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Werktitel/komplexe Eigennamen

2.3 Phonologie und Morphologie

2.4.2 Feste Wortverbindungen

2.4.2.1 Werktitel/komplexe Eigennamen

Beim Gebrauch von Werktiteln (it. ‘titoli di opere’) kommt ein Verfahren der Nominalisierung zum Einsatz.159 Zifonun (2009) sieht hierin eine Umfunktionali­

sierung komplexer Formen zu Eigenamen, wobei solche „transponierten Eigen­

namen […] auf der nicht­transponierten Ebene Konstrukte aller möglichen Form“

sind (ebd.: 520), z.B. auch Definitartikel­NPs. Die deutsche und italienische Schriftsprache hält orthographische Konventionen bereit, die darauf abzielen, mithilfe von Großschreibung und dem Setzen von Anführungszeichen (oder als typographische Variante: Kursivsetzung) Werktitel graphisch vom Rest des Sat­

zes abzusetzen und somit einen Beitrag zum graphischen Parsing, d.h. zu ihrer eindeutigen Identifikation zu leisten. In der mündlichen Rede können prosodi­

sche Mittel wie Pausierung diese Aufgabe übernehmen. Gerade bei NP­förmigen Realisierungen ist die „sensible Grenze zwischen dem zum Eigennamen verscho­

benen Ausdruck und der normalen syntaktischen Umgebung“ (ebd.) nicht immer transparent.

Zunächst eine syntaktische Analyse von Werktiteln im Deutschen:

Im Deutschen wird die innere Struktur eines Werktitels i.d.R. nicht auf der Ebene des Matrixsatzes analysiert, sondern der Ausdruck als Ganzes nominalisiert.

Kommt innerhalb des Werktitels also ein Determinativ vor, bleibt dieses syntak­

tisch meistens desintegriert, z.B. (NP mit Werktitel in eckigen Klammern):

(70) a. Die Klasse befasst sich mit [„Der Richter und sein Henker“].

(Duden 2009: 810)

b. Die Klasse befasst sich mit [dem Roman „Der Richter und sein Henker“].

(Duden 2009: 810)

159 Die Duden­Grammatik betrachtet Werktitel wie auch andere NP­bildende metasprachliche Äußerungen als eine Form der „Zitatsubstantivierung“ (Duden 2009: 810). Im Folgenden sollen hierunter auch andere komplexe Eigennamen wie „Die Zeit“ etc. verstanden werden.

c. 1975 verfilmte er [Dürrenmatts „Der Richter und sein Henker“].

(DeReKo, Mannheimer Morgen, 8.12.2010)

Aber auch Beispiele für Werktitel mit vom Originaltitel abweichender Kasusfle­

xion sind häufig anzutreffen:

(71) Steven Soderberg ließ in [„Kafka“] (1992) zahlreiche Motive aus [dem „Pro­

zeß“] einfließen, […].

(DeReKo, Salzburger Nachrichten, 18.12.1993)

(72) Thomas Mann hat Lübeck in [den ‘Buddenbrooks’] verewigt.

(DeReKo, Berliner Zeitung, 10.10.1997)

Zifonun (2009) formuliert in diesem Zusammenhang für das Deutsche zwei ggf.

konfligierende Prinzipien:

I. Das Prinzip der Integrität des Namens [Hervorheb. im Original]: Werktitel sollen wie andere Namentypen möglichst klar und eindeutig wieder erkennbar sein.

II. Das Prinzip der syntaktischen Einpassung: Alle Ausdrücke sollen entsprechend ihren syntaktischen Funktionen regelrecht in den umgebenden Kontext eingebunden werden.

(Zifonun 2009: 522 f.)

Die Ergebnisse von Korpusrecherchen in Zifonun (2009) zeigen, dass, Prinzip (I) tendenziell stärker ist als Prinzip (II), d.h. im Sprachgebrauch auf eine syntakti­

sche Einpassung bei Werktiteln im Sg. (vgl. 70a) häufiger verzichtet wird. In Kon­

flikt geraten die beiden Prinzipien beispielsweise, wenn eine syntaktische Ein­

passung die Deklination eines Definitartikels verlangt, der integraler Bestandteil des Werktitels ist. Der Definitartikel kann aber in diesem Fall ohne Rücksicht auf die Integrität des Werktitels von diesem abgetrennt160 (auch orthographisch) und gemäß den syntaktischen Maßgaben des Matrixsatzes flektiert werden.161

160 Die Möglichkeit einer syntaktischen Einpassung mit externem flektierten Artikel unter Bei­

behalt des Artikels im Werktitel bzw. im komplexen Eigennamen, ist weder im Dt. noch im It.

gegeben:

*[aus dem „Der Prozeß“]; *[in den „Die Buddenbrooks“]

*[della „La Spezia“]; *[nei „I promessi sposi“].

