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Eingebettete Topikalisierung im Englischen

Wurzelph¨ anomene in abh¨ angigen S¨ atzen

7.2. V2-Stellung als grammatische Markierung f¨ ur At-issuenessAt-issueness

7.3.2. Eingebettete Topikalisierung im Englischen

Auch wenn die Assertionshypothese das Auftreten von V2-Stellung im Deutschen nicht korrekt erfasst, muss sie deswegen nicht generell verworfen werden. Hooper/

Thompson (1973) haben den Gedanken, dass die Distribution von Wurzelph¨anome-nen mit den Konzepten Assertion und Pr¨asupposition zusammenh¨angt, urspr¨unglich f¨ur das Englische formuliert und wir werden in diesem Abschnitt sehen, dass dies zutreffend ist. Exemplarisch sollen zu diesem Zweck eingebettete Topikalisierungen und Linksversetzungen betrachtet werden. Um die Distribution von eingebetteten Topikalisierungen im Englischen mit der von V2-Stellung in deutschen Nebens¨atzen vergleichen zu k¨onnen, werden im Folgenden die wichtigsten Lizenzierungskontexte untersucht. Anhand der Ergebnisse wird anschließend diskutiert, ob die Distribution von eingebetteten Topikalisierungen im Englischen besser durch die Assertions- oder durch die At-issueness-Hypothese erfasst wird.

Beginnen wir mit Nebens¨atzen, welche die Argumentforderung eines Verbs erf¨ullen.

Genau wie im Deutschen k¨onnen auch im Englischen Komplements¨atze von Br¨ucken-verben Wurzelph¨anomene aufweisen (vgl. u.a. Hooper/Thompson 1973 und Maki et al. 1999). Dies wird durch das folgende Beispiel illustriert, in dem eine Topikali-sierung des Nebensatzobjekts vorliegt.

(285) John believes that this book, Mary read.

Auch die Komplemente von semifaktiven Verben erlauben die Topikalisierung eines Arguments (vgl. Beispiel (286-a)) und Linksversetzungen wie in Beispiel (286-b) (beide Beispiele nach Hooper/Thompson 1973, 482).

(286) a. We saw that each part he had examined carefully.

b. I discovered that this book, it has the recipes in it.

Im Gegensatz dazu sind Wurzelph¨anomene im Englischen genau wie im Deutschen in faktiven Komplements¨atzen blockiert:

(287) *John regrets that this book, Mary read.

Auch bei der Betrachtung von Adverbials¨atzen k¨onnen wir feststellen, dass Wur-zelph¨anomene im Englischen in den gleichen Kontexten m¨oglich sind wie im Deut-schen. Im Englischen kann eine Phrase linksversetzt werden, wenn sie Teil eines Kausalsatzes ist (vgl. Beispiel(288-a)nach Sawada/Larson 2004). Dagegen erhalten

wir einen ungrammatischen Satz, wenn eine Linksversetzung in einem Temporalsatz vorliegt wie in Beispiel (288-b).

(288) a. Mildred drives a Mercedes because her son, he owns stock in Xerox.

b. *Mildred bought a Mercedes when/before/afterher son, he purchased stock in Xerox.

Wie sieht es nun mit der Distribution von Topikalisierungen in englischen Re-lativs¨atzen aus? Restriktive Relativs¨atze, die von einer definiten Nominalphrase abh¨angen, k¨onnen im Englischen nie Voranstellungstransformationen untergehen, wie in Beispiel (289) nach Hooper/Thompson (1973, 489) gezeigt:

(289) *The car that only rarely did I drive is in excellent condition.

Bezieht sich ein restriktiver Relativsatz dagegen auf ein indefinites Antezedens wie in Beispiel (290) nach Hooper/Thompson (1973, 490), ist die Voranstellung einer Konstituente m¨oglich:

(290) I saw a dress which under no circumstances would I have bought.

Demnach verhalten sich auch restriktive Relativs¨atze, was die Lizenzierung von Wur-zelph¨anomenen betrifft, im Deutschen und im Englischen gleich. Anders als im Deut-schen k¨onnen im EngliDeut-schen aber appositive Relativs¨atze syntaktische Transforma-tionen, welche sonst auf selbstst¨andige S¨atze beschr¨ankt sind, aufweisen. Beispiels-weise kann die Adverbphraseonly rarelyin dem folgenden Beleg von Hooper/Thompson (1973, 488) problemlos topikalisiert werden.

(291) This car, which only rarely did I drive, is in excellent condition

Wir k¨onnen festhalten, dass die Distribution von V2-Stellung in deutschen Ne-bens¨atzen und von eingebetteten Voranstellungstransformationen im Englischen gleich ist, was Komplement- und die zwei hier untersuchten Adverbialsatztypen betrifft.

