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3 Ausstattung und Zustand des Natura 2000-Gebiets

3.4 Beeinträchtigungen und Gefährdungen

Dieses Kapitel beschreibt ausschließlich Beeinträchtigungen, die das Natura 2000-Gebiet als Ganzes betreffen. Allgemeine lebensraum- und artspezifische Beeinträchtigungen sind be-reits in den Kapiteln 3.2 und 3.3 aufgeführt und werden hier nicht wiederholt.

Rheinkorrektion - Veränderte Auendynamik

Die durch die Rheinkorrektion und den nachfolgenden Rheinausbau verursachte Verände-rung der hydrologischen Verhältnisse, insbesondere fehlende Überflutungen, kürzere Hoch-wasserperioden sowie niedrigere Grundwasserstände, führten und führen immer noch zu einer veränderten Baumartenzusammensetzung der Auenwälder. Besonders betroffen ist die Hartholzaue. Hier breiten sich die Edellaubbaumarten Esche (Fraxinus excelsior) und Berg-Ahorn (Acer pseudoplatanus) auf Kosten der Stiel-Eiche (Quercus robur) aus. Ab der Mittle-ren Hartholzaue wird die Esche auf lehmigen Substraten zu einer Hauptbaumart des Stand-ortswaldes. Auf den folgenden höheren Auenwaldstufen erlangen Berg-Ahorn, Hainbuche (Carpinus betulus), Winterlinde (Tilia cordata) und Rot-Buche (Fagus sylvatica) zunehmende Bedeutung und dominieren zusammen mit der Esche in wechselnder, vom Substrat abhän-giger Bedeutung die Standortswälder. Dies gefährdet langfristig die Erhaltung des Lebens-raumtyps Hartholzauenwälder [91F0] in seinem jetzigen eichenreichen Zustand, dessen Er-scheinungsbild auch aus der ehemaligen Mittelwaldbewirtschaftung resultiert.

Eschensterben und Ulmensterben in den eichenbetonten Lebensraumtypen

Die durch den Pilz Hymenoscyphus fraxineus (Eschenstengelbecherchen) verursachte Er-krankung der Esche ist 2006 in Baden-Württemberg zum ersten Mal aufgetreten. Die Befallsdynamik und der Schadensverlauf haben sich seit ca. 2015 auffallend beschleunigt.

Das Eschentriebsterben kann sich im FFH-Gebiet vor allem auf die Lebensraumtypen [9160], [91F0] und [*91E0] auswirken. Neben Lebensraumtypen könnten auch Lebensstätten beein-trächtigt oder gefährdet werden, die in Waldbeständen mit hohen Eschenanteilen liegen.

Die Infizierung erfolgt über die Blätter, im weiteren Verlauf kann der Pilz in die Triebe ein-wachsen. Dies verursacht das typische Triebsterben, dass sich über mehrere Jahre in einem Zurücksterben der Krone äußern und zum Absterben des Baumes führen kann. Darüber hin-aus kann der Pilz die Eschen auch am Wurzelansatz besiedeln und Stammfußnekrosen ver-ursachen. Andere holzzerstörende Pilze, vor allem der Hallimasch (Armillaria spp.), können daraufhin den Wurzelansatz infizieren und zu Stockfäulen führen. Dies bedeutet nicht nur ein baldiges Absterben des Baumes, sondern auch ein massives Problem für die Arbeits- und Verkehrssicherheit. Bei einem sehr kleinen Anteil der Eschen summieren sich verschiedene Resistenzmechanismen zu einem wirksamen Schutz gegenüber der Krankheit, sodass nach wie vor vollständig gesunde oder nur schwach befallene Bäume in direkter Nachbarschaft zu stark erkrankten Individuen zu finden sind.

Bei einem Ausfall der Esche oder einer Nutzung von erkrankten oder bereits abgestorbenen Eschen könnten in Ausnahmefällen auch nicht-lebensraumtypische Baumarten den Platz der Esche einnehmen. Dies kann zu einer Verschlechterung oder gar zum Verlust der LRT-Eigenschaft führen. Um den FFH-LRT zu erhalten, wäre der Ausfall der Esche mit dem An-bau lebensraumtypischer Baumarten zu kompensieren. In Abhängigkeit des jeweiligen Standortes und des Lebensraumtyps sind u. a. Stiel-Eiche, Berg-Ahorn, Spitz-Ahorn, Feld-Ulme, Flatter-Feld-Ulme, Schwarz-Erle, Gewöhnliche Traubenkirsche, Silber-Weide, Bruch-Weide oder Schwarz-Pappel zu empfehlen. Ebenso ist auf die Erhaltung von Habitatstrukturen zu achten. In Anhalt an das AuT-Konzept von ForstBW sind daher Habitat-baum-, Altholz- und Totholzgruppen im angemessenen Umfang auszuweisen. Wo dies aus Gründen der Arbeits-sicherheit und Verkehrssicherung nicht oder nur eingeschränkt möglich ist, sollte zumindest liegendes Totholz ausreichend vor Ort verbleiben. Auf das Schreiben des MLR vom 26.01.2015 „Bewältigung von Schadereignissen in NATURA 2000 Gebieten; Eschentrieb-sterben“ (Az.: 52-8830.10) sowie die Broschüre „ForstBW Praxis – Herausforderung

Eschen-triebsterben: Waldbauliche Behandlung geschädigter Eschenbestände“ (ForstBW 2018) wird verwiesen.

