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3.2 Forschungsmethodik

3.2.4 Interviewdurchführung

Das hier vorgenommene Interview wurde in einer Mischform aus narrativem Interview mit Nachfragen und einem fokussierten Interview durchgeführt. Da die Lehrerin in einem Abschnitt auch zu ihren fachlichen Kompetenzen befragt wurde, lässt sich dieser kleine Bereich auch einem Experteninterview zuordnen.

Diese Interviewform bildet jedoch nicht den Focus meiner Forschungsabsichten, da es nach Meuser und Nagel (2003, zit. n. Nohl, 2009, S.21) nicht „die Gesamtperson den Gegenstand der Analyse, d.h. die Person mit ihren Orientierungen und Einstellungen im Kontext des individuellen oder kollektiven Lebenszusammenhangs“

zeigt. Die Expertinnen und Experten werden vornehmlich zu ihrem

„organisatorischen und institutionellen Zusammenhang“ befragt. Frau U. gilt hier als Repräsentantin für Handlungs- und Sichtweisen einer bestimmten Expertengruppe, hier zur Holocaust Education. Da dieses „Betriebswissen“ (vgl. Nohl, 2009, S.20f) gerade nicht mit dem Lebenszusammenhang der darin agierenden Personen, in vorliegendem Fall von Frau U, identisch ist, interessiert dieser Interviewabschnitt nur am Rande. In diesem Abschnitt des Interviews hatte mein vorbereiteter Interviewleitfaden eine steuernde und auch strukturierende Funktion.

Dem Interview liegt die narrative Form im Sinne von Fritz Schütze (1983), der dieses Interviewverfahren nach Meinung Nohls (2009, S.7) am prägnantesten ausgearbeitet hat, zugrunde. Es wurde ausgewählt, da hier die Lehrerin immer wieder die Möglichkeit zu einer freien Erzählform hat. Sie kann aus ihrer alltäglichen Handlungspraxis und ihrer Berufspraxis im Stegreif berichten, aber auch Stellungnahmen zu eigenen Einstellungen abgeben und aus ihrer Lebensgeschichte erzählen. Diese anfänglich narrative Interviewform ging später in ein „Teil-narratives Interview“ über (vgl. Flick, 2007).

Die darin gezielt gestellten (Nach-) Fragen, dienten dazu, Gesagtes zu vertiefen, bzw. dem Gespräch eine neue Richtung zu geben. Dabei war wichtig, die Fragen nicht nacheinander zu bearbeiten und „abzuhaken“, sondern immer weitere Fragen zum bereits angesprochenen Thema zu stellen, d.h. immanent nachzufragen.

Der übergeordnete, fokussierende Aspekt lag in der Intention „hinter die Sache zu blicken“ und hatte als Ziel, die in der offenen Erzählsituation gemachten Aussagen

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genauer zu analysieren, dahinter zu kommen, wie und was die Lehrerin aussagt.

Über mögliche Motive, Motivationen und Einstellungen, also die Orientierung von Frau U. sollte dadurch mehr in Erfahrung gebracht werden.

Durch eine offene Fragestellung zu Beginn des Interviews wurde Frau U. motiviert, von sich aus, für sie selbst Wichtiges und Relevantes zum Projekt und zu ihrer Motivation zu äußern. Zwischenfragen sollten Unklarheiten klären oder zum „roten Faden“ zurückführen. Dabei sollte der Redefluss von Frau U. nicht unterbrochen und sie - im Gegenteil - zum Sprechen motiviert werden.

Das Interview dauerte ohne Pause 1 ¾ Stunden. Frau U. war bis zum Ende auf das Thema fokussiert und zeigte keine Ermüdungserscheinungen. Das Gesprächsklima war von Interesse und Wertschätzung geprägt.

4 Interpretation des Interviews

Im Gegensatz zu Nohls Empfehlung (2009, S. 45f) wurde das gesamte Interview transkribiert, da die schriftlichen Aufzeichnungen die Analyse erleichtern. Da es sich in vorliegender Arbeit um eine Einzelfallstudie handelt und somit nur eine Interview- Transkription notwendig war, erschien dies als überschaubarer Arbeitsaufwand.

Bei der Interpretation des Interviews fand die bereits erläuterte „dokumentarische Methode“ Anwendung.

Durch die Auflistung des thematischen Gesprächsverlaufes gelang es interessierende Themen für die Analyse zu finden. So fanden sich zu den bereits vorbereiteten Kategorien neue Themen.

In der Folge wurden markante Textstellen, die Gemeinsamkeiten erkennen ließen, zusammengefasst und mit Rand-Kommentaren versehen. Diese Analyse des Interviews bezeichnet Schütze (1983a, zit. n. Nohl, 2005, Kap.3) als die Rekonstruktion „sequentiell geordnete Aufschichtung größerer und kleinerer in sich sequentiell geordneter Prozeßstrukturen“.

Hier sei speziell darauf hingewiesen, dass in der formulierenden Feininterpretation bewusst auf eine wissenschaftliche Sprache verzichtet wird (vgl. Nohl 2009), es geht lediglich darum den Inhalt der Worte in eigenen Worten wiederzugeben, um den

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Sinngehalt besser verdeutlichen zu können. Bei dieser Interpretation wird auch auf die gendergerechte Bipolarität verzichtet, da sich die Wiedergabe am Originaltext orientiert.

Um eine bessere Authentizität zu erreichen, wurde das Interview möglichst lautgetreu im Dialekt dargestellt.

Die Analyse der einzelnen Belegstellen geschieht im Wesentlichen in dreifacher Form; zuerst in der Wiedergabe der Originalform des Interviews, dann in der formulierenden Feininterpretation und anschließend in der reflektierenden Interpretation. Im Fall eines thematischen Zusammenhangs erfolgt die reflektierende Interpretation an wenigen Stellen nicht unmittelbar der formulierenden Feininterpretation, sondern wird nachfolgend zusammengefasst oder wird den Interviewpassen auch vorangestellt.

Die Gesamtinterpretation setzt sich aus zwei Kapiteln zusammen. Das erste

„Betrachtung der Lehrperson“ analysiert die Rolle der Lehrerin im Bezug auf das Unterrichtsprojekt und auf Empfehlungen aus der Holocaust Education. Zusätzlich gilt es Einstellungen und Motivationen, die ihrem Handeln zugrunde liegen, näher zu beleuchten. Dies geschieht anhand von Aussagen über die eigene Familiengeschichte aber auch durch die Einschätzungen der Lehrerin zu ihrer Schulumgebung, zu den Eltern, den Lehrerinnen und Lehrern und zu den Schülerinnen und Schülern.

Das zweite Kapitel „Betrachtung des Projektablaufes“ nimmt Bezug zu Schwerpunkten, Empfehlungen und Richtlinien der Holocaust Education, die bereits im theoretischen Teil Behandlung fanden. Anhand markanter „Stichwörter“, die als Überschriften Verwendung finden, wird der Projektablauf analysiert und in Relation zu den theoretischen Erkenntnissen gesetzt.

Im Anschluss an das jeweilige Kapitel werden die Ergebnisse der Interpretationsabschnitte nochmals überblicksmäßig zusammengefasst.

Selbstverständlich werden Anonymisierungen der Lehrerin, des genauen Schulstandortes und der Schülerinnen und Schüler bei nachfolgender Analyse vorgenommen.

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