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Die Außenpolitik gehörte seit jeher zu den Vorrechten eines Landesherrn. Die den Monarchen dabei unterstützende Behörde unterschied sich von den Einrich-tungen der inneren Verwaltung. Die einschneidendste Veränderung, die Maria Theresia in der politischen Verwaltung vornahm, war 1742 die Lostrennung der außenpolitischen Agenden und der Angelegenheiten des Erzhauses von der öster-reichischen Hofkanzlei und ihre Verselbständigung in einer Hof- und Staatskanz-lei.26Zunächst blieb die Staatskanzlei weiter eine Schreibstube. Dem Hofkriegsrat wurden die von ihm von alters her betreuten außenpolitischen Agenden, die Bezie-hungen zu Russland und zur Türkei belassen.27Nach 1753 war die Staatskanzlei für die Türkei zuständig.28 Einen neuen Inhalt erhielt das Amt erst durch zwei Persönlichkeiten: Wenzel Anton Graf Kaunitz-Rietberg, der am 13. Mai 1753 Leiter des Amtes bis 1793 wurde, nach französischem und niederländischem Vor-bild organisierte, und Clemens FürstMetternich, der von 1809 bis 1848 amtierte und ebenfalls den Beamtenapparat formte.29Kaunitz-Rietberg gilt als Schöpfer des modernen Außenministeriums und des diplomatischen Dienstes des Habsburger-reiches.30

Nach der Wiener Märzrevolution des Jahres 1848 wurde in Österreich ein Ministerium des kaiserlichen Hauses und des Äußern eingerichtet,31das aus der Geheimen Haus-, Hof- und Staatskanzlei mit AE vom 17. März 1848 hervorging.

Der Wirkungskreis des Außenministeriums wurde erst 1852 festgelegt.32 Fürst Schwarzenberg stellte im Oktober 1851 im konzipierten Antrag an den Kaiser fest, dass es in der Frage, welche Angelegenheiten des kaiserlichen Hauses dem Ministerium des Äußeren zufallen, einen Mangel an positiven Normen und Anhaltspunkten gebe. Man könne aber den bisherigen, von keiner Seite beanstan-deten Gebrauch zur Richtschnur nehmen.33

26 Walter1972, S. 93.

27 Klingenstein1975, S. 270;Matsch1986, S. 45 bestreitet die ständige Betreuung von Russ-land durch den Hofkriegsrat.

28 Matsch1986, S. 45.

29 Walter1972, S. 130;Klingenstein1975, S. 284, 299; 284–301 über die Reorganisation.

30 Szabo, F. 1996, S. 11f;Szabo, F. 1993, S. 268–277;Matsch1986, S. 54 f.

31 Matsch1986, S. 82, 206f.

32 AE vom 12. April und 27. Mai 1852; AE v. 12. April 1852, abgedruckt beiMatsch, S. 207–

209.

33 Die österreichische Zentralverwaltung, III. Abt./Bd. 2, S. 152. Wurde im Vortrag vom 9. Jän-ner 1852 vorgelegt; AE v. 12. April 1852.

Als Minister des kaiserlichen Hauses hatte er nach älterer Tradition die Auf-gabe, auf die Wahrung der Rechte und P ichten der Mitglieder der Herrscherfami-lie, vor allem auch in vermögensrechtlicher Hinsicht, zu achten, bei den Entwür-fen zu Ehepakten und Renuntiationserklärungen mitzuwirken, überhaupt auch als Notar für Urkunden, die solche Angelegenheiten betrafen, zu fungieren. Er hatte aber auch die Evidenz über die Geheimräte zu führen und an deren Beeidigung teilzunehmen.34

Der Außenminister der Habsburgermonarchie war nach 1848 der ranghöchste Minister des Staates und hatte auf Grund seiner Amtsstellung bedeutende Mög-lichkeiten zur politischen Ein ußnahme auch auf Bereiche der Staatspolitik, die nicht zum engeren Ressort der Außenpolitik gehörten.35Bei der de nitiven Rege-lung vom 12. April 1852 wurde der Wirkungskreis des Ministers reduziert.

2.2 1852: Regelung für den Minister des Kaiserlichen Hauses und des Äußeren36 Besonderer Wirkungskreis des k. k. Ministeriums des kaiserlichen Hauses

Die vorher angeführten Verp ichtungen gegenüber den Mitgliedern des Kaiser-hauses und der Geheimräte blieben erhalten.

