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4.2 Betrachtung des Projektablaufes

4.2.1 Vorbereitungen des Projekts

Z.781-794: Ach, ich hab immer versucht mi so auf das vorzubereiten, auf jeden Schwerpunkt in den Jahren, um eben, dass i Probleme eben im Vornhinein irgendwie verhinder[...] du kennst deine Klasse sehr, sehr gut. [...]

Ma hat als Volksschullehrerin doch ein totales Vertrauensverhältnis.

Die Lehrerin habe in all den Jahren immer versucht, sich auf jeden Schwerpunkt vorzubereiten, um Probleme im Vorhinein zu verhindern. Sie würde ihre Klasse sehr gut kennen und nennt auch das besondere Vertrauensverhältnis in der Volksschule.

Auch in diesem Zitat bezieht sich die Lehrerin auf das gute Vertrauensverhältnis mit ihren Schülerinnen und Schülern. Dazu gibt Velthaus (1973, zit. n. Hanisch S. 57) folgendes zu bedenken: „Während ein Kind vertraut, weil es Sicherheit und Geborgenheit spürt, bedeutet Vertrauen auf Seiten des Erziehers Bejahung, Anerkennen und Ernstnehmen der Person.“ Im Laufe der Analyse wird sich zeigen, inwieweit sich die Lehrerin an diese Definition hält und die Kinder in diesem Sinne betrachtet und behandelt.

Ihre Vorbereitung sieht sie dahingehend, Probleme im Vorhinein zu verhindern. Wie man im vorliegenden Projekt sehen wird, gelingt ihr dies durch eine straffe Unterrichtsgestaltung aber auch, indem sie eventuelle Probleme nicht als diese wahrnimmt. Eine ernsthafte Vorbereitung auf derartig diffizile Projektthemen sollte sich jedoch nicht ausschließlich auf eine Problemvermeidung beschränken.

Z.180-191: Interviewer: Haben Sie schon Vorarbeit mit den Kindern gemacht, zum Thema...

Lehrerin: Ich hab schon in der 2., und in der 3. Klasse und in der 4. Klasse, schon davor gearbeitet.

Interviewer: Also die Kinder haben über Nationalsozialismus etwas gewusst?

Lehrerin: Die Kinder haben schon etwas gewusst. Anders lässt sich das nicht machen. Also die müssen ein Wissen über den Nationalsozialismus haben.

Die müssen wissen, was war grundsätzlich ein KZ, welche KZs hats gegeben.

Also das ist schon wichtig, weil man kann ihnen das nicht drüberstülpen und sie haben keine Ahnung. Das hat sich entwickelt praktisch über drei Jahre und das war das Abschlussprojekt, so als, eben als Höhepunkt und Abschluss in der Volksschulzeit.

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Sie würde das Thema bereits ab der 2. Klasse behandeln, da es ihres Erachtens eine Entwicklung brauche. Sie betont die Notwendigkeit, dass Kinder [auf derartige Projekte, Anm. der Ver.] vorbereitet werden müssen und im Vorfeld Wissen über den Nationalsozialismus und KZ haben sollten. Das Abschlussprojekt [zu Janusz Korczak, Anm. d. Verf.] bezeichnet sie als Höhepunkt und Abschluss der Volksschulzeit.

Die Lehrerin ist sich hier bewusst, dass gerade ein solch schwieriges Thema, das sich mit dem Tod in Konzentrationslagern auseinandersetzt, unbedingt Vorarbeiten benötigt. Sie gibt an, dass die Kinder über die Existenz und auch die Orte der Konzentrationslager Bescheid gewusst hätten und dieses Wissen ihres Erachtens als Vorbereitung notwendig sei. Nicht klar ist die Aussage, was sie damit meinte, dass die Kinder wissen sollten was „grundsätzlich ein KZ“ sei. Eine Aussage über den Inhalt dieser Unterrichtseinheiten ist leider nicht möglich, da es keine diesbezüglichen Nachfragen meinerseits gab. Im Nachhinein wäre interessant zu wissen, wie die Lehrerin eine solche gestaltet hat, oder ob es nur um Weitergabe von

