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Welche Nebens¨ atze sind pr¨ asupponiert?

Brueckenverb Semifaktiv

4.2. Welche Nebens¨ atze sind pr¨ asupponiert?

In den Kapiteln 2und3wurden unterschiedliche Nebens¨atze danach klassifiziert, ob sie dazu geeignet sind, [+at-issue]-Inhalt auszudr¨ucken oder nicht. Eine Frage, die sich daran anschließt, betrifft nun den Status dieser abh¨angigen S¨atze bezogen auf das Konzept der Pr¨asupponiertheit. Die Beantwortung der Frage, welche Nebens¨atze grunds¨atzlich pr¨asupponiert sind, ist von entscheidender Bedeutung f¨ur die Unter-suchung des Auftretens von V2-Stellung in abh¨angigen S¨atzen des Deutschen, die im Zentrum von Teil II der vorliegenden Arbeit steht.

In den meisten F¨allen ist die Frage, ob ein abh¨angiger Satz grunds¨atzlich pr¨asuppo-niert ist oder nicht, von der Forschungsliteratur bereits gut untersucht und eindeutig

Präsuppositionen …

- sind immer wahr.

- werden immer über eine unspezifizierte Diskursrelation R mit einem Antezedens verknüpft, wobei R = Coreference sein kann.

[-At-issue]-Inhalte …

- projizieren unter Einbettung.

- sind nicht sensibel für direkte Widerspruchsstrategien.

Abbildung 4.1.: Pr¨asuppositionen und [−at-issue]-Inhalte

zu beantworten. Aus diesem Grund werden die entsprechenden S¨atze nur kurz disku-tiert. Etwas ausf¨uhrlicher wird dagegen der Status von Temporals¨atzen untersucht, da diese in der Forschung zu Pr¨asuppositionen bislang etwas kurz kommen.

Beginnen wir mit der Betrachtung von abh¨angigen S¨atzen, die nicht pr¨asupponiert sind. Aufgrund der Coreference-Regel k¨onnen wir festhalten, dass appositive Re-lativs¨atze grunds¨atzlich keine pr¨asupponierte Lesart zulassen (vgl. dazu auch Hol-ler 2005, 54 und Roberts et al. 2009 sowie Beispiel (96) in Abschnitt 3.1.1). Als ebenfalls [−pr¨asupponiert] k¨onnen wir restriktive Relativs¨atze mit einem indefini-ten Antezedens betrachindefini-ten, da wir bereits oben gesehen haben, dass eine indefinite NP grunds¨atzlich nicht durch ein koreferentes Antezedens gebunden werden kann.

Auch die Komplements¨atze von Br¨uckenverben gelten gemeinhin als nicht pr¨asuppo-niert (vgl. beispielsweise Holler 2008, Hooper/Thompson 1973, Meinunger 2004 und Reis 1997), und auch weil-S¨atze sind nach u.a. Antomo/Steinbach (2010), Breindl (2009) und Uhmann (1998) zumindest nicht grunds¨atzlich pr¨asupponiert. Dasselbe gilt f¨ur Komplements¨atze von semifaktiven Verben, welche zumindest in bestimm-ten Kontexbestimm-ten nicht pr¨asupponiert sind (vgl. dazu Hooper/ Thompson 1973, 480 und Karttunen 1971 sowie das Beispiel (43) in Abschnitt 2.2.2). Anders als appo-sitive Relativs¨atze und restriktive Relativs¨atze mit einem indefiniten Antezedens lassen weil-S¨atze und Komplements¨atze von Br¨ucken- und semifaktiven Verben je-doch grunds¨atzlich eine pr¨asupponierte Lesart zu, da sie, wenn sie keine V2-Stellung aufweisen, viaCoreference gebunden werden k¨onnen.