Besonderer Wirkungskreis des k. k. Ministeriums des Äußeren

§ 1 „Die Vertretung der Rechte und Interessen des Reiches oder der einzelnen Theile desselben den auswärtigen Staaten gegenüber.

§ 2 Die Vertretung der Rechte und Interessen der einzelnen österreichischen Staats-angehörigen im Auslande, insofern selbe zu einem diplomatischen Einschreiten sich eignen.

§ 3 Die Correspondenz mit den auswärtigen, am kaiserl. Hofe accreditirten Missionen und die Vermittlung des Verkehrs derselben mit inländischen kaiserl. Behörden.

§ 4 Die Einbegleitung oder Unterstützung der Wünsche und Angelegenheiten auswär-tiger Regierungen oder deren Angehörigen über Einschreiten der fremden, am kaiserl.

Hofe accreditirten oder der kaiserl. Missionen im Auslande bei Sr. Mt. oder den Be-hörden des Inlandes.

§ 5 Die Abfassung der Entwürfe zu den kaiserl. Schreiben an die fremden Souveraine und Repräsentanten der obersten Regierungsgewalt in den Republiken so wie zu den herkömmlichen Noti kationen über die im Kreise der kaiserl. Familie sich ereignen-den Vermählungen, Geburten, Todesfälle u. d. g.

34 Die österreichische Zentralverwaltung, III. Abt./Bd. 2, 156f.;Goldinger, W. 1975, S. 170.

35 Rumpler1989, S. 6.

36 AE über den besonderen Wirkungskreis des K. K. Ministeriums des Kaiserlichen Hauses und des Äußern. Wien, 12. April 1852.

§ 6 Die Ertheilung von Instruktionen an die kaiserl. Gesandten und die diplomatischen Agenten, so wie an die Consuln, insoweit letzteren Aufträge zu ertheilen sind, wel-che zum Wirkungskreise des Ministeriums gehören. [Die Leitung der den kaiserliwel-chen Consuln im türkischen Gebiethe über österr. Unterthanen zustehenden Rechtsp ege im Einvernehmen mit dem Justizministerium – angefügt mit AE v. 18. Jänner 1853.]

§ 7 Die Unterhandlung und der Abschluß aller Staatsverträge und sonstigen Uiberein-kommen mit den auswärtigen Staaten nach Einholung der Ah. Bewilligung und zwar bei administrativen Gegenständen im Einvernehmen mit jenen Ministern, in deren Wirkungskreis die bezüglichen Gegenstände gehören, so wie die Einholung der Allerh.

Rati kationen der zum Abschlusse gebrachten Traktate.

§ 8 Die Verhandlungen mit dem heiligen Stuhle in Beziehung auf kirchliche Angele-genheiten, namentlich hinsichtlich der Präkonisierung der geistlichen Oberhirten über dießfälliges Ersuchen des Cultus-Ministeriums.

§ 9 Die Uiberwachung und Vertretung der Rechte des deutschen Ritterordens: nach

§ 17 des Ah. Patentes vom 28. Juni 1840.

§ 10 Die Einholung der Ah. Bewilligung zur Annahme und zum Tragen der von aus-ländischen Souverainen an kais. österreichische Unterthanen verliehenen Orden und Auszeichnungen nach Umständen im Einvernehmen mit den bezüglichen Ministe-rien; die Antragstellung auf Verleihung k. k. Orden an fremde Staatsangehörige.

§ 11 Die Legalisirungen und zwar sowohl der im Lande angefertigten und für das Ausland bestimmten Urkunden, als auch umgekehrt derjenigen, welche im Ausland ausgestellt und im Inland gebraucht werden.

§ 12 Die Ausfertigung der Staatskanzlei-Pässe nach den dießfalls bestehenden Anord-nungen.

§ 13 Die Regulirung und Leitung der diesem Ministerium untergeordneten Ämter und Anstalten, nämlich: a) des Haus-, Hof- und Staatsarchivs,

b. des Ziffer- und Translatoren-Bureaus, c. des Zahlamtes und

d. der orientalischen Akademie mit Rücksicht auf die der Ah. Genehmigung be-stimmten Vorbehalte.

§ 14 Den a.u. Vorschlag zur Besetzung der Stiftungsplätze in der orientalischen Akade-mie.