„Daten und Fakten“ ging. Gerade beim Thema Tod ist eine sehr sensible Vorgehensweise notwendig, wie im entsprechenden späteren Analyseabschnitt noch zu sehen sein wird (vgl. Kap.4.2.14). An dieser Stelle sei angemerkt, dass es nicht Aufgabe der Volksschule sein kann, über Orte der Konzentrationslager zu informieren. Dies ist keineswegs notwendig um Mechanismen und Strukturen des Nationalsozialismus aufzuzeigen und würde das Vorstellungsvermögen der Kinder übersteigen, bzw. sie auch angesichts der Häufigkeiten ängstigen. Die diesbezügliche Aussage der Lehrerin ist daher kritisch zu sehen.

Zur Vorbereitung auf das konkrete Unterrichtsprojekt überlegte sich die Lehrerin geeignete Unterrichtsmethoden, um den Kindern das Thema näher zu bringen.

Inwiefern sie dieses Vorhaben realisieren konnte, wird die nachfolgende Projektanalyse zeigen.

Z.238-239: I hab so lang herumgekopft, wie kann ich das für die Kinder irgendwie konkret machen und [...]

Die Lehrerin habe lange darüber nachgedacht, wie sie das Thema für die Kinder besser verständlich machen könnte.

Obwohl sich die Lehrerin nach eigenen Angaben viele Gedanken zum Projektablauf machte, werden nachfolgende einige kritische Punkte im Ablauf zu besprechen sein.

Im Vorfeld ignorierte sie beispielsweise die Tatsache, dass sich auch Kinder mit

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Migrationshintergrund in ihrer Klasse befanden. Diese könnten möglicherweise einen anderen Zugang zur Thematik haben und es bräuchte daher auch nach Meinung der Lehrerin eine differenzierte Betrachtung und spezielles Unterrichtsvorgehen.

Die folgenden Zitate sollen zeigen, in wie ferne sich die Lehrerin auf das Projekt vorbereitete und in welche Richtung ihre Gedanken dabei gingen.

Z.610-612: Es braucht eine ganz eine gute Vorbereitung. Natürlich auch deswegen, weil i net gewusst hab, wie ist dann die Reaktion, wenn sie dann beim Zug stehn und es heißts: Und der Zug hat sie dann ins Lager gebracht.

Es bräuchte eine ganz gute Vorbereitung. Natürlich auch deshalb, weil die Lehrerin nicht wusste, wie die Reaktion sein würde, wenn die Kinder beim Zug stehen würden und es heißen würde, dass der Zug sie [die Korczak-Kinder, Anm. d. Verf.] ins Lager bringen würde.

An dieser Stelle erweitert die Lehrerin den Zweck einer guten Vorbereitung. Sie dient nicht nur der Problemvermeidung, sondern sollte auch im Hinblick auf diese „heiklen“

Situationen gemacht werden. Leider fehlen der Lehrerin die geeigneten Hilfsmittel und Überlegungen, wodurch auch ihre Nervosität zu erklären ist.

Z.598-607: Ich denk, sie haben vielleicht auch bei mir eine gewisse Nervosität gespürt, denn je mehr es zum Ende hingekommen ist, umso mehr hab i mir gedacht: Hoffentlich geht alles gut, gö. I hab mir wirklich, I hab mir so viele Gedanken gemacht zu dem Workshop, i hab mir wortwörtlich überlegt: Wie werd i des sagn, wie werd i des sagn, wie werd i des sagen und hab das a immer wieder durchgespielt. ah, um zu verhindern, dass das vielleicht dann in irgendeine Richtung geht, die das ganze kaputt macht. Es muss nur sein, dass i irgendeinen Leerlauf hab, oder dass i ein Material erst suchen oder herrichten. Inzwischen fangen zwei drei an blödeln und es ist g´laufen. Es ist vorbei. Also i war sicher relativ angespannt.

