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Werbung als Forschungsproblem

Im Dokument Rosa-Luxemburg-Stiftung Manuskripte 51 (Seite 169-172)

Wirtschaftskommunikation zur deutschen Einheit im Spannungsfeld deutsch-deutscher

1. Werbung als Forschungsproblem

Werbeanzeigen sind wichtiger Bestandteil der Massenmedien, aus wirtschaftlicher Sicht sogar ein besonders existentieller. Während in den USA oder Japan bei der Werbung das Fernsehen im Vordergrund steht, gelten hierzulande, trotz des immer größer werdenden Werbeangebots im Fernsehen bzw. im Radio, noch immer die Zeitungsanzeigen als die wichtigste Werbeform. Sie repräsentieren als „klassisches Muster der Kon- sum- und Investitionsgüterwerbung [...] den professionellen Standard.“196

196 Kroeber-Riel 1993, S. 8.

Zeitungen und Zeitschriften erwirtschaften über die Werbung ihre Einnahmen in Größenordnungen von bis zu zwei Dritteln.

Die Kommunikationswissenschaft definiert die Werbung, wissenschaftlich kategorisierend und gegenüber anderen Mitteilungsweisen abgrenzend, als

„Wirtschaftskommunikation“ oder „Produktkommunikation“. Indirekt ver- weist sie hiermit auf die verschwisterten Felder Öffentlichkeitsarbeit und

„public relations“ (PR), die inzwischen gleichberechtigt mit der Kommuni-kations- und Medienforschung an jeder einschlägigen universitären Ausbil-dungsstätte als Studienfächer angeboten werden. Als eine Form des kommu-nikativen Handelns wird Werbung dem Typ der „kategorialen Massen-kommunikationssysteme“197 zugeordnet; als Gesamtphänomen „Werbewirt-schaft“ wird sie in der Betrachtung aus systemtheoretischer Sicht als Subsystem der Wirtschaft begriffen, das sich selbst organisierend spezielle Medienangebote schafft, die bei bestimmten Zielgruppen Aufmerksamkeit und Handlungsbereitschaft auslösen sollen. Charakteristisch für sie ist die

„monologische Form der Unternehmenskommunikation“198, die mit anderen eigenständigen Sozialsystemen (z.B. Politik, Kunst, Wissenschaft) inter- agiert199. Hierbei wird die Werbeanzeige dem Werbespot im Fernsehen oder auch der Rede eines Referenten vor einem Auditorium gleichgestellt.

Stilistisch arbeitet sie, neben informativen und argumentativen Mitteln, vor allem mit persuasiven Formen der Kommunikation; sie soll in erster Linie überreden und überzeugen. Da Werbung als „eine absichtliche und zwangfreie Form der Kommunikation“ gezielt versucht, „Einstellungen von Personen zu beeinflussen“200, kann sie als ein besonderes „Genre“ innerhalb der Kommunikationsangebote aufgefaßt werden.

Um erfolgreich zu sein, muß die Werbebranche „Publikumskunde“

betreiben, sie muß die kollektiven Einstellungen und Befindlichkeiten der Gesellschaft kennen. Dabei prägt die Werbung den Zeitgeist nicht, sondern sie versucht, ihm möglichst eng auf den Fersen zu sein. Als „Mundstücke des Volksempfindens“ kriechen die Werbemacher und ihre Slogans „ins Gehirn der Masse“201. Jede Anzeige ist, ebenso wie journalistische oder fiktive Medieninhalte, eine Form der Kommunikation zwischen einem Kommunikator oder Emittenten und einem Rezipienten, was besonders dann deutlich wird, wenn sie nicht als Werbung erkannt werden202. Anzeigen sind Texte, geht man von der Definition von Eco aus203, wonach sich der

197 Gabler 1963, S. 162.

198 Zerfaß, S. 28.

199 Schmidt 1995, S. 35.

200 Kloß 2000, S. 5.

201 Griesu.a. 1995, S. 15.

202 Zur Abgrenzung von Werbung und Berichterstattung in Massenmedien Branahl 1962, S. 218-231.

203 Eco 1994.

Terminus „Text“ auf sprachliche, nicht-sprachliche und parasprachliche Kommunikation erstreckt. Eine Besonderheit der Werbeanzeige ist die häufige Verwendung von Bildern sowie Texten oder Textsorten aus anderen Bereichen, z.B. der Bezug auf allgemein bekannte Sprichwörter oder Phrase-ologismen. Weil sich die Werbung im Übermaß dieser allgemein bekannten bzw. geläufigen Formen der alltäglichen Kommunikation bedient, wird sie häufig auch als „gefräßig“ bezeichnet. Auf diese Weise wird der „Output“

professioneller Kommunikatoren zur legitimen Quelle, die nach den gleichen Merkmalen einer durch die Medien konstruierten Welt befragt werden kann, wie etwa der „Output“ journalistischer Kommunikatoren.

