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Von der Orientalischen zur Konsularakademie

2.3 Drei neue Bildungsinstitute zur Gewinnung von staatstreuen

2.3.3 Orientalische Akademie

2.3.3.2 Von der Orientalischen zur Konsularakademie

Mit 1. Jänner 1754 eröffnete Maria Theresia ihre „k. k. Akademie der morgen-ländischen Sprachen“ in Wien, die bald „Orientalische Akademie“ genannt wurde.

Die ersten acht Zöglinge waren vorher Sprachknaben in Konstantinopel. Aus -nanziellen, organisatorischen und ideellen Gründen wurde die Leitung des neu ge-gründeten Institutes dem Jesuitenorden übergeben und räumlich in einem Teil des alten Jesuitenkollegiums untergebracht. Mit Jesuitenpater Joseph Franz (1754–

1769) war ein Gründungsrektor bestellt worden, der als Erzieher von Joseph II. das nötige Vertrauen der Herrscherin besaß und als Sekretär des österreichischen Resi-denten bei der Pforte, Anton Cor z Graf Ulfeld, seine Kenntnis der türkischen Sprache sowie der politischen Verhältnisse des osmanischen Reiches erwerben konnte.59P. Joseph Franz wollte die Zöglinge zu Männern erziehen, „in welchen sich gründliche Kenntnisse, Geschäftsgewandtheit und feine Sitte mit tadelloser, auf wahre Religiosität gegründeter Sittlichkeit vereinigen.“60

Ein Organisationsstatut aus der Eröffnungszeit existiert nicht im Archiv. Aus den Gutachten des Jahres 1753 geht hervor, dass das Hauptanliegen die Ausbil-dung in der türkischen Sprache war. Außerdem wurden Latein, Italienisch, Franzö-sisch und Neugriechisch, Geschichte, Geographie und Kalligraphie vorgeschlagen.

Auf eine individuelle Unterweisung kann aus der Erfahrung der Jesuiten, aus dem unterschiedlichen Alter der Zöglinge61 und aus verschieden langer Aufenthalts-dauer im Internat geschlossen werden.

Durch die Denkschrift vom 31. März 1773 kennen wir die „Satzungen der k. k.

Akademie der Orientalischen Sprachen“.

58 Pfusterschmid-Hardtenstein, S. 138 Anm. 49.

59 Pfusterschmid-Hardtenstein, S. 140.

60 Aus dem Vorschlag von P. Joseph Franz zur Errichtung der Akademie, HHStA: Archiv der

Ori-Sprachen Sachfächer – Latein, Deutsch;

– Türkisch;

– Persisch u. Arabisch nur soweit sie für Türkisch notwendig sind;

6. die Rechte nach allen ihren Teilen.

Außerdem wurde Tanzen, Fechten und Zeichnen gelehrt.

Jahrgang Sprachen Sachfächer

Das Anwendbarste aus den Institutionen des Römi-schen Rechtes

Alle fünf Jahre: Religionslehre, Kalligraphie, Zeichnen, Tanzen.

1784 wurde für die Aufnahme in die Orientalische Akademie von Graf Phil-ippCobenzl62eine Aufnahmeprüfung eingeführt, um die bisher übliche Willkür und Gunst einzuschränken. Der Prü ing sollte in einer Präparandenschule ein Jahr vorbereitet werden und die Aufnahme nach dem Prüfungsergebnis erfolgen. Der Zweck wurde nur teilweise erreicht. Die Prüfung wurde nicht öffentlich ausge-schrieben und der Zutritt nur solchen Kandidaten gestattet, deren Eltern hierzu bei der Staatskanzlei besonders empfohlen wurden.63

Seit dem 25. September 1812 umfasste der Studienplan fünf Jahrgänge, was auf das Erfordernis gleichförmiger Vorbildung der Aspiranten hinweist. Im ersten Jahr wurde man nur mehr bedingt aufgenommen.

1820 wurde von den neu Eintretenden die vorhergehende Absolvierung der philosophischen oder wenigstens der Gymnasialstudien verlangt.

2.3.3.3 1833: Neue Aufnahmeprüfung und neuer Studienplan

Mit Erlass vom 11. Mai 1833 wurde eine neue Aufnahmeprüfung eingeführt: ein Aufsatz in lateinischer Sprache; ein Aufsatz in deutscher Sprache über ein Thema der österreichischen Geschichte; ein Aufsatz aus der Religionslehre; eine Überset-zung aus dem Französischen ins Deutsche.

Fechten, Tanzen, Schwimmen und Reitunterricht in der Hofreitschule wur-den weiterbetrieben. Bei besonderen Erfolgen war eine Reduktion der Studienzeit möglich, sodass in der Praxis das sechste Jahr nur wenige Monate dauerte oder ganz wegfallen konnte.64

Ab 1849/50 wurde der Sprachunterricht für Englisch sukzessiv intensiviert.

