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Würde man österreichische Lehrerinnen und Lehrer oder auch Eltern befragen, so würden die meisten eine Holocaust Education in der Volksschule höchstwahrscheinlich mit der Begründung der Überforderung des Kindes, ablehnen.

Die besorgten Eltern haben noch zu oft den eigenen Geschichtsunterricht mit all den Gräuelfotos in Erinnerung und möchten ihre jungen Kinder davor bewahren. Die mangelnde Rezeption des Themas in der österreichischen Volksschule liegt somit vermutlich in der Tabuisierung durch viele Eltern, Lehrerinnen und Lehrer, Erzieherinnen und Erzieher und politisch Verantwortliche und einer gewissen

„Schonraumideologie“ der Erwachsenen. Diese Bedürfnis Kinder zu schützen ist oft mit der „Verfrühungsthese“ (vgl. Weninger, 1949, zit. n. Hanfland, 2008; Heyl, 1997), die in der frühen Beschäftigung mit der Geschichte eine kognitive Überforderung sieht, gepaart.

Da das Thema Holocaust vor allem ein „Tabuthema der Erwachsenen“ ist, empfiehlt Beck (1997, S. 14) diesen, sich zunächst „mit ihren eigenen Gefühlen, Ängsten und Einstellungen auseinandersetzen.“

Oft fehlen den Lehrerinnen und Lehrern aber auch die notwendige Sachkenntnis und die didaktisch-methodische Vermittlungskompetenz, um sich an das Thema heranzuwagen (vgl. Konevic, 2006, S. 77f). Oder auch der persönliche Bezug oder

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die Familiengeschichte stellen eine Hemmschwelle dar und können zur Vermeidung oder reduzierten Behandlung des Themas im Unterricht führen.

Ein Grund für die vielfach vorhandene Abwehr des Themas für die Volksschule kann aber auch in der bereits besprochenen Ungenauigkeit der Begrifflichkeit zu finden sein. Denn mit Holocaust Education ist neben dem altersadäquaten Unterricht über das historische Geschehen auch eine Art Moral- und Werteerziehung gemeint. Sie beinhaltet eine Erziehung zu Toleranz, Frieden, Gewaltlosigkeit, versucht Vorurteilen entgegenzuwirken und regt das Verständnis und die Wertschätzung von Andersartigkeit an.

In den Empfehlungen zum Unterricht über den Holocaust wird auf der Homepage der Taskforce jedoch davor gewarnt, „sorgfältig zwischen der Geschichte des Holocaust und den moralischen Lehren, die man daraus ziehen kann“ zu unterscheiden. Denn es bestünde demnach die Gefahr, „dass die Geschichte verfälscht wird, wenn sie zu sehr vereinfacht oder auf diejenigen moralischen Lehren zugeschnitten wird, die die Schüler nach Meinung der Lehrenden daraus ziehen sollten.“ Die Auseinandersetzung mit diesen Ereignissen sei jedoch notwendig, denn sie „kann Jugendliche für heutige Vorurteile und Ungerechtigkeiten sensibilisieren“. Wichtig sei es auch Schülerinnen und Schüler „mit Stereotypen, Mythen und falschen Auffassungen“ zu konfrontieren. Dadurch können sie historische Beweise mit vorgefassten Meinungen vergleichen. Eine Kombination aus historischem Faktenwissen und einer Moralerziehung wird demnach unbedingt empfohlen. Denn

„moralische Lehren können nur gut fundiert sein, wenn sie auf dem genauen und objektiven Erfassen des historischen Geschehens aufbauen“ (vgl.

www.holocausttaskforce.org/education).

Eine Reduktion des Themas ausschließlich auf soziale und moralische Unterrichtsaspekte ist meines Erachtens abzulehnen. Eine Vermittlung des Holocausts „ohne Ausschwitz“, wie sie beispielsweise Abram (1998) in seinem 3-Punkteprogramm für jüngere Lernende empfiehlt, käme meines Erachtens einer Trivialisierung und unverantwortlichen Instrumentalisierung des Themas gleich. Es geht darum, davon zu erzählen, ohne die Kinder zu überfordern oder zu überwältigen.

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Curricula, in denen sich beide Aspekte vorbildlich vereinen, wurden beispielsweise im „Staat New Jersey“(vgl. state.nj.us/education/holocaust/curriculum), im „Holocaust Human Right Center of Maine“(vgl. www.hhrc.uma.edu/trresources.htm) oder in der

„International School for Holocaust Studies“ in Yad Vashem (vgl.

http://ghetto.galim.org.il/eng/) entwickelt.

