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2 Zusammenfassungen

2.3 Würdigung des Natura 2000-Gebiets

Das FFH-Gebiet „Rheinniederung von Philippsburg bis Mannheim“, das zu großen Teilen die Vogelschutzgebiete „Rheinniederung Altlußheim - Mannheim“ im Norden und in der Mitte sowie die „Wagbachniederung“ im Süden umfasst, ist eine durch die Tulla´sche Rheinkorrek-tion im 19. Jahrhundert geprägte Kulturlandschaft.

Die Auenlandschaft der Rheinniederung gliedert sich in die von der Abflussdynamik des Rheines geprägte rezenten Aue und in die, nur noch bei extremen Hochwässern vom Rheinwasser erreichte, ausgedeichte Altaue. Die rezente Aue weist eine Vielzahl natürlicher Strukturen wie Altwässer und Altarme auf, die bei entsprechender Vegetation als Lebens-raumtyp Natürliche nährstoffreiche Seen [3150] kartiert werden können. Findet in den ehe-maligen Auengewässern noch ein Durchfluss statt und weisen sie zusätzlich charakteristi-sche Wasserpflanzen wie Flutender Hahnenfuß oder Laichkräuter auf, können sie als Le-bensraumtyp Fließgewässer mit flutender Wasservegetation [3260] erfasst werden. Hierunter fallen auch einige der Flachlandbäche, die das Gebiet durchziehen. Beim spätsommerlichen Trockenfallen können sich auf freigelegten Schlammflächen Pionierarten ansiedeln, die dem Lebensraumtyp Schlammige Flussufer entsprechen. Neben diesen naturnahen Strukturen wird die Rheinniederung geprägt von künstlichen, zur Rohstoffgewinnung angelegten größe-ren und kleinegröße-ren Baggerseen. Weisen diese nährstoffarmen Verhältnisse auf, sind sie ge-eignete Standorte für artenreiche Bestände mit Armleuchteralgen und können als Lebens-raumtyp Kalkreiche, nährstoffarme Stillgewässer mit Armleuchteralgen [3140] erfasst wer-den. Bei zunehmender Trophie entsprechen sie dem oben genannten Lebensraumtyp Natür-liche nährstoffreiche Seen.

Die aus Gründen des Hochwasserschutzes angelegten Hochwasserdämme beherbergen artenreiche Grünlandgesellschaften, die als Kalk-Magerrasen [6520] oder Magere Flachland-Mähwiesen [6210] erfasst werden. Letztgenannter Lebensraumtyp besitzt seinen Verbrei-tungsschwerpunkt auch auf extensiv genutzten Grünländern landseits der Dämme, nur sel-ten ist er daneben auf Geländerücken in der rezensel-ten Überflutungsaue zu finden. Bei stärke-rem Wassereinfluss und nährstoffarmen Standortverhältnissen wachsen Pfeifengraswiesen [6410], die durch zahlreiche besonders wertgebende Arten (u.a. Sibirische Schwertlilie) cha-rakterisiert sind. Für Baden-Württemberg einzigartig sind Vorkommen von Brenndoldenwie-sen [6440], die neben den Kennarten Kantenlauch und Niedriges Veilchen, das einzig be-kannte Vorkommen der Brenndolde im Bundesland aufweisen.

Die Verbindung der Altrheinarme mit dem begradigten Rhein sorgt für eine Überschwem-mungsdynamik der rheinnahen Waldbestände. Hierdurch entstand die heutige, noch regel-mäßig überflutete Weichholzaue mit den typischen Silberweiden-Auenwälder entlang des begradigten Rheins und den Altrheinen, die dem LRT Auenwälder mit Erle, Esche und Wei-de [*91E0] zuzuordnen sind. Auf Wei-den höher gelegenen Standorten, die lediglich episodisch und nur bei extremem Hochwasser vollständig überschwemmt werden, schließt sich die Hartholzaue mit dem Stiel-Eichen-Ulmenwald an, der den LRT Hartholzauenwälder [91F0]

charakterisiert. Diese seltenen naturnahen Waldgesellschaften - auch nach BNatSchG ge-schützt - sowie die Hybrid-Pappelbestände bzw. junge Edellaubbaumbestände aus Esche, Berg- und Spitz-Ahorn kennzeichnen das heutige Waldbild im Bereich der Rheinniederung.

Die naturschutzfachliche Wertigkeit des Gebietes wird durch die zahlreichen Natur- und Waldschutzgebiete wie z.B. die „Reißinsel“ oder die „Ketscher Rheininsel“ dokumentiert. Da-rüber hinaus stellen die Rheinauenwälder Lebensräume, Aufzucht- und Ruhezonen für zahl-reiche Insekten- und Vogelarten dar.

Der Rhein und seine Nebengewässer stellen eines der großen Flusssysteme Europas dar.