161 Dies geht mit einer Numerus­ und Genuszuweisung einher, die bei Werktiteln, anders als von Gallmann (1990: 87 f.) behauptet, keineswegs das Neutrum als default präferiert. Wird Werk­

titel­extern ein flektiertes Determinativ vorangestellt, korrespondiert sein Genus und Numerus mit dem des Kopfnomens der Werktitel­NP.

Die Grammatikschreibung weist in diesem Zusammenhang auf die konven­

tionalisierten „Konfliktvermeidungsstrategien“ (Zifonun 2009: 526) aus Bsp. (70) hin, die die gleichzeitige Einhaltung beider Prinzipien ermöglicht, aber zusätz­

licher NP­Erweiterungen bedarf: die Ersatzkonstruktion mit Anschluss des Werk­

titels als unveränderliches postnominales Erweiterungsnomen (70b) oder die Voranstellung einer auf den Werktitel bezogenen Genitiv­NP in Form eines arti­

kellosen Eigennamens (70c) (vgl. Duden 2011a: 207; 2009: 810).

Die Attraktivität der syntaktischen Einpassung liegt in der durch sie erreich­

baren „Kürze und Lockerheit“ des Stils, die ohne einen „oberlehrerhaften katego­

risierenden Einschub“ (vgl. 70b) auskommt (Zifonun 2009: 526 f.). Für diesen Fall empfehlen normative Ratgeber eine Kasusflexion des zum Werktitel162 zugehöri­

gen Definitartikels (siehe 71, 72), was in Konsequenz auch die Flexion des Kopf­

nomens der Werktitel­NP bzw. ihrer Begleiter erforderlich macht. Zifonun (2009:

531) kommt in diesem Zusammenhang zu folgendem Schluss: „Flektierte Artikel fordern, wo möglich, entsprechend flektierte Formen des Werktitels. Fehlt der Artikel, wird der Werktitel nicht flektiert.“ Bei komplexeren Phrasenstrukturen wie in (73) wird aber auch ersichtlich, dass der syntaktische Einpassungsdruck auf die flektierbaren Konstituenten der Werktitel­NP „grammatische Bauch­

schmerzen“ (ebd.: 526) verursachen kann, die sich in einem gewissen Variations­

potenzial163 äußern:

162 Bei anderen possessiven Determinativen („Mein Leben“) schreibt der Duden­Sprachratge­

ber „Richtiges und gutes Deutsch“ ohne Angabe von Gründen die Ersatzkonstruktion vor, also

„Er liest aus dem Buch ‘Mein Leben’.“ anstatt „Er liest aus ‘Meinem Leben’.“ (Duden 2011a: 207).

Die Motivation dürfte mit der spezifischen Semantik der Possessiva (und ggf. anderer Subklassen von Determinativen) im Zusammenhang stehen: Durch den unflektierten Gebrauch wird der nicht intendierte Possessorbezug unterbunden.

163 Z.B. in Bezug auf die koordinierte NP sein Henker bei Voranstellung eines artikellosen Ei­

gennamens im Gen. oder kasusflektierten Definitartikels (vgl. auch Fn. 162 oben):

a für (Dürrenmatts) „Der Richter und sein Henker“

  b. für Dürrenmatts ?Richter und ?sein Henker“

c. für den „Richter und ?sein Henker“

Variante a stellt den Verzicht auf syntaktische Einpassung dar. In Variante b herrschen unklare Skopusverhältnisse. Variante c verursacht Grammatikalitätsprobleme, da der Werktitel syntak­

tisch nur zum Teil integriert ist und auf die Kasuskongruenz des rechten Koordinats verzichtet wurde. Ein solcher Beleg findet sich auch in einem Interview mit Friedrich Dürrenmatt selbst:

Ich hab’ immer das Gefühl, ‘falsch’ berühmt zu sein. Durch [den ‘Richter und sein Henker‘], durch ‘Die alte Dame’, durch ‘Die Physiker’, daß, was ich sonst noch geschrieben habe, nicht zählt, und darunter gibt es Stücke und Prosa, die ich für wichtiger und besser halte als meine Evergreens. (Raddatz 1985: 33)

(73) Die Klasse befasst sich mit dem „Richter und seinem Henker“.

(Duden 2009: 810)

Aufgrund der Vorzüge der syntaktischen Einpassung werden eventuelle Ambigui­

täten, die z.B. Koordination und Zugehörigkeitsrelationen betreffen, häufig in Kauf genommen oder bewusst zu sprachspielerischen Zwecken genutzt (Zifonun 2009: 526 f.).