Keiner der genannten Nebensatztypen, also appositive Relativs¨atze, restriktive Re-lativs¨atze mit einem indefiniten Antezedens, Komplements¨atze von Br¨ucken- und semifaktiven Verben undweil-S¨atze, weist die f¨ur Pr¨asuppositionen typischen Merk-male auf. Wir haben bereits in Kapitel3 gesehen, dass diese abh¨angigen S¨atze mit Ausnahme von appositiven Relativs¨atzen nicht projizieren und dass sie sensibel f¨ur

direkte Widerspruchsstrategien sind, womit ihnen schon mal zwei zentrale Eigen-schaften von Pr¨asuppositionen fehlen. Außerdem kann die in ihnen ausgedr¨uckte Proposition falsch sein, dennoch ist der Gesamtsatz wahrheitskonditional interpre-tierbar. So kann Maria beispielsweise die Gr¨unen w¨ahlen, dennoch ist man in der Lage, Satz (182-a) einen Wahrheitswert zuzuordnen, und auch die ¨ubrigen S¨atze in (182) k¨onnen nach wahr und falsch beurteilt werden, auch wenn die eingebettete Proposition den Wahrheitswert 0 erhalten sollte.

(182) a. Peter glaubt, dass Maria die Piraten w¨ahlt.

b. Morgen musst du leider den Bus nehmen, weil unser Auto in der Werk-statt ist.

c. Ich suche ein Buch, das mir eine Freundin empfohlen hat.

d. Die Kanzlerin, die ¨ubrigens Physik studiert hat, ist gerade in Afgha-nistan.

Zudem ist in keinem der F¨alle anzunehmen, dass die eingebettete Proposition durch ein direktes oder indirektes Antezedens lizenziert werden muss. Die vier ¨Außerungen in(182)sind allesamt absolut wohlgeformt, auch wenn die im Nebensatz ausgedr¨uck-te Information keinerlei Bezug zu dem vorherigen Diskurs besitzt. Beispielsweise kann Satz (182-c) beim Eintreten in eine Buchhandlung verwendet werden, auch wenn die Nebensatzproposition in diesem Kontext nicht ¨uber eine Diskursrelation mit einem Antezedens verkn¨upft werden kann.

Anders sieht es mit den folgenden Nebens¨atzen aus. Als [+pr¨asupponiert] werden typischerweise die Komplements¨atze von faktiven Verben betrachtet (vgl. beispiels-weise Hooper/Thompson 1973, Meinunger 2004 und Reis 1997), dasselbe gilt f¨ur re-striktive Relativs¨atze, welche von einem definiten Antezedens abh¨angen. F¨ur letztere ergibt sich der pr¨asupponierte Status aus der mit der Verwendung eines definiten Artikels einhergehenden Pr¨asupposition, da nominaler Kopf und Relativsatz zu-sammen eine syntaktische und semantische Konstituente bilden. Dementsprechend weisen die beiden Nebensatztypen auch alle charakteristischen Eigenschaften von Pr¨asuppositionen auf. Dass ihr Inhalt unter Einbettung projiziert und nicht sensibel f¨ur einen direkten Widerspruch mit Nein ist, wurde bereits in Kapitel 3 gezeigt.

Zus¨atzlich k¨onnen wir jetzt noch beobachten, dass die Nebens¨atze in den folgen-den Beispielen wahr sein m¨ussen, damit die Gesamt¨außerung wahrheitskonditional interpretierbar ist.

(183) a. Peter ignoriert, dass Maria die Piraten w¨ahlt.

b. Ich kenne den Mann, der Marias Fahrrad gestohlen hat.

Auch das vierte relevante Merkmal von Pr¨asuppositionen trifft auf die S¨atze zu.

So k¨onnen beide Beispiele nur in solchen Kontexten ge¨außert werden, in denen der Nebensatzinhalt durch ein koreferentes oder indirektes Antezedens lizenziert wird.

Nehmen wir an, dass die S¨atze in einem Kontext wie in (184)ohne weiteres Hinter-grundwissen verwendet werden, ist die ¨Außerung aus diesem Grund nicht wohlge-formt.

(184) a. Was ist los?

b. ?Peter ignoriert, dass Maria die Piraten w¨ahlt.

c. ?Ich kenne den Mann, der Marias Fahrrad gestohlen hat.

W¨ahrend die oben genannten Nebens¨atze bez¨uglich ihres pr¨asuppositionalen Status von der Forschung weitgehend einhellig klassifiziert werden, werden temporale Ad-verbials¨atze in diesem Zusammenhang seltener erw¨ahnt. Aus diesem Grund soll im Folgenden kurz diskutiert werden, wie sich Temporals¨atze diesbez¨uglich verhalten. In Kapitel3wurde bereits festgestellt, dass Temporals¨atze unter Einbettung projizieren und ihrem Inhalt nicht direkt widersprochen werden kann. Bei beiden Merkmalen handelt es sich um notwendige, jedoch nicht um hinreichende Eigenschaften von Pr¨asuppositionen. Wie verh¨alt es sich nun mit den anderen distinktiven Merkma-len von Pr¨asuppositionen? Als Erstes k¨onnen wir feststelMerkma-len, dass ein Temporalsatz wahr sein muss, damit dem Gesamtsatz ein Wahrheitswert zugewiesen werden kann.