Das Rheinsystem flussabwärts der Staustufe Iffezheim ist von überragender Bedeutung für die heimische Fischfauna mit unersetzlicher Funktion als zusammenhängender Lebensraum für alle kieslaichenden und strömungsliebenden Fischarten des Rheins. Es enthält die letzten naturnah erhaltenen Kiesbänke und Überschwemmungszonen der ursprünglichen Rheinaue

und weist eine Vielzahl notwendiger und als Laich- und Jungfischhabitate höchst schützens-werter Funktionsräume in Form angebundener Altarme, Seitengewässer und Mündungsbe-reiche sowie (periodisch) angeschlossener größerer und kleinerer Stillgewässer und Bagger-seen auf. Der Rhein beherbergt wieder in hohem Maß das ursprüngliche Fischarteninventar mit reophilen Fischarten wie Nase (Chondrostoma nasus) und Barbe (Barbus barbus) sowie Wanderfischarten wie Maifisch (Alosa alosa) [1102], Atlantischer Lachs (Salmo salar) [1106], Fluss- und Meerneunauge (Lampetra fluviatilis und Petromyzon marinus) [1099 und 1095].

Zusätzlich weist der Abschnitt in (periodisch) angebundenen Altwässern und Seitenarmen sowie der Rheinniederung landesweit bedeutende Vorkommen bedrohter Kleinfischarten, wie Schlammpeitzger (Misgurnus fossilis) [1145] oder Moderlieschen (Leucaspius delineatus) auf. In den Auengewässern und den angebundenen Baggerseen finden sich nennenswerte Bestände von Bitterling (Rhodeus amarus) [1134] sowie bedeutende Bestän-de Bestän-des Steinbeißers (Cobitis taenia) [1149]. Letzterer ist häufig in Bestän-den Übergangsbereichen zwischen Hauptstrom und Auegewässer anzutreffen. In isolierten Gewässern im FFH-Gebiet hat die im Regierungsbezirk Karlsruhe seltenste Fischart, die Karausche (Carassius carassius), ein landesweit bedeutendes Vorkommen (z.B. Gewann Frankreich).

Eine Besonderheit stellt das Naturschutzgebiet „Reißinsel“ mit dem östlich unmittelbar daran angrenzenden Waldpark Mannheim als Naherholungsgebiet der Stadt Mannheim mit natur-schutzfachlich hochwertigen Lebensräumen und Lebensstätten von Arten dar. Das FFH-Gebiet beherbergt in diesem FFH-Gebiet die einzigen größeren Populationen des Heldbocks [1088] im Bereich der alten Rheinaue und das einzig aktuelle bekannte Vorkommen des Eremites [*1084] (auch Juchtenkäfer genannt) im Bereich der Oberrheinebene überhaupt.

Die stellenweise vorhandenen Mittelwaldreste auf der Ketscher Rheininsel stellen hingegen ein aktuell geeignetes Gebiet dar, in dem derzeit nur schwache Besiedlung des Heldbocks und Potenzial für den Eremiten festgestellt werden konnten. Umso wichtiger sind Schutz, Erhaltung und Entwicklung verbliebener Alteichenbestände dort und anderswo im FFH-Gebiet, auch wenn dort bei der Erfassung keine Besiedlung nachgewiesen werden konnte.

Dasselbe gilt für die Entstehungsmöglichkeiten großkroniger Laubbäume allgemein, da nur sie bei Stark-astabbruch die nötigen Voraussetzungen für große Mulmhöhlen als Entwick-lungsstätten des Eremits liefern. Eine Besonderheit des FFH-Gebiets mit Bezug zu beiden Arten ist, dass zwei Eichen gleichzeitig Brutbaum von Heldbock und Eremit sind, und dass hier erstmals die Esche als Brutbaum für den Eremiten in Baden-Württemberg nachgewie-sen werden konnte.

In Bezug auf den Schmalbindigen Breitflügel-Tauchkäfer [1082] ist die Rheinniederung von Philippsburg bis Mannheim eines von nur vier FFH-Gebieten in Baden-Württemberg, aus denen Funde dieser seltenen Schwimmkäferart nach 1980 vorliegen. Die Vielzahl rheinnaher Gewässerkomplexe unterschiedlicher Ausprägung und größere Stillgewässer außerhalb des eigentlichen heutigen Rheinverlaufs lassen zunächst weite Bereiche als besiedlungsgeeignet erscheinen. Jedoch gelangen nur in zwei benachbarten Teilbereichen im Süden des Gebiets Nachweise; aktuell davon nur noch in einem. Es handelt sich in beiden Fällen um Stillgewäs-ser mit KlarwasStillgewäs-ser und ohne Schlammauflage, die zeitweilig austrocknen bzw. starken Wasserstandsschwankungen unterworfen sind. Alle anderen Gewässer im Gebiet sind dem-gegenüber nachteilig durch starken Fischbesatz (anthropogen) und/oder Schlammauflage bzw. Mangel an ausreichenden Flachwasserzonen mit größeren Anteilen submerser und (teil-) emerser Vegetation gekennzeichnet.