Unstrittig sind Öffentlichkeitsarbeit und PR in den modernen, konsum-orientierten Gesellschaften besonders relevant. Werbung verfolgt hier sehr konkrete wirtschaftliche Absichten: Ein Produkt bekannt machen, eine Marke sichern, den Absatz steigern. Um diese Ziele zu erreichen, agiert eine ganze Kette von Akteuren und werden die Produkte aufgespaltet zwischen ihren materiellen Leistungen und den Ansprüchen seitens der Hersteller, der Logistik, des Handels und der Konsumenten204. Werbung als Mittel der persuasiven Kommunikation entsteht und agiert nicht im luftleeren Raum.

Sie ist käuflich, zweckorientiert und erfüllt als Teil des Marketings zu bestimmten Produkten auch eine ganz bestimmte kommunikative Aufgabe205.

Über das Marketing selbst definieren und positionieren sich Unternehmen gegenüber ihren Konkurrenten wie auch zum Verbraucher gleichermaßen.

Die Werbeagenturen, die im Auftrag von Unternehmen Konzepte und Strategien erarbeiten, erproben sie in Rückkopplung mit dem Verbraucher oder mit gezielt ausgesuchten Multiplikatoren206. Um schließlich erfolgreich wirken zu können, muß sich Werbung „langsam in die Seele des Publikums einfühlen und dabei die richtige Schwingung finden“207. Was noch Ende der 1920er Jahre als praktisch angewandte Menschenkenntnis umschrieben wurde, hat so mittlerweile als „ein Stück Ausdrucksqualität der Moderne selbst, [als] ein legitimer Teil ihrer Alltagskultur“208 Eingang ins Interesse anderer Wissenschaften gefunden.

Diese kurze Einführung benennt, neben den kulturgeschichtlich-mentalitäts-bezogenen Aspekten, vor allem die wichtigsten

204 Gries 2003, S. 62.

205 Vgl. bei Bruhn 1995; ebenso Schweiger/ Schrattenecker 1995.

206 Die einschlägige Literatur verweist hier insbesondere auf die „brancheninternen Regelkreise“, wonach ein Konzept auch auf Kollegen wirken muß sowie vor allem auf den Auftraggeber, der die Werbung ja schließlich bezahlen soll, vgl. Schmidt 1995, S. 35.

207 Domitzlaff 1956, S. 11; so zitiert bei Roth 2002, S. 13.

208 Gries u.a. 1995, S. 7.

schaftlichen Argumente, sich mit der Werbung auseinanderzusetzen. Indes wäre aber auch eine Annäherung an die Werbung als Darstellungsform denkbar. Und letztlich haben Werbeanzeigen auch eine kreativ-ästhetische Dimension und sind darum Objekt des Interesses, z.B. von Kunstwissen-schaftlern.

Wenn also im Folgenden für das Genre Werbung der Quellencharakter vorausgesetzt wird, so geschieht das zu gleichen Teilen unter Berücksichti-gung kommunikationswissenschaftlicher, kunsthistorischer, mentalitäts- und kulturgeschichtlicher Perspektiven.

2. Akzeptanzprobleme

Nach wie vor tritt vor allem die Geschichtswissenschaft den Werbeanzeigen als historische Quelle sehr skeptisch gegenüber. Obwohl den Massenmedien durchaus der Status von „zeitgeschichtlichen Akteuren“ eingeräumt wird und man betont, daß ein Zugang zur Stimmungsgeschichte ohne einen Blick auf die Zeitungen kaum zu erlangen sei, sind selbst die Autoren der aktuellsten Untersuchungen, die sich diesem Forschungsfeld annehmen, gezwungen, zunächst einmal ihr Ansinnen zu rechtfertigen.209 „Massenmedial erzeugte oder vermittelte Quellen gelten innerhalb der historischen Zunft als unzu-verlässig, als nur begrenzt entscheidungsnah, eigentlich nur als illustrierend, [...] als atmosphärisch relevant.“210 Die negative Konnotation des Unter-suchungsgegenstandes ist Resultat einer langjährig vorbelasteten Beziehung.

Die „Beschäftigung mit der Geschichte von Konsum und Produkten“

kollidiert offenbar fast zwangsläufig mit dem etablierten „hochkulturellen Verständnis von Gesellschaft“211, weil beide Elemente scheinbar nicht in Einklang zu bringen sind. Konsequenz ist eine traditionell abschätzige Einstellung, wie sie schon in der Kritik der Warenästhetik der 1968er deutlich wurde, die die Produkte und Produktkommunikation lediglich als Manipulation der Konsumenten wahrnahm212.

Im Dokument Rosa-Luxemburg-Stiftung Manuskripte 51 (Seite 169-172)