Betrachten wir dazu zuerst den einfachen Satz(185), dessen Wahrheitsbedingungen wir mengentheoretisch angegeben k¨onnen. Der Satz ist genau dann wahr, wenn das als Daniel bezeichnete Individuum Teil der Menge an Individuen ist, f¨ur die gilt, dass sie in s lachen. Andernfalls ist der Satz falsch:

(185) Daniel lacht.

a. [[Daniel lacht]]s = 1, wenn Daniel ∈ {x: x lacht in s}

b. [[Daniel lacht]]s = 0, wenn Daniel ∈ {x: x lacht in s}/

F¨ur einen komplexen Satz bestehend aus Haupt- und temporalem Nebensatz wie (186) ist eine solche mengentheoretische Angabe der Wahrheitskonditionen jedoch nat¨urlich nicht ausreichend. Anders als(185)ist der folgende Satz nicht automatisch wahr, wenn Daniel Element der Menge an Individuen ist, f¨ur die gilt, dass sie lachen.

Stattdessen wird der Hauptsatz bezogen auf einen bestimmten Zeitpunkt evaluiert.

(186) Daniel lacht, als Jenny das Kost¨um anprobiert.

Der Wahrheitswert der Hauptsatzproposition h¨angt von einem temporalen Parame-ter ab, welcher als Index t der InParame-terpretationsfunktion hinzugef¨ugt wird. Wesentlich ist nun, dass die durch den Temporalsatz ausgedr¨uckte Proposition wahr sein muss, damit die wahrheitsfunktionale Bedeutung des Gesamtsatzes bestimmt werden kann.

Ist, bezogen auf unser Beispiel(186), die PropositionJenny probiert das Kost¨um an falsch, kann nicht dar¨uber entschieden werden, ob der Gesamtsatz wahr ist oder nicht, da nicht klar ist, bezogen auf welchen Zeitpunkt er evaluiert werden muss.

Dies bedeutet, dass sich Temporals¨atze genauso verhalten wie beispielsweise fakti-ve Komplements¨atze, die ebenfalls wahr sein m¨ussen, damit dem Gesamtsatz ein Wahrheitswert zugewiesen werden kann. Demnach k¨onnen aus dem Bedeutungstu-pel (143) auch f¨ur Temporals¨atze nur die ersten beiden F¨alle wahrheitskonditional berechnet werden.39

39Hiervon auszunehmen sind nat¨urlich kontrafaktische Verwendungen der Subjunktionbevor wie in dem folgenden Beispiel, die ja gerade ausdr¨ucken, dass die entsprechende Proposition nicht

Wie sieht es nun mit der zweiten, f¨ur Pr¨asuppositionen als distinktiv erachteten Ei-genschaft, n¨amlich der Beobachtung, dass Pr¨asuppositionen immer ¨uber eine unpe-zifizierte Diskursrelation R angebunden sein m¨ussen, aus? Beginnen wir dazu gleich mit der Tatsache, dass Temporals¨atze selbstverst¨andlich informativ sein k¨onnen, was der folgende Textausschnitt exemplarisch belegt, in dem der fettgedruckte Adverbi-alsatz eindeutig eine neue Information einf¨uhrt.40

(187) Von 1889 bis 1893 besuchte Kafka die Deutsche Knabenschule am Fleisch-markt in Prag. Dann wechselte er, entsprechend der Auswahl seines Vaters, an das humanistische Staatsgymnasium in der Prager Altstadt, welches sich im selben Geb¨aude wie das Galanteriegesch¨aft seines Vaters befand.

Auch an dieser Schule war die Unterrichtssprache Deutsch. (...)Nachdem er sein Abitur im Jahre 1901 mit

”befriedigend“ bestanden hatte, verließ er zum ersten Mal in seinem Leben B¨ohmen und reiste mit seinem Onkel Siegfried L¨owy nach Norderney und Helgoland.