Frau U. denkt, dass die Kinder vielleicht auch eine gewisse Nervosität gespürt hätten. Denn je mehr sich das Projekt dem Ende genähert hätte, desto mehr habe sie gehofft, dass alles gut gehen würde. Sie habe sich wirklich sehr viele Gedanken zu diesem Workshop gemacht und sich die Vorgehensweise wortwörtlich überlegt. Das habe sie immer wieder durchgespielt, um zu verhindern, dass es in eine Richtung gehen würde, die alles zerstören würde.

Es wäre möglich gewesen, dass bei einem Leerlauf der Lehrerin oder der Suche nach einem Material Kinder zu „blödeln“ begonnen hätten und alles sei damit „gelaufen“ und vorbei gewesen. Die Lehrerin war sehr angespannt.

Auch hier führt die Lehrerin an, dass sie einzelne Situationen immer wieder zum Zweck der Problemvermeidung durchgespielt hatte. Die Vorbereitung ist ausschließlich in diese Richtung gegangen. Mit einer straffen Durchführung der Arbeitsschritte ohne Unterbrechung meinte sie dieses zu erreichen. Bedürfnisse und

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Regungen der Kinder hatten hier keinen Platz. Dies machte die Lehrerin sehr angespannt und unsicher.

Z.747-750: Jedes Kind hat´s vorglesen und hat den Stern dann dazugelegt.

Also das war schon... also der Moment, wenn i dran denk... i hab mir gedacht... was tua i wenn jetzt... womöglich weint irgendana oder womöglich will jetzt ana nimma... oder... ja, dann ists so, dann muss is akzeptieren.

Jedes Kind habe es vorgelesen und hat den Stern dann dazugelegt. Wenn die Lehrerin daran denken würde, wäre das schon ein Moment gewesen, wo sie sich überlegt habe, was sie tun hätte sollen, wenn ein Kind zu weinen begonnen oder nicht mehr gewollt hätte. Dann wäre es eben so gewesen und die Lehrerin hätte das akzeptieren müssen.

Etwaige unerwartete Emotionen der Kinder reflektierte sie erst während des Projektes und gab an, dass sie diese dann, „akzeptieren“ hätte müssen. Dann wäre ihrer Ansicht nach, das Projekt, vor allem, wie sie es sich vorstellte, vorbei gewesen.

Hier ist darauf hinzuweisen, dass Akzeptieren etwas Passives ist, wo hingegen im Falle von Kinderreaktionen aktiver Handlungsbedarf der Lehrerin gefordert gewesen wäre. Konkrete Überlegungen zu diesem aktiven Vorgehen „im Fall der Fälle“ hat sich die Lehrerin jedoch keine gemacht.

Daraus kann man schließen, dass in diesem Moment der gelingende Ablauf des Projektes und die Angst vor einem Abbruch durch nicht vorhersehbare Gefühlsausbrüche der Kinder die Anspannung der Lehrerin mehr auslösten als die möglichen Emotionen der Kinder an sich. Möglich ist auch, dass diesbezügliche Probleme erst während des Projektes bewusst wurden. Hier dürften sich Bedürfnisse und Emotionen von Schülerinnen und Schülern und die Interessen der Lehrerin gegenüber gestanden haben. Es entsteht der Eindruck, dass der vordergründige Wunsch nach einer guten Projektdurchführung (unbewusst) den Blick auf die tatsächlichen Gefühlsregungen der Kinder etwas verstellte.

Bei der Bearbeitung des Themas gibt Frau U. dagegen an, meist von den Fragen und Interessen der Kinder auszugehen, wie in den beiden folgenden Kapiteln näher beschrieben wird.

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