten Ruf, dass sie nicht nur in dem Werk des Theophilus gelobt werden, sondern sogar König Roger II.

von Sizilien 1147 zu einem Überfall auf Korinth veranlassen, bei dem er Glasmacher und Glasmaler entführen lässt. In Italien erreicht im ausgehen-den 11. Jh. das venezianische Glas unter korinthischem Einfluss eine fast monopolartige Stellung. Von 1291 an konzentriert man die Werkstätten wegen der Feuergefahr, aber auch, um das Wissen um die Techniken besser geheim halten zu können, auf der Insel Murano. Die venezianische Glasin-dustrie bleibt bis in die Gegenwart auf Murano beheimatet und ist damit einer der wenigen Fälle, in denen Glashütten über Jahrhunderte an einem Ort in Betrieb bleiben. In der Regel geben mittelalterliche Glashütten nach etwa zehn Jahren ihren Standort auf und ziehen, unter anderem wegen ihres enormen Holzbedarfs, in noch nicht abgeholzte Waldgebiete weiter.29 Dass die Glasindustrie in Murano an einem für die Produktion der Glashütten eher ungünstigen Ort verblieben ist, erklärt sich durch die großen Vorteile,

28 Hägermann 1991: 198f.

29 Ludwig & Schmidtchen 1992: 198f.

die sich aus der Nähe zum Handel ergeben. Doch mussten Holz und Pottasche unter hohen Kosten herbeigeschafft werden.

Im Bayerischen Wald lässt sich die Glasherstellung bis in keltische Zeit zurückverfolgen. Im Mittelalter siedeln die Benediktinerklöster Niederaltach und Rott am Inn gezielt Glasmacher in ihren waldreichen Besitzungen an. In Niederaltach lassen sich bereits um 1300 Glasmacher nieder,30 in Frauenau und Rabenstein wird in der ersten Hälfte des 14. Jh. mit der Herstellung und Verarbeitung von Glas begonnen,31 wobei in Rabenstein einzig Glasperlen gefertigt werden.32 Ausgehend von der ersten Gründung einer als „Pater-nosterhütte“ bezeichneten Perlenhütte in Rabenstein entstehen weitere im Bayerischen Wald und im Böhmer Wald. Für mindestens zweihundert Jahre steht die Glasperlenherstellung hier in ihrer ersten Blüte. Eine der frühesten Gründungen in Böhmen dürfte die Gansauer Hütte nahe Wittenberg (Vimperg in Tschechien) sein, deren Existenz seit 1359 belegt ist.33

Die Etymologie des Wortes Glas ist eng mit dem Handel bzw. dem Fern-handel verknüpft: Glas gelangt erstmals in römischer Zeit auch in größeren Mengen in den germanischen Sprachraum. Im Lateinischen als vitrum bezeichnet, nahm es die Bezeichnung für ein im Aussehen ähnliches und wiederum bei den Römern sehr begehrtes Handelsgut, den Bernstein34 (Germanisch: glaza), an. Glas kam nicht als Rohstoff in die germanischen Gebiete, sondern in Form von Glasprodukten, allen voran Glasperlen. Diese Glasperlen verglich man mit anderen Perlen und setzte das neue Material Glas dem bekannten Bernstein gleich, der ebenso wie Glas überwiegend zu Perlen verarbeitet wurde und begehrter Luxusartikel und Fernhandelsgut war. Später in karolingischer Zeit wurde glaza zu glasa und dann zu glas.35 5.1.2 Material Glas

Glas kann im Prinzip überall auf der Erde hergestellt werden, kommt doch sein Hauptbestandteil Quarz (zumeist in Form von Sand) fast überall vor.

Da die Schmelztemperatur von Quarz (Si02) jedoch mit 1700° recht hoch liegt, bedarf es des Zusatzes so genannter Flussmittel wie Soda, Blei- oder Bohrsalzen, Pottasche sowie Kalk und in geringen Mengen Ton. Die chemisch-physikalischen Eigenschaften des Glases, insbesondere seine Stabilität, werden durch das Mischungsverhältnis dieser Bestandteile

30 Vgl. Verhandlungen 1856: 209.

31 Sellner 1988: 5.

32 Poschinger 1921: 54.

33 Blau 1941: 89 und Jargstorf 1995: 31f.

34 Bernstein (griech. electron, lat. electrum) ist eine relativ rezente Bezeichnung, die erst um 1400 als bornsten bzw. bernsten (bernen = trennen) in Ostpreußen auftaucht (Wihr 1977:

150).