Derartige Beispiele sprechen jedoch nicht grunds¨atzlich gegen eine Analyse von Tem-porals¨atzen als pr¨asupponierte Ausdr¨ucke, da auch andere von der Literatur einhellig als Pr¨asuppositionen bezeichnete Ausdr¨ucke informativ sein k¨onnen, wie wir in Ab-schnitt 4.1.2 bereits gesehen haben. Es spricht sogar einiges daf¨ur, dass informative Pr¨asuppositionen sehr h¨aufig oder sogar h¨aufiger auftreten als Pr¨asuppositionen, die eine bekannte Information ausdr¨ucken, wie Schwarz (1998) bezogen auf definite NPn gezeigt hat. Die Verwendung eines informativen Temporalsatzes wie in Bei-spiel (187) ist dann so zu erkl¨aren, dass der im Adverbialsatz ausgedr¨uckte Inhalt akkommodiert werden muss, wobei Akkommodation nach Asher/Lascarides (1998b) und Asher/Lascarides (2003) als Diskursanbindung ¨uber eine rhetorische Relation R zu verstehen ist. In (187) ist es aufgrund der spezifischen Textsorte Biografie beispielsweise erwartbar, dass eine Lebensstation nach der anderen genannt wird.

wahr ist.

(i) Bevor Peter die G¨aste beleidigen konnte, wurde er rausgeschmissen.

Lakoff (1970) schl¨agt bezogen auf kontrafaktische Verwendungen des englischenbeforevor, dass die Subjunktion je nach Kontext zwei verschiedene Arten von Pr¨asuppositionen ausl¨osen kann - eine faktische oder aber eine kontrafaktische, es gilt alsoq before pp oderq before p ¬ p. Hein¨am¨aki (1972) entwickelt dies weiter und besch¨aftigt sich mit der Frage, welche Bedin-gungen dar¨uber entscheiden, welche der beiden m¨oglichen Pr¨asuppositionen jeweils ausgel¨ost wird. Die Frage, ob es sich bei kontrafaktischen Inferenzen tats¨achlich um Pr¨asuppositionen handelt, muss an dieser Stelle unbeantwortet bleiben. Sicher ist aber Eines: Das in einem kon-trafaktischen Temporalsatz ausgedr¨uckte Ereignis muss zumindest als M¨oglichkeit im Kontext gegeben sein, da die ¨Außerung andernfalls pragmatisch nicht wohlgeformt w¨are. So ist es aus pragmatischer Sicht nicht relevant, eine Aussage ¨uber das Nicht-Eintreffen eines Ereignisses zu machen, wenn sein Eintreffen nie zur Debatte stand. Geht man nun von einem anaphorischen Pr¨asuppositionsbegriff aus, so kann dies durchaus als Bindung des durch den kontrafaktischen Temporalsatz eingef¨uhrten Diskursreferenten durch ein Antezedens interpretiert werden.

40Das Beispiel stammt von der Website http://de.wikipedia.org/wiki/Franz Kafka, letzter Zugriff am 02.03.2011.

Genauer gesagt ist anzunehmen, dass das im Temporalsatz ausgedr¨uckte Ereignis, also das Bestehen des Abiturs, ¨uber die Relation R = Elaboration an den vorher erw¨ahnten Schulbesuch angekn¨upft wird (eine exakte Modellierung der diskursse-mantischen Funktion von Temporals¨atzen erfolgt in Teil III). Ein anderes Beispiel f¨ur eine solche Bridging-Relation zwischen einem informativen Temporalsatz und dem Diskurskontext bildet (188). Hier ist anzunehmen, dass der durch den Tempo-ralsatz eingef¨uhrte Referent π2 ¨uber die Relation R = Sub-Part an den Referenten π1 (= Jan ging in den Supermarkt) angekn¨upft wird, da sichπ2 auf ein Teilereignis des gr¨oßeren Ereignisses Supermarktbesuch bezieht.

(188) Nach der Arbeit ging Jan in den Supermarkt. Nachdem er drei Liter Cola und verschiedene Sorten Tiefk¨uhlpizza in seinem Einkaufswagen verstaut hatte, versuchte er auszumachen, welche Kasse die schnellste war.

