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Zum Verhältnis adeliger und bürgerlicher

Das Verhältnis des Adels zu Untergebenen war von einer heute kaum noch vor-stellbaren Distanz bestimmt. Der Verkehr vollzog sich wie zwischen Lebewesen verschiedener Arten. Zur Welt des Bürgertums fand man kaum ein richtiges, je-denfalls kein gesellschaftliches Verhältnis. In Prag gab es eine „zweite Gesellschaft“.

Sie bestand aus Militär- und Beamtenadel, Industrieleuten und führenden Kreisen der Intelligenz und des Kulturlebens. Man nahm sie politisch zur Kenntnis, saß in allerlei Ausschüssen, kulturellen Organisationen und Wohltätigkeitsveranstaltun-gen mit ihr beisammen, aber gesellschaftlich gab es kaum VerbindunWohltätigkeitsveranstaltun-gen.377

373 AR F 8/310 Generalia 1880–1918. In diesem Bestand nden sich alle Beispiele, die in diesem Unterkapitel angeführt werden.

374 1912 wurde das Jahreshonorar des Konsulararztes in Vlorë auf 200 Francs erhöht, vorher hatte derselbe 20 Jahre lang nur 100 Francs bekommen. Dafür hatte er den Amtschef samt Familie und Gesinde sowie die beiden Kawassen samt Familie behandelt, obwohl er allein durch Ma-lariaerkrankungen häu g das Konsulat besuchen musste. Nach der Erhöhung wurden sogar die k. u. k. Honorarbeamten unentgeltlich behandelt. In Amsterdam bekam der k. u. k. Kon-sularzt 1917 bei amtsärztlichen Untersuchungen 2 holländische Gulden pro Untersuchung als vereinbartes Honorar.

375 1893 wurde Dr. Joseph Pollak in Alexandrien als unbesoldeter Konsulararzt feierlich ange-lobt. Ernennungen zum Konsulararzt in Alexandrien erfolgten seit den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts. In dieser Eigenschaft musste er neben den ärztlichen Verp ichtungen alle zwei Wochen einen Bericht über die sanitären Verhältnisse Ägyptens verfassen. In Alexan-drien existierte ein gut dotierter Posten eines k. u. k. Sanitätsdelegierten beim internationalen Sanitäts- u. Quarantänekonseil für Ägypten, für den man sich auf diese Weise empfehlen konnte.

376 1886 schlug der k. u. k. Konsul in Edirne den Konsulararzt Dr. Constantin Zupan, der nach 20 Jahren wegen Kränklichkeit diesen Titel zurücklegte, für einen Orden vor, weil er in der Vergangenheit arme Österreicher unentgeltlich behandelt und sie aus eigener Apotheke mit Medikamenten versorgt hatte.

377 Siegert, S. 7.

Als eine Folge der großen französischen Revolution und aus Misstrauen vor revolutionären Bürgerlichen musste der österreichische Beamte seit 1801 bei Ab-legung des Diensteides schwören, keiner geheimen Gesellschaft anzugehören.

Obwohl seit Joseph II. die Ausbildung für Stellenbesetzungen entscheidend sein sollte, waren Sonderkarrieren für Adelige möglich. Das System der supernu-merären Beamten, das seit 1802 vereinzelt und nach 1826 mehrmals vorgekom-men war, bot dazu eine Möglichkeit. Diese supernumerären (überzähligen) Stellen wurden nicht bezahlt, ermöglichten aber, praktische Erfahrung und anrechenbare Dienstzeiten zu erwerben, und berechtigten nach Jahren, einen höheren bezahl-ten Posbezahl-ten einzunehmen.378Für Stekl war im Vormärz für Hocharistokraten ein rascher Aufstieg zu den monopolisierten Spitzenstellungen im diplomatischen, Militär- oder Verwaltungsdienst durch ein ussreiche Protektion eine institutiona-lisierte Gep ogenheit.379Für den Konsulatsbereich ist seine Behauptung weniger zutreffend.

Da „die Beförderung auf dem Weg der überzähligen Dienstleistung häu g zu Kränkungen verdienter Beamten und zur Entmutigung Anlaß gegeben haben“, wurden sie 1848 abgeschafft.3801848 wurden einige Vorrechte des Adels aufgeho-ben. So wurde z. B. der privilegierte Gerichtsstand (Ausnahme Lombardei) durch die Reichsverfassung vom 25. April 1848 und die Befreiung des Adels von der Mi-litärp icht mit Patent vom 5. Dezember 1848 abgeschafft.381Gegen Nivellierung beschwerte sich GK Frhr. v. Wallenburg im Juni 1849 bei Außenminister Fürst Schwarzenberg. Wallenburg war gegen die in der amtlichen Korrespondenz einge-führte Übung, dass „gegen höhere zumal im Auslande beglaubigte Staatsbeamte, selbst ohne Rücksicht auf ihre Geburt, h. Verdienstorden u.d.g. ohne alle Aus-nahmen die Ansprache‚Hochwohlgeboren`beobachtet wird, während lediglich gegen Beamte der untersten Dienstkategorien und gegen unadelige Individuen die verbrauchte Titulatur‚Wohlgeboren`üblich ist“; der GK wünschte aus schickli-cher Courtoisie in amtlichen Zuschriften mit seinen früheren Titeln angesprochen zu werden. In der Antwort vom 29. Juni wurde sein Antrag abgelehnt, zwischen