Auch das seit den 1970er Jahren bekannte Ulmensterben, das durch einen Pilz verursacht und durch den Ulmensplintkäfer verbreitet wird, führt zu einer erheblichen Reduktion bis zum Totalausfall der Feld-Ulme (Ulmus minor) und Flatter-Ulme (Ulmus laevis) als zwei der Ne-benbaumarten des LRT Hartholzauenwälder [91F0]. Vorbeugung und forstliche Gegenmaß-nahmen sind kaum vorhanden. Eine Einbringung von Feld- und Flatter-Ulmen in den Le-bensraumtypen [91F0] und [9160] ist nur in Form einer einzel- bis maximal truppweisen Bei-mischung im Innern größerer Laubholzbestände zu empfehlen. An Bestandesrändern, We-gen, Rückelinien ist eine Pflanzung der Ulmen nicht zielführend, da sich der Ulmensplintkäfer an markanten Linien im Gelände orientiert.

Zunehmende Ausbreitung von invasiven Neophyten

Neophyten wie Eschen-Ahorn (Acer negundo), Staudenknöterich (Fallopia japonica) und Indisches Springkraut (Impatiens glandulifera) dehnen sich im Bereich der Weich- und Hart-holzaue weiter aus. Durch das invasive Auftreten verdrängen diese die standortstypische Vegetation örtlich nahezu vollständig. Neben den erheblichen ökologischen Veränderungen - Verlust heimischer Pflanzenarten mit Auswirkungen auch auf die daran gebundene Insekten-fauna - ist zunehmend mit Schäden an Gewässerufern v. a. bei Auftreten des Indischen Springkrautes zu rechnen. Da die heimische, angepasste und schützende Vegetationsbede-ckung fehlt, kann es bei stärkeren Regenereignissen zu Erdabschwemmungen an Böschun-gen und vor allem an Gewässerrändern kommen.

Durch ein Ausdunkeln der Waldbestände besteht die Möglichkeit, den Invasionsdruck des In-dischen Springkrauts, aber auch des Eschen-Ahorns ein wenig einzudämmen. Im Bereich der Hartholzaue ist bei Verjüngung und Pflanzung von gesellschaftstypischen Baumarten eine intensive und aufwendige Kulturpflege notwendig. Dem erhöhten Stockausschlag nach Aussä-gen des Eschen-Ahorns ist mit Ringelungsversuchen zu begegnen. Auf eine Einzeldarstellung des Indischen Springkrautes und Japan-Knöterich wird verzichtet. Hier bedarf es entlang des Rheins überregionaler Konzepte zur Bekämpfung und Eindämmung von invasiven Neophyten.

Freizeitnutzung und Landwirtschaft

Beeinträchtigungen für das Gebiet als Ganzes bestehen durch die intensive Nutzung des Sü-dufers der Erlichseen als Naherholungsgebiet sowie durch den Bootsbetrieb im kompletten Bereich der Baggerseen und den Flugbetrieb auf dem Modellflugplatz am Westufer der Bag-gerseen. Die gute Erschließung in diesem Bereich führt zu einer hohen Störungsintensität an manchen Ufern durch Spaziergänger (mit Hunden) und Angler. Die landwirtschaftliche Nut-zung im Vogelschutzgebiet Rheinniederung wird immer stärker vom Maisanbau sowie vom Feldgemüseanbau unter Folie mit intensiver Beregnung geprägt. Dies ist vor allem für Arten der Agrarlandschaft, wie z.B. die Wiesenschafstelze und den Kiebitz, eine starke Beeinträchti-gung, was letztendlich zum Verlust von Lebensraum und zum Verschwinden der Arten führt.

Auch Arten wie der Drosselrohrsänger verlieren durch trockenfallende Gräben mit Röhricht aufgrund der intensiven Beregnung v.a. im Hockenheimer Rheinbogen ihren Lebensraum.

Bezogen auf die im Vogelschutzgebiet Rheinniederung Altlußheim-Mannheim kartierten Vo-gelarten wurden folgende aktuell wirkenden oder aus der Vergangenheit fortwirkenden Be-einträchtigungen oder Gefährdungen nachgewiesen.