Ein Unterschied ergibt sich jedoch bei der Betrachtung von Relativs¨atzen: W¨ahrend appositive Relativs¨atze im Deutschen V2-Stellung blockieren, k¨onnen sie im Engli-schen Wurzeltransformationen aufweisen. Die Ergebnisse dieser Gegen¨uberstellung sind in Tabelle 7.3 dargestellt.58

58Werden noch weitere Adverbialsatztypen in die Gegen¨uberstellung miteinbezogen, lassen sich auch hier Unterschiede zwischen dem Deutschen und dem Englischen feststellen. Im Englischen onnen beispielsweise Konditionals¨atze in Abh¨angigkeit ihrer Interpretation Wurzelph¨anomene aufweisen. Bezieht sich ein Konditionalsatz auf den propositionalen Inhalt seines Bezugssatzes wie in Beispiel(i-a)(nach Haegeman 2006, 1656), f¨uhrt eine Topikalisierung zu einer ungram-matischen Struktur, wohingegen Konditionals¨atze, die die Illokutionsebene modifizieren wie in Beispiel(i-b), Topikalisierungen zulassen (vgl. Haegeman 2006).

(i) a. *If these exams you don’t pass, you won’t get the degree.

b. If anemones you don’t like, why not plant roses instead?

Im Deutschen dagegen spielt die Interpretationsdom¨ane bei der Lizenzierung von V2-Stellung keine Rolle. Auch syntaktisch und semantisch desintegrierte Konditionals¨atze blockieren

V2-Nebensatztyp V2 Deutsch Voranstell. Engl.

Komplementsatz, Br¨uckenverb +/− +/−

Semifaktiver Komplementsatz +/− +/−

Faktiver Komplementsatz − −

Temporaler Adverbialsatz − −

Kausaler Adverbialsatz (weil) +/− +/−

Appositiver Relativsatz − +/−

Restriktiver Relativsatz, definites Anteze-dens

− −

Restriktiver Relativsatz, indefinites Anteze-dens

+/− +/−

Tabelle 7.3.: Lizenzierungskontexte im Vergleich: Deutsch und Englisch

Da die untersuchten Wurzelph¨anomene im Englischen und im Deutschen nicht in denselben Kontexten auftreten, k¨onnen wir davon ausgehen, dass den beiden Ph¨ano-menen unterschiedliche Lizenzierungsbedingungen zugrunde liegen. Bezogen auf die Distribution von V2-Stellung im Deutschen wurde argumentiert, dass diese nur in Nebens¨atzen, welche [+at-issue] sind, m¨oglich ist. Im Englischen k¨onnen Voran-stellungstransformationen aber auch in appositiven Relativs¨atzen auftreten, also in einem Kontext, der im Deutschen eindeutig [−at-issue] ist. Dass ein appositiver Relativsatz auch im Englischen nicht dazu verwendet werden kann, ohne seinen Be-zugssatz [+at-issue]-Inhalt auszudr¨ucken, belegt das folgende Beispiel von Beaver (2012):

(292) Q: Where’s Bob these days?

B: #Bob, who is in Austin, hasn’t called me for a week.

Im Deutschen k¨onnen lediglich die Nebens¨atze aus Gruppe 1, welche je nach Kontext auch [+at-issue]-Inhalt ausdr¨ucken, V2-Stellung aufweisen. Im Englischen dagegen liegt mit appositiven Relativs¨atzen ein Nebensatztyp vor, der zu Gruppe 2 z¨ahlt, da er nicht dazu verwendet werden kann, die aktuell relevante Q zu beantworten, und dennoch Wurzelph¨anomene aufweisen kann. Daraus k¨onnen wir schließen, dass die At-issueness-Hypothese bezogen auf die Distribution von Topikalisierungen und Linksversetzungen im Englischen keine G¨ultigkeit besitzt.

Die Nebens¨atze, welche im Englischen Wurzelph¨anomene zulassen, teilen sich anders als im Deutschen zwar nicht das Merkmal [+at-issue], es handelt sich jedoch immer um Nebens¨atze, welche nicht grunds¨atzlich pr¨asupponiert sind. Appositive Rela-tivs¨atze projizieren zwar unter Einbettung, mit Projektionstests werden jedoch kei-ne Pr¨asuppositiokei-nen, sondern [−at-issue]-Inferenzen ermittelt, wie wir in Abschnitt

Stellung, wie das folgende Beispiel belegt (vgl. zu Sprechakt-Konditionalen im Deutschen u.a.

unthner 1999a, Scheffler 2008 und W¨ollstein/Reis 2010).

(ii) *Wenn du hast Hunger - im K¨uhlschrank ist noch Pizza.