35 Wihr 1977: 150.

bestimmt. Reines Quarzglas ist dabei am stabilsten. Je mehr Flussmittel beigefügt wird, desto leichter korrodiert das Glas.

Die ältesten bekannten Gläser sind fast alle Kalk- oder Natrium-Blei-Kalk-Gläser. Das hierfür benötigte Natrium gewann man etwa aus dem in Westägypten vorkommenden Natursoda. Die Phönizier gewannen Soda (Natriumcarbonat) aus der Asche von Meeresalgen. Nördlich der Alpen verwendete man statt Soda die leichter beschaffbare Pottasche (Kaliumcar-bonat). Das für die Herstellung von Blei-Gläsern notwendige Blei wird aus Bleierz geschmolzen.

Bezüglich der chemischen Beschaffenheit des Glases lassen sich grob drei Hauptperioden bestimmen: Bis weit über das Mittelalter hinaus wird überwiegend Natronglas hergestellt, mit Ausnahme seltener Bleigläser etwa im antiken Rom. Kalk scheint nur ein zufälliger Bestandteil der Gläser gewesen zu sein. Die zweite Periode beginnt mit der Glasherstellung in Böhmen und ist durch die Erzeugung von Kaliglas charakterisiert. Die dritte Phase bis in die Gegenwart ist durch in großer Vielfalt industriell gefertigter Glasarten geprägt. Sie beginnt mit der Massenproduktion von Natronglas in Frankreich und Bleikristall in England. Im 19. Jh. ist Mitteleuropa unange-fochten führend in der Produktion von Glas.36 Als wichtigste Nationen sind hier zu nennen: England, Frankreich, Belgien, das deutsche Reich bzw.

Preußen37 mit den großen Raffinerien im Saarland und an der Ruhr, Österreich-Ungarn mit dem Zentrum im Isergebirge und Italien mit Venedig. Außerhalb Mitteleuropas sind Mitte des 19. Jh. nur Amerika mit gut 200 und Russland mit 150 Glasfabriken zu nennen.

In China und Indien existieren Jahrtausende alte handwerkliche Glasin-dustrien. In Umfang und Qualität der Produktion bleiben sie jedoch weit hinter Europa zurück. Dazu Stein in seinem Standardwerk der Glasherstel-lung von 1862:

36 In England waren 1844 etwa 40.000 Arbeiter in der Glasindustrie beschäftigt, die 3.670.000 kg Glas im Wert von 2 Millionen Pfund Sterling oder 50 Millionen Frcs. produ-zierten. In Frankreich wurde 1856 Glas im Wert von 36 Millionen Frcs produziert. Die belgische Produktion dürfte in etwa der französischen entsprochen haben (1846 betrug der Export allein 12½ Millionen Frcs), (Stein 1862: 4).

37 Bereits 1848 gab es im Gebiet des deutschen Zollvereins 188 Glashütten und davon allein in Preußen 111, mit insgesamt über 6.000 Arbeitern (Stein 1862: 4).

„Indien und China erzeugen nur wenig und schlechtes Glas, daher findet ein bedeutender Export von Europa aus nach diesen Ländern statt. Ueberhaupt ist es, wie uns scheint, von besonderer Bedeutung für alle, welche Glashütten zu errichten beabsichtigen, dass im Durchschnitt allenthalben die Hälfte der Production auf den Export kommt.“

(Stein 1862: 4)

Bemerkenswert an den Aussagen Steins ist, dass bereits in der ersten Hälfte des 19. Jh., lange vor der Hochzeit der Kolonialzeit, der Export von Glas eine derart herausragende Rolle spielt, und dass die Exporte nach Indien und China sogar in einem Standardhandbuch der Glasfabrikation Erwähnung finden. Die Exporte von Glas nach Indien scheinen früh bemerkenswerten Umfang zu haben. Die indische Glasindustrie produziert im 19. Jh. in erster Linie Armreifen und Perlen. Letztere wiederum gingen zu einem erheblichen Teil in den Export nach Ostafrika. So mag unter den indischen Perlen, die nach Ostafrika gehandelt werden, auch eine nicht geringe Menge aus deutschem Glas gefertigt sein. Denn dieses ist im 19. Jh.

in seiner Qualität, vor allem in seiner Farbigkeit, indischen Gläsern weit überlegen. Die Farbigkeit von Glas ist ein Aspekt, der zumindest kurz eine gesonderte Betrachtung verdient.