• Grundwasserstand dauerhaft niedrig

• Verlust an grundwassernahen Standorten und Überschwemmungsflächen

• Trockenfallen von Gräben und Flachgewässern

• Eutrophierung und Verkrautung von Schilf

• Drainage von Anmoor- und Niedermoorflächen

• Störungen durch Angler, Erholungssuchende z. B. an Schilfufern, Spaziergänger mit frei-laufenden Hunden und sonstigen Freizeitnutzungen im Gebiet

• Pestizideinsatz (z.B in Bezug auf Wachtel, Schafstelze und weitere Vogelarten der Feldflur)

Klimawandel

Im Zuge des globalen Klimawandels ist in Baden-Württemberg nicht nur eine Zunahme der Jahresmitteltemperatur zu erwarten. Für die Lebensraumtypen und -Arten des FFH-Gebiets sind relevante Entwicklungen unter anderem ein früherer Vegetationsbeginn, die Zu-nahme von heißen Tagen, eine leichte Tendenz zur ZuZu-nahme der Länge von Trockenperioden bei evtl. gleichzeitiger Zunahme von Starkregenereignissen (LUBW 2013). An diese klimati-schen Veränderungen müssen sich die FFH-Arten und Lebensraumtypen des Gebiets anpas-sen; nicht in jedem Fall muss dies eine Gefährdung bedeuten.

Die aktuell zu beobachtenden Auswirkungen auf den Wald machen deutlich, dass der Wald in Baden-Württemberg auf großer Fläche nur eine eingeschränkte Anpassungsfähigkeit gegen-über Klimaveränderungen aufweist. Es kann weiter davon ausgegangen werden, dass der Wald in seiner bestehenden Baumartenzusammensetzung nicht die Fähigkeit besitzt, sich aus-reichend schnell an das Ausmaß und die Geschwindigkeit des beobachtbaren Klimawandels anzupassen. Die klimatischen Veränderungen lassen vermehrt Hitze- und Trockenschäden, Spätfrostschäden, eine Änderung der Konkurrenzverhältnisse der Baumarten und Verschie-bungen bei den Verbreitungsschwerpunkten aller Baumarten erwarten.

Eine Klimaanpassung des Waldes erfordert aufgrund der langen Lebensdauer und des lang-samen Wachstums von Bäumen eine gezielte Waldentwicklung und macht einen schnellen Umsetzungsbeginn von Maßnahmen erforderlich. Mit einem auf Resilienz und Klimaanpas-sungsfähigkeit ausgerichteten Waldbau soll im „Handlungsfeld Wald und Forstwirtschaft“ (Un-seld 2013) der Anpassungsstrategie Baden-Württemberg an die Folgen des Klimawandels ein Wald entwickelt werden, der sich auf lange Sicht als klimarobust erweist.

Im Verhältnis zu den Erhaltungszielen für die FFH-Lebensraumtypen und -Arten des Gebiets können sich aus Maßnahmen zur Anpassung des Waldes Synergien und Konflikte ergeben.

So wird sich die Weiterentwicklung der Ziele des Naturnahen Waldbaus (Aufbau stabiler, standortgerechter, vielfältiger und regionaltypischer Mischbestände, Übernahme von Naturver-jüngung, Pfleglichkeit der Waldarbeit, angepasste Wildbestände, Umsetzung vorsorgender Konzepte zum Alt- und Totholz (AuT), zu Lichtwaldarten und von Artenhilfskonzepten) unter den neuartigen Herausforderungen eines klimaangepassten Waldbaus auch in Zukunft positiv auf FFH-Lebensraumtypen und -Arten auswirken.

Unterschiedliche Ansichten bestehen über die Baumartenzusammensetzung eines Waldes, der mit Hilfe des klimaangepassten Waldbaus entwickelt werden soll: Nach dem „Handlungs-feld Wald und Forstwirtschaft“ sollen auch gebietsfremde Baumarten einbezogen werden, wenn sich längerfristig eine Klimaeignung prognostizieren lasse. Im „Handlungsfeld Natur-schutz und Biodiversität“ (Schlumprecht 2013) der Anpassungsstrategie wird als Hauptanpas-sungsziel mit Verweis auf die FFH-Waldlebensraumtypen und FFH-Arten, die auf den Wald als Hauptlebensraumtyp angewiesen sind, eine ökologische Stabilisierung der Waldökosysteme empfohlen, die sich auch durch eine Diversifizierung der Waldstruktur mit heimischen Baumar-ten erreichen lasse. Vom Anbau nicht gebietsheimischer BaumarBaumar-ten wie Douglasie oder Roteiche oder der natürlichen Ausbreitung der Douglasie in FFH-Lebensraumtypen auf boden-sauren, basenarmen und trockenen Standorten kann auch eine Beeinträchtigung oder Gefähr-dung von FFH-Lebensraumtypen und -Arten ausgehen; hier ist auf die Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen des FFH-Gebiets zu achten.

Bei der Fortschreibung der Managementpläne sollen die Auswirkungen des Klimawandels unter Einbezug von Erkenntnissen laufender Forschungsprojekte z.B. der LUBW und der FVA verstärkt betrachtet werden.

Zwischenzeitlich soll zwischen den zuständigen Naturschutz- und Forstbehörden ein bedarfs-weiser Austausch stattfinden, bei dem Folgen des klimabedingten Waldzustands auf die Um-setzung der Managementpläne erörtert und möglichst regionalisierte oder landesweite Lösun-gen abgestimmt werden.