Wenn Temporals¨atze tats¨achlich pr¨asupponiert sind, sollten sich nun auch Kontex-te finden lassen, in denen die Diskursanbindung eines informativen Temporalsatzes nicht m¨oglich ist. Lascarides/Oberlander (1993, 261) liefern hierf¨ur folgendes Bei-spiel:

(189) I’m not a useless driver.

a. I coud drive before you were born.

b. ?You were born after I could drive.

Obwohl die ¨Außerungen (189-a)und (189-b) synonym sind, was den Ausdruck der temporalen Relation betrifft, ist nur(189-a)in diesem Kontext wohlgeformt. Lasca-rides/Oberlander (1993) erkl¨aren die Markiertheit von(189-b) nun damit, dass der Inhalt des Temporalsatzes nicht akkommodiert werden kann, da keine Diskursrelati-on zu einem geeigneten Antezedens hergestellt werden kann. Auch die Markiertheit des folgenden Beispiels kann darauf zur¨uckgef¨uhrt werden, dass der im Temporalsatz ausgedr¨uckte Inhalt nicht an den Diskurs angebunden werden kann. In dem kurzen Dialog in (190)klingt B’s Antwort auf die Frage von A zumindest markiert.41 (190) A: Was machst du eigentlich in den Sommerferien?

B: ?Bevor ich Verwandte in Hongkong besuche, fliege ich nach Indonesien.

W¨urde die temporale Subjunktion bevor lediglich dem Ausdruck eines relationalen zeitlichen Verh¨altnisses zwischen zwei Propositionen dienen, w¨are die Markiertheit des Beispiels unerwartet. Stattdessen bildet B in diesem Kontext nur dann eine wohl-geformte Antwort, wenn A bereits weiß, dass B Verwandte in Hongkong besuchen

41Der Satz wird besser, wenn das Adverbdann eingef¨ugt wird und der Temporalsatz im Nachfeld steht:

(i) Ich fliege nach Indonesien, bevor ich dann Verwandte in Hongkong besuche.

Geurts (1999) bezeichnet solche Ausdr¨ucke, die die Akkommodation einer Pr¨asupposition er-leichtern, als Pr¨asuppositionsbr¨ucken (presuppositional bridges).

wird. Dies kann darauf zur¨uckgef¨uhrt werden, dass der Adverbialsatz eine pr¨azi-se temporale Einordnung des Hauptsatzes erm¨oglichen soll. Genau wie die PP von Ende Juli bis Mitte August in Beispiel (191) dazu dient, den Hauptsatz auf einem Zeitstrahl zu verorten, erf¨ullt auch ein temporaler Adverbialsatz dieselbe Funktion.

(191) Ich fliege von Ende Juli bis Mitte August nach Indonesien.

Wie die PP in (191) dient auch der Adverbialsatz in (190) als zeitlicher Anker f¨ur den Hauptsatz (eine genaue semantische Beschreibung von Temporals¨atzen steht im Zentrum von Teil III). Diese Funktion kann er aber nur dann erf¨ullen, wenn die in ihm ausgedr¨uckte Information bekannt ist oder ¨uber eine Diskursrelation und ein indirektes Antezedens lizenziert wird. Da A’s Frage in Beispiel (190) aber nahelegt, dass A keinerlei Informationen ¨uber B’s Sommerplanung besitzt, ist die Diskursan-bindung des Temporalsatzes in diesem Fall nicht m¨oglich.

Wir k¨onnen festhalten, dass Temporals¨atze immer wahr sein m¨ussen, damit die Gesamt¨außerung wahrheitskonditional interpretierbar ist, zudem dr¨ucken sie eine Information aus, die immer ¨uber ein koreferentes oder ein indirektes Antezedens lizenziert werden muss. Letzteres konnte durch die Existenz von markierten F¨allen wie (189-b) und (190) belegt werden, in denen die im Temporalsatz ausgedr¨uck-te Information nicht akkommodiert werden kann. Im Folgenden werde ich deshalb genau wie u.a. Geurts (1999), Hara (2008), Hein¨am¨aki (1972), Johnston (1994), Kadmon (2001), Kamp/Reyle (1993), Karttunen (1973), Lakoff (1970), Lascari-des/Oberlander (1993), Sawada/Larson (2004), Schilder/Tenbrink (2001), Tenbrink (2007) und Van der Sandt (1992, 342) davon ausgehen, dass der Inhalt von Tem-porals¨atzen genau wie der von beispielsweise faktiven Komplements¨atzen pr¨asuppo-niert ist. Dr¨uckt ein Temporalsatz eine diskursneue Information aus, muss er ¨uber eine Diskursrelation an ein Antezedens angebunden werden, was ich im Folgenden alstemporales Bridging bezeichnen werde. Kann keine solche Relation gefunden wer-den, ist die ¨Außerung nicht wohlgeformt (f¨ur mehr Details vgl. Teil III).