Die syntaktische Einpassung betrifft im Deutschen auch unmittelbar die Prä­

position­Definitartikel­Enklisen. Der interne Definitartikel der Werktitel­NP wird

„durch Herausnehmen aus der Zitatdomäne zum regulären Definitheitsträger umfunktioniert“ (ebd.: 529) und erfüllt in dieser Rolle eine spezifische Funktion im Rede­ und Textzusammenhang. Zifonun (ebd.: 527) weist darauf hin, dass „wo immer möglich, die verschmolzene Form von Präposition und Artikel gewählt wird“ und nennt als Beispiel einige Korpusbelege für im/beim/zum „Englischen Patienten“ (die entsprechenden Vollform­Sequenzen sind nicht belegt). Abgese­

hen von der Begründung für das Erscheinen des Definitartikels im Zusammen­

hang mit (transponierten) Werktiteln, die als „künstlerische Werke in geradezu prototypischer Weise die Einzigkeitsbedingung erfüllen“ (ebd.: 529; vgl. auch 2.5.1) geht Zifonun nicht näher auf die spezifische Funktion/Form­Korrelation zwischen Präposition­Definitartikel­Enklise und Werktiteln ein. Wie die Funktio­

nale Analyse (2.5) zeigen wird, erfüllen Werktitel als Bezeichnungen für einzigar­

tige künstlerische Werke im Deutschen auch genau die Bedingungen für den Gebrauch der speziellen Form des enklitischen Definitartikels, die bestimmte, grammatikalisierte Vfn. hervorgebracht hat. Ausgehend vom folgenden, exemp­

larischen Korpusbeleg (74) kann gezeigt werden, dass die Verwendung einer Voll­

form­Sequenz von Präposition und Definitartikel (75c), die an die Stelle einer möglichen Präposition­Definitartikel­Enklise (75b) bzw. nicht eingepassten Sequenz (75a) tritt, mit einer phorischen Lesart (siehe 2.5.4.2) einhergeht, die mit der Werktiteln­Semantik i.d.R.164 nicht vereinbar ist:

164 Ein phorischer Gebrauch mit Präposition und Definitartikel­Vollform ist aber vonnöten, wenn der Definitartikel kataphorisch gebraucht wird (a), oder möglich, wenn die Bedeutung des Werktitels transponiert wurde (b), z.B.:

  a. „A Beautiful Mind“ […] erbrachte in dem Zeitraum 129,4 Millionen Dollar, gefolgt von dem „Herrn der Ringe: Die Gefährten“, der während der Wintersaison mit 112,7 Millio­

nen Dollar Kasse machte. (DeReKo, Nürnberger Nachrichten, 30.3.2002) In Bezug auf IOC­Präsident Jacques Rogge:

b. Das Doping­Gespenst überschattete die Spiele nicht wie selbst von dem Herrn der Ringe befürchtet. (DeReKo, dpa, 24.8.2008).

(74) Der moderne Mensch kann es selbstverständlich mit Jane Fonda oder Franz Kafka halten, der dem Protagonisten [im „Prozess“] morgens nur noch „einen Apfel“ gönnt.

(DeReKo, die tageszeitung, 2.1.2004)

(75) a. dem Protagonisten in „Der Prozess“

b. dem Protagonisten im „(*Der) Prozess“

c. dem Protagonisten *in dem „(*Der) Prozess“

Vgl. auch:

(76) Fast sechs Jahre hat Jackson am „Herrn der Ringe“ gearbeitet, […].

(DeReKo, Mannheimer Morgen, 19.12.2001)

(77) Papageno tanzt zur „Zauberflöte“ im Pfalzbau­Theater Ludwigshafen.

(DeReKo, Mannheimer Morgen, 17.1.2004)

(78) Ottfried Fischer will eine Pause vom „Bullen von Tölz“.

(DeReKo, Die Presse, 15.11.2004)

Es folgt nun eine syntaktische Analyse von Werktiteln und komplexen Eigenna­

men im Italienischen:

Die im Deutschen grundsätzlich vorhandene und häufig genutzte Option, auf eine syntaktische Einpassung von Werktiteln mit Definitartikel zu verzichten, ist im Italienischen nicht gegeben. Dies fällt meistens gar nicht auf, da die syntak­

tischen Funktionen eines italienischen Werktitels als Subjekt (78a) oder direk­

tes Objekt (‘complemento diretto’) keine flexionsmorphologischen Veränderun­

gen des Definitartikels165 nach sich ziehen. Die Zugehörigkeit des Definitartikels zur Zitatdomäne wird nur orthographisch (und/oder typographisch) gekenn­

zeichnet, vgl.:

(79) a. 5 febbraio 1960: esce [„La dolce vita“ di Fellini]

(Internetbeleg, Zeitungsartikel von Innocenti 2010) b. È il 1960, Fellini gira [La dolce vita].