„Durchlauchtig hochgeboren und Hochwohlgeboren“ und den übrigen Adeligen oder nichtadeligen Funktionären zu unterscheiden. Schwarzenberg teilte Wallen-bergs Überzeugung nicht, dass diese Formalität auf die Geschäfte selbst irgendei-nen nachteiligen Ein uss ausüben oder das persönliche Ansehen eines kaiserlichen diplomatischen Agenten, welches auf besseren Fundamenten als einer leeren

Cour-378 BeidtelBd. II, S. 108f., 228f.

379 Stekl, S. 118.

380 Schreiben des Ministers Frhr. v. Pillersdorf an sämtliche Länderchefs vom 13. Mai 1848. Vgl.

Politische Gesetzessammlung, Bd. 76, Nr. 64. Der Adel und das Staatsbeamtentum. In: Hu-gelmann, S. 349f.

381 Militärp icht herrschte für Adelige vorher in den Provinzen Tirol, Dalmatien und der Lom-bardei.Waldstein-Wartenburg, S. 140.

toisieformel ruhen müsse, irgendwie beeinträchtigen könnte.382Rangfragen waren in der Gesandtschaft von Rom 1856 noch so wichtig, dass sogar ein Bericht an das Außenministerium geschickt wurde, welcher Sekretär der Gesandtschaft im Staats-kalender an erster Stelle genannt werden soll.3831849 wurde die Theresianische Akademie auch für Nichtadelige zugänglich. Formal wurden Adelige und Bürger-liche vor den Gesetzen gleichgestellt, doch in der Praxis setzte sich die Gleichbe-rechtigung innerhalb der Amtsstuben nur langsam durch. Besonders im diploma-tischen Dienst stachen Angehörige hochadeliger Familien durch Gemeinsamkeit der Herkunft, der verwandtschaftlichen Beziehungen, der Erziehung und der ma-teriellen Besserstellung hervor. In solche Kreise einzudringen, war für Bürgerliche schwer, weil sie meistens in der Lebenshaltung nicht mithalten konnten.384 Die immer wieder behauptete Bevorzugung des Adels im österreichischen Staatsdienst bildete wiederholte Male einen Gegenstand parlamentarischer Beschwerden, die immer zurückgewiesen wurden, besonders nachdrücklich in der Budgetdebatte des Jahres 1889.385Schon in der 1869 beschlossenen Neuregelung des Personal- und Salärstatuts der effektiven Konsularfunktionäre und des Kanzleipersonals wurde das Prinzip aufgestellt, „dass jederzeit der Mann für den Posten, nicht aber der Pos-ten für den Mann zu bestellen sei!“386

Bei der Aufnahme in die Orientalische Akademie richtete sich das Außenminis-terium nach erbrachten Leistungen. 1869 empfahl Kaiser Franz Joseph das Ansu-chen des Triestiners Goracuchi zur Aufnahme in diese Akademie. Die Prüfer lehn-ten ihn ab, weil seine Prüfungsergebnisse den beslehn-ten Arbeilehn-ten nachstanden; durch seine unvollständigen Kenntnisse in der deutschen Sprache erschien er für die Auf-nahme in die Anstalt nicht gehörig quali ziert. Die letzte Entscheidung über die Aufnahme lag beim Kaiser, der sich aber der Meinung der Prüfer anschloss.387Aus der Tatsache, dass 1911 der Sohn einer geadelten jüdischen Industriellenfamilie aus Ungarn bei der Aufnahmeprüfung nicht bestand, kann nicht auf Vorurteile geschlossen werden. Bei der gleichen Prüfung teilten zwei Abkömmlinge aus sehr bedeutenden und im Staatsdienst mehrfach vertretenen Familien des Hochadels Österreichs und Ungarns dieses Schicksal. Für den Ungarn wäre sogar ein von der eigenen Familie eingerichteter Stiftsplatz zur Verfügung gestanden.388

382 GK Friedrich v. Wallenburg an Außenminister Fürsten v. Schwarzenberg, Warschau, 16. Juni 1849, Nr. XXXV /1140. AR F 4/369.

383 AR F 4/113 Pe. Gravenegg.

384 Pfusterschmid-Hardtenstein, S. 134.

385 Ministerpräsident Gf. Taaffe in der Sitzung des Abgeordnetenhauses vom 13. März 1889: 307.

Sitzung der X. Session; Stenographisches Protokoll, S. 11114f.

386 Pfusterschmid-Hardtenstein, S. 147f.

387 AR F 8/276.

388 AdK Karton 76, Aufnahmegesuche 1911/12 nach Pfusterschmid-Hardtenstein, S. 150.