§ 15 Die Mitwirkung zur Ernennung der General-Consuln, Consuln und Consularbe-amten.

§ 16 Zu den im § 3 des allgemeinen Wirkungskreises der Ministerien der Ah. Ernen-nung vorbehaltenen Dienststellen des Ministeriums des Äußern gehören auch noch die Haus-, Hof- und Staatsarchivare, die Legations-Sekretäre und die Gesandtschafts-Attachés.“37

37 AR 77/1852. Wortlaut in: Die österreichische Zentralverwaltung, III. Abt./Bd. 2, S. 156–159;

ebensoMatsch1986, S. 207–209;Rumpler1989, S. 15.

Der § 3 des allgemeinen Wirkungskreises der k. k. Ministerien regelte die Eigen-verantwortung bei Aufnahme und Entlassung von Beamten und Dienern, deren Jahresgehalt oder Lohn einschließlich aller Nebenzulagen den Betrag von 1000 Gulden Konventionsmünze nicht überstieg, ebenso die Erteilung von Belohnun-gen, Remunerationen, Aushilfen und Urlaubserteilung.38

Es verdient Beachtung, dass Korrespondenz des Herrschers mit fremden Sou-veränen in die Zuständigkeit des Ministers el. Der Geschäftsverkehr vom Minis-terium des Äußeren zum Herrscher ging nicht über die Kabinettskanzlei. Vom Ballhausplatz erhielt der Kaiser die diplomatischen Berichte direkt in einer soge-nannten „Informationstasche“ zugestellt, zu der nur er den Schlüssel besaß.39Bei der Ernennung der Generalkonsuln, Konsuln und Konsularbeamten stand dem Außenminister nur ein Mitwirkungsrecht zu. Sie unterstanden ja dem Handelsmi-nisterium.40Die Konsulate hatten sich auch an die Instruktionen des Außenminis-teriums zu halten, insoweit es sich um Aufträge handelte, welche zum Wirkungs-kreis des Ministeriums gehörten.

Mit AE vom 18. Jänner 1853 musste das Handelsministerium seine Zustän-digkeit bei der den österreichischen Konsuln im türkischen Gebiet über österrei-chische Untertanen zustehenden Rechtsp ege an das Außenministerium abtreten, das im Einvernehmen mit dem Justizministerium vorzugehen hatte.41

Erst 1859 (AE vom 12. Sept. 1859) ging die Zentralleitung des gesamten Kon-sulatswesens vom Handelsministerium auf das Außenministerium über.42 Das blieb so bis 1918. Seit Metternich unterschied man in der Staatskanzlei ausschließ-lich nach politischen und administrativen Gesichtspunkten, die in der Organisa-tion des Außenministeriums bis 1918 beibehalten wurden.

Von 1848 bis 1918 erhielt das Außenministerium siebenmal neue Geschäfts-ordnungen.43 Über alle Detailänderungen, Akzentsetzungen und unterschiedli-chen Bezeichnungen hinweg gab es folgende Abteilungen oder Sektionen des Mi-nisteriums:

1. eine Sektion für politische oder auswärtige Angelegenheiten, 2. eine Sektion für administrative oder inländische Angelegenheiten, 3. ein persönliches Büro des Ministers und

38 Die österreichische Zentralverwaltung, III. Abt./Bd. 2, Wortlaut S. 147–149 (146–152).

39 Reinöhl, S. 253.

40 Besonderer Wirkungskreis des k. k. Ministeriums für Handel, Gewerbe und öffentliche Bau-ten, AE v. 12. April 1852; Wortlaut in: Die österreichische Zentralverwaltung, III. Abt./Bd. 2, S. 173–180.

41 Die österreichische Zentralverwaltung. III. Abt./Bd. 2, S. 180.

42 Jb. 1898. Wien 1898, S. 3f.

43 Matsch1986, S. 96.

4. eine Hilfsämtersektion (Chiffren- und Übersetzungswesen, Registratur, Ar-chiv).44

Das Zentrum der außenpolitischen Willensbildung war die politische Sektion mit ihren nach geographischen Regionen gegliederten Referaten. Das wichtigste dieser Referate war zu allen Zeiten das „Orientalische“ oder Balkanreferat. Im Orientali-schen Referat wurde „das aktive politische Geschäft betrieben.“45

2.3 Drei neue Bildungsinstitute zur Gewinnung von staatstreuen Beamten