(Internetbeleg, satirischer Enzyklopädie­Artikel von Zurpone 2014)

165 Diese syntaktischen Rollen werden im Italienischen nur bei Pronominalphrasen (vgl. lui

‘er’, lo ‘ihn’, gli ‘ihm’), nicht aber bei NPs morphologisch gekennzeichnet.

c. [Il film La dolce vita] fu prodotto nel 1959 […]

(Internetbeleg, Fondazione Federico Fellini 2008, kursive Hervor­

hebung im Original)

Anders als im Deutschen besteht im Italienischen nicht die Möglichkeit, das Determinativ der Werktitel­NP durch einen pränominalen Genitiv (Erwähnung der Urheberschaft) zu ersetzen. Als analoge Konstruktion fungiert eine post­

nominale PP mit di, wovon die syntaktische Rolle des Werktitels selbst und das pränominale NP­Determinativ jedoch unberührt bleiben (vgl. 79a: di Fellini).

Ein Anschluss als Erweiterungsnomen ist hingegen möglich (vgl. 79c: il film La dolce vita).

In der (konzeptionell) gesprochenen italienischen Sprache ist die vollstän­

dige, originalgetreue Widergabe von Werktitel­NPs und Eigennamen mit Definit­

artikel eindeutig nachrangig in Bezug auf ihre syntaktische Integration in den Satz, d.h. wenn die morphosyntaktischen Gegebenheiten es erfordern, werden die entsprechenden Definitartikel verändert: Bei NP­förmigen Werktiteln und komplexen Eigennamen, die i.d.R. immer den Definitartikel bei sich führen (Renzi 2001: 344),166 sieht die Norm – den tatsächlichen Gebrauch widerspie­

gelnd und im Einklang mit den Regeln bei gewöhnlichen PPs – die Bildung einer

‘preposizione articolata’ auf der Basis der üblichen phonotaktischen Kriterien (2.3.4.4) vor. Das Unterlassen der sonst obligatorischen Ambiklise des Definitarti­

kels (genauer: seiner Enklise an der präpositionalen Basis) zugunsten einer origi­

nalgetreuen Wiedergabe eines Werktitels bzw. eines Eigennamens mit Definitarti­

kel wird von normativer Seite weitgehend abgelehnt (Nencioni 1996; Serianni/

Castelvecchi 1997: 133; vgl. 81c, 82c) bzw. nur toleriert, wenn es auf textspezifi­

sche Verwendungen beschränkt ist, bei denen formal ein besonderer Wert auf die wortwörtliche Wiedergabe von Werktiteln gelegt wird. Die bei gewöhnlichen PPs ungrammatischen Präposition­Definitartikel­Sequenzen in („)Il…, di („)Le… etc.

sind schriftsprachlich nur Usus innerhalb spezifischer Textstrukturelemente bzw. Textsorten, z.B. in bibliographischen Angaben, fachsprachlichen Abhand­

lungen und enzyklopädischen Texten:

166 Renzi (2001: 408) behauptet, dass Werktitel auf den Singular festgelegt seien und keine Wahl zwischen Definit­ und Indefinitartikel bestehe. Das Pluralbeispiel (81) zeigt jedoch, dass der Numerus und die Wahl des Determinativs vom Kopfnomen der Werktitel­NP festgelegt wer­

den. Auch eine Indefinitartikel­NP ist möglich, geht allerdings mit einer Umkategorisierung zum Gattungsnamen einher: „Eros, truffe e gelosia Accorsi orchestra un ‘Decamerone’ dei giorni nos­

tri“ (Internetbeleg, Zeitungsartikel von Di Caro 2015), dt. „Eros, Betrug und Eifersucht – Accorsi orchestriert ein zeitgenössisches ‘Dekameron’“.

(80) Nel 1963 recitò in ‘La noia’, di Damiano Damiani.