5.1.2.1 Glasfarben

Zur Entfärbung des Glasflusses verwendet man schon im antiken Rom Mangan, die so genannte Glasmacherseife. Dieses Mangan, in Form von Mangandioxid, zeichnet sich durch seinen hohen Sauerstoffgehalt aus. Glas wurde und wird überwiegend durch die Beigabe von Metalloxiden einge-färbt. Die leichte Grün-, Gelb- oder Blaugrünfärbung alter Gläser (Wald-glas) wird durch die meist unbeabsichtigte Beimengung minimaler Oxidspu-ren verursacht. Unter vorindustriellen Arbeitsbedingungen war es kaum möglich, die an sich nicht färbenden Hauptbestandteile Natrium, Kalium, Kalk und Blei in reiner Form zu gewinnen. Auch die Verwendung von Werkzeugen aus Eisen oder Kupfer kann zu leichten Verunreinigungen des Glasschmelzes führen. Kräftigere Färbungen der Gläser werden durch Beimengung färbender Substanzen zum Glasfluss erzielt: Eisenoxid in Form von Eisenhammer (FeO) erzeugt ein helles Gelb, Grün oder Braunrot, Kobalt- oder Kupferoxide Blau, eisenhaltiger Braunstein Schwarz, Antimon verschiedene Gelbtöne, Goldlösung rubinrote Farben. Zinnasche (Zinnoxid) und Knochenasche erzeugen weiße Trübungen, Mangan (Braunstein) in geringen Konzentrationen Violett und Kupfer je nach Schmelzatmosphäre Blau, Grün oder ein opakes Blutrot.38

38 Dazu Wihr (1977: 159) und als eine frühe Quelle Heyer (1831: 319).

Ende des 18. Jh. fertigt man im Fichtelgebirge gelbe, blaue, rubinrote und weiße Glasperlen und schwarze Perlen aus einem glasähnlichen Mineral, dem Proterobas (dazu S. 348). Das gelbe Glas gewinnt man durch Zugabe von Birkenrinde, blaues durch Kobaldsalze oder Smalte, rubinrotes durch Braunstein und weißes, opakes Glas durch kalzinierte Knochenasche.39 Mitte des 19. Jh. finden sich neben transluzenten schwarzen, blauen und grünen Gläsern, die unter Verwendung von Pottasche erschmolzen werden, noch kristallweiße und gelbe, die ebenfalls transluzent sind. Besonders begehrt sind die gelben Perlen. Beinglas wird unter Verwendung großer Mengen von arsenischen Säuren hergestellt.40

Die Farbpalette der Paterlahütten im Fichtelgebirge des 19. Jh. nimmt sich recht bescheiden aus neben denen anderer Regionen. Die Farben böhmischer Gläser, bis ins 18. Jh. vergleichbar denen des Fichtelgebirges, sind Ende des 19. Jh. von nahezu unendlich großer Vielfalt. Die Farbskala der Gläser einer einzigen Hütte kann Hunderte von Tönen umfassen. Eine spezifische Form der böhmischen Glasfarben sind dabei die Uranglasfarben (s. S. 25ff.).41

5.1.2.2 Kompositglas

Glaskompositon (oder kurz Komposit) werden färbige, bleihaltige, leicht-flüssige bzw. -schmelzbare Gläser genannt. Die nordböhmischen Glasarbei-ter unGlasarbei-terscheiden Glas und Komposition, obwohl letzGlasarbei-tere physikalisch-chemisch lediglich eine spezielle Art Glas ist und nicht etwa ein gänzlich anderes Material.42 Glasperlen aus Komposition zeichnen sich durch ihre besonderen Farben aus, die in ihrer Brillanz und Farbigkeit der von Edel-steinen gleich kommt. Die Herstellung von Komposition ist aufs Engste mit der Geschichte der Gablonzer Perlenherstellung verknüpft, weshalb ihr im entsprechenden Kapitel besondere Aufmerksamkeit gewidmet wird (S. 450ff.). Sich näher mit der Geschichte des Kompositglases auseinander zu setzen, ist im Zusammenhang dieser Arbeit interessant, da es diese besonderen Arten von Glas sind, die in ihrer Vergleichbarkeit mit Edelstei-nen eine wichtige Erklärung für die große Beliebtheit von GlassteiEdelstei-nen und Glasperlen bieten (beispielsweise zum Einfluss des Diamantschliffs s. S. 447).