1861 erfolgte die Errichtung von Lehrkanzeln für persische und vulgärarabische Sprachen.65

Vom Studienjahr 1880/81 angefangen wurden im Einvernehmen mit dem Reichskriegsministerium militärwissenschaftliche Vorträge aktiviert, welche das Heerwesen sowie die Militärgeographie zum Gegenstand hatten.

entalischen bzw. Konsular-Akademie, K 52;Weißvon Starkenfels, S. 5 f; Pfusterschmid-Hardtenstein, S. 139f.

61 Der Jüngste war 8 Jahre, Thugut fast 18 Jahre.

62 Johann Philipp Graf Cobenzl, *28. Mai 1741, Laibach (Ljubljana, SLO); † 30. Aug. 1810, Wien. Begleiter Josephs II. in Frankreich, 1779 Staatsvizekanzler, als Nachfolger von Fürst Wenzel Kaunitz 1792 Hof- und Vizekanzler sowie Außenminister; 1793 wegen Misserfolgen bei der zweiten Teilung Polens abgesetzt; 1802–1805 Gesandter in Frankreich. Österreich Le-xikon Bd. I, S. 196.

63 Hammer-Purgstall, S. 19.

64 Zusammenstellung nach der Festschrift: Die K. u. K. Konsularakademie von 1754 bis 1904.

Vgl.Deusch1961, S. 287–290;Pfusterschmid-Hardtenstein, S. 191–193.

65 Joukova, S. 45.

Jahrgang Sprachstudien Juristisch-Diplomatische Studien I.

1. Halbjahr

2. Halbjahr

Arabisch, Persisch,

Italienisch A. Geschichte von Asien bis zum Untergang des Kalifates

B. Das natürliche Privat-, Staats- u.

Staatenrecht

A. Geschichte der türkischen Völker und Reiche

B. Das römische Recht

II. Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch

III.

1. Halbjahr

2. Halbjahr

A. Die Allgemeine Gerichts- u.

Konkursordnung B. Das Handelsrecht C. Das Wechselrecht

A. Das Gesetzbuch über Verbrechen und schwere Polizeiübertretungen B. Das Seerecht

IV. Neugriechisch A. Statistik

B. Diplomatische Staatengeschichte V. Englisch (Wahlfach) A. Das positive Völkerrecht

B. Die politischen Wissenschaften VI. Diente der Vervollkommnung in den verschiedenen Sprachen und der

Vorbereitung auf die Abschlussprüfung

Im Studienjahr 1880/81 wurde der Unterricht in einer slawischen Sprache, Ser-bisch oder Russisch, für obligat erklärt; ebenfalls wurde die ungarische Sprache und das ungarische Recht in den letzten zwei Jahrgängen eingeführt, das orientalische Sprachstudium eingeschränkt, das Hauptgewicht sei auf die Erlernung der türki-schen Sprache zu legen.66

1884/85 wurde ein Lehrkurs für deutsche Stilistik eingeführt. Mit Beginn des Studienjahres 1892/93 wurden die Ungarischlehrstunden erhöht und auf drei Jahrgänge ausgedehnt, im Studienjahr 1895/96 ein besonderer „Korrepetitions-unterricht“ für diese Sprache eingeführt. Im Studienjahr 1897/98 wurde ein pro-pädeutischer Unterricht in der chinesischen Sprache für Hörer des vierten und fünften Jahrgangs eingeführt. Dieses Studienjahr verzeichnete auch einen Schwer-punktwechsel: Der Englischunterricht wurde P ichtfach und auf die vier letzten

66 Go uchowski, S. 30.

Jahrgänge erweitert. Neugriechisch und Serbisch wurden gestrichen und Italie-nisch eingeschränkt.67

Nach dem Promemoria von Pidoll68lag das Schwergewicht der Akademie nach der Stundeneinteilung 1897/98 bei der Sprachausbildung.

Jahrgang Sprachen Realien Summe

I. 18 7 25

II. 21 6 27

III. 20 6 26

IV. 19 10 29

V. 16 11 27

Summe der Lehrstunden 94 40 134

Aus dieser Statistik ist ersichtlich, dass ca. 70 % der Gesamtstudienzeit auf das Sprachstudium ent elen. Durch die Reform im Jahre 1898 wurde der Name auf k. u. k. Konsularakademie abgeändert; es entstand eine orientalische Abteilung und eine westländische oder allgemeine Abteilung. In der letzteren wurde die Gesamt-stundenzahl für die Sprachausbildung von 94 auf 56 Lehrstunden gesenkt, in der orientalischen Abteilung auf 82 Stunden herabgesetzt.69Für die orientalische Ab-teilung wurden nur linguistisch besonders begabte Zöglinge ausgewählt und, falls notwendig, Erleichterungen gewährt. Bei der Angabe zum Sprachstudium han-delte es sich um Richtzeiten, die individuell abgewandelt werden konnten, weil manche Jahrgänge aus sehr kleinen Gruppen bestanden. Bei der Sprachenvielfalt der Monarchie konnte z. B. ein Jüngling mit ungarischer oder italienischer Mut-tersprache vom obligatorischen Unterricht derselben teilweise befreit werden.