(PAISÀ, http://it.wikipedia.org/wiki/Daniela_Rocca, Stand: 27.7.2017) Diese typisch schriftsprachliche Konvention führt vor Augen, dass auch im Italie­

nischen Konflikte zwischen dem „Prinzip der syntaktischen Einpassung“ und dem „Prinzip der Integrität des Namens“, die Zifonun (2009: 522 f.) für das Deut­

sche beschrieben hat, entstehen können. Italienische Schreiber sehen sich hier mit graphotaktischen Zweifelsfällen konfrontiert, die oft Gegenstand von Sprach­

beratung sind (z.B. durch die ‘consulenza linguistica’ der Accademia della Crusca, vgl. Nencioni 1996) und insbesondere in orthographischen, orthogrammatischen und orthoepischen Nachschlagewerken mit mehr oder weniger wissenschaftli­

chem Anspruch thematisiert werden (vgl. Gabrielli 2013). Kern des Problems ist die orthographische Berücksichtigung der allomorphischen Variante von Prä­

positionen, die als klitische Basen einen veränderten Stamm besitzen (de­, ne­, (co­), unverändert: a, da, su), bei gleichzeitiger Bewahrung der graphischen Inte­

grität der originalen Werktitel­ bzw. Eigennamen­NP. Von gewöhnlichen ‘preposi­

zioni articolate’ unterscheiden sich diese Schreibsequenzen orthographisch generell durch das Fehlen der Schreibgeminate <ll> und der Kenntlichmachung des Werktitels/Eigennamens mithilfe der Großschreibung des Definitartikels und bei Werktiteln ggf. Anführungszeichen. Die in schriftlichen Texten nicht selten belegte, graphisch „hybride“ Sequenz aus einer Präposition mit verändertem Stamm und einem separaten Definitartikel stellt einen Kompromiss dar, der im Falle von de, ne, (co) in Verbindung mit Il eine „unangebrachte Diskrepanz zwi­

schen Graphie und Aussprache“ (Serianni/Castelvecchi 1997: 133) bewirkt (ne „Il Gattopardo“ [nel]) und bei La, L’, Le zu einer inkonsistenten Verschriftung der Geminate [ll] führt (siehe 82a):

(81) „I promessi sposi“ (Roman von Alessandro Manzoni):

a. su/ne „I promessi sposi“ [sui]/[nei]

b. sui/nei „Promessi sposi“ [sui]/[nei]

c. su/in „I promessi sposi“ [sui]/*[in i]

(82) La Spezia (Stadt in Ligurien):

a. da/de La Spezia [dalla]/[della]

b. dalla/della Spezia [dalla]/[della]

c. da/di La Spezia *[da la]/*[di la]

In der bisherigen Betrachtung wurde in Bezug auf das Deutsche immer von Deter­

minativen ausgegangen, die sich unmittelbar auf den nominalen Kopf eines NP­

förmigen Werktitels beziehen. Auf die Konsequenzen, die die syntaktische Inte­

gra tion für komplexe NP­Vorfelder hat, die auch in Werktiteln vertreten sein können, wird in 2.4.3.2 eingegangen.

2.4.2.2 Phraseologismen

Auf Artikellosigkeit und Variation bei Phraseologismen wird ausführlicher im Kapitel zur funktionalen Analyse (2.5.7) eingegangen. Im vorliegenden Abschnitt sollen lediglich die in Phraseologismen vorkommenden Strukturen kurz erwähnt werden, die in phraseologischen Arbeiten auch als „syntaktische Anomalien“

(Burger 1973: 35; Fleischer 1982: 52) bezeichnet werden: Es handelt sich um Resi­

duen eines älteren Sprachgebrauchs, die

vorwiegend dadurch zustande [kommen], dass ältere Konstruktionsmöglichkeiten, die außerhalb der Phraseologismen nicht mehr üblich sind, im festen Verband der Phraseolo­

gismen bewahrt worden sind […]. (Fleischer 1982: 52)

Fleischer erwähnt an dieser Stelle u.a. „Anomalien im Artikelgebrauch“ (vgl.

nicht­referenzieller Gebrauch des Nomens) sowie die Voranstellung des attributi­

ven Genitivs. Auch Burger (2010: 19 f.) betrachtet pränominale Genitivattribute aufgrund ihrer nicht mehr vorhandenen Produktivität (bei noch bestehender Ver­

ständlichkeit) im heutigen Deutsch als „morphosyntaktische Irregularitäten“.

Phraseologismen, bei denen pränominale Genitivattribute auf Präpositionen tref­

fen, werden in Abschnitt 2.4.3.2.1 thematisiert. Die Variation zwischen Vollform­

Sequenz und Enklise (auf des/aufs Messers Schneide) ist im Rahmen einer für Phraseologismen typischen formbezogenen Variabilität zu betrachten (Fleischer 1997: 205; Burger 2010: 24), die keinen grundsätzlichen Widerspruch zu ihrer ansonsten hohen strukturellen Festigkeit darstellt.

2.4.3 Komplexe NP-Vorfelder