Die Diskussion hat gezeigt, dass die abh¨angigen S¨atze, welche auch in der Lage sind, [+at-issue]-Inhalt auszudr¨ucken, nicht grunds¨atzlich pr¨asupponiert sind, auch wenn sie eine pr¨asupponierte Lesart zulassen. Von den vier Nebensatztypen aus Gruppe 2 dagegen, welche prinzipiell immer [−at-issue]-Inhalt enthalten, sind drei grunds¨atz-lich pr¨asupponiert. Appositive Relativs¨atze dagegen k¨onnen keine pr¨asupponierten Bedeutungsaspekte enthalten, obwohl sie ebenfalls nicht dazu geeignet sind, ohne ihren Bezugssatz [+at-issue]-Inhalt auszudr¨ucken. Diese Ergebnisse, die noch einmal in Tabelle 4.1 zusammengefasst sind, decken sich mit der weiter oben getroffenen Aussage, dass Pr¨asuppositionen eine Untermenge der [−at-issue]-Inhalte bilden.

4.3. Zusammenfassung des Kapitels

In diesem Kapitel wurde anhand typischer Eigenschaften von Pr¨asuppositionen un-tersucht, in welchem Verh¨altnis Pr¨asupponiertheit und At-issueness zueinander ste-hen. Wie [−at-issue]-Inferenzen projizieren Pr¨asuppositionen und sind nicht sensibel

Nebensatztyp [at-issue] [pr¨asupponiert]

Komplementsatz, Br¨uckenverb +/− +/−

Semifaktiver Komplementsatz +/− +/−

Faktiver Komplementsatz − +

Temporalsatz − +

Adverbialsatz mit weil +/− +/−

Appositiver Relativsatz − −

Restriktiver Relativsatz, definites Antezedens − + Restriktiver Relativsatz, indefinites Antezedens +/− +/−

Tabelle 4.1.: Klassifikation der Nebens¨atze nach At-issueness und Pr¨asupponiertheit

f¨ur einen direkten Widerspruch mitNein. Zus¨atzlich wurde gezeigt, dass sie zwei wei-tere Merkmale aufweisen, in denen sie sich von [−at-issue]-Inhalten unterscheiden:

Sie m¨ussen immer wahr sein und sie m¨ussen durch ein direktes oder indirektes Ante-zedens im Diskurskontext lizenziert sein. Es wurde bezogen auf den zweiten Punkt argumentiert, dass Pr¨asuppositionen anders als eindeutig nicht-pr¨asupponierte In-ferenzen ¨uber die Diskursrelation R = Coreference mit einem direkten Antezedens oder aber ¨uber eine andere Relation wie beispielsweise R = Sub-Part an ein indi-rektes Antezedens gekn¨upft werden k¨onnen.

Pr¨asuppositionen weisen mit der Projektion und ihrer fehlenden Sensibilit¨at ge-gen¨uber direkten Widerspruchsstrategien die zwei relevanten Merkmale von [ −at-issue]-Inhalten auf und k¨onnen zus¨atzlich noch durch zwei weitere distinktive Ei-genschaften charakterisiert werden. Daraus folgt, dass Pr¨asuppositionen eine Unter-menge der [−at-issue]-Inhalte bilden. Hierzu passt auch die in Abschnitt4.2 vorge-nommene Klassifikation der in dieser Arbeit untersuchten acht abh¨angigen S¨atze:

W¨ahrend die [+/-at-issue]-Nebens¨atze aus Gruppe 1 alle [−pr¨asupponiert] sind, grunds¨atzlich aber auch eine pr¨asupponierte Lesart zulassen, sind die [-at-issue]-S¨atze aus Gruppe 2 mit Ausnahme der appositiven Relativs¨atze alle [+pr¨asuppo-niert].

Dass Pr¨asuppositionen immer [-at-issue] sind, ist dabei nicht ¨uberraschend - schließ-lich werden Pr¨asuppositionen traditionell als Hintergrundannahmen definiert.