Die „Rheinniederung von Philippsburg bis Mannheim“ liegt auch innerhalb des baden-württembergischen Hauptverbreitungsgebietes der Grünen Flussjungfer [1037] und besitzt eine wichtige Funktion für den Habitatverbund. Über die Mündungsbereiche von Krieg- und Kraichbach bestehen direkte Verbindungen der Vorkommen in den Altrheinen mit jenen der kleineren Fließgewässer auf der Hardt. Damit repräsentieren die im Gebiet vertretenen Le-bensräume auch das Spektrum, innerhalb dessen sich die Art im Land fortpflanzt. Die Be-stände in den ausgewiesenen Lebensstätten sind zwar individuenschwach, zumindest im Ketscher Altrhein aber offenbar stabil.

Die Zierliche Tellerschnecke [4056] wurde im FFH-Gebiet "Rheinniederung zwischen Phi-lippsburg und Mannheim" in den ehemaligen Tongrubengebieten im NSG "Schwetzinger Wiesen - Edinger Ried" (Rhein-Neckar-Kreis) und südwestlich von Rheinhausen (Landkreis Karlsruhe) nachgewiesen. In beiden Vorkommensgebieten wurden große Populationen in insgesamt gutem Erhaltungszustand festgestellt, welche hochgerechnet jeweils mindestens 100.000 Individuen umfassen dürften. Die besiedelten Gewässer haben eine landesweite Bedeutung für den Artenschutz, was sich auch an individuenreichen Beständen weiterer lan-desweit hochgradig gefährdeter Schneckenarten wie der Sumpf-Federkiemenschnecke (Valvata macrostoma) zeigt. Mit Schmaler und Bauchiger Windelschnecke [1014] [1016]

kommen zwei weitere FFH-Schneckenarten im Gebiet vor. Als Lebensraum bevorzugen die Arten kalkhaltige Feucht- und Nassbiotope. Geeignete Lebensstätten sind daher verbrachte oder verschilfte Senkenbereiche entlang von Gräben oder am Rand von Stillgewässern.

Vornehmlich feuchtes bis frisches Grünland, insbesondere mit Weidenutzung, und Brachflä-chen mit Beständen von Krausem oder Stumpfblättrigem Ampfer sowie Uferröhrichte mit Fluss-Ampfer sind Larvalhabitate des Großen Feuerfalters [1060]. Eine besondere Bedeu-tung hat das Gebiet für die Haarstrangeule [4035], die europaweit als eine der am stärksten gefährdeten Schmetterlingsarten angeführt wird. Mit Vorkommen in nur noch zwei Naturräu-men in Baden-Württemberg kommt die Art in der Rheiniederung auf mageren Wirtschafts-wiesen mit ausreichend großen Beständen der Raupennahrungspflanze Arznei-Haarstrang vor. Die vom Wasser geprägte Auenlandschaft bietet dem Kammmolch [1166] einen geeig-neten Lebensraum.

Die Vogelschutzgebiete 6616-441 „Rheinniederung Altlußheim-Mannheim“ und 6717-401

„Wagbachniederung“ sind Gebiete von nationaler bzw. internationaler Bedeutung und um-fassen die Rheinniederungslandschaft zwischen Philippsburg und Mannheim mit Altrheinen, Altrheininseln, Auwaldbeständen alten Kies- und Ziegeleigruben sowie ausgedehnte Röh-richt- und Riedflächen, Niederungswiesen und Feldern mit Feldgehölzen und Hecken. Als ehemaliges Niedermoor in der Rheinmäanderzone, von dem nur noch wenige Reste erhalten sind, bildet das NSG „Wagbachniederung“ mit seinen freien Wasserflächen, ausgedehnten Schlammflächen und den großen vielfältig gegliederten Schilfbeständen, die von ihrer Fläche her einzigartig im nördlichen Baden-Württemberg sind, den Kern der beiden Vogelschutzge-biete. Das Feuchtgebiet ist Brutstätte zahlreicher vom Aussterben bedrohter Vogelarten und hat für den Purpurreiher [A029], das Blaukehlchen [A272] und die Tafelente [A059] bundes-weite Bedeutung. Der Purpurreiher hat hier die größte und beständigste Brutkolonie Deutschlands mit weiterhin positivem Bestandstrend. Zudem sind die Brutvorkommen von Schwarzhalstaucher [A008], Zwergdommel [A022], Schnatterente [A051], Rohrweihe [A081], Drosselrohrsänger [A298] und Schilfrohrsänger [A295] von landeweiter Bedeutung. Auch für die Artengruppen rastender, mausernder und überwinternder Vögel besitzen die Feuchtge-biete als Rast- und Nahrungsplatz nordeurasischer Zugvögel international bzw. interkonti-nental bedeutende Funktion. Insbesondere Limikolen wie beispielsweise Bekassine [A153], Bruchwasserläufer [A166] oder Zwergstrandläufer [A145] sind auf den Schlammflächen wäh-rend der Zugzeit regelmäßig anzutreffen. Insgesamt kommen in den Vogelschutzgebieten 62 Brut- und Gastvogelarten der Vogelschutzrichtlinie vor, was die die hohe Bedeutung der Flä-chen in dieser an sich dicht besiedelten Landschaft unterstreicht.

2.4 Zusammenfassende Darstellung der Ziele und der