3.1 gesehen haben. In Abschnitt7.1.2wurde erl¨autert, dass die Assertionshypothese auf zwei unterschiedliche Arten ausgelegt werden kann (vgl. die beiden Hypothe-sen in (233)). So l¨asst die Assertionshypothese in ihrer urspr¨unglichen Form nach Hooper/Thompson (1973) (vgl. (227)) offen, ob Wurzelph¨anomene in abh¨angigen Kontexten, die [−pr¨asupponiert] sind, lizenziert werden oder aber, und dann liegt eine restriktivere Form der Assertionshypothese vor, ob nur Kontexte, die [+asser-tiv] sind, Wurzelph¨anomene aufweisen k¨onnen. Ein Blick auf die Nebensatztypen, welche im Englischen Voranstellungstransformationen aufweisen k¨onnen, zeigt uns, dass die Assertionshypothese in ihrer weniger restriktiven Form in der Lage ist, die Distribution von Wurzelph¨anomenen im Englischen korrekt zu erfassen. Die der Distribution von eingebetteten Wurzelph¨anomenen im Englischen zugrundeliegende Regel kann demnach wie folgt zusammengefasst werden:59

(293) Regel zur Lizenzierung von Voranstellungstransformationen im Englischen

Voranstellungstransformationen sind in allen Nebens¨atzen, die [− pr¨asup-poniert] sind, m¨oglich.

Die in(293)formulierte Regel wird der Tatsache gerecht, dass Temporals¨atze, fakti-ve Komplements¨atze und restriktifakti-ve Relativs¨atze mit einem definiten Antezedens im Englischen keine Wurzelph¨anomene aufweisen k¨onnen, da diese drei Nebensatztypen grunds¨atzlich pr¨asupponiert sind (vgl. dazu Abschnitt 4.2). Dagegen w¨are eine Aus-legung der Assertionshypothese, derzufolge nur assertive Nebens¨atze Wurzelph¨ano-mene zulassen, f¨ur das Englische zu restriktiv, da mit appositiven Relativs¨atzen ein Kontext vorliegt, der Wurzelph¨anomene aufweisen kann, ohne assertiert zu sein.

Es hat sich gezeigt, dass die Distribution von Wurzelph¨anomenen im Englischen weniger stark restringiert ist als im Deutschen, da im Englischen mehr Kontexte hauptsatztypische Transformationen aufweisen k¨onnen. Im Englischen umfassen die Lizenzierungskontexte alle Nebens¨atze, die [−pr¨asupponiert] sind, welche in der fol-genden Abbildung grau eingef¨arbt sind. Die Kontexte, die im Deutschen V2-Stellung aufweisen k¨onnen, bilden davon eine Untermenge − damit ein Nebensatz im Deut-schen mit V2-Stellung gebildet werden kann, muss er nicht nur [−pr¨asupponiert], sondern zus¨atzlich auch noch [+at-issue] sein, weswegen appositive Relativs¨atze nur mit VL-Stellung wohlgeformt sind. Die Lizenzierungskontexte f¨ur V2-Stellung in deutschen Nebens¨atzen sind in Abbildung 7.1 gestrichelt dargestellt.

Wir k¨onnen festhalten, dass die Assertionshypothese in ihrer Auspr¨agung 1 (vgl. die beiden Hypothesen in (233)) das Auftreten von eingebetteten Wurzelph¨anomenen im Englischen korrekt erfasst. Nicht zutreffend ist dagegen die h¨aufig unternomme-ne ¨Ubertragung der von Hooper/Thompson (1973) f¨ur das Englische entwickelten

59In diesem Abschnitt wurde nur die Distribution von Voranstellungstransformationen im Engli-schen untersucht. Andere Wurzelph¨anomene wie beispielsweise Rechtsversetzungen treten im Englischen jedoch in den gleichen Kontexten auf (f¨ur einen ¨Uberblick vgl. Hooper/Thompson 1973), so dass wir davon ausgehen k¨onnen, dass sie derselben Lizenzierungsbedingung unterlie-gen.

[+at-issue] [at-issue]

[+präsupponiert]

[präsupponiert]

Lizenzierungskontexte für V2-Stellung in deutschen Neben-sätzen

Lizenzierungskontexte für eingebett.

Voranstellungstransformationen im Englischen

Abbildung 7.1.:Lizenzierungskontexte f¨ur Wurzelph¨anomene im Deutschen und im Eng-lischen

Assertionshypothese auf die Lizenzierung von V2-Stellung im Deutschen. Zu einer solchen ¨Ubertragung hat sicherlich die Tatsache beigetragen, dass sich die Kon-texte, welche Wurzelph¨anomene zulassen, im Deutschen und im Englischen sehr

¨ahneln. Dies betrifft vor allem Komplements¨atze, die sich bezogen auf das Auftre-ten von Wurzelph¨anomenen in beiden Sprachen gleich verhalAuftre-ten. Wird davon ausge-gangen, dass beiden Sprachen dieselben Lizenzierungsbedingungen zugrunde liegen, vernachl¨assigt man jedoch Relativs¨atze, bei deren Betrachtung sich ein entschei-dender Unterschied ergibt: W¨ahrend appositive Relativs¨atze im Englischen Voran-stellungstransformationen untergehen k¨onnen, ist im Deutschen in diesem Kontext V2-Stellung blockiert. Daraus wurde geschlossen, dass es im Englischen f¨ur einen Nebensatz ausreichend ist, [−pr¨asupponiert] zu sein, um Wurzeltransformationen aufweisen zu k¨onnen, im Gegensatz dazu muss ein deutscher V2-Nebensatz zus¨atz-lich das Merkmal [+at-issue] tragen.