39 Flurl (1792: 470) und gleichlautend Bischof (1817: 322).

40 Für jedes Geschmelz von etwa 40 Pfund Glas werden sieben Pfund arsenische Säuren verbraucht (Sackur 1861: 109f.).

41 Vgl. zur Entwicklung farbiger Gläser im Isergebirge u.a. Zenkner (1968: 42ff.).

42 Die Unterscheidung von Glas und Komposition findet sich auch in anderen europäischen Sprachen: Im Englischen spricht man von glass und paste, im Französischen von verre und email und im Italienischen von vetro und smalto.

Die Herstellung von Kompositglas unterscheidet sich in einigen Punkten deut-lich von der normalen Glases: Auffälligstes Merkmal ist der spezielle geschlossene Hafen, in dem Kom-positionsglas er-schmolzen wird (s.

Abb.2 Fig. 15). Ein solcher Hafen fasst

durchschnittlicher 20 bis 30 kg Gemenge, offene Hafen sind oftmals um ein Vielfaches größer. Das Gemenge enthält neben den üblichen Zusätzen wie Braunstein, Pottasche etc. auch Elemente wie Mennige, Salpeter oder Bergkristall. Hierbei ist besonders das enthaltene Blei zu erwähnen, das zwar einerseits sonst nicht zu erreichende Farben ermöglicht, ebenso wie besonders gute Schleifbarkeit, auf der anderen Seite aber auch zu starken gesundheitlichen Belastungen für die Glasarbeiter führt. Viele der alten Gläser dürften heute gar nicht mehr hergestellt werden, weshalb Glasstangel aus alten Beständen heute oft einzigartig und bei Glasperlenmachern gesucht sind. Eine der vielen Varianten der Herstellung von Glaskompositi-on besteht aus folgenden Schritten: Zuerst wird der Ofen mitsamt Hafen auf Temperatur gebracht, dann durch die enge Öffnung mit dem pulverförmigen Gemenge beschickt und schließlich mit einem Deckel versehen. Die Deckelfugen werden mit Tonschlicker verfüllt. Jetzt wird das Ganze einen Tag lang bei hoher Temperatur gefeuert. Anschließend lässt man den Ofen mitsamt Hafen langsam erkalten. Nach dem Erkalten wird der Hafen entnommen. Um an das Kompositglas zu kommen, muss der Hafen zerschlagen werden. Erst jetzt zeigt sich auch das Ergebnis des Schmelzpro-zesses. Im Gegensatz zum normalen Glasschmelzen im offenen Hafen hat der Schmelzer hier zuvor keinerlei Möglichkeit zu kontrollieren, wie der Schmelzprozess verläuft. Die Anforderungen an das Geschick der Arbeiter sind beim Kompositglas ungleich größer als bei einfachem Glas. Die Temperatur muss exakt gehalten werden und das Gemenge muss extrem rein sein, es kann z.B. keine Schlacke während des Schmelzens abgenom-men werden. Insgesamt ist die Herstellung von Glaskompositon wesentlich aufwendiger und kostspieliger als die normalen Glases.

Abb.2: Tönerne Glashafen offene (Fig. 13 und 14) für die Herstellung normaler Glasschmelze und ein geschlossener (Fig. 15) zur Gewinnung von Kompositglas (Stein 1862).

5.1.2.3 Uranglas

Immer wieder tauchen Perlen auf afrikanischen Märkten (auch in Ostafrika) auf, die von Sammlern als Uranglasperlen bezeichnet werden. Ob es sich wirklich um Uranglas handelt, lässt sich mit einer UV-Lampe feststellen, in deren Licht die Perlen grünlich scheinen.

1789 entdeckt der Apotheker und Chemiker Martin Heinrich Klaproth (1743-1817) im Mineral Pechblende das Element Uran und stellt bald darauf fest, dass sich Glasflüsse mit Uranverbindungen einfärben lassen.

Die Herstellung von Uranglas in größerem Umfang gelingt aber erst Mitte des 19. Jh. Die älteste belegbare Herstellung von Uranglas in größeren Mengen erfolgt durch den Hüttenmeister Franz Xaver Anton Riedel (1786-1844) in der Zenkerhütte in Antoniwald (Antoninow nad Kamenici).

Anfänglich wird zwar versucht, die Kenntnisse über die Färbetechniken geheim zu halten, aber die verwandtschaftlichen Verflechtungen der großen Glasmacherfamilien Riedel, Pohl und Meyr machen dies ebenso unmöglich, wie der Wissenstransfer durch wandernde Glasmachergesellen und Schmelzmeister.43

Die heute gebräuchlichen Bezeichnungen für die Uran-Glasfarben als Annagelb und Annagrün gehen auf die ursprüngliche Benennung durch Riedel zurück, der die Gläser nach seinen Töchtern Anna und Eleonore (Eleonorengrün) benannte. Dass sich später die Benennung als Annagrün und -gelb durchsetzte, spiegelt sowohl die Wirtschaftsgeschichte des Isergebirges wieder, ebenso wirft es ein Schlaglicht auf die familiären Entwicklungen eines der größten Glashüttengeschlechter: 1840 heiratet Josef Riedel (1816-1894) die älteste Tochter seines Onkels Franz Xaver Anton Riedel mit dem Namen Anna. Er baut in den folgenden 50 Jahren das größte Glasunternehmen Böhmens mit fünf Glashütten, einer Glasraffinerie und einer Belegschaft von mehr als 1.200 Mitarbeitern auf. Auch die Uranglasfertigung, die er von seinem Onkel und Schwiegervater übernimmt, kann er erweitern.44

Die rund 14.000 t Uranglas, die allein die Riedelhütten im 19. Jh.

produzieren, werden entweder zu Stangenglas für die Perlenherstellung geformt oder man erzeugt Hohlgläser wie die oft als Überfang geschliffenen Becher der Mineralbrunnen in Karlsbad und Marienbad, die ein beliebtes Souvenir der Kaiserzeit sind. Angesichts der hohen Produktionsmengen

43 Gelfort 2001: 97f.

44 Die jährliche Gesamtproduktion in Joachimsthal betrug bis 1865 0,6 bis 4,5 t Uranfarbe, Ende der 1880er Jahre während der wohl größten Nachfrage betrug sie mehr als 22 t, um bis zur Jahrhundertwende wieder auf wenig mehr als 4 t abzusinken. Bis dahin waren etwa 160 t Uranfarbe in Joachimsthal mit einem Gesamtwert von ca. 3 Mio. Gulden produziert worden.

Aus den 160 t Uranfarbe errechnet sich eine Gesamtproduktion von etwa 14.000 t Uranglas im 19. Jh. (Gelfort 2001: 98, 108).

(allein die Riedelschen Werke in Klein-Iser (Mala Jizerka) verarbeiten bis 1945 jährlich 5 t Uranoxidnatron aus Joachimsthal zu gefärbtem Rohglas) stellt sich die Frage nach der gesundheitlichen Belastung durch diese Arbeiten. Der durchnittliche Gehalt an Chromophor Uran kann für die verschiedenen Kompositionen etwa bei einem Prozent angesetzt werden. Es wurden also große Mengen an uranhaltigem Material verabeitet. Verglichen mit anderen gesundheitlichen Risiken in der Glas- und Glasperlenindustrie, etwa durch Blei, ist die Belastung durch radioaktive Strahlung beim Umgang mit Uranglas sehr gering. Vermutungen, dass Perlen aus Uranglas zu einer nennenswerten Belastung der Konsumenten führt, lassen sich ebensowenig nachweisen.45

Lassen sich Spuren von Uranglas in einer Perle nachweisen, kann diese zeitlich zumindest grob eingeordnet werden. Als weitester Rahmen mag dabei die zweite Hälfte des 19. und die erste des 20. Jh. gesehen werden.

Vor 1840 und nach 1945 kommen diese Gläser eher selten vor. Eine Perle aus Uranglas stammt mit großer Wahrscheinlichkeit aus böhmischer Produktion.

Im Rahmen meiner Forschung hatte ich zweimal mit Uranglasperlen zu tun: Auf dem so genannten Masai-Market, einem wöchentlichen unweit der Ngong-Road stattfindenden Touristenmarkt, fand ich eine Kette mit anna-grünen, gedrückten, böhmischen Perlen, die sich auf die 1920er oder 30er Jahre datieren läßt. Zusammen mit dem neuwertigen Originalverschluss liegt die Vermutung nahe, dass es sich um eine vor 1946 in Böhmen ge-fertigte Kette handelt, die dann in den 1990er Jahren aus tschechischen Altbeständen nach Kenia gelangte.

Zusammen mit dem Glas- und Heimatforscher Gerhard Zeh konnte ich

Zusammen mit dem Glas- und Heimatforscher Gerhard Zeh konnte ich