Aber auch immer mehr Museen nehmen sich der Thematik an, indem sie Programme für Kinder entwickeln. Beispielsweise sind hier das „Imperial War Museum“ in London, das „United States Holocaust Memorial Museum“ in Washington, D.C. oder das „Yad LaYeled Children´s Museum“ in Israel genannt.

Um das Zustandekommen des Holocausts nachvollziehen zu können - so ferne das überhaupt möglich ist - ist es auch in der Volksschule notwendig, den Kindern etwas über die Entwicklungsgeschichte und Entstehungsmechanismen der nationalsozialistischen Terror-Herrschaft in altersadäquater Weise, ohne die Darstellung von grausamen Einzelheiten, zu erzählen. Denn die Ideologie der Nationalsozialisten war das Spezifische des Holocausts, nicht die oft in den Vordergrund gestellten Gräueltaten (vgl. Bauer, 1990, zit. n. Abram, 1996, S.39). So sind laut Bauer Gräueltaten „absolut nicht spezifisch für den Holocaust. Sie fügen sich ein in eine lange Reihe geschichtlicher Barbarei, die bis in biblische Zeiten zurückreicht. Das Spezifische des Holocaust liegt in dem, was wir als Rassenlehre oder Naziideologie bezeichnen.“

Den Schülerinnen und Schülern sollten die Auswirkung dieser nationalsozialsozialistischen Ideologie bewusst gemacht werden und auch die Tatsache, dass sie in der Verantwortlichkeit vieler Menschen lag. Abram (1996, S.

46) konkretisiert dies mit seiner Aussage „Der ´gemäßigte` Antisemitismus des Großteils der deutschen Bevölkerung war absolut entscheidend. Er verhinderte jegliches Zustandekommen einer wirksamen Opposition gegen die Ermordung einer ungeliebten Minderheit.“

Weiter gibt er zu bedenken, dass es aber vor allem notwendig ist, „ sich selbst, die menschliche Art, kennenzulernen“ und aufzuzeigen wie „schlecht »schlecht« sein kann“ (vgl. Abram 2008). Herdegen (1999, S. 68) setzt sich dafür ein, dass schon Kinder in diesem Alter mit Machtstrukturen und politischen Einflüssen vertraut

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gemacht werden sollen und sieht es auch als ein „Ziel der Friedenserziehung in der Grundschule [...] den Kindern die Schrecken des Krieges vor Augen zu führen“.

Neben dem Bewusstwerden eigener Machtstrukturen und Aggressionen dient der Unterricht über den Holocaust auch schon in der Volksschule dazu, darüber hinaus zu zeigen, wie ein Mensch über sich hinauswachsen kann, wenn er anderen hilft (vgl.

Abram, 2008).

Diese Beispiele belegen die Tatsache, dass sich die Holocaust Education in mehreren Ländern bereits an jüngere Kinder richtet und auch für den Grundschulunterricht Bedeutung hat. In Österreich ist die Diskussion noch jung und es gibt auch noch wenige Unterrichtsbeispiele an Volksschulen. Es zeigt sich jedoch, dass immer mehr Lehrerinnen und Lehrer am Thema Interesse haben. Ihnen ist an dieser Stelle Mut zu machen und der Rücken durch das Curriculum der Volksschule zu stärken.

So gab es im Jahr 2009 mehrere Fortbildungen für Lehrerinnen und Lehrer von Heike Deckert-Peaceman an Pädagogischen Hochschulen Österreichs, die sich mit der Holocaust Education bei jüngeren Schülerinnen und Schülern (bis 12 Jahre) beschäftigten. Im Frühjahr 2011 ist an der Pädagogischen Hochschule in Linz eine diesbezügliche Fortbildung geplant und ab Herbst 2010 wird an der Pädagogischen Hochschule in Salzburg ein viersemestriger Lehrgang „Lehren und Lernen über Holocaust und Menschenrechte“ stattfinden.

Neben dem persönlichen Interesse der Lehrpersonen gibt es auch die vielfache didaktische Aufforderung und Begründung, dieses Thema im Sinne eines historisch-politischen Lernens im Sachunterricht zu bearbeiten. Eine genaue Bearbeitung dieser Diskussion ist hier nicht möglich, findet sich jedoch in aktuellen Veröffentlichungen zur Politischen Bildung in der Volksschule (vgl. Gärtner, 2008;

Langer & Windischbauer, 2010; Kühberger & Windischbauer, 2010).

Und so lassen sich die Themenbereiche der Holocaust Education durchaus im Österreichischen Curriculum für Volksschulen finden, wie nachfolgende Analyse aufzeigen wird.

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2.7 Curriculare Grundlagen im Österreichischen Lehrplan für