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7 Wafanya Biashara wa Shanga – Perlen- Perlen-händler in Arusha

7.5 Perlengroßhandel in Arusha

Im Handel mit Glasperlen und Glasperlenobjekten gibt es keine Stufe, die ähnlich facettenreich ist, wie die der Großhändler bzw. Lieferanten der lokalen Einzelhändler. Perlengroßhändler mit einem Ladengeschäft wie dem von Mohamed Esmail in den 1960er Jahren gibt es im Zentrum Arushas nicht mehr. Doch angesichts der großen Dynamik, mit der verschiedenste Akteure immer neue Formen des Handels entwickeln, scheint es nicht ausgeschlossen, dass sich diese klassische Form der duka la shanga vielleicht auch in Arusha wieder etablieren kann. Als letzte Station dieses Kapitels werde ich ein solches Ladengeschäft eines Großhändlers in Daressalam vorstellen, auch dort eine neue Entwicklung. Zuvor jedoch werden die Formen des Großhandels im Arusha Ende der 1990er Jahre vorgestellt.

7.5.1 Meliyo Laiser – Perlenhändler und Recycler159

Meliyo Laiser ist einer der vielseitigsten Perlenhändler in Arusha. Er scheint keiner Kirche anzugehören, zumindest kam keine Bejahung von ihm, wenn man ihn darauf ansprach. Seine christlichen Kollegen sagen, er sei traditio-neller Maasai, aber eigentlich spielt es in ihrer Sicht auch keine Rolle.

Meliyo wuchs in Kisongo auf, lebt aber heute in Iljoro, einem der nördli-chen Stadtteile von Arusha. Er ist verheiratet und hat einen eineinhalbjähri-gen Sohn.

Ich treffe Meliyo zum ersten Mal im November 1997 bei den Frauen am Clock Tower. Er bringt Perlen für Mama Nemolel. Es ist ein großes Bündel langer Perlenstränge, die zusammen gut eine halbe Plastikeinkaufstasche füllen. Meliyo ist zusammen mit einem Freund unterwegs, doch hat der andere Besorgungen zu erledigen, während Meliyo fast eine Stunde bei den Frauen bleibt. Die meiste Zeit ist er damit beschäftigt, die langen Perlen-stränge zu entwirren. Es sind Perlen der Größe 8/0, die er size nane (Größe Acht) nennt, und Perlen der Größe 10/0, die er size moja (Größe Eins) nennt.

Von beiden Größen hat er 40 bis 50 Stränge, die wie Ketten an den beiden Enden zusammengebunden sind und einen Umfang von etwa 50 cm haben.

Die Perlen scheinen gebraucht zu sein, einige der Stränge sehen sogar so aus, als wären sie, so wie sie sind, als Halsketten getragen worden. Einer

159 Die Informationen beruhen auf mehreren Gesprächen, die ich mit Meliyo 1997 und 98 in der Folge unseres ersten Treffens im November 1997 geführt habe.

besteht sogar aus zwei mittels kleiner Plastikstege aneinander gefügten Stränge. Die Perlen sind nie beliebig aufgefädelt, sondern immer alternie-rend zwei oder drei Perlen einer Farbe und dann zwei oder drei einer zweiten. Erst bei genaueren Hinsehen zeigt sich, dass unter den angefädelten Perlen vielleicht auch neue Perlen sind. Auffällig ist, dass sich unter den Perlen auch etwa 20 % transluzente befinden. Die Zusammenstellung kann so also nicht für die traditionelle Maasaikundschaft gedacht sein, fragt diese doch nur opake Perlen nach. Die Preise liegen deutlich unter den Marktprei-sen für Endverbraucher auf den minada. Ein Strang, egal welcher Perlen-größe, kostet bei Meliyo 400 TSh, auf den minada kostet zur gleichen Zeit ein etwa halb so langer Strang 300 TSh bzw. 250 TSh im Fall der Perlen size moja.

Meliyo erzählt, dass er Perlen lose, also nicht aufgefädelt, aus Nairobi beziehe. Meliyo ist der einzige Händler, der angibt, lose tschechische Perlen zu kaufen. Ich habe die Pakete zwar nie gesehen, die Perlen, die er anbietet, sind aber stets gute JABLONEX Perlen und nie billigere indische Perlen, wie ich anfänglich vermutete. Neben den losen Perlen kauft er angefädelte, für den späteren Verkauf auf den minada. Die zweite wichtige Bezugsquelle für Glasperlen sind für Meliyo die Viehhändler aus dem Simanjiro und Frauen in den Siedlungen Arushas. Sie versorgen ihn mit alten, gebrauchten Perlenschmuckstücken. Diese lässt Meliyo von Frauen in seiner Nachbar-schaft auftrennen und zusammen mit den neuen Perlen zu langen Strängen auffädeln.

Meliyo verkauft regelmäßig an die Frauen am Clock Tower, am besten kennt er Ngaiseri, doch auch mit den anderen Frauen macht er gelegentlich Geschäfte. Sie bevorzugen die billigeren gemischten Perlen, die er anbietet.

Für sie macht es wenig Unterschied, ob sie nur die klassischen opaken neuen Maasaiperlen verarbeiten oder auch transluzente und gebrauchte, deren Farben oftmals gar nicht mehr gehandelt werden, wie das typische Grün der ilmakaa. Ihre Kunden, meist Touristen, sehen kaum einen Unterschied und begrüßen eher eine ungeordnete Buntheit in den Souvenirs.

Deutlich anders sind, wie oben schon geschildert, die Nachfrage und das entsprechende Angebot auf den minada. Auch hier ist Meliyo aktiv und hat die entsprechenden Perlen in seinem Angebot. Er ist einer der vielseitigsten Händler, der mir begegnet. Neben dem Geschäft mit den Souvenirhändle-rinnen versorgt er auch Einzelhändler auf den minada und ist regelmäßig auch mit einem eigenen Stand auf den drei größten minada präsent. Bietet sich eine Gelegenheit, so ist er auch in anderen Geschäftszweigen als dem Perlenhandel tätig: Immer noch handelt er gelegentlich mit Vieh. Als Viehhändler fängt er auch an – 1982 beginnt er, zusammen mit seinem Vater Schafe und Ziegen zu handeln. Von 1985 bis 1988 handelt er mit Rindern, um danach ins Geschäft mit Glasperlen einzusteigen. Neben der

Arbeit als Händler hat er auch noch eine kleine shamba und eine kleine Rinderherde. Bäuerliche Arbeit und Handel ergänzen seiner Ansicht nach einander recht gut. Während zwei Monaten im Jahr lässt er den Handel ganz ruhen und widmet sich seiner shamba. Das ist während der Pflanzzeit zu Beginn der großen Regenzeit Ende Februar bis April. Den Rest des Jahres von Mai bis Februar kann er sich dann ganz der Arbeit als Händler widmen.

In den ersten Jahren fällt es ihm schwer, in Tansania größere Mengen Perlen zu beschaffen. Seit 1992 ist die Situation deutlich besser geworden.

Er sagt, dass er selbst noch nicht nach Nairobi gefahren sei, um dort zu kaufen. Er bezieht seine Perlen von verschiedenen Händler, die diese aus Nairobi holen. Unter diesen Großhändlern sind sowohl Frauen wie auch Männer, Kenianer wie auch Tansanier.160 Zum Teil beliefern ihn seine Lieferanten direkt, zum Teil reist er auch nach Namanga, dem kenianisch-tansanischen Grenzort, wo er sich mit Großhändler aus Kenia trifft. Hier in Namanga hat auch Boniphace, mein Assistent, 1993 für einige Zeit Gehilfe der Händler gearbeitet und Perlen auf Fußpfaden über die Grenze geschafft.

Diese Praxis wird auch Ende der 1990 noch praktiziert. Meliyo jedoch führt seine Perlen selbst nach Tansania ein. Er versucht nicht, sie zu schmuggeln, doch hofft er stets, dass es ihm gelingt „seinen“ Grenzbeamten anzutreffen.

Der Einfuhrzoll, von dem die Rede ist, hat nicht im Entferntesten etwas mit den über 150 % offiziellen Einfuhrabgaben zu tun, die laut Gesetz fällig wären, sondern erreicht kaum je den zweistelligen Bereich.

160 Bis 1996 war seine Hauptlieferantin eine Kikuyuhändlerin, doch ist diese vor einem Jahr gestorben.

Weg / Strasse

N O

= Haushaltswaren

= Perlenhändler

Duka (Softdrinks)

= Dawa (Medizin / Kräuter)

Viehverkauf

© Grafik: U. Vierke 1998 Baum

Abb.25: Die mnada in Naberera Mai 1998.

Meliyo gehört zu den Perlenhändlern aus Arusha, die für ihre Geschäfte am weitesten reisen. Nicht nur, dass er die Märkte in Mbauda, Kisongo und Ngaramtoni besucht, er reist seit 1995 auch regelmäßig nach Kibaya (im südlichen Marktzirkel). Auch in Naberera und anderen Orten des Simanjiro ist er schon gewesen, doch den gesamten südlichen Marktzyklus macht er nicht mehr. Auf den Märkten, die er besucht, ist er meist mit einem eigenen Stand präsent, er verkauft aber auch an andere Händler. Vor 1995 bereist er hauptsächlich den Hanang Distrikt. Der dortige Marktzirkel beginnt immer am letzten Tag eines Monats in Dareda Kati, um dann am zweiten eines Monats in Bashanet fortgesetzt zu werden. Es folgen Ufana am dritten, Katesh am zehnten und elften, Endasak, bzw. Gitting am dreizehnten, Babati am 17. und Riroda bzw. Endabeg am 18. jeden Monats. Es scheint keinen wirklich geschlossenen Marktzirkel im Hanang Distrikt zu geben.

Meliyo berichtet, dass er Anfang der 1990er stets für einige Tage dorthin reiste. Zu dieser Zeit war die Straße von Arusha dorthin noch in gutem Zustand, so dass die Reise problemlos war.

Meliyo ist wie die meisten anderen Perlenhändler insgesamt recht opti-mistisch, was die Entwicklung des Perlengeschäfts in Arusha angeht, und hat es nie bereut, Perlenhändler geworden zu sein. Die Strapazen des Reisens findet er nicht bemerkenswert. Das schwierigste Problem für die Perlenhändler sagt er, sei es, dass die Preise für Perlen in Nairobi steigen.

Für sie als Händler sei es dann sehr schwer, die Preise in Arusha ebenfalls anzuheben. Das würde jedes Mal zu sehr viel Ärger mit den Kunden führen.

Meliyo kennt sein Geschäft so gut, dass er selbstsicher genug ist, als einer von wenigen Händler auch offen über Zahlen zu sprechen.

An fixen Kosten hat er jeden Markttag die Standgebühr, in Mbauda z. B.

250 TSh. Hinzu kommt das Geld für die Anreise, zwischen 400 und 2.000 TSh. Für Übernachtung und Verpflegung braucht er nicht viel einplanen, da er Leute kennt, wo er unterkommen kann. Mbauda ist für ihn von allen Märkten der günstigste, selbst wenn er mit dem daladala fährt, sind es gerade einmal 650 TSh an fixen Kosten. Für seine Rohware zahlt er zwischen 9.000 und 10.000 TSh. Im Verkauf bringen ihm die losen Perlen 16.000 TSh je Kilo.

III. Kalkulation eines Perlenhändlers je Strang in TSh Bündel mit je 3

Strängen 10/0 -Perlen

je Strang 8/0 -Perlen

125,00 166,00 5.000 TSh Einkaufspreis je 500g-Paket 1,20 1,40 Reisekosten Einkauf Namanga

6,20 7,50 250 TSh Standgebühr Mbauda anteilig bei 10.000 TSh Umsatz

10,00 12,12 Fahrtkosten anteilig bei 10.000 TSh Umsatz

142,40 187,02 Stückkosten

142,40 187,02 Stückkosten

107,60 112,98 Überschuss Einzelverkauf 250,00 300,00 Verkaufspreis einzeln

142,40 187,02 Stückkosten

57,60 62,98 Überschuss Großmenge

200,00 250,00 Verkaufspreis Großmenge

47,36 Stückkosten 1 Strang 10/0 52,64 Überschuss

100,00 Verkaufspreis 1 Strang 10/0

Für ein 500 g-Paket angefädelter Perlen zahlt er 5.000 TSh. Reist er nach Namanga, um die Perlen einzukaufen, so muss er die Fahrtkosten (etwa 2.000 TSh) und die Kosten für die Einfuhr (2.000 TSh) hinzurechen, was beispielsweise bei 40 Päckchen 100 TSh zusätzlich ausmacht. Die 500 g-Packungen enthalten eine unterschiedliche Anzahl an Strängen, je nach Farbe und nach Perlengröße. Eine Packung weißer Perlen Größe 10/0 enthält 80 bis 82 Stränge oder 60 bis 66 Stränge der Größe 8/0. Auf den minada wiederum variiert der Verkaufspreis je nach Abgabemenge. Ein Strang Perlen Größe 8/0 wird für 300 TSh verkauft, kauft eine Kundin eine größere

Anzahl Stränge, dann beträgt der Preis nur 250 TSh. Kauft sie eine größere Menge der Größe 10/0, dann kostet ein Dreierbündel 200 TSh, einzeln kostet es 250 TSh und kauft sie nur einen kleinen Strang aus dem Bündel, so kostet dieser 100 TSh.

Die Kalkulation im Perlenhandel ist recht komplex und wird selbst von Meliyo, einem sehr erfahrenen Händler, nicht in der umfassenden Form vorgenommen wie es in der obigen Tabelle zu sehen ist. Doch kennt Meliyo die einzelnen Faktoren, auf die es ankommt, sehr genau. Er weiß, dass sein Ertrag je nach Perlengröße, Farbe und Verkaufsmodus sehr unterschiedlich ausfallen kann. Er weiß z. B., dass weiße Perlen mehr Ertrag bringen als rote, von denen weniger Stränge auf ein halbes Kilo kommen, oder dass er zwar die beste Spanne bei einzeln verkauften Strängen der 1/10 Perlen hat, dass aber sein Ertrag insgesamt größer ausfällt, wenn er Großmengen verkaufen kann. Genau das z. B. ist dem Anfänger Jackson nicht klar, der, als ich ihn das erste Mal treffe, die ganze Zeit damit beschäftigt ist, die Dreierbündel 1/10 Perlen zu entwirren, denn, so seine Begründung, so brächten sie mehr Gewinn. Letztlich ist es sehr schwer für Händler, im Perlenhandel genau zu erkennen, wie sich die Kosten verteilen und wie die höchsten Erträge erzielt werden können. Hier wird z.T. auch die Begrün-dung dafür liegen, warum Meliyo der einzige ist, der mit recycelten Perlen handelt. Es ist kaum zu kalkulieren, fällt es doch selbst erfahrenen Perlen-schmuckmacherinnen schwer, den ungefähren Materialwert eines Schmuck-stücks zu benennen.

7.6 Ratesh und Raj Haria